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Folge gegeben hat. In bezug auf die andere Frage, die Siche- rnug der Bauhandwerker, die ebenfalls angeregt wurde, sind im Reichstage in der Kommission erhebliche Bedenken erhoben worden, man vertröstete auf das bürgerliche Gesetzbuch, also auf das kommende Jahrhundert. Die Frage ist aber so dringend, daß sie unmöglich verschoben werden kann. Der Justizminister hat hier im Hause die Erklärung abgegeben, daß er eventuell bereit sei, die Sache im Wege der Landesgesetzgebung zu regeln bei Revision der Subhastations- Ordnung. Hoffentlich wird in der nächsten Session eine Vorlage bezüglich des Vorrechts der Bauhandwerker gemacht. Die jetzt gemachte Vorlage ist so ein- fach, daß sie wirklich im Hause ohne Kommffsionsberathung erledigt werden kann. Der Zustand, wie er jetzt besteht, ist ein unerträglicher. Der Vermiether' kmnn dem Miether das letzte Möbelstück abnehmen, er kann ihn nackt und bloß auf die Straße setzen. Was hat der Vermiether aber davon? Er muß einen vollstreck- baren Rechtstitel haben, um die Pfändung zu vollstrecken. Die nothwendigen Sachen darf er aber nicht pfänden; er kann sie nur einbehalten, um einen Druck auf den Miether auszuüben und ihn zu chikaniren. Im größten Theil Deutschlands besteht der Rechtszustand, der jetzt in Preußen herbeigeführt werden soll, schon seit längerer Zeit. Abg. Nadbyl(Z.) hält ebenfalls eme Kommissionsberathung für nothwmdig, da die Sache doch nicht so ohne weiteres klar sei. Es handle sich um Humanilätsrücksichten, aber diese dürfen nicht allein berücksichtigt werden unter Schädigung der wohl- erworbenen Rechte. In Berlin wird der Fall eintreten, daß eine Menge Leute, die eben nur das Nothwendigste besitzen, keine Wohnung finden können. Redner empfiehlt die Berathung der Vorlage in der Justizkommission. So eilig sei die Vorlage nicht, denn wenn man unter einer gesetzlichen Ve- stimmung ein Jahrhundert gelebt habe, werde es wohl auch noch »in halbes Jahr weiter gehen. Abg. Hartmann-Lübben (k.): Mit dem Prinzip des Gesetzes sind wir einverstanden; wir haben es immer als einen Verstoß gegen das Rechlsbewußtsein empfunden, daß das Pfandrecht des Hausbesitzers weiter gehl, als das Pfandrecht anderer Gläubiger. Bedenken haben wir gegen die Vorschrift, welche dem Gesetze rückwirkende Kraft giebt und so in wohlerworbene Rechte ein­greift. Abg. Oswalt(ntl.): Es handelt sich nicht in erster Linie um Humanitätsrücksichten, sondern um sozialpolitische Gründe. Man will die Personen, welche noch nicht der Armenpflege ver- fallen sind, davor behüten. Das weiß jeder, der in der Armen- pflege thälig ist. Wenn der Miether seiner Habseligkeiten be- raubt auf die Straße gesetzt wird, so hat die Armenpflege nichts Eiligeres zu thun, als ihn beim Hauswirth auszulösen. Das Vorrecht der Hausbesitzer ist ein chikanöses Recht. Daß eine Neuregelung solcher Privatrechte in bestehende Interessen ein- greift, ist richtig. Ein Kredit, welcher gewährt wird auf grund der nothwendigen Möbel und Arbeitsgeräthschaften, ist nicht gerechtfertigt. Es wird gesagt, daß eine gewiffe Klasse von Mietheru nicht immer Wohnung finden wird. Es giebt aber zuin Schutz der Vermiether ein sehr einfaches Mittel, die Voraus- bezahlung. bei welcher die Armenpflege immer noch eher ein­greifen könnte, als bei dem jetzigen Verfahren. Bedenklich an der Vorlage ist nur die rückwirkende Kraft; deshalb sollte das Gesetz in die Kommisston verwiesen werden. Redner fragt, ob sich das Gesetz nur auf die Vermiether in engerem Sinne be- ziehen solle. Geh. Ober-Justizrath Eichholz: Die letzte Frage muß ich bejahen. Das Gesetz soll sich nicht auf die Vorpächter und Pächter beziehen. Wenn der ärmeren Bevölkerung in den größeren Städten eine Wohlthal erwiesen werden soll, dann muß die Vorlage möz- lichst schnell angenommen werden. Abg. Krause-Königsberg(nl.): Mit der Tendenz des Ge- setzes sind wohl alle Mitglieder des Hauses einverstanden; alver es fragt sich, ob man das gewünschte Ziel auch erreicht. Es wird vorkommen können, daß Personen, die nur Sachen haben, welche nicht pfändbar sind, eine Unterkunft nicht finden. Redner bält die rückwirkende Kraft des Gesetzes für bedenklich und em- pfiehlt deshalb die Verweisung an die Justizkommission. Abg. Krause- Waldenburg(sk.) schließt sich diesen Aus- führungen an. Besonders sei ihm auch aus dem Grunde die Ab- nähme der Vorlage wünschenswerth, weil, wie über all in Industrie- bezirken, auch in seinem Wahlkreise sich Verhältnisse herausgebildet haben, bei welchen gewissenlose Hausbesitzer einen stillen Wucher mit ihren Mielhern treiben. Diesem Treiben müsse endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Der Arbeiter wird sich leichter von einem solchen Vermiether befreien können, wenn er sein noth- wendiges Hab und Gut mitnehmen kann. Wir sind daher für die Vorlage, haben aber auch Bedenken gegen die rückwirkende Kraft derselben, da dadurch wohlerworbene Rechte beseitigt werden. Den praktischen Bedürfnissen könnte wohl dadurch ge- würzt werden, daß wir eine Bestimmung dahin einfügten, daß die rückwirkende Kraft auf bestehende Mielhsverträge nicht An- wendung findet, sofern dieselben den I. Oktober nicht über- dauern. Eine kurze Kommissionsberathung könnte nützlich sein, und wir stimmen für die Ueberweisung an die Justizkommisston. Ahg. Schmidt-Warburg(Z.) hält dafür, daß die Vorlage anders formulirt werden müsse, wenn das Verhältnis zwischen Pächter und Verpächter nicht berührt werden solle. Redner tritt für die Vorlage«in und weist darauf hin, daß die Hausbesitzer außer dem Schutz des Zivilgesetzes auch den des Strafgesetzbuches tz SLS haben, der den strafbaren Eigennutz betrifft. In Zukunft wird mancher Streit darüber entstehen. was unentbehrliche Sachen sind; der Hauswirth wird anderer Meinung darüber sein als der Miether, und daraus können große Weiterungen entstehen. Der Justizminister sollte die Staatsanwälte dahin instruiren, wenn das Gesetz angenommen wird, dieselbe Humanität walten zu lassen, die wir durch An- nähme des Gesetzes beseitigen. Daß die kleinen Leute in Zukunft keine Wohnung finden können, ist nicht zu befürchten Die kleinen Wohnungen sind einmal vorhanden und auf die Dauer kann der Hauswirth dieselben doch nicht leer stehen lassen; er muß sie unter allen Umständen vermiethen. Abg. Dziorobeck erklärt sich namens der Polen für die Vorlage. Darauf wird die Vorlage an die Justiz- Kommission ver- wiesen. LS. S i tz u n g vom 4. M a i, 12 Uhr. Ain Ministertische: Miquel.v. Heyden. In dritter Berathung genehmigt das Haus zunächst den Gesetzentwurf betr. IRegelung der Verhältnisse der bei der Umgestaltung der Eisenbahnbehörden nicht zur Verwendung gelangenden Beamten, nach- dem Geh. Oberfinanzrath Lehnert im Anschluß an eine Be- merkung des Abg. Krah in zweiter Lesung erklärt hatte, daß für die infolg» der Reform der direkten Steuern entbehrlich werdenden Beamten, Rentmeister u. s. w. in den neuen und westlichen Provinzen ebenfalls durch eine in der nächsten Eession»inzubringend» vorlag« gesorgt werden sollte, und ge- nehmigte ebenfalls in dritter Lesung die StaatSverträge mit Hessen und Mecklenburg- Schwerin wegen der Eisenbahnen von Salzschlirf nach Schlitz und von Rostock über Sülze nach Tribsees . Es folgt die Berathung des Berichts der Budgetkommission über die Finanzlage des preußischen Staate?. Die Kommission beantragt: Das Haus der Abgeordneten wolle erklären: I ES ist«In« angemeffene Schuldentilgung auf gesetzlicher Grundlage zu erstreben. 2. Es ist eine Aenderung des Gesetze? vom 27. März IöL2 herbeizuführen, welch« die über einen bestimmten Betrag hinaus- gehenden Ueberschüff» der EtaatSeisenbahn-Verwaltung der Ver« wendung für allgemeine Etaatszwecke entzieht. S. Die dauernde Ordnung der Staatsfinanzen verlangt, daß eine feste Abgrenzung der Beiträge Preußens für die Bedürfnisse des Reichs erfolgt und daß letzteres nicht allein für die Auf- bringung der für seine Aufgaben nothwendigen Mittel aus den ihm reichsverfaffungsmäßig zustehenden Quellen, sondern auch ur Ueberweisungen an die Einzelstaaten in einer die Matrikulac- Umlagen übersteigenden Höhe Sorge trägt. Berichterstatter ist der Abg. Dr. Sattler, welcher einige Erläuterungen zu dem schriftlichen Bericht giebt. Es folgt eine allgemeine nichts neues zu Tage fördernde Debatte über die sogenannte Reichsfinanzreform, die morgen sortgesetzt werden soll._ LoktKles: Internationaler Bergarbeiter- Kongreß. Am 14. Mai und an den folgenden Tagen findet in den Konkordia- Sälen, Andreasstraße 64 Berlin , der fünfte internationale Berg- arbeiter-Kongreß statt. Die Verhandlungen des Kongresses sind öffentlich. Einlaßkarten, für je einen Verhandlungstag giltig, sind zum Preise von b0 Pfg. vorher auf dem Gewerkschafts- bureau, Rosenstr. 23 vorn 1 Tr., Vormittags von 81 Uhr zu haben; ferner werden solche auch am Eingang zum Kongreßsaal verkauft. Personen, welche einer politischen oder gewerkschaftlichen Organisation angehören, haben freien Eintritt, wenn sie sich durch ihre Mitgliedskarte legitimiren. Die Herren Vertreter der Presse wollen, mit Legitimation versehen, ihre Dauerkarten ebenfalls auf dem Gewerkschafts- bureau während der angegebenen Tagesstunden bis spätestens Sonnabend, den 12. Mai, in Empfang nehmen. Der geschäftsführende Ausschuß der Berliner Gewerkschafts-Kommission. Berichtigung. In der am Donnerstag, den 3. Mai, ver- öffentlichten Lokalliste ist irrthümlicher Weise unter 1. Kreis der Fcenpalast' als gesperrt angeführt, dagegen fehlt unter 3. Kreis als gesperrt dasBerliner Klubhaus"(Krebs), Ohmgaffe 2. Die Lokalkommission. I. A.: H. G u m p e l, Weinstraße 31, II. Nachklänge von der Maifeier. Wenn Arbeiter ihre Feste feiern, so geht es bei ihnen nicht hoch her. Die Feste der Ar- beiter sind keine Festgelage. Der materiellen Genüsse, die der einzelne Arbeiter als Festtheilnehmer sich zu leisten vermag, sind gar wenige und geringe. Dessenungeachtet sind die Arbeilerfeste den Herren Wirthen durchaus nicht unwillkommen und die Ar- beiter sind bei derartigen Gelegenheiten gern gesehene Gäste. so sehr ihre nähere Berührung auch sonst fürsorglich gemieden werden mag. Mit einer kleinen Umänderung eines bekannten Liedes könnte es in diesem Falle heißen:Ein echter deutscher Wirth mag keine Sozi leiden, doch ihre Groschen nimmt er gern!" Wenn also, wie gesagt, der Einzelne bei Arbeiter- festen in seinen materiellen Genüssen sehr bescheiden ist und aus naheliegenden Gründen bescheiden sein muß, so findet der betreffende Wirtb, in dessen Lokal ein Arbeirersest abgehallen wird, in der Regel doch seine Rechnung, ja er macht wohl meistens ein ganz reinliches Geschäft, denn die Menge, der Maffenkonsnm muß es bringen und bringt es auch. Und so war es auch bei der diesmaligen Maifeier. Wenn daher der Schrippenreporter derKreuz-Zeitung " und desReichsboten" vermeinte, in moralischer Entrüstung auf diesen Massenkonsum ganz besonvers hinweise» zu sollen in der deutlichen Absicht, die Maifeier der Arbeiter zu diskreditiren und in ein übles Licht zu setzen, so legt dieser Umstand ein beredtes Zeugniß ab von der edlen Gesinnung derArbeiter im Wein- berge des Herrn". Wenn also die Herren Wirthe bei Arbeiterfesten ihre Rechnung finden, so ist es nicht zu billigen, wenn diese Rechnung seitens der Interessenten noch rünstlich zu erhöhen gesucht wird durch Bcnachtheiligung des Einzelnen, was um so schwerer ins Gewicht fällt, als Arbeiter in betracht kommen, welche mit ihren Groschen sehr haushälterisch umzugehen gezwungen sind. Derartige Fälle sind bei der statt- gehabten Maifeier wiederum zu verzeichnen gewesen, und allen solchen spekulativen Wirlhen möchten wir ein wenn auch derbes aber sehr zutreffendes Wort für die Zukunft zur freundlichen Nachacktung empfehlen, das da lautet:Spritz' nit zu viel, du Schuft! Bier will i, doch nit Luft!" Diese unschöne Bereichernngs- Praxis hat, wie sich ebenfalls bei der letzten Maifeier gezeigt hat, auch bei den Kellnern Eingang gefunden. Auch sie einige, nicht alle! scheinen Arbeitersest« als besondere Erntetage für sich zu betrachten und nehmen keinen Anstand, ihrenVerdienst", d. h. das Trinkgeld, welches ihnen von den Festgenossen ge- währt wird, künstlich dadurch zu erhöhen, daß sie beim Geld- wechseln das obligate Trinkgeld als selbstverständlich ohne weiteres in Abzug bringen und dem etwa remonstrirenden Gaste mit frechen Reden dienen. Es bekundet dies eine Nichtachtung der Arbeiter, die der mancher Wirthe gleichkommt, die trotz des Verdienstes, den sie durch die Arbeiter haben, es nicht ei»- mal der Mühe für werth halten, ihre Lokalitäten zu Arbeiter- festen in einen menschlichen Zustand zu versetzen. Für die Ar- beiter ist alles gut! So wurde es in einem sehr volksthümlichen Lokale im Norden sehr übel vermerkt, daß, als man im Saale das Tanzbein zu schwingen begann, die Saal- insassen sich in eine Wolke von Staub und Schmutz gehüllt sahen. Mit großer Müde gelang es dem Festkomitee, von dem betreffenden Wirthe wenigstens eine oberflächliche Reinigung des Saales zu erzielen. Eine ausreichende Lüftung des Saales blieb ein frommer Wunsch der Schwitzenden, da die Erzielung einer solchen mit zu großen Unbequemlichkeiten für den Wirth oder dessen Bedienstete verbunden war. Als Nothwendigkeit hat sich auch herausgestellt, daß in Lokalen, in denen für gewöhnlich Beamte des Wirthß, Portieris oder dergleichen, ihres Amtes walten, bei Arbciterfesten ihrer Funktionen entkleidet und durch selbstbestimmte Festordner ersetzt werden. Diese Unterlaffungs- sünde hat in einem derartigen Lokale zu sehr bedauerlichen Auftritten geführt. In Wahlkreisen, in denen keine Billets verausgabt wurden, vielmehr einefreiwillige" Tellersammlung veranstaltet wurde, um die Theilnahme an der Maifeier eben allen Genossen zu ermöglichen, wäre in manchen Lokalen ein weniger zwangsweises Heranziehen zur Tellersammlung und ein weniger marktschreierisches Anbieten von Festzeilungen und anderen Festartikeln wünschenswerth erschienen und wird dies hoffentlich bei ferneren Gelegenheiten unterbleiben. Daß eine größere Rücksichtnahme der Festtheilnehmer auf ein- ander, um jedem den Genuß des Gebotenen zu ermöglichen, viel- fach geboten erscheint, ist bereits an anderer Stelle hervorgehoben worden. Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß es schwer ist, an einem Tage, wie an, l. Mai, wo eine gleichzeitige Massen- feier stattfindet und alle Kräfte herangezogen werden müssen, in bezug auf das zu Bietende eine richtige Auswahl zu treffen und man nicht besonders wählerisch und anspruchsvoll sein kann und darf, so berührt es doch trotz alledem höchst un- angenehm, gerade an einem Arbeiterfeite eine jener Lehrlings- kapellen konzertiren zu hören, deren Leiter fast ausnahmslos die Ausbeutung in schnödester Weise betreiben. Derartiges sollte unter allen Umständen vermieden werde». Diese Nachklänge zur Maifeier sollen durchaus nicht dazu dienen, einen Mißklang hineinzutragen in die Freudenmelodien des 1. Mai; vielmehr ist es ihr Zweck, in Zukunft Mißklänge zu verhindern und so die Arbeiterfeste nur noch harmonischer zu gestalten. Die Maifeier der hiesige» polnische» Sozialist«», «>«lch« am Nachmittag des 1. Mai in Brochnow'S Salon, Sebastianstr. 39, stattfand, hatte sich ganz besonderer polizeilicher Aufmerksamkeit zu erfreuen. Da der Besuch zunächst noch einiges zu wünschen übrig ließ, wurde die Versammlung auf 20 Minuten vertagt. Die Festrede sollte Genosse Hellwig halten. Bei Wiedereröffnung der Versammlung forderte der überwachende Polizeilieutenant eine Bescheinigung über die nach seiner Mei> nungneue" Versammlung. Alle Vorstellungen des Vor- sitzenden, des Genossen Versus waren fruchtlos. Der Beamte verbot den Festvortrag sowie alle etwaigen dekla- motorischen Vorträge und ließ zur Durchführung seines Verbots einige Schutzleute im Saal Posta fassen, die bis Nachts 3 Uhr hin und wieder abgelöst wurden. Nur der Tanz war ge- stattet. Gegen 8 Uhr hatten sich etwa ö()0 Personen eingefunden, welche ein zur Verlesung gebrachtes Telegramm aus Tirnowa (Bulgarien ), worin die dortigen polnischen Sozialisten brüderliche Grüße und Glückwünsche zum Ausdruck brachten, stürmisch applaudirten. Schließlich konnten die zur Ueberwachuna zurück- gelassenen Beamten es dennoch nicht verhindern, daß einige Kinder etwas deklamirten und die Festtheilnehmer gemeinsame Gesänge anstimmten; die Feststimmung ließ sich nicht wegbannen. Erst beim hereinbrechenden Morgen erreichte die imposante Feier ihren Abschluß. Die Kirchenbanerei fängt wieder an, ein ständiges Thema in den Tageszeitungen zu werden. Kaum ist der Frühling da, so geht es auch schon wieder mit den Grundsteinlegungen und Einweihungen los. Am 13. April hat die Grundsteinlegung zweier Garnisonkirchen, einer evangelischen und einer katholische», stattgefunden und am S. Mai wird die Lutherkirche eingeweiht. Am 2S. April ist der erste Spatenstich zur neuen St. Simeons- kirche unter besonderen Feierlichkeiten erfolgt. Die Einweihung der Heilandskirche in Moabit ist im Juni zu erwarten. Dann sollen die der Versöhnungskirche und der Gnaden- kirche erfolgen. In St. Golgatha wird dieBeschaffung eines neuen und würdigeren Gotteshauses" geplant. Für die Ludwigs- kirche, deren Fundamente bereits gelegt sind, werden milde Gaben zur Bauausführung erbeten, für die Kaiser-Wilhelms-Gedächtniß- kirche wird gleichfalls seit langem der Klingelbeutel geschwungen, ja, zum Teufel!(pardon!) wenn das so weiter geht, danw wird der Herzenswunsch unseres Stöcker und Konsorten, daß es in Berlin mehr Kirchen als Kneipen giebt, bald in Erfüllung gehen, ohne daß zuvor der andere Herzenswunsch des Mucker- thums, nämlich die Schließung der meisten, wenn nicht aller Kneipen, in Erfüllung zu gehen braucht. Die oben angeführten Mittheilungen über Berliner Kirchenbauerei find»ur auf's Gerathewohl zusammengestellt, wie sie uns bei flüchtiger Durchsicht der letzten Nummern einiger bürgerlicher Bätter gerade in die Augen fielen. Wer sich darauf verlegen wollte, systematisch alle diesbezüglichen Nachrichten zu sammeln, der hätte ein tüchtiges Stück Arbeit zu verrichten, wenn er mit dem frommen Eifer des kirchenbauenden Berims Schritt halten will. Denen, welche meinen, es seien immer noch nicht genug Kirchen in Berlin , empfehlen wir einen Besuch des Kreuz- berges. Er wird ja ohnedies nach Inbetriebsetzung des Wasser- sturzes eine vermehrte Anziehungskraft auf die Spaziergänger ausüben. Von da oben aus kann sich der kirchenbaueisrige Ber« liner, wenn ihm das Bild, da? Berlin vor b Jahren bot, noch in Erinnerung ist, eine genaue Vorstellung davon verschaffen» um wie viel sich dieses Bild inzwischen verändert hat. Wir sind über die Zahl der Kirchthurmspitzen nicht genau unterrichtet, aber wir glauben, daß bis zu ihrer Verdoppelung»icht mehr weit hin ist. Geschäftliches" vo» der Berliner Gewerbe-AuS- stellnng. Zu der FrageWitzleben oder Treptow " erfährt ein hiesiger Berichterstatteraus sicherster Quelle" folgende Einzel- heiten, die ergeben sollen, warum sich der geschäftsführende Aus- schuß der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 für das Terrain Witzleben entschieden hat. Dasselbe gehört zunächst dem Geh. Kommerzienrath Pringsheim und der Firma Gebrüder Sobern- heim Hierselbst, die für die Ländereren ursprünglich 600 000 M. forderten, jetzt aber dieselben unentgeltlich zur Verfügung stellen. Hierzu kam, daß Zeichner des Garantiefonds, grobe hiesige In- dustrielle, ihr Anerbieten von zusammen 1 Million M. zurückziehen wollten, falls der Ausschuß sich nicht für Charlottenburg entschiede. Das jTerrain Witzleben ist dicht an der Stadtbahn gelegen und etwa zehn Minuten vom Bahnhof Charlottenburg, vierzehn Mi- nuten von Station Westend entfernt. Um den Ausstellungsplatz bequem zu erreichen, müssen erst verschiedene Straßen dorthin durchgelegt werden, da bis jetzt nur Sandwege nach Witzleben führen. Eine Fahrverbindung dahin ist bis jetzt nicht vor- Händen; allerdings will die Charlottenburger Pferde-Eisenbahn- Gesellschaft einzelne ihrer Linien nach Witzleben verlängern, und es soll bis 1896 die elektrische Bahn von der Kaiser-Wilhelm- Gedächtnißkirche aus über die Bismarck- und Kaiser-Friedrich- straße hinweg nach dem Ausstellungsplatz geleitet werden. Das in Frage kommende Terrain ist sehr hügelig und sandig, so daß die Planirung und die Befestigung des BodenS bedeutende Kosten verursachen dürften. Straßensperrung. Die Friedrichsgracht längs des Grund- stücks Nr. 48 und die Kleine Gertrandtenstraße länaS der Grund­stücke Nr. 4 und b werden wegen Abbruchs der Häuser bis aus weiteres für Fuhrwerke und Reiter gesperrt. Eine kürzlich erlassene Verfügung des Ober-Bürger­meister» gelle, wonach den diätarisch angestellten Hilfsarbeitern des Magistrats in Erkrankungsfällen künftig die ihnen von der Krankenkasse gewährte Unterstützung in Höhe von 2 M. täglich vo» ihrem Verdienst gekürzt werden solle, hat, wie diePolem. Korresp." schreibt, unter diesen kommunalen Angestellten große Unzufriedenheit hervorgerufen. Eine Deputation der gedachten BeamtewKaregorie hatte sich infolge dieser Verfügung zum Ober- Bürgermeister begeben, um die Aufhebung dieses Erlasses zu erwirken, indem sie darauf hinwies, daß durch d,e gedachte Maß- regel die Vortheile, welche die Krankenkasse ihren Mitglieder» gewähret, dadurch hinfällig würden und sie gezwungen wären, ihren Anstritt aus der Kasse zu erklären, resp. würde der Er- werb der Mitgliedschaft niemandem mehr erwünscht erscheinen. Herr Zelle lehnte nicht nur die Aufhebung der Verfügung ab; er ließ vielmehr noch die Drohung durchblicken, daß er diejenigen, die aus der Kasse austreten, resp. sich der Mitgliedschaft ent- halten,im Auge behalten wolle". Zum Verständniß der Sache sei noch bemerkt, daß sich die Mitglieder jener Kasse zum großen Theil aus diätarisch augestellten Hilfsarbeitern des Magistrats zusammensetzen, von denen nur wenige ein Durchschnitls-Ein- kommen von mehr als 100180 M. monatlich besitzen. Bon dieser Kategorie von Beamten ist die Krankenkasse geschaffcu worden und sie bezieht auch kemerlei materielle Unterstützung seitens der Stadt Berlin . Die Angelegenheit dürfte sich aller Wahrscheinlichkeit zu einem ernsten Konflikt zusvitzen. Man sieht daraus wieder, was es mit der Humanität der Stadt Berlin gerade ihren schlechtest gestellten Beamten gegenüber snr eine Bewandtniß hat. Der Erfahrungssatz, daß denen, die nur wenig haben, selbst noch«in Theil des Wenigen genommen werde, kommt hier wieder einmal zur Geltung. Der arme krauke Ma»n> Der frühere' Bankier Maaß aus Charlottenburg , der s. Z. wegen Bankbrnches zu mehrjähriger Gefängnißstrafe verurtheilt wurde, ist vor kurz em aus der Straf- anstalt Plötzensee entlassen worden, weil nach ärztlichem Gut- achten ein ferneres Verweilen Gefahr für sein Leben in sich schloß. Nicht blo» falsche Zweimarkstücke, wie neulich gemeldet, sondern auch falsche Einmarkstücke sind im Verkehr. Die Falsch- stücke sind mit der Jahreszahl 1881 bezw. 1886 versehen, bestehen aus Zinn oder Zink, sind in einer Presse hergestellt, leichter als dt« echten, auf galvanische«, Wege versilbert und haben theilweise sehr glatte Flachseiten.