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Nr. 265. 33. Jahrgang.

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt.

Chronik des Weltkrieges.

26. September 1914.

Weftlicher Kriegsschauplah: Die franzöfifch- englischen Truppen haben einen weitausholenden Borstoß gegen die äußerste rechte Flante des deutschen Heeres eingeleitet, Diese Operation ift zum Stehen gebracht worden.

In der Mitte der Schlachtfront tam der deutsche Angriff an einzelnen Stellen vorwärts.

Die angegriffenen Sperrforts füdlich Berdun haben thr Feuer eingestellt. Die deutsche Artillerie steht nunmehr im Kampfe mit Kräften, die der Feind auf dem westlichen Maasufer in Stellung gebracht hat.

Bom östlichen Kriegsschauplah liegen Nachrichten nicht vor. 26. September 1915.

Westlicher Kriegsschauplatz: Die französisch  - englische Offensive nahm ihren Fortgang, ohne die Angreifer ihrem Ziele in nennens merter Weise näher zu bringen. Ein Borstoß im Vpern- 2bschnitt hatte feinen Erfolg. Südwestlich von Lille   gelang es dem Gegner, eine der deutschen   Divisionen bei Loos aus der vorbersten Linie zurückzubrängen. Die Trümmer des einstigen Dorfes Souchez wurden geräumt.

Auch bei dem Ringen zwischen Reims   und den Argonnen mußte nördlich von Berthes eine deutsche Division ihre vorderste Stellung räumen. Im übrigen scheiterten auch hier alle Durchbruchsversuche. Jm ganzen wurden an der Westfront über 5000 Gefangene gemacht. Auf dem öfflichen Kriegsschauplah dauerten die Stellungsfämpfe fort. Im ganzen wurden über 1400 russische Gefangene gemacht.

willig der Regierung untergeordnet und auf eigene Politik verzichtet. Und diese Schwäche wird mit Kriegsschluß nicht verschwinden sie kann nicht einfach ausgewischt werden, son­dern es wird Jahre heißen Kampfes brauchen bis auch nur die alte Stellung wieder errungen ist und es fragt sich, ob die Beit des Sichfügens und des Kompromisseschließens nicht auf lange Beit hinaus die Kampffähigkeit und Kampffreudigkeit der Massen getötet hat.

Von den Beschlüssen des Kongresses ist als besonders charakteristisch hervorzuheben die Ablehnung der Aufforde­rung, an einem internationalen Gewerkschaftskongreß teilzu­nehmen, der am selben Ort und zur selben Zeit wie die Frie denskonferenz tagen soll. Aus den Debatten über diesen Punkt geht hervor, daß die Arbeiter außerstande sind, folge­richtig zu denken, sobald nationalistische Leiden­fchaften in ihnen mächtig werden. Mit einer ein. zigen Ausnahme erklärten alle Redner, zum Teil unter hef­tigen Ausfällen, es für unmöglich, mit den deutschen  , öfter­reichischen, türkischen und bulgarischen Arbeitervertretern ge­meinsam zu beraten, ehe Frankreich   und Belgien   vom Feinde befreit wären; manche hielten überhaupt eine Debatte mit den Arbeiterorganisationen der Länder der Sentralmächte für ausgeschlossen. Das heißt also, daß selbst, wenn die Re­aierungen der Entente die Zeit für Verhandlungen für gekommen erachten sei es vor oder nach Rückgewinnung Belgiens   und Frankreichs   so überlassen die Arbeiter Eng­lands das Geschäft des Friedenschließens doch lieber den Kapitalistischen Regierungen, als daß sie auch nur versuchen, einen internationalen Druck des Proletariats auf diese Ver­handlungen auszuüben.

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Dienstag, 26. September 1916.

Die bayerische   Kanzlerfronde.

Die Auseinandersetzungen in der bayerischen Zentrumspartei über die Kriegführung und die Kriegsziele spielen sich nunmehr vor einer breiteren Oeffentlichkeit ab. Die beiden größten Bentrums blätter Bayerns, die Augsburger Postzeitung" und der Bayerische Kurier" bertreten die beiden Richtungen: das Augsburger   Blatt den Standpunkt der Hertlingschen Richtung, das Münchener   den der Heim, Schlittenbauer ust. Wie man aus einem Artikel Dr. Schlittenbauers in der Sonntagsausgabe des Sturier" erfährt, ist der Beschluß der bayerischen Zentrums fraktion, der in Hindenburg  " bas vollste Vertrauen feßt, daß nunmehr alle uns zur Verfügung stehenden Mittel gegen alle unsere Gegner ohne jede andere Rüdsicht als die der balbigen sieg reichen Beendigung des Krieges angewandt werden", einstimmig gefaßt worden.

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Dieser Tage ist nun in München   ein Bolts ausschuß für rasche Niederkämpfung Englands" gegründet worden. Abg." Dr. Traub gehaltene Rede zum Anlaß, diesem und feiner Die Augsburger Postzeitung" nahm eine Tags vorher von dem Gefolgschaft zu empfehlen, sich nach einem neuen Christentum" um­zusehen, denn die Lehren Christi seien mit deren Haßausbrüchen nicht in Einklang zu bringen; nicht lieben" fordere noch lange nicht töd­lichen Saß des Gegners, der auch nach Beendigung des Krieges noch lange vorhalten würde.

Dr. Ferd. Abel wendet sich in der von ihm herausgegebenen fatholischen Wochenschrift Allgemeine Rundschau"( Mün chen) vom 28. Geptember gleichfalls gegen die paßprebiger; er ver­weist auf die Mahnungen des Papstes und vertritt den Standpunkt, baß der Wölferfrieden teine Utopie sei, feine fein fann, weil er keine sein darf". Die Friedensbedingungen müßten so sein, daß die Wiederannäherung möglich und dauerhaft sei.

Dr. Heim, der katholische Bauernführer, hatte schon zu Beginn der vorigen Woche im Bayerischen   Bauernverein eine Rede gehalten, In feiner Weise ausreichend oder auch nur ein wenig die sich gang im Fahrwasser Dr. Traubs, des protestantischen Theo­tiefer schürfend war die Debatte über die Staatspolitik nach logen, bewegte. Die eingangs erwähnte Mundgebung des Zentrums­dem Kriege. Sie streift die so überaus wichtige und aktuelle abgeordneten Dr. Schlittenbauer, der rechten Hand Heims, greift in der schärfsten Form das Augsburger Zentrumsblatt an: Frage: Freihandel oder Schuzzoll nur eben, und die schließ- nivahre Werdrehung"," Unterstellung"," grobe Beleidigung"," An­Resolution wird von Freihändlern wie von Schutzöllnern in stellung innerpolitischer Motive, die er in der lebernahme einer ein­ihrem Sinne gedeutet werden können.

Der englische   Gewerkschafts  - ich mit 1642 000 gegen 619 000 Stimmen angenommene rempelung" find die Worte, die Schlittenbauer gebraucht. Die Unter­

kongreß.

Die britischen Gewerkschaften haben während des Krieges in verschiedenen Industrien Lohnkämpfe durchgefochten. Die Phrase vom Burgfrieden hat sie nicht irritiert, wenn es galt, beffere Lebensbedingungen für die eine oder andere Schicht von Arbeitern zu schaffen. Bei der Einstellung von Frauen als Straßenbahnschaffnerinen sezte die Organisation durch, daß sie für die gleiche Leistung den gleichen Sohn erhielten, und daß sie als Mitglieder in die Gewerkschaft eintreten mußten. Die Arbeiter blieben also in scharfer Oppofition zu der Arbeitgeberklaffe, ganz gleich, ob der Unternehmer die pri vate Industrie oder der Staat war.

Wenn man jedoch daraus die Hoffnung schöpfte, daß die englische Arbeiterschaft, soweit sie gewerkschaftlich organisiert ist, sich überhaupt nicht von der allgemeinen Kriegsstimmung beeinflussen ließe, daß sie einen klaren Blick behielte und die internationale Busammengehörigkeit als foftbarstes Gut der Arbeiterbewegung bewahrte, so sah man sich bitter enttäuscht. Die schwächliche Haltung in der Frage der Dienstpflicht und des industriellen Spanges ließ bereits erkennen, daß die ge­waltigen Ereignisse auch den englischen Arbeitern die Köpfe berwirrten. Es traten starte nationalistische Strömungen hervor, die sich mehr und mehr festigten trotz der wertvollen und unermüdlichen Aufklärungsarbeit der Unabhängigen Ar­ beiterpartei.  

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schlägigen Notiz des jüdischen Berliner Tageblatts" erblide", sei angesichts der Tatsache, daß zwei Herren des Ausschusses den Ver­such gemacht hätten, in dieser Lebensfrage des deutschen   Wolfes auch die Mitwirkung der Sozialdemokraten zu gewinnen, nichts als eine grundlose Verdächtigung. Vor allem wendet sich Schlittenbauer da­gegen, daß die Augsburger Postzeitung" die Rundgebung des Aus­schusses für rasche Niederkämpfung Englands als alldeutschen Aufruf bezeichnet; tatsächlich gehörten diesem Männer ber verschie bensten politischen Richtungen an, auch mehrere Zentrumsabgeordnete, wie Einhauser, Pfleger, Scharnagl, Schlittenbauer.

Uebrigens hat Dr. Julius Bach e m, der bekannte Zentrums­führer, wie wir bereits berichteten, am Sonnabend noch im Tag" darauf hingewiesen, daß bei manchen" der Bethmann- Frondeure bic Furcht vor einer den eigenen Parteiinteressen abträglichen heblich mitspricht". Der gleiche Gedanke ist wiederholt in der christlichen Gewerkschaftspresse und dem Münchener katholischen Arbeiter" zum Ausdrud gekommen. Dr. Schlittenbauer hätte sich feine durchsichtige antisemitische Anspielung also sparen können; damit besticht er nur ganz Dumme.

Der Nährboden der Fronde.

$. von Gerlach untersucht in der Welt am Montag" bestehenden sachlichen Gegensäßen eine vergiftende persönliche Spitze zu geben. Nach einer Schilderung der alldeutschen Treibereien schreibt er:

Die gleiche Oberflächlichkeit bei der Behandlung der Frauenarbeit nach dem Kriege. In einer Resolution wurde die Wiedereinsetzung der Trade Unions   in den status quo ante nach Friedensschluß verlangt. Ein besonderer Kongreß solle dann veranstaltet und die betreffenden Minister dazu eingeladen werden. Miß McArthur vom Arbeiterinnen­berband( Women Workers Federation) machte vergebens darauf aufmerksam, daß das Problem nicht so einfach sei, als es aussehe. Sie verlangte, daß man sich mit der Frage beschäftige: Was ist Männerarbeit? Was ist Frauenarbeit? Was ist es mit der neuen automatischen Maschinenarbeit und der Vereinfachung des Arbeitsprozesses? Und sie meinte: Die Aufrechterhaltung unseres Standards hängt nicht von mini- innerpolitischen Neuorientierung nach dem Krieg er­steriellen Verpflichtungen ab, sondern von unserer eigenen Voraussicht, von unserm flaren Denken und vor allem von unserer Macht, den Standard zu erzwingen." Aber man 30g es vor, fich nicht weiter in die Frage zu vertiefen und die vorgeschlagene Resolution anzunehmen. Noch bei einer anderen Gelegenheit wurde die Frage der Frauenarbeit be­rührt. Die Transportarbeiter verlangten, daß die Regierung nach dem Kriege den Frauen die Befähigung als Omnibus- die Bedingungen, die es der Kanzlerfronde ermöglichen, den oder Straßenbahnwagenführerinnen zu fungieren, absprechen solle. Begründet wurde die Maßregel mit der Schädlichkeit dieser Arbeit für die Frau. Es muß zugegeben werden, daß die Arbeit zu schwer für den weiblichen Störper ist; aber das Niemals jedoch ist der Gegensatz zwischen früher und jetzt gleiche kann man von vielen anderen Arbeiten mit mindestens fo scharf zutage getreten als auf dem letzten Gewerkschafts  - demselben Recht' sagen. Warum hebt man nun die eine Be­fongreß zu Birmingham   vom 4. bis 10. September. Die schäftigung aus dem großen Komplex heraus, anstatt die Mitgliederzahl ist fräftig angewachsen, sie ist auf 2 847 547 ganze Frage der Frauenarbeit aufzurollen?- Dem, der die gestiegen gegen 2677 357 im Vorjahre, aber dies äußere Berichte über den Birminghamer   Rongreß nachliest, drängt Wachstum bedeutet keineswegs eine Zunahme an innerer sich leider immer wieder die Ueberzeugung auf, daß Ober­Kraft und an politischer Bedeutung. Daran ändert auch die flächlichkeit das Charakteristikum dieser Tagung war. Tatsache nichts, daß die Regierung durch vier Mitglieder Es ist hier nicht der Ort, jedes einzelne behandelte bertreten war, und daß der Lord Mayor von Birmingham  , Thema zu besprechen. Man debattierte selbstverständlich über Mr. Neville Chamberlain  , zu Beginn des Kongresses nicht die Teuerung, nahm Resolutionen über Kinderarbeit und die üblichen Phrasen sprach, sondern eine tiefer eindringende über die Arbeitslosenversicherung an, man erging sich in hef­Rede über die Probleme hielt, die nach dem Kriege gelöft tigen Ausfällen gegen die Unabhängige Arbeiterpartei, und werden müssen. Soweit es sich aus der kurzen Wiedergabe man verlangte, daß der Unterdrückung der Juden und ande­seiner Ansprache in der englischen Presse ersehen läßt, scheint rer Völker bei dem Friedensvertrag ein Ende gemacht wer­er in bezug auf die Wirkung einer etwa einfeßenden Schutz- den müsse. Vielleicht ist es möglich, auf die eine oder andere zollperiode weniger optimistisch und weniger oberflächlich Frage ausführlicher zurückzukommen. Erwähnung verdient gewesen zu sein als die Delegierten der Arbeiter. noch, daß der Generalsekretär der französischen   Gewerkschaften, Jouhaut, dem man gewiß nicht Mangel an Nationalis­mus nachsagen kann, sich in dieser Umgebung vorteilhaft ab­hob. Er sagte, daß in der Welt kein Raum sei für dauernden Haß. Wir waren gestern Pazifisten und wir sollten wieder Pazifisten werden, sobald das Unglück vorüber ist. Soziale Umwandlung fann nicht ohne die Zusammenarbeit des Prole­tariats der ganzen Welt erreicht werden, und die französischen  und britischen Arbeiter werden die Arbeit in der Inter­nationale fortführen." Jouhaux   nannte auch Irland an der Seite Elsaß- Bothringens, Polens  , der tschechischen Na­tionen, Schleswig- Holsteins  , Finnlands   und des Trentino als Länder, deren Recht durch den Friedensvertrag wieder­hergestellt werden müsse. Der Bericht des Manchester Guardian" meint, daß die Erwähnung Irlands   in diesem Zusammenhang den Delegierten einen Stoß gegeben habe, aber der Schlag fei nicht unheilsam gewesen!

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Die Eröffnungsrede des Präsidenten H. Gosling gab ein gutes Spiegelbild von der ganzen Stimmung des Non­gresses, von seinen Wünschen und der Art, wie man sie zu verwirklichen hofft. Nach einer kurzen Einleitung, in der er die Teuerungsfrage erwähnte und die Notwendigkeit ihrer Kontrolle durch die Arbeiter, ging er auf die Bedeutung der Arbeiterschaft für das Land ein und leitete aus ihr das Recht der Arbeiter auf den ersten Plaß im Nate der Nation" ab. Die genügende Versorgung des Heeres mit Munition sei in erster Linie Arthur Henderson   zu verdanken. Wir wer­den nicht aufhören, die Schaffung eines Arbeiterministeriums zu verlangen, bis die Regierung die unbestreitbare Logit un­serer Sache anerkannt hat." Er forderte weiter die Verstaat­lichung der Bergwerke, Eisenbahnen, Schiffahrt, die Kon trolle über die großen Warenlager und die Kornhäuser, die Erhöhung der Alterspensionen auf mindestens 10 Schilling pro Woche und Herabseßung der Altersgrenze auf 60 Jahre. Er wies auf die Gefahren hin, die die Zeit nach dem Kriege fie ein bezeichnendes Licht auf die Verfassung des englischen  für die Arbeiterschaft birgt und trat für eine bessere und Gewerkschaftskongresses wirft. Es fällt auf, wenn ein Red­forgfältigere Erziehung der unbemittelten Klassen ein.-

Weshalb wir diese kleine Evisode erzählen? Nun, weil

ner sich nicht au groben Ungerechtigkeiten hinreißen läßt und menn er versucht, den Internationalismus als eine Not­wendigkeit für die Arbeiter aller Länder zu erklären.

Politische Uebersicht.

Un diesen Forderungen ist natürlich nichts auszusehen. Es fehlt manches, was wir gerade im Kriege von einem Ar­beiterkongreß hätten erwarten können. Aber wo ist der Wille, auch nur das Geforderte durchzusetzen? Was soll das Arbeiterministerium in einer Regierung, deren reaktionäre Tendenzen immer stärker hervortreten? Die Erfahrungen mit dem Genossen Henderson als Unterrichtsminister hätten Lehre genug sein können. Henderson war für diesen Bosten nicht geeignet; das mag sein. Aber selbst der Tüchtigste hätte Die bevorstehende Tagung des Reichstags. an feiner Stelle versagen müssen, da das Ministerium feine Staatssekretär Dr. Helfferich hat die Fraktionsvorstånde Arbeiterregierung, nicht einmal eine wirklich radikale Re- fämtlicher Parteien für den heutigen Dienstag zu einer Konferenz gierung ist, sondern die Vertretung liberaler und konserva- nach dem Reichsamt des Innern eingeladen. Wie verlautet, bandelt tiver imperialistischer Tendenzen, mit denen eine wahrhafte es sich in der Hauptfache nur darum, den Arbeitsplan für die be Arbeiterpolitik dauernd in Konflikt kommen muß. Der Wille vorstehende Tagung des Reichstags zu befprechen. In unterrichteten zur Uebernahme der ganzen politischen Macht ist aber in der Streifen nimmt man an, daß der Reichstag spätestens am 15. Oktober britischen Arbeiterschaft bei weitem nicht so fräftig, daß man wieder auseinandergehen werde, um erst nach Neujahr mit der einigermaßen mit einem Erfolg rechnen könnte. Auch in Etatsberatung zu beginnen. Möglich aber ist es, daß während der England haben fich die Arbeiterorganisationen willig allaul Bertagung des Plenums die Budgetkommiffion arbeiten wird.

" Demgegenüber bedeutet es nur einen Stampf mit untaug­lichen Waffen, wenn gelegentlich der Reichskansler sich ein paar seiner Feinde im Reichstage borknöpft, oder wenn die " Norddeutsche Allgemeine Zeitung", ungeschidt wic immer die Offigiosi, einmal polemisiert, oder wenn der Na= tionalausschuß einige Paradeversammlungen abhält, oder wenn gar Herr Professor Veit Valentin   sich mit kindlicher Naivität den intimsten Kanglerfeinden gegenüber ausplaudert. Ach nein, mit all solchen Mittelchen liefert man ja nur Wasser auf die Mühle der Alldeutschen, die wieder einmal schwelgen dürfen in Tiraden über infame Treibereien" und alles zur höheren Ehre ihres Tirpit ausschlachten.

Manche Leute haben ja wohl den Krieg als reinigendes Gewitter" bezeichnet. Mir scheint er mehr eine Atmosphäre von Stidluft hergestellt zu haben. Das freie Wort ist unterbunden. Deshalb hat die schleichende Verleumdung ein so breites Bett gewinnen fönnen. Derfelbe Belagerungszustand, der unbequeme und schädliche Kritik hintanhalten sollte, ist der fruchtbare Acker geworden, auf dem die schädlichste Kritik in der gemeingefährlichsten Frontsich so üppig entwickeln konnte.

Das freie Wort follte wieder in die ihm ge­bührende Stelle eingefekt werden. Die inneren Bustände sind fast unerträglich geworden. Die Regierung selbst leidet vielleicht am meisten darunter. Ist ihre Sache gut, so wird sie bei Freiheit der Kritik am besten fahren. Heute ist sie ber Minierarbeit unterirdischer Gewalten fast schußlos preisgegeben. Maulwürfe und Wühlmäuse seht man matt, wenn man sie an das helle Tageslicht zwingt.

Es ist Beit, daß mit bem Belagerungszus stand aufgeräumt werde."

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Zur Affäre Cofmann- Balentin.

Der Bokal- Anzeiger" veröffentlicht folgende Erklärung Prof. Valentins: " Zu dem Unbegreiflichen ,. das der Coßmannsche Ver­trauensbruch für mich gebracht hat, ist jetzt das Unbegreiflichste gekommen: Ein Herr Heuß hat sich gemeldet, der, wenn man richtig versteht, auch das Märchen vom Diebstahl im Reichs­ marineamt   aus meinem Munde gehört haben will. Ich habe darauf nichts anderes zu erwidern, als was ich schon gesagt habe. So gern ich es unterlassen würde, in Grinnerung an die alte Bekanntschaft gegen Coßmann persönlich etwas vorzu­bringen fo möchte ich doch zur Kennzeichnung der geistigen Atmosphäre, aus der heraus der standalöfe Vertrauensbruch be gangen worden ist, die folgenden Worte anführen, bie mir Pro­fessor Grich Marcks unter dem 19. September geschrieben hat. Die Veröffentlichung geschieht mit seiner Erlaubnis. Professor Erich Mards schreibt:

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München  , den 19. September 1916.. Ich war bei Coßmann; er gibt zu, daß sein Vorgehen seinen menschlichen wie redaktionellen Pflichten durchaus ent­gegen sei; persönlicher noch nehme er es, im Gedanken an Ihren Bater, in Ihrem Falle. Aber die Lage set derart, daß er die persönliche Pflicht zugunsten der höheren, sachlichen habe brechen müssen, ich habe ihm meine rückhaltlose Mißbilligung nicht ver­hehlt: Jakobinerlogik, die zur Rechtfertigung jeden politischen Verbrechens führt. Vertrauensbruch; er leugnet das nicht und sieht sich auf seinen Märtyrerstandpunkt zurück. Ich bedaure, daß der Hergang auch meine Beziehungen zu ihm notwendiger­weise abschneidet. Denn der- vielfältige Ueberfall aus dem Hinterhalt ist doch sehr arg. Wahlloser Fanatismus! Gr gab ihn zu. Ich habe ihm gefagt und wiederhole es Ihnen: einer

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