Kolletivemgabe on da? focffifcfie Eesamtminifterium gesandt, in der sie sich„auf das entschiedenste gegen die Zensur und ihre ver- derblichen Wirkungen aussprechen und dem Gesamtministerium das Bedenkliche des Fortbestehens der Zensur ernstlich vorgestellt hätten". Ich möchte den Herren von der politischen Zensur der Gegenwart empfehlen, dieses schöne Beispiel nachzuahmen. Die Zensur würde dem Volke den größten Dienst erweisen, wenn sie den Rotstift an sich selbst ansetzte und sich selbst—-- als etivas nicht nur Ueber- flüssiges, sondern geradezu Gemeingefährliches.(Leb- haster Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Müllcr-Meiningen(Dp.): Der Reichstag hätte im Anschluß an die Zaberndebatte Gelegenheit gehabt, das Verhältnis der Zivilgewalt zur Militär- gewalt zu regeln.(Sehr richtig! links.) Unsere Bemühungen in dieser Richtung haben damals gerade Parteien zunichte gemacht, die jetzt nicht stark genug die Uebergriffe der Militärgewalt kriti- siercn können.(Sehr wahr! links.) Die Behandlung der parla- m entarischen Berichte durch die Zensur ist eine s k a n d a- löse Gesetzlosigkeit.(Sehr wahr!) In dem Kanchf da- gegen sollten alle Parteien zusammenstehen. Es ist merkwürdig. daß dieselbe Regierung, die immer von Neuorientierung redet, mit solcher Zähigkeit an einem Gesetz aus der Zeit der tiefsten Reaktion festhält. Das Vereins- und Versammlungsrecht ist heute zu einen: Fetzen Papier geworden. Die Vereine der unteren Be- am de n und Arbeiter werden in raffinierter Weise schikaniert. (Hört! hört!) Verlangt man doch sogar vorherige Vor- legung des Wortlauts von Diskussionsreden. (Lebhaftes Hört! hört!) Geradezu bösart-ig befehlswütig treten reaktivierte Offiziere als Zensoren auf. Die heutige Zensur ist das System der unbegrenzten Ungeschicklichkeit.(Heiterkeit und Sehr wahr!) Die Regierung sollte sich der unwürdigen Stellung, die ihr in dieser Sache zugemutet wird, bewußt werden: sie ist nichts anderes als der parlamentarische Prügelknabe der Militärgewalt; sie hat das Heft vollständig verloren. Nach der Verfügung des Reichskanzlers sollte die Behandlung Wirtschafts- politischer Dinge von der Zensur frei sein. Das Oberkommando in den Marken aber hält in einem vertrau- lichen Schreiben vom 14. Juli trotzdem es als geeignet, die Vater- ländischen Interessen zu verletzen, und daher zu verbieten, be- zeichnet jede Kritik der Höchstpreise, jede Klage darüber, daß Sach- verständige nicht herangezogen worden sind, und jede Kritik von Kriegswirtschaften für unzulässig.(Lebhaftes Hört! hört!) Von besonderer Schneidigkeit zeigt sich der stellvertretende kommandierende General des 2. Armeekorps, der es z. B. auch für seine Aufgabe hält, als Vertreter der Fürst- lich Putbusschen Jagdinteressen sich zu betätigen. Ich wundere mich nur, daß der Herr seine besondere Schneidigkeit nicht lieber im Schützengraben zur Verfügung stellt!(Sehr gut!) In Mecklenburg hat man sogar verboten, Restles Kinder- mehl zu annoncieren.(Heiterkeit und Sehr gut!) Der Staats- sekretär behauptet trotz alledem, der Zensor sei unparteiisch. Ich erinnere nur daran, daß in den alldeutschen Blättern über den Kanzler und seine Mitarbeiter gestanden hat:„Der Reichskanzler hat zum Stellvertreter einen Bcrufsbankier gewählt."(Heiterkeit und Hört! hört!) „Auch seine sonstigen Mitarbeiter entstammen dem Geschäfts, und Erwerbsleben, kaum einer gehört nach Abstammung und Familien- tradition den Kreisen derer an, die in iZOOjähriger Arbeit den preußischen Staat erbaut haben."(Hört! hört!— Abg Ledebour: Jag o w!— Große Heiterkeit.)„Der Reichskanzler selbst entstammt einem Geschlecht, das seit Jahrzehnten das Groß- bankiergewerbe in Frankfurt und Paris betrieben hat. Diesen Kampf können wir nicht gewinnen, wenn wir von Männern geführt werden, die im Herzen schon besiegt sind; die dem Baal Mammon und unseren Feinden opfern und sie mehr fürchten als unseren Gott."(Lebhaftes Hört! hört!) Glaubt der Staats- sekretär, daß ein Zensor, der solche Artikel durchläßt, noch un- parteiisch ist? Der Fall Lewald-Bacmeister ist typisch für dieses System der Verdächtigung, der Tuschelei, der politischen Gift- mischerei. Ein offener Kampf gegen dieses System ist nicht möglich unter der Zensur. General Ludendorff hatte vollständig recht, als er sagte: die ganze Volkskraft mutz in den Dienst des Krieges gestellt werden. Dann geben Sie aber auch dem Volk das Ver- trauen, das es sich mit Strömen Blutes errungen hat. Geben Sie ihm dies Vertrauen in Gestalt vernünftiger Freiheiten und Rechte. Zustände, wie sie die Sitzung vorgestern enthüllt hat, dürfen nicht bestehen bleiben.(Lebhafter Beifall bei der Volks- parte!.) Abg. Dr. Böttger Cnatl.): Die Handhabung der Zensur bei un? entspricht nicht den Be- dürfnissen eines großen Volkes und muß bei der Presse Erbitte- rung hervorrufen. Freilich wird in Frankreich in genau derselben Weise geklagt. Die allermeisten Zensoren haben zweifellos den besten Willen. Wer die zahlreichen Zensoren haben naturgemäß verschiedene Meinungen. Sie müssen viel mehr Fühlung mit der Presse haben und sich Verständnis für die Bedürfnisse der Presse crlverben.— Den Wunsch des Abg. Gröber nach möglichst bal- diger Schaffung einer Zenrralinstanz teile ich. Aber wir werden auch in der Schutzhaftkommission mit der Regierung ein- gehend über alle diese Dinge verhandeln können. Einzelfälle sind schon genügend vorgetragen und ich will nicht neues Holz zum Scheiterhaufen der Zensurpraxis beitragen. Ganz wird die Zensur nicht zu entbehren sein, das gibt für rein militärische Nachrichten auch der sozialdemokratische Redner Geck zu. Aber die Zensur muß paritätisch verfahren und darf den Begriff des militärischen Jisteresses nicht übermäßig ausdehnen. Wir beantragen Verwei- sung der ganzen Materie an die Schutzhaftkommission, die hoffent- lich schnelle und gute Arbeit leisten wird,(Bravo ! bei den Ratio- nalliveralen.) Oberst Hoffmann: Der Abg. Müller-Meiningen gebrauchte gegenüber dem stell- vertretenden General des 2. Armeekorps die verletzende Bemer- kung, er bewundere den Mut dieses Herrn und wünsche, daß er sich im Schützengraben befände. Ich weise diese Bemer- kung mit aller Entschiedenheit zurück.(Zuruf bei der Volkspartei: Das ist alles, was sie können!) Vizepräsident Dr. Paasche: Ich werde feststellen, wie die Aeutzerung gelautet chat und eventuell einschreiten. Mg. Dr. Roesicke fk.) beschwert sich über einseitige Stellungnahme der Zensur zugunsten der Anti-Annexionisten. Die Auffassung des Reichskanzlers über Annexionen habe Scheide- manu in seiner bekannten Breslauer Rede sicherlich nicht zutreffend wiedergegeben. Allerdings hat die„Norddeutsche All- gemeine Zeitung" die Darstellung Schcidemanns nicht glatt zurück- gewiesen. Uni so notwendiger sei es, im Reichstag dieser ein- seitigen Darstellung entgegenzutreten.— Wenn wir dem Ausland sagen, wir sind bereit, die besetzten Gebiete zurückzugeben, so dienen wir dem Frieden nicht, den wir alle wünschen; denn solche Acutzerungen saßt man im Ausland lediglich als Zeichen der Schwäche auf. Auch der Sozialdemokrat Lensch, der Herrn Scheidemann sehr nahe steht, gibt zu, daß alle solche Angebote, selbst an Frankreich , nicht zum Frieden führen könnten, weil unsere Gegner Deutschland vernichten wollen. Wir dürfen das Ausland nicht so betrachten, wie wir es wünschen, daß es denkt, sondern wir müssen es fo betrachten, wie es wirklich ist und denkt.— Freies Aussprechen der Zukunftsmöglichkeiten ist kein Zeichen der Schwäche, sondern der Stärke, das könnten wir von England lernen.— Zu den militärischen Zensoren haben wir im Gegensatz zum Abg. Müller-Meiningen volles Vertrauen. Nur ihr Uebergmfen auf das politische Gebiet ist vom Uebel und sollte unterbleiben. An dem Klatsch und Tratsch, über den in der letzten Zeit soviel geklagt wurde, ist nicht zum wenigsten der Um-
stand schuld, daß die ofsiziöse Presse so gar nicht den Ursachen solcher Gerüchte nachgeht, die oft ganz naturgemäß entstehen, ohne daß irgendwie die Absicht einer persönlichen Verdächtigung vor- liegt.— Die Angriffe gegen den Kanzler sucht man der konservativen Partei in die Schuhe zu schieben. Wir verurteilen alle Treibereien, die nicht aus sachlichen, sondern persönlichen Mo- tiven entspringen. Es hat immer Personen gegeben, die einen anderen Reichskanzler lieber sehen würden. Die konservative Par- tei aber steht auf dem Standpunkt, daß die Besetzung der Minister - stellen Sache Sr. Majestät des Kaisers ist.(Lachen links.)— Die Präventivzensur verurteilen auch wir. Auch den Grafen Zeppelin hat man gewissermaßen unter Präventiv- z e n s u r gestellt. Es wäre dringend zu wünschen, daß, nachdem man den einen Brief des Grafen Zeppelin an den Kanzler ver- öffentlicht hat, nun auch die beiden früheren Briefe des Grafen der Oeffentlichkeit bekanntgegeben würden. Aehnlich ist es dem Grafen Reventlow gegangen, weil er eine Meinung aus- gesprochen hat, die von unserem Auswärtigen Amt nicht geteilt wird. Graf Reventlow glaubt auch in der Versammlung im Abgeordnetenhause nichr gesagt zu haben, was der persönlichen Ehre des Kanzlers zu nahe tritt.— Zu dem Verbot einer Zeitung sollte man nur im äußersten Falle greifen. Ganz ohne Zensur geht es nicht, aber die Zensur darf nicht engherzig ausgeübt wer- den.(Bravo ! rechts.) Vizepräsident Dr. Paasche stellt auf Grund des Stenogramms fest, daß Abg. Müller- Meiningen dem Stellvertretenden Kommandierenden General des 2. Armeekorps nicht Mangel an Mut vorgeworfen habe; er habe daher keinen Anlaß, nachträglich Remedur eintreten zu lassen. Staatssekretär Dr. Helsserich: Der Fall der Briefe des Grafen Zeppelin ist in der Kam- Mission erörtert und es ist dort festgestellt, daß Graf Zeppelin Manns genug ist, seine eigene Meinung auszusprechen, und daß er sich von niemand eine Meinung diktieren läßt, die er nicht selbst hat. Der Fall Bacmeister-Lewald ist von mir durch Ver- nehmung der in Betracht kommenden Beteiligten auch aus dem Luftflottenverein untersucht worden. Alle Beteiligten haben er- klärt, daß in den betreffenden Unterhaltungen keinerlei Aeuße- rung des Ministerialdirektors Lewald gefallen ist, die in dem Sinne der von Herrn Bacmeister aufgestellten Behauptung ge- deutet werden könnte.(Hört! hört!) Damit ist der Fall Bac- meister wohl erledigt. Verschiedene Redner haben dann von dem schlechten Eindruck gesprochen, den die Lorgänge vo» Sonnabend nach außen machen mußten. Der Meinung bin ich auch. Wenn aber Herr Gröber meinte, ich hätte diesen Eindruck mildern können, wenn ich mich in schärferer Weise der Entrüstung des Reichstags angeschlossen hätte, so bedauere ich, dem nicht folgen zu können. Ich darf in meiner verantwortlichen Stellung nicht die Schale der Entrüstung über Leute ausgießen, die noch nicht gehört worden sind, und deren Fall vielleicht unter meiner Mitwirkung erst noch unparteiisch geprüft werden wird. Ich darf auch nichts dazu beitragen, daß Behauptungen, deren Prüfung noch nicht ab- geschlossen ist, nach außen hin als Tatsache erscheinen und so unser Vaterland in den Augen des Auslandes herabsetzen. Dies wird Ihnen die Zurückhaltung, die ich geübt habe, erklären. Ich möchte auch den Eindruck nicht aufiommen lassen, als ob Belagerungs- zustand, Schutzhast und Zensur deutsche Spezialitäten seien, als ob es hiermit bei uns viel schlimmer aussehe als irgendwo. Das Umgekehrte ist der Fall.(Zuruf links.) Von Entschuldigung spreche ich nicht, aber es ist doch wohl wichtig für das objektive Ur- teil, wenn die Herren sich darüber klar sind, wie in Ländern mit so freiheitlichen Einrichtungen wie England und Frankreich , diese Dinge jetzt während des Krieges stehen. England, das vor- her überhaupt keine gesetzliche Grundlage für Beschränkungen der staatsbürgerlichen Rechte hatte, wo die Zensur formell seit Jahr- Hunderten außer Uebung gekommen ist, wenn auch die Regierung stets sehr starken Einfluß auf ihre Presse ausgeübt hat, hat sofort bei Beginn des Krieges ein Reichsverteidiguirgsgefetz beschlossen, das dann noch verschärft worden ist. Es enthält scharfe Eingriffe in die bürgerlichen Grundrechte, Aufenthaltsbeschränkungen, Be- schränkungen des Postverkehrs, sehr erhebliche Beschränkungen der Presse.(Zuruf: Praxis!) Das Recht der Haussuchung ist sehr umfangreich eingeführt. Wenn nur der Verdacht vorliegt, daß ein Grundstück zu Zwecken benutzt wird, die der öffentlichen Sicherheit oder der Reichsverteidigung abträglich sind, kann das Grundstück gewalffam betreten und durchsucht werden, es können Beschlagnahme»'erfolgen. Der Schutz der Person hat in England aufgehört. Auch Pol-izeibeamte find bovewrigt, ohne Haftbefehl Leute zu verhaften, wenn ihnen ein Verdacht gegen sie begründet erscheint. Oeffentliche Versammlungen können verboten werden, wenn Störungen der öffentlichen Odrnung zu befürchten sind. Von all diesen Bestimmungen wird auch sehr energisch Gebrauch gemacht. Das englische Arbeiterblatt ist wiederholt verboten wor- den. Aehnlich sind die Verhältnisse in Frankreich . Wir sind also keineswegs das Land außerhalb der Kultur. Wir wissen, daß Unser Volk die Opfer des Krieges in bewunderungswürdiger Weise trägt, daß es heute wie am'ersten Tage bereit ist, die notwendigen Opfer an Gut und Blut für die Verteidigung des Vaterlandes zu bringen. Es ehrt unser Volk, daß eS die freie Meinungsäußerung mindestens ebenso hoch hält, wie die Opfer an Gut und Blut. Aber in einem Krieg, in dem es um unsere ganze Existenz geht, der unser ganzes öffentliches und privates Lebe» umfaßt, in einem solchen Krieg kannn dem freien Wort nicht der Spielraum gegeben werden wie im Frieden. Diese Ueberzeugung wurzelt im Volke nicht so stark, und diese Tatsache trägt dazu bei, den ver- antwortlichen Instanzen ihr Amt zu erschweren. Wir wissen, daß wir uns auf unser deutsches Volk verlassen können, deshalb wün- schen wir die Eingriffe des Belagerungszustandes und der Zensur auf das Mindestmaß zu beschränken. Sie werden einwenden, in der Durchführung dieses Grundsatzes sind wir nicht immer glück- lich gewesen.(Sehr richtig!) Ich hoffe, daß wir in der Zukunft darin weiterkommen werden. Zu den vorliegenden Anträgen und den Einzelheiten kann ich im Namen der verbündeten Regierungen jetzt nicht Stellung nehmen. Ich möchte warnen, sie ficht im Ge- schwindtempo durchzuberaten. Immerhin kann ich sagen, die Tendenz der Anträge liegt in der Richtung unserer eigenen Wünsche und Bestrebungen: Vereinheitlichung und Milderung in der Handhabung des Belagerungszustandes. In dieser Richtung lagen die Anregungen des Reichskanzlers.(Zuruf: Sie sind aber nicht wirksam!) Darauf komme ich noch. Das Rundschreiben des Reichskanzlers und das der Oberzensurstelle ist am 1. August ergangen, und dafür, daß die Anordnungen auch befolgt werden, geschieht ebenfalls das Mögliche. Daß auf dem Ge- biet der auswärtigen Politik die Freigabe nicht ebenso möglich ist wie auf dem der inneren Politik, das, glaube ich, versteht sich für jeden ruhig Urteilenden von selbst. Der Reichstag selbst hat davon Abstand genommen, diese Fragen öffentlich zu diskutieren, und die- selbe Beschränkung mutz sich auch die Presse auferlegen. Herr Müller-Meiningen sagte, die bisherigen Anordnungen hätten nichts genutzt. Die Besserung mag nicht weit genug gehen, aber bestreiten läßt sie sich nicht. Zurückweisen will ich, als ob die Zensur die Behörden oder gar die Persönlichkeiten zu decken hat. Der Reichs- kanzler steht auf dem Standpunkt, daß persönliche Angriffe gegen ihn durch die Zensur nicht zu decken sind. Sonst hätte die Zensur noch ein weites Feld der Tätigkeit.(Sehr richtig!) Die Deckung' der Regierung ist fteilich etwas anderes. Der von Herrn G r o e- ber verlesene Erlaß, der jede Kritik der Regierungspolitik ver- bietet, stammt aus dem Beginn des Krieges und ist heute nicht mehr in Kraft. Man verlangt Richtlinien. Die zuständigen Stellen sind dabei, die heute geltenden Richtlinien in bezug auf die Zensur zusammenzufassen, und ich hoffe, daß das den Redakteuren eine Erleichterung bringe» wird,
Ich stehe nicht an, anzuerkennen, daß die Absichten der obersten militärischen Stellen und des Reichskanzlers bisher nicht in vollem Umfang verwirklicht worden sind, weder in bezug auf die einheit- liche Handhabung noch in bezug auf den beabsichtigten Abbau der Zensur. Wir werden hier die bessernde Hand anlegen müssen. Ich bin überzeugt, daß der Reichskanzler hierfür volles Verständnis bei den militärischen Instanzen finden wird, um so mehr, als die deutsche Presse ihre Aufgabe im Kriege in ausgezeichneter Weise erfüllt hat und keine Regierung die Presse entbehren kann.(Leb- Haftes Sehr richtig!) Ich kann in diesem Hause keine Taten vollbringen; ich mutz Sie bitten, sich mit meinen Worten zu begnügen. (Bravo !) Oberst von Wricsberg: Zu dem von dem Abg. Geck erwähnten Erlaß über den G e- brauch der französischen Sprache muß ich bemerken: In letzter Zeit haben die Truppen darüber geklagt, daß der Ge- brauch der französischen Sprache in herausfordernder Weise sich in bedenklichem Umfange gesteigert hat. Verschiedene militärische Be- fehlshaber haben Warnungen deshalb erlassen. Dazu sind die Befehlshaber im Operationsgebiet berechtigt. Deutsche Truppen stehen im heldenmütigen Kampf in Verteidigung deutschen Landes. Ich glaube, daß diese deutschen Truppen erwarten können, daß hinter ihrem Rücken nicht eine fremde Sprache ge- sprachen wird.(Große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Das Haus vertagt sich. Abg. Müller-Meiningen (Vp., persönlich): Oberst Hoffmann mutz über meine Aeutzerungen falsch informiert worden sein. ES hat mir ferngelegen, dem General von Vietinghof Mangel an Mut vorzuwerfen. Ich habe nur gewünscht, daß der General seine Schneidigkeit, die er der Presse gegenüber betätigt hat, im Schützen- graben betätigen könne. Ich nehme an. daß Herr von Vietinghof denselben Wunsch hegt.(Heiterkeit.) Es liegt mir wie gesagt fern, den Mut eines tüchtigen Soldaten, aber schlechten Politikers und Zensors anzuzweifeln.(Heiterkeit.) Abg. Geck(Soz., persönlich): Ich habe von Fällen gesprochen, in denen die Betreffenden der deutschen Sprache überhaupt nicht mächtig waren. Wenn sie nicht ftanzösisch sprechen dürfen, dürfen sie überhaupt nicht sprechen.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Nächste Sitzung Dienstag, 3 Uhr. Kleine Anfragen. Fortsetzung der Zensurdebatte. Schluß 89L Uhr.
Mus aller weit. Vier Jahre Zuchthaus für einen Wucherer. Vor dem Landgericht Halber st adt wurde am Soimabend nach fünftägiger Verhandlung ein Prozeß zu Ende geiührt, der sich gegen einen besonders gemeingesährlichen Kriegsbetrüger richtete. Angeklagt war der Techniker und Kaufmann Paul H ö p f n e r auS Magdeburg . Er gründete kurz nach Kriegsausbruch, trotzdem er überschuldet und ohne jeden Kredit war, in Bleckendorf ein Lebensmittelgeschäft unter dem lönenden Namen„Mitteldeutsches Handelskontor". Durch auffällige Inserate in den großen Tageszeitungen ganz Deutschlands bot er Lebens- mittel aller möglichen Art zum Kaufe an; auf die gleiche Weise forderte er Angebote von Waren aller Art ein. Ganz besonders legte er sich auf den Kartoffelhandel. Er schloß Anträge auf Liese- rung von Hunderttausenden von Zentnern Kartoffeln ab: geliefert aber hat er den Bestellern nicht eine einzige Knolle! Seine Opfer waren namentlich kleinere Stadtverwaltungen im Königreich Sachsen, im Herzogtum Braunschweig und in den Provinzen Hau- nover und Rheinland . Auch mit anderen Behörden und militäri- schen Dienststellen abgeschlossene Verträge hat er nicht erfüllt. Die Anklage legte ihm nicht weniger als 184 strafbare Handlungen zur Last. Er wurde in 98 Fällen für überführt erachtet und- wegen Betruges, Ueberschreitung von Höchstpreisen usw. zu vier Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust verurteilt. Dasselbe Gericht verurteilte wenige Tage vorher nach acht- tägiger Verhandlung den Bruder des Angeklagten, Wilhelm Höpsner, wegen betrügerischer Massengründung von G. m. b. H. zu zw ei- einhalb Jahren Gefängnis.
Räuber in Jraneukleideru. Gin romantisches Verbrechen, das seinem ganzen Hergange nach an gewisse Hintertreppengeschichten gemahnt, hat sich in der Nähe der Stadt Jnsterburg abgespielt. Der Kaufmann August Gcnzer aus dem Nachbarorte T r e m p e n kehrte am späten Abend von einer Reise zurück. Während er noch mit dem Ausschirre» seiner Pferde beschäf- tigt war, tauchten in der Dunkelheit, plötzlich wie aus dem Boden ge- wachsen, drei Gestalten auf und beim Scheine einer Blendlaterne erkannte der Erschreckte drei Frauen. Ehe er wußte, was los sei, war ihm ein Sack über den Kopf geworfen worden, den seste, und sicherlich nicht Frauen gehörige Hände zudrehten. Der Ueber- fallene wurde zu Boden geworfen und gefesselt. Man durchiucht« ihm die Kleider und entriß ihm eine Brieftasche, in der sich 1209 M. befanden. Die Räuber, denn um solche handelte es sich, riefen ihm noch einige höhnische Worte zu und verschwanden dann in der Dunkelheit. Bisher hat sich keine Spur der Verbrecher finden lassen.
vrandkatastrophe in einem Krankenhaus. �avaS" meldet ans Quebec : In Farnham(Provinz Oue- b«, Kanada ) zerstörte eine Feuersbrunst das Elisabeth- Spital, das 150 Betten enthält. Die Mehrzahl der Kranken konnte durch die Fenster gerettet werden. Zwei Kinder wur- den verletzt, da sie aus den Fenstern des dritten Stockwerke? sprangen', fünf fanden den Tod und IS werden ver- mißt.
Fünf Personen bei einer Kahnfahrt ertrunken. Aus Posen wird gemeldet: Als der aus dem Felde beurlaubte Besitzer Roszinski auS Wompiersk im Kreise Straßburg (Westpreußen ) auf einem mit Torf beladenen Kahn über den 100 Meter breiten Teich nach Hause fahren wollte, sank der Kahn in der Mitte des Teiches und mit ihm fünf Personen: Roszinski, seine Ehefrau, sein Sohn, der Knecht und die Magd. Die Leichen sind noch nicht gefunden worden. Ein Mord a«S Eifersucht. Sonntag nachmittag erstach in Köln auf offener Straße ein junger Mann namens Bieten ein Mädchen, mit dem er ein Liebesverhältnis unterhielt, durch mehrere Stiche in Brust und Hals. Der Mörder entfloh, stellte sich aber später der Polizei mit der Angabe, er habe die Tat aus Eifersucht vollführt. Vrandunglück. In einer Pulverfabrik in St. Mödard (Srr. Bordeaux) entstand im Trockenraum ein Brand, der einen großen Umfang annahm.„Matin" zufolge wurden 65 Personen mehr oder minder schwer verletzt. Der Marcrialschaden ist ziem- lich erheblich. Ein englisches Rettungsboot gekentert. Das Rettungsboot von Salcombe, eines Hafens für kleine Schiffe in der englischen Graf- schaft Devon , fft auf der Rückkehr von der Hilfeleistung bei einem durch Sturm in Seenot geratenen Schiffe gekendert; von der Be- mannung sind dreizehn ertrunken und zwei gereftet. Amerikanischer Humor. Der Sohn:„Vater, was ist eigentlich ein politischer Verräter?" Der Vater, alter Politiker:„Ein poli- tischer Verräter ist ein Mann, der unsere Partei verläßt, um sich der gegnerischen Seite anzuschließen." Sohn:„Und was ist dann ein Mann, der die gegnerische Partei verlätzt, um zu uns zu kommen?" Der Vater:„Das ist ein lobenswerter Bekehrter, mein Sohn!"(Tit-BitS.)