Klienten, evenluell aus eine kleine Geldstrafe zu erkennen, wenner mil diesem oder jenem Worte das Zulässige überschritten hat.Staatsanwalt Venedix erwidert, daß der„Vorwärts"das Organ der einen Nichtuna innerbalb dersozial revolutionären Partei sei. ISS2 habe der„Vorwärts" die Februarkrawalle zurückgewiesen und die Tumul»tuantcn Ballonmützen und Lnnipenprolelarier genannt. Erwurde deshalb von den Blättern der anderen Richtungder Sozialrevolutionäre heftig angefeindet, und es schien ihm18S4 vermuthlich gut, sich dieser Sorte von Menschen gegenüberzu rehabilitiren.Rechlsainvalt Dr. H e r z f e l d: Eine solche Absicht hat der„Vorwärts" nicht gehabt. Er verurtheilte Gewaltthätigkeiten,wie sie 18S2 vorgekommen sind, heute ebenso wie damals.Der Vorsitzende befragt noch einmal den Zeugen. Polizei-Hauptmann Feist, ob der Zugang zuni Friedrichshain nachSchluß der Versammlung offen gewesen sei. Der Zeuge bestätigtdies und wiederholt nochmals seine Aussag« von gestern. Erhabe nnr Rowdies am Platze gesehen. Total betrunkene Leuteseien an ihn herangekommen und hätten in die Versammlunghinein gewollt. Es habe sich ein richtiger Zug gebildet. Er habeihn fünf Minuten lang beobachtet, bevor er eingeschritten sei.Der Zeuge giebt seine Aussage mit solchem Aufwand von Stimmeab, daß die Zuhörerschaft unruhig wird und unruhigmurrt. DerVvrsitzende droht, daS Auditorium räumenzu lassen.Rechtsanwalt Fritz Friedmann: Die„Allgemeine Fahr-Zeitung" ist ein Organ für die Interessen des Fuhrwesensund hat mit Anarchismus, mit Sozialdeinokratie, mitPolitik überhaupt nichts zu thun. Die Zinklage gegen meinenKlicnlen, den gute» Schütte, der da ein Gedicht aus der„Schwäbischen Tagwacht" abgedruckt hat, weil er, wie er ver-sichert, den Raum des Blattes füllen wollte, ist verglichen milden anderen Anklagen das Satyrspiel nach der Tragödie. Esist mir nun zwar vollkommen gleichgiltig, welcher Ansicht derHerr Staatsanwalt ist, aber er hat selber die Anklage wegenAufreizung zum Klassen haß fallen lassen. Run liegtaber noch eine Anklage wegen Beleidigung gegen Schüttevor. Ein Strafantrag ist vorhanden, der, wie der HerrStaatsanwalt versichert, leider nicht gegen konservativeBlätter und wohl auch leider nicht gegen Herrn vonE z i d y gestellt ist. Es erscheint mir nun sehr gleichgiltig, hierEinzelheiten aus den Vorfällen sestznstellen, festzustellen, ob diesemoder jenem ein Nasenbein zerschlagen worden ist, sür das er ja,wie hier freundlich versichert ist, Schadenersatz verlangenkann. Es ist mir auch ganz gleichgiltig, ob das höhere Polizei-Organ, dem eine so große Macht anvertraut war, diese Machtauch richtig angewandt und sich nicht geirrt hat. Räch meinerAuffassung hat die Vertheidigung nur eins in den Mittelpunktihrer Aufgabe zustellen: nachzuweisen, Wiedas, was die Menschenda erlebt haben, auf sie gewirkt hat, welchen Eindruck siedavon hatten und ob ihre Erzählungen den Angeklagten glaub-hast erscheinen mußten. Die Zeitungen sind für die Oeffeutlichkeitda, und wir haben zum Glück eine Oefsentlichkeit.sogar für die Gerichtssäle ist diese Oeffeutlichkeit glücklicherweisegarantirt. Entscheidend darüber, ob die Absicht einer Beleidigungvorlag oder nicht, ist die Prüfung, waren diese Schilderungenglaubhaft? Und da erschien es uns fast undenkbar, daß so harteStrafen beantragt werden würden, nachdem das Zengniß einessolchen klassischen Augenzeuge» vorlag, wie es Herr v. Cgidyist. Der Herr Oberstlieutenant v. Egidy, der Herr ist Oberst-lieutenant, also wohl kaum Anarchist; er heißt v. Egidy,gehört also wohl kaum zum Zssiob und zum Gesindel,es ist ein alter Herr, dem sich also schlecht vorschnelles jugend-liches Urtheil vorwerfen läßt, er ist akademisch gebildet, wie dieHerren Richter und Staatsanwälte auch. Und dieser Mann sagtaus, er habe sich zurückgezogen, weil ihn das Schauspiel, wie diePolizei mit den Arbeitslosen verfuhr, ekelte. KeineTrauerversammlung, sagte er, gehe so ruhig aus-einander, wie diese Versammlung gegangen sei. Er sagt, daßdie Versammlung den Eindruck der Eutkrästung und Furcht ge-macht habe. Er sagt: jeder Mensch, ob er nun christlich-rcligiös,ordnungsliebend, ehrlich, gut, ja auch nur feinfühlig sei, müsse vontiefstem Schmerz erfüllt werde», wenn er dieser Vor-gänge gedenke. Nach dem Urtheil dieses Mannes in dieserLebensstellung, das er in seinem Blatte mit dem stolzen undguten Namen„Versöhnung" schriftlich niedergelegt und hierWort sür Wort aufrecht erhalten hätte, muß ich es als Unmög-lichkeit betrachten, daß die Angeklagten verurtheilt werden, wieder Herr Staatsanwalt verlangt. Ein solches Urtheil wäre dasGegentheil von dem, was Herr v. Egidy„Versöhnung" nennt.Wenn ein solches Urtheil erfolgen sollte, müßte manwirklich fragen, was soll daraus werden! Wir kommen dochnicht Über das Gefühl heraus, daß wir hier Beamte alsZeugen haben, die schließlich doch ihre Maßnahmenvertheidigen. Der Mensch, auch ein Beamter kann sichirren. Brotlose Arbeiter werden von Leuten, die wie sie aus-sehen und auch arbeitslos zu sein scheinen, init Gummischläuchengeschlagen. Die Arbeiter sind dadurch, wie es in dem Gedichtin der„Fahrzeitung" heißt, zweifellos gehetzt worden. Es wardoch gewiß ein berechtigter Zweck, wenn die Arbeiislosen zu-saminenkommen und über ihre Lage beralhen. Darüber sollteman nicht höhnisch urtheilen. Und dabei ist es auch ganzgleichgiltig, ob ter Einberufer ein Anarchist war, derdann lange nach der Versammlung in den Verdacht oe-rathen ist, einen Einbruch begangen zu haben und ob derReferent auch lange nach der Versammlung wegen Majesläts-beleidigung verurtheilt worden ist. E i n e H e tz e ist dies Vorgehen gewiß gewesen. Es ist da die Neigung der subalternenPolizei-Organe, die ja selber manchen Angriffen ausgesetzt sind,sich selber einmal ordentlich zu bethätigen, hervor-getreten. In die Rolle eines lachenden Dritten kaun ich michbei solchen Vorfällen nicht finden; ich beschäftige mich nicht mitPolitik, ich habe keine Zeit dazu, aber ich bin dochnicht so weltfremd, daß ich das Gefühl der Arbeits-losen nicht verstehe, auf die der Gummischlauch gefallenist. Ich bringe es nicht fertig, zu sagen: Waswar denn weiter großes: Da hat der Mob ein bischen Jagd-hiebe bekommen. Wie kann nian da kommen und sagen: DiePresse hat kein Recht, sich um solche Vorfälle zu kümmern! Wiekann man nicht ein Wort des Mitleids, nicht ein Wort der Ver-söhnung übrig haben. Man mag ja denken: Herr v. Egidy,das ist ein Träumer, ein Idealist, der sich noch einbilden kann.die Welt könne regiert werden ohne Blut, oder sagen wir auch,wie die Ueberschrist des Gedichts lautet: ohne Gummischlauchund Eisen. Ich wünsche nur, es gäbe noch mehr solcher Träumer.Bon der Absiebt einer Beleidigung kann bei meinem Klienten nichtdie Rede sein. Der Herr Polizeipräsident, der Polizcihauptmann, derKriminalkommissar Böffel erweise» ihm ja gar nicht mal die Ehre,ihn zu kennen.Staatsanwalt: Es wird soviel Wesens vom Zengnißdes Herrn v. Egidy gemacht. Er hat ja nur geschildert, wasim Saale geschah und da sagte er, daß die Theilnehmer entnervtund verlumpt aussahen. Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich,daß er sich in der Nähe der Zeuge» Ahlseld und Harpe be-sundcn hat und dort seinen Eindruck gewonnen hat. Im übrigenhaben wir nicht durch die Brille des Zeugen v. Egidy zu sehen.sondern nur das Gesammtbild nach allen Zeugenaussagen selbst-ständig zu entwerfen.Verlheidiger, Rechtsanwalt Fritz Friedmann: DerHerr Staatsanwalt befindet sich wiederum im Jrrthum. DasZeugniß des Herrn v. Egidy bezog sich auch auf die Vorgängeauf der Straße.- Er hat serner nicht von entnervten und ver-lumpten Leuten gesprochen, sondern von ihrer Entkrästung undFurcht.Der Angeklagte, Redakteur Keßler, betont, daß das Urtheilder Sozialdemokratie über die Unruhen im Februar 18S2 sichnicht geändert habe.Redakteur Wißberger legt Verwahrung gegen die Wortedes Staatsanwalts ein, der von einem gewissenlosen Literaten-thum gesprochen habe.Staatsanwalt: Das ist mir nicht eingefallen.Wißberger: Sie haben es gesagt. Freilich, wenn derStaatsanwalt spricht, spricht er immer in Wahrung berechtigterInteressen und ist gerichtlich nicht zu belangen.Präsident: Das� gehört nicht zur Sache!Wißberger: Der Vorwurf der Gewiffeulosigkeit warganz unberechtigt. Ich habe den Artikel erst nach sorgfältigerPrüfung der Angaben eines Berichterstatters geschrieben, den rchals gewissenhaften Menschen kenne.Der Angeklagte Grüttesien wiederholt, daß er„wieder Herr Staatsanwalt zu der bürgerlichen Partei" gehöre,in deren Interesse es liege, die Legende von der Lockspitzelei zuzerstören, die der Sozialdemokratie neue Anhänger zuführe. Siegedie Sozialdemokratie, so werde sein persönliches Interesse ver-letzt, denn er würde in seiner persönlichen Freiheit beschränktwerden.Angeklagter Redakteur Schmidt: Gegen die Behauptung,daß die Sozialdemokratie auf ungesetzlichem Boden stehe, mußich entschieden Verwahrung einlegen. Wenn der Herr Staats-anivall mehr Zeit hätte, sich mit politischen Dingen zu besoffen,würde er eine solche Behauptung nicdt aufstelle».— Vors.:Das gehört nicht zu Sache.— Schmidt: Der Vorwurfist ganz allgemein ausgesprochen worden Ich bin Sozial-demokrat, werde also mit davon berührt und muß mich dagegenverwahren können. Es ist eine eigenthümliche Deduktion desStaatsanwalts, wenn er meint, wir wollten uns jetzt bei denAnarchisten rehabilitiren. Die gesammte Redaktion des„Vorw."steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Vorgängevom Februar I8S2 zu rerurtheilen seien. Zwischen den damaligenVorgängen und denen des 18. Januar d. I. liegt aber ein großerUnterschied. Damals waren Verbrechen verübt worden; heuteist aber auch nicht die Spur eines Beweises vafür vorhanden,daß sie hier beabsichtigt waren. Ich lege auch Verwahrung gegendie Behauptung ein, daß der„Vorwärts" ohne jede Informationdie Berichte über die Vorgänge am Friedrichshain aufgenommenhabe. Mindestens 20 Leute mit zerschundenem Gesicht,mit zerrissen Röcken und ohne Hut waren auf der Redak-tion, nm Klage zu führen. Wir sind ein sozialdemokratischesArbeiterblalt, und die große Mehrzahl der Arbeiter ist sozinldemo-ratisch und w endet sich na turgemäß an uns. JchselberbinArbeiter gewesen und weiß, was es heißt, arbeitslos zu sein.Ich weiß, wie tief e s s ch in e r z t, wenn man als Mob,als Janhagel bezeichnet wird. Es ist eine e i g e n t h ü m-l i ch e Auffassung des Herrn Prüstdeuten, es gebe keineArbeitslosen- Versammlung, die ordnungsmäßig verlaufe.Ich selber habe in einer großen Arbeitslosen- Versammlung ge-sprechen, die in Ruhe und Ordnung auseinandergegangen ist.Die Leute', die in die Redaktion kamen, rochen nicht nachSchnaps, man merkte wohl, daß es Arbeitslose waren. undunter dem Eindruck ihrer Schilderungen sind die Artikel ge-schrieben worden.Die übrigen Angeklagten verzichten aufs Wort. Ter Gerichts-hos zieht sich zur Beralhung zurück.Nach vierstündiger Berathung wird folgendes Urtheil ver-kündet:Der Gerichtshof hat den Ausführungen der Vertheidigung überd e w C h a r a k t e r der Versammlung nicht beistimmen können.Die Versammlung war von einem bekannten Anarchisten ein-berufen und es war eine Demonstration zu erwarten. Es warnur ein kleines Aufgebot von Schutzleuten bereitgestellt, nichtsogenannte Achtgroscheujnngens, wie es i» den Blättern hieß.Es haben sich zu den Arbeitslosen viel jugendliche Leutegesellt, die hier in Berlin meistens Radaubrüdersind. Diese Gesellschaft war gefährlich und es wäre u n-klug gewesen, diese Leute erst handeln zu lassen. Die Polizeihat ihre volle Pflicht und Schuldigkeit getha»,indem sie rechtzeitig die Bildung von Hansen verhinderte. TerPolizeihauptmann hat eidlich bekundet, er habe dieLeute wohl hundertmal aufgefordert, ruhig nach Hause zu gehe».Er hat erst schärfere Maßregeln ergriffen, als er in Gütenicht mehr auskam. Der Polizeilieutenant Arendt hateidlich ausgesagt, daß ein ganzer Haufen in aggressiver Haltungaus ihn zugekommen sei. Zu gehässigen Angriffen gegen diePolizei durch die Presse war kein Anlaß. Wie wäre diePolizei angegriffen ivorden, wenn wirkliche Unruhen undPlünderungen wie im Jahre 1892 stattgefunden hätten! Es istauch falsch, ihr Vorwürfe zu machen, daß sie die Leute aus de»Hänsern geholt. Sie hätte sonst neue Trupps binter sichgehabt. Wenn Leute dabei verwundet worden sind, so indas ihre Schuld, da sie Wider st and leisteten. Esist kein Zweifel, daß unglücklicherweise auch Leute verwundetworden sind, die unschuldig waren. So ist es in der ganzenWelt immer gewesen, daß die A n s h e tz e r hinterm Ofensitzen und die Verführten und auch gewisse Unschuldige ihreSchuld ausbaden müssen. Das sind Unglücksfälle, die nichtdie Polizei zu verantworten hat. Nun hat ja jeder Mensch dasRecht zuschreiben und zukritisiren und seine Meinung frei zu äußern.Man könnte in Erörterungen darüber eintreten, ob die Polizeinicht milder hätte vorgehen können, ob es praktisch war, nicht-uniformirte Beamte, die mit Gumniischläuchen bewaffnet waren,zu verwende». Das konnte alles objektiv besprochen werden,dieses Recht gewährleistet die Verfassung; natürlich nur so weitals man sich nicht der Beleidigung schuldig macht.Run zu den einzelnen Angeklagten und ich beginne beiZ a ch a u. Er hatte es auf Verhöhnung der Polizei abgesehenDen Artikel im„Sozialdemokrat" hat kein ernster Manngeschrieben, sonder» einer der die Polizei beleidigen wollte.Es liegt Beleidigung im Sinne des§ 185 vor. Ter Schutz des§ 193 wäre dem Angeklagten an sich zuzubilligen. Aber die Formist beleidigend. Ter Gerichtshof hat eine Strafe von zweiMonaten Gefängniß sür augemessen erachtet.Der Angeklagte Keßler hat der Polizei grobe Pflichtvergessen-heit vorgeworfen.„Polizeiorgie",„empörende Provokation". Esist Beleidigung im Sinne der§§ 185 und 186 angenommen worden.Es ist gleichgilttig, ob die Frageform gewählt ist. Schreibt einesolche Zeitung„wollte die Polizei provozire»?" so heißtdas in dürren Worten: Die Polizei hat provozirenwollen. Ter Angeklagte Keßler ist zu vier Monatenverurtheilt worden.Was den Angeklagten Wißberger anlangt, so war schon dieUeberschrist„Die schneidige Attacke" beleidigend, er ist zu dreiMonaten verurtheilt worden.Auch Perl hatte die Absicht zu beleidigen, es ist bei ihm«ine Geldstrafe vou 800 M. für angemessen erachtet worden.—Ter Angeklagte Grüttesien hat eine von schwerenBeleidigungen und Nntvahrheiten strotzende Rededes Abgeordneten Singer aus dem Sieichstageabgedruckt. Das allein macht ihn schon strafbar,denn die Rede war nicht im Verhandlungsbericht der Reichstags-Verhandlungen, sondern getrennt veröffentlicht und istdeshalb nach ständiger Judikatur nicht straffrei. Auch sonstfinden sich in dem Artikel schwere Angriffe. Da Grüttesien nochunbestraft ist, ist auf eine Geldstrafe von 509 M. erkannt worden.Harnisch ist a»es gleichen Gründen zu einer Zusatzstrafevon zwei Monaten verurtheilt worden. Bei dem Ange-klagten Schütte ist in llebereinstimmung mit der Staats-anwaltschaft angenommen worden, daß Aufreizung nicht vorliegt. Wegen der Beleidigung ist auf eine Geldstrafe von159 M. erkannt worden. Beim Angeklagten Schmidttrifft für den ersten Artikel das Gleiche wie beimAngeklagten Keßler zu. Schon der AusdruckPolizist ist beleidigend und höhnend, einAusdruck, der sich nicht schickt. Scknnidt ist in3 Fällen schuldig und zu fünf Monaten Gefängnißverurtheilt worden. Mögen die Redaktionen sichbesser erkundigen. Bei Abmessung der Strafe ist selbst.v ersicindlich keine Rückstckt auf die Parleistellung der Angeklagtenaenommen worden, während sie bei Beurtheilnng derTendenz der Artikel in Frage gekoi—?u ist. Außerdem istauf die üblichen Nebenstrasen erkanntSchluß?>/- Uhr.Ueber eine» Dhnamitprozest, der sich s-« Montag i»Prag abspielt, liegen folgende Nachrichten des WolfflchenDepeichenbureans vor: �Bei dem Prozesse gegen die vier der Urheberschaft der imDezember und im Februar in Rakonitz verübten Dynamitaueutateangeklagten Burschen waren dieselben wie in der Voruntersuchung,in der Hauptsache geständig. Der Angeklagte Schmidt sagteaus, nach dem Attentate bei dem Advokaten Wolf habe«selbst die Feuerwehr benachrichtigt und Nacht- das Wolf scheHaus bewacht; die übrigen beiden Attentate hätten nurzeigen sollen, daß die Behörden �ie richtigen Dynainiliarden nochnicht erwischt hätten. Der Angeklagte Natali ist ängstlich be-strebt, die Komplicen nickt zu belasten, welch« ihm alle Schuldaufbürden. Die Sachverständigen stellten fest, die zur Ver-wendung gekommenen Mengen Dynamit hätten hingereicht, umMenschenleben zu gefährden. Nachdem auf Antrag des Ver-theidigers die Vorlabung von Zeugen beschlossen, um über denGeisteszustand Natali's Aufschluß zu geben, wurde die VerHand-lung abgebrochen.Dir Zeugen schildern die Verheerung infolge der Dynamit-attenlate, sowie die Furcht der Bevölkerung. Ein Zeuge hältden Angeklagten Natali für blödsinnig. Die Nachmittags ver»nommene Mutter Natali's sagt aus, ihr Sohn sei als Kindöfter krank gewesen und infolge dessen geistesschwach geworden.Nach dem gcrichlsärztlichen Gutachten ist der Angeklagte wohlhochgradig schwachsinnig, aber nicht unzurechnungssähig. DerAnirag des Vertheidigers, ein Gutachten der medizinisckenFakultät einzuholen, wurde abgelehnt, worauf derselbe die Nichtig-keilsbeschwerde anmeldete. Hierauf wurde das Beivcisverfahrengeschlossen.Der Staatsanwalt beantragte unter Anführung der mildern-den und der erschiverenden Umstände gegen die vier AngeklagtenStrafen von 5 bis 19 Jahren schweren Kerkers.Ein Niesenprozest gegen die Markthalleu-Diebe undHehler gelangte am Dienstag' Abend zum Abschlüsse. Den Haupt-thäter, den erst I3jährigen Kutscher Großmann traf eine Ge-fängnißstrafe von fünf Jahren. Seine Mitthäter wurden zumTheil niit Zuchthaus bestraft. Der Haupthehler, Schlächter-nieister Grosseck, wurde zu einer Zuchthausstraie von drei Jahrenvenirtirlt. Die der einsacken Hehlerei beschuldigten Schlächter-meister und Gastwirthe wurden zumeist sreigesprochen.<?in gegen die VersichernngS-Gesellschaft„Victoria"gerichteter Betrug»ahm gestern die ganze Sitzung derdritten Strafkammer des Landgerichts I in Anspruch. Die An-klage richtete sich gegen die Schneiderswittwe Johanne Löwen-t h a l, den praktischen Arzt Dr. med. Mar Blum und denVersicherungs-Agenten Paul Lehmann. Die Erster? war desBetrugs, Dr. Blum der Beihilfe durch Ausstellung eines wissenl-lich falschen Attestes und Lehmann ebenfalls der Beihilfe be-schuldigt. jTer Sachverhalt ist von der Anklngebehörde folgender-maßen zusammengestellt worden. Im April 1892 lernte dceLöwenthal den Damenschneider Carl Apel kennen. Sie sollte imAuftrage einer Bekannten, die mit Apel verlobt gewesen war,versuchen, ob sie das von Apel gelöste Verhältniß nicht wiedereinfädeln könne. Wie die Anklage behauptet, hat die LSjährigeFrau Löwenthal die Interessen ihrer Auftraggeberin in weniggewissenhafter Weise wahrgenommen. Sie soll selbst an ApelGefallen gefunden haben. Thatfache ist, daß sie sich selbst mirihm verlobte. Am ersten Oktober 1892 bezogen sie im HauseLandsbergerstraße 7 eine gemeinsame Wohnung, obgleich ihreEhe noch nicht geschlossen war. Sie beabsichtigten, sich durchDamenschneivcrei zu ernähren. Apel arbeitete sür die FirmaGerson. Bald nachdem Apel mit der Löwenthal nach derLandsbergerstraße verzogen war, stellte er durch denAngeklagten Lehmann bei der„Victoria" den Antrag, seinLeben gegen Unfall und gegen Todesfall zu versichern. ImFalle eines Unfalls sollte Apel täglich 19 M. und im Falleseines Todes den Betrag von 19999 M. erhalten. Kurz vorherhatte Apel vergeblich versucht, bei einer anderen Gesellschaftaufgenommen zu werden. Man hatte ihn wegen seines krank-hasten Zustaudes abgewiesen. Mit Hilfe des Agenten Lehmann,der die Erklärungen des Antragstellers entgegennahm und ihnals gesund schilderte, wurde auch die Versicherung bei derViktoria bewirkt. Am 17. Oktober 1892 will Apel min voneinem Unfälle betroffen worden sein. Er behauptete, daß erbei Gerson die Treppe hinabgefallen sei und sich innerlichverletzt habe. Auffallenderweise zog er nicht seinen lang-jährigen Hausarzt, den Dr. Oltroski. zu Rothe, sondern denin der Nachbarschaft wohnenden Dr. Blum, welcher denkranken Zustand des Apel durch ein Zengniß bescheinigle. Apelgenaß nicht wieder, zunächst lag er 299 Tage krank. Er erhieltdafür von der„Viktoria" 2999 M. Am 2. Juli des vorigenJahres verstarb Apel. Seine Braut legte der Gesellschaft„Viktoria" eine Zession von dem Verstorbenen vor, wonach ihralle Rechte an die Gesellschaft abgetreten waren. Die Rechts-giltigkeit dieses Schriftstücks ließ sich nicht anfechten, FrauLöiventhal erhielt 19 999 M. ausbezahlt. Die Gesellschaft stelltedann aber eingehende Ermiltelungen an und kam znder Ueberzeugung, daß sie das Opfer eines schlau an-gelegten und durchgeführten Betruges geworden war. Derangebliche Sturz von der Gerson'schen Treppe soll erheuchelt sein.Apel soll in so hohem Grade schwindsüchtig gewesen sein, daßsein Zustand sür jeden Laien erkennbar war. Die Löiventhalsoll sich durch zweideutige Reden anderen Personen gegenüberverdächtig gemacht haben. Sie soll stets in liebloser Weise überden Kranken gesprochen haben.„Wenn der schwindsüchtige Hundnur erst ladt ist, dann lebe ich fett". Diese und ähnliche Redensollen von Zeugen bekundet sein. Der Angellagte Dr. Blumist ein Verwandter der Löwenthal, die Anklage schließt aus diesemUmstände, daß er sich leicht bereit finden ließ, zu dem Betrüge hilf-reiche Hand zu leisten. Die Löwenthal ist im Wege der Klage zurHerausgab« der 19 999 M. verurtheilt worden. Wie sie imgestrigen Termin zugab, ist sie zur Zurückgabe des Geldes anßerstände, sie habe nur noch etwa 6999 M. hinter sich.Die Angeklagten bestritten sämmtlich ihre Schuld. Demumfangreichen Belastungsmaterial hatte die Vertheidigung, dievon den Rechtsanwälten Dr. Richard Wolff, Wronker und Fried-mann geführt wurde, einen nicht minder umfangreichen Ent-lastungsapparat gegenübergestellt. Es sollen sieben ärztliche Sach-verständige und über 29 Zeugen vernommen werden, sodaß zurBewältigung des Prozesses voraussichtlich zwei Tage nölhigsein werden.Auch arbeitsfähige Personen sind unter NiustäntzenalS hilfsbedürftig zu betrachten. Wenn diese Weisheit untergewöhnlichen Menschenkindern auch recht banal klingt, so machtes doch immerhin Aufsehen, wenn eine solche Sentenz von Ge-richts wegen anerkannt wird. Ein solcher Fall liegt nach der„Volks-Zeitung" vor: Des Prinzips wegen, so schreibt diesBlatt, wurde von der Reichshaupistadt Berlin gegen das kleineWitoldowo nur einiger Mark wegen ein Prozeß durch alleInstanzen geführt. Der Eteinträger Kubs, ein gesunder undkräftiger Mann, welcher in Witoldowo seinen Unterstützungs-wohnsttz besaß, war vor einiger Zeit nach Berlin gekommen undhatte bisweilen wöchentlich mehr als 39 Mark verdient. Alser einige Zeit keine Arbeit hatte und keine Miethe bezahlenkonnte, warf der Wirth ihn und feine kleine Familie auf dieStraße. Kubs begab sich nach dem städtischen Obdach, bliebdort«m,ge Tage und wurde dann mit 12 Mark, nm davoneine neue Wohnung zu miethen, entlassen. Der Ort Witoldowolehnte es spater ad. die entstandenen Kosten zu ersetzen, da«in