vüllig gesunder und kräftiger Mann stets Arbeit finde und nie als hilfsbedürftig bezeichnet werden könne. Sogar eine gesunde Frau aus dein Arbciterstande müsse sich und ein bis zwei Kinder allein ernähren können. Es kam zur Klage. Auf gruud des Z t des Ausfnhrnngsgesetzes vom 8. März 1871 nahm der Bezirksausschuß in Posen an. daß nur arbeitsunfähige Personen hilfsbedürftig seien; daß Kubs arbeitsunfähig gewesen sei, sei bis jetzt von keiner Seite behauptet worden; die Klage Berlins wurde daher als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte Berlin Berufung beim Bundesamt für das Heimathwesen ein und machte geltend, auch ein gesunder Ar- beitcr könne in Zeiten, wo Arbeitsmangel herrsche, hilfsbedürftig sein. Dieser Auffassung trat im wesentlichen das Bundesamt bei, änderte die Vorentscheidung ab und erklärte, auch arbeitsfähige Personen stnd unter Umständen als hilfsbedürftig zu betrachten; die Erstattungsklage finde statt, wenn solchen Personen Unter- stütznng gewährt werden mußte, weil es zur Zeit in der betreffen- den Gegend an Arbeit und Verdienst fehlte, oder um sie in den Stand zu setzen, sich Arbeit und Verdienst zu suchen. Richtladnug deS VertheidigerS. Der Kupferschmied Bernhard Meyer aus Breslau hatte zur mitternächtigen Stunde in den Straßen von Ratibor Lärm gemacht, war in Haft genommen worden und hatte sich dabei des Widerstandes und der Beleidigung schuldig gemacht. Vom Erscheinen zur Hauplverhandlung vor dem Landgerichte Ratibor am 17. März war er wegen zu weiter Entfernung entbunden worden. Das Gericht verurtheilte ihn in seiner Abwesenheit zu vier Wochen Gesängniß. Nachträglich erfuhr der Angeklagte, daß der Ver- theidiger, dem er rechtzeitig Vollmacht ertheilt halte und der auch die Uebernahme des Mandates dem Gerichte rechtzeitig angezeigt hatte, zur Hauptverhandlung weder geladen noch erschienen war. Wegen der hierin sich dokumentircnden Beschränkung der Ver- theidignng hob am 8. Mai das Reichsgericht aus die R e- vision des Angeklagten das Urtheil a u f und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Militärisches und bürgerliches Strasverfahren. Der Ackerknecht Christian Papendorf in Lichtenberg war im Mai 1893 Soldat beim braunschweigischen Infanterie- Regiments in Braunschweig . Er befand sich in o'i1". �onat auf Urlaub in seinem Heimathsorte Lichtenberg und mißhandelte eines Abends den Fleischer- geiellen F., einmal mittels eines gefährlichen Werkzeuges oder semes Seitengewehres auf dem Hose des U.'schen Gasthoses, ein zweites Mal mit dem Seitengewehre auf dem W.'schen Gehöfte. Wegen dieser Handlungen wurde vom Militärgerichte das Ver- fahren eingeleitet Als aber Papendorf vom Militär entlassen wurde, ohne daß über die Angelegenheit entschieden worden wäre, wurde vom Militärgerichte die weitere Verfolgung der beiden Delikte der Staatsanwaltschaft in Braunschweig übergeben. In der Verhandlung, welche am 12. Dezember v. I. vor dem Land- gerichte Braunschweig gegen Papendorf stattfand, wurde fest- gestellt, daß er in dem ersten Falle sich einer Bohnenstange und des Seitengewehrs, in dem zweiten nur des Seitengewehrs bedient hatte. Da in der Benutzung des letzteren em militärisches Denkt erblickt wurde und die Aburtheilung eines solchen nur dem Militärgerichte zusteht, so erklärt- sich das Landgericht für unzuständig und stellte das Verfahren gegen den Angeklagten ein.— Auf die Revision der Staatsanwalt- schasr hob heute das Reichsgericht das Urtheil auf, soweit es sich auf den ersten Punkt der Anklage bezieht. Aus den Gründen est folgendes hervorzuheben: In Beziehung auf den zweiten An- klagepiinkt mußte angenommen werden, daß das Urtheil rechts- kräftig ist; dennoch hätte das Landgericht auch in diesem Falle prüfen»lüssen, ob ein rein militärisches Delikt vorliegt. Es kann nur der Z 149 des Militär-Strafgesetzbuches in Frage kommen, welcher den rechtswidrigen Gebranch der Waffe im Gegensatze zu dm_ bloßen Slrafzumessungsgrunde des Z 1D5(Mißbrauch der Waffe) mit Strafe bedroht. Unter Gebrauch der Waffe ist nur der bestimmungsmäßige Gebrauch derselben zu verstehen. Für die Entscheidung, ob in dem ersten Anklagepunkte das Land- gericht mit Recht oder Unrecht seine Zuständigkeit abgelehnt hat, kommt es darauf an, ob der Angeklagte beabsichtigt hat, scharf zu schlagen. Darüber fehlt es aber an einer zureichenden Fest- stelluug vollständig. Aus diesen Gründen erschien die Aushebung des Urlheils in dem angedeuteten Umfange und die Zurück- Verweisung an das Landgericht geboten. Verftuumlmraen. Die Genossen des Wahlvereins für den zweiten Berliner Reichstags-Wahlkreis nahmen am 8. Mai in einer gut besuchten Versammlung in„Königshos" in der Bülowstraße einen interessanten an thatsächlichem Material reichen Vortrag des Genossen Dr. A r o n s über:„Bauer und Edelmann in Preußen" mit größter Aufmerksamkeit und reich- lichem Beifall entgegen. Nach einigen Bemerkungen Antrik's wurde die Debatte geschlossen. Da Fragen nicht eingelaufen waren, erließ der Vorsitzende zum Schluß die Aufforderung an die Anwesenden, fleißig neue Mitglieder für den Kreis und Abonnenten für den„Vorivärts" zu werben. Der Wahlverein deS sechsten Wahlkreises(Bezirk Moabit ) hielt am Dienstag Abend in Ahreus Brauerei eine Versammlung ab. in welcher Stadtverordneter Metz n e r über das Thema:„Das allgemeine gleiche Wahlrecht und die herrschenden Klassen' in anregender Weise referirte. Der Referent schloß mit der Mahnung, für die Idee des allgemeinen {[leichen Wahlrechts zu allen staatlichen und kommunalen Wahlen ederzeit einzutreten. Dem beifällig aufgenommenen Vortrage folgte eine kurze Diskussion, an welcher Düssing, Jakobs u. A. theilnahmen. Mehrere in der Versammlung anwesende Böttcher erläuterten die Ursachen und den gegenwärtigen Stand der Lohnbewegung dieser Branche, wobei erwähnt wurde, daß anch die Brauerei Moabit höchst überflüssiger Weise Polizei- beamte zn„besonderem Schutze" am Montag vor dem Eingange stationirt hatte. Scharfe Mißbilligung erfuhr das Verhalten des Oekonomen der betreffenden Brauerei, weil er, wie behauptet wurde, entgegen den Wünschen der Arbeiterschaft zur Bedienung am I. Mai durch einen Kommissionär„bezogene" Kellner ver- wendet habe. Seitens des Genoffen Schäfer wurde bekannt gegeben, daß das Lokal Moabiter Schüyenhaus(Plötzen- see) noch nicht zu den freigegebenen Lokalen zn rechnen sei, da der Wirth bislang seine Unterschrift nicht gegeben hätte. Der sozialdemokratische Wahlverein fürdene. Ber- liner ReichstagS-Wahlkreis hatte am 8. d. M. zwei Versammlungen veranstaltet und zwar für Moabit und für den Schönhauser Bezirk. Die letztere sehr gut besuchte Versammlung hörte mit regem Interesse einen Vortrag des Genossen Adler über„Bürgerliche Götterdämmerung" und zollte demselben leb- Hastesten Beifall. Eine Diskussion knüpfte sich an dem Vor? trag nicht. Gerechten Unwillen erregten die Randglossen, mit welchen ein Exemplar des letzthin verbreiteten Flugblattes an einen Genoffen zurückgeschickt worden war und die Genosse Kiesel zur Verlesung brachte, ebenso die Notiz der„Staats- bürger-Zeitung" betreffend den Böttcherstreik. Demgegenüber er- mahnte Kiesel, eine derartige Schandpresse aus den Wohnungen der Arbeiter auszumerzen und sich immer fester zu organisiren. Auch ermahnte er alle Genossen, sich mehr als bisher rn den Dienst der Partei zu stellen. Die letzte Flugblattverlheilung habe nach dieser Richtung hin noch vieles zu wünschen übrig gelassen. Auch erging an die Genossen die Aufforderung, gelesene Broschüren dem Wahlverein zwecks Agitation zur Verfügung zu stellen respektive selber für deren weitere Verbreitung Sorge zu tragen. Der Verein der Heizer, Maschinisten und verwandte» Berufögenossen 5töpeliicks und Umgegend hielt am Sonntag, den 8. Mai, eine öffentliche Volksversammlung im Saale des Herrn Collccki ab. Als Referent hatte der Genosse Nätber aus Berlin zugesagt, doch ist derselbe aus irgend welchen Gründen nicht erschienen und wurde das unentschuldigte Fernbleiben von der Versammlung deshalb gerügt. Es erhielt sodann Genosse Feller aus Köpenick das Wort und sprach über die wirthschast- liche Lage, besonders ermahnte er, daß sich die Heizer und Maschinisten organisiren möchten und endlich mal Front gegen die heutige Gesellschaft machen! Er führte dann aus, daß die Lage der Heizer und Maschinisten die traurigste aller Arbeiter in Köpenick und Umgegend ist. Er führte ferner aus, daß der Heizer und Maschinist, wenn er des Morgens beim ersten Hahnschrei aufsteht, mit dem einen Bein im Grabe und dem anderen im Gesängniß steht. In der Dis- kussion erhielten die Kollegen und Genossen Hilliges, Glück, Holz, Noak, Hoffmann und Kurth das Wort und sprachen sich in gleichem Sinne über die heutige traurige Lage der Heizer und Maschinisten aus. Zum Schluß lief noch folgende Resolution ein: Die heute am 6. Mai 1894 im Kaiserhof lagende öffentliche Versammlung erkennt die Organisation als bestes Mittel an, um die wirthschaftliche Lage zu heben, und verpflichtet sich der Organisation anzuschließen, oder eine allgemeine Verwaltungs- stelle des deutschen Metallarbeiterverbandes zu unterstützen. Tie Kellner, Köche und Berufsaenossen hielten am 3. d. eine öffentliche Versammlung zwecks Beschlußfassung über den vorgeschlagenen Lohntarif und Stellungnahme zu den Arbeits- nachweisen der Gastwirthsvereine. Die Gehilfen- wie Gastwirths- vereine mit Arbeitsnachweis waren laut Beschluß der vorher- gegangenen Versammlung durch die Agitationskommission ein- geladen worden. Trotzdem waren die Gastwirthsvereine gar nicht, die Gehilfenvereine nur sehr vereinzelt vertreten. Dieser Umstand wurde sehr bedauert und daraus hingewiesen, daß den Gastwirthen seitens der Kommissionäre für Pfingsten bereits Arbeitskräfte kostenlos angeboten worden seien. Da gelte es, fest zusammen- zustehen, um die vorjährigen Löhne aufrecht zu erhalten und alle Anerbietungen unter diesen Forderungen strikte zurückzuweisen. P ö tz s ch verwahrte sich gegen den ihm gemachten Vorwurf, daß er in seinem Referate in der vorigen Versammlung„abgewimmelt" habe. Er stehe unbedingt auf dem Standpunkte, daß der vor- jährige Tarif aufrecht zu erhalten sei und daß alle Gehilfen- vereine gleich dem Vereine Berliner Gastwirthsgehilfeu keine Stellen unter dem Tarife besetzen solllen. Die Tarifsätze seien durchaus nicht zu hohe und wenn die Organisalion der Gastwirthsgehilfen eine einheitliche wäre, würden für die Dauer des ganzen Jahres höhere Lohnforderungen gestellt werden können. Er empfahl nochmals die Annahme der Resolution, welche die Lohnforderung enthalte und eine rege Agitation dafür, daß zu Pfingsten nicht unter dem Tarif gearbeitet werde.(Beifall.) Hotel -Hausdiener D i e s i n g sprach sich warm für ein Zusammengehen der Kellner mit den Hausdienern aus und versicherte, daß die ersteren in den letzteren die größten Stützen finden würden. Er wünschte den Kellnern viel Glück zu ihrer Lohnbewegung, konnte aber nicht umhin, auf die große Konkurrenz infolge der großen Arbeits- losigkeit in allen Gewerben hinzuweisen. Auch Gastwirth te r z b e r g rieth aus denselben Gründen von einer allgemeinen ohnbewegung ab. wies jedoch darauf hin, daß eine solche gar nicht in der Absicht des Vereins Berliner Gastmirthsgebilsen liege. Der Verein wolle nur wiever doknmenliren, daß er die alten Lohnsätze unentwegt aufrecht erhalten und diejenigen ver- anlasien wolle, der Organisation beizutreten, denen daran ye- legen sei, diese Löhne zu erhalten. Bürger(Verein„West") gab die Erklärung ab. daß sein Verem bereits beschlossen habe, Arbeiten nicht unter dem vorjährigen Lohnlarife zu vergeben. P ö tz s ch wünschte die Vereine in betreff der Lohnfrage gänzlich aus dem Spiele gelassen. Die Berliner Kellnerschaft als solche solle darüber befinden, ob sie den bisherigen Tarif aufrecht erhalten wolle, nicht aber die Vereine als solche. Giesing glaubte hervorheben zn müssen, daß der vorgeschlagene Lohutaris sich nur auf Kellner beziehe. Ströhlinger war derselben Ansicht wie Pötzsch, während Schröder den von Giesing indirekt gemachten Vorwurf, daß der Verein Berliner Gastwirthsgehilfen zu wenig Fühlung mit den sogenannten Elilevereincn gesucht habe, zurückwies. Die Versammlung stimmte schließlich folgender von Ströhlinger be- antragten Resolution zu: „Die am 8. Mai im Luisenstädtischen Konzerthause tagende öffentliche Versammlung der Kellner, Köche und Berussgeuossen beschließt: In Anbetracht der augenblicklichen schlechten Ge- schäftslage und in Anbetracht, daß nur von dem Verein Ber- liner Gastwirthsgehilfen der in früheren Jahren festgesetzte Tarif noch iune gehalten wird, im übrigen aber fast alle anderen Berufsvereine gemeinsam mit den Kommissionären ohne Rücksicht auf den Tarif unter allen Umständen placiren, so daß eine Er- höhung des Tarifs ohne Aussicht auf Erfolg sein würde, sind bis auf Weiteres folgende Minimal- Lohnsätze fest- zusetzen: 1. Für Kellner, seste Stellen, Lohn nicht unter 20 M. pro Monat. 2. Für Anshilssarbeiter des Sonntags nicht unter 3 M., Wochentags nicht unter 2 M. Pfingstfeiertage 1. und 2. nicht unter 5 M., der 3. wird wie Sonntag(3 M.) berechnet. Bei Arbeiten außerhalb der Weichbildgrenze von Berlin hat der Arbeitgeber das Fahrgeld zu entrichten. Die Versammlung erwartet, daß sämmtliche Vereine, die sich mit Arbeitsnachweis beschäftigen, diesen Tarif anerkennen und unter keinen Umständen unier dem Tarif nachweisen. Ferner ver- pflichtet die Versammlung jeden Kellner, nichttarifmäßige Arbeil strikte zurückzuweisen." Hierauf referirte Pötzsch über die Frage der Stellungnahme zu de» Arbeitsnachweisen der Gast- wirthsvercine. In seinen AuSsührungcn hob er hervor, daß das Ideal eines Arbeitsnachweises für die Arbeitnehmer ein völlig kostenloser und unter Verinaltung der Gehilfen stehender Arbeits- Nachweis sei. Diesem Ideale entsprächen die Arbeitsnachweise der Gastwirthsvereine keineswegs. Einmal seien dieselben nicht kostenlos und zweitens befänden sich dieselben in den Händen der Unternehnier und halten dieselben dadurch die Macht über die stellenlosen Arbeiter. Anch der Arbeitsnachivcis der Innung, wenn derselbe auch kostenlos sei— kostenlos aus Kosten der andere» Gast- wirthe—, sei mit diesem Fehler behaftet. Diese Macht wüßten die Prinzipale sehr wohl in ihrem Interesse auszunützen. Die Arbeitsnachweise der Gehtlfenvereine— mit Ausnahme des Vereins Berliner Gastwirthsgehilfen— ständen mit den Kommisstonären auf einer Stufe. Der Verein Berliner Gast- wirths-Gehilfen sei seit Jahren bemüht, eine Umgestaltung des Arbeitsnachweisewesens herbeizuführen. Allein sei er nicht dazu im stände. Wenn auch eine Verschmelzung der Arbeitsnachweise der Gehilfen in absehbarer Zeit nicht zn erivarten stehe— leider!—, um einem Zentral-Arbcitsnachwcise Play zu machen, dessen Vortheile der Redner näher beleuchtete, so sei dies doch das Ziel, welches zu erstreben sei und erreicht werden müsse, um sich unabhängig zu machen von den Kommissionären und den Prinzipalen(Beifall). P o l t e r gelangte in seiner Betrachtung über die Gastwirthsvcretne und deren Arbeitsnachweise zu dem Schlußresultat, daß sich dieselben redliche Mühe von jeher gegeben haben, die Angestellten im Gastwirthsgewerbe nach allen Regeln der Kunst auszubeuten. Herzberg beleuchtete im gleichen Sinne die Arbeitsnachweise der Kellner- vereine und die Kommissionäre und trat voll Wärme für Anschluß an den Verein Berliner Gastwirthsgehilfen ein. Im gleichen Sinne äußerten sich noch mehrere Redner. Zum Schlüsse machte Moritz die Versammlung bekannt mit einem Fall von Mißhandlung, welcher ein Hausdiener, Mitglied des Vereins Berliner Gastwirthsgchilsen, ausgesetzt war durch den Gastwirth Friedrich in Schmargendorf , eines Wirthes, der auf die Arbeiter angewiesen sei, aber beharrlich seine Bediensteten von Kommissionären beziehe. Diese Mittheilung erregte begreif- lichen Unwillen bei den Versammelten. Die Filiale Berlin I des Verbandes der in H olzbearbeitungs- Fabriken und auf Holz- Plätzen beschäftigten Arbeiter und Arbeite- rinnen Deutschlands hielt am Montag ihre Mitglieder- Versammlung ab. Genosse Hoffmann- Pankow referirte über „Der Kampf ums Dasein", wofür ihm reicher Beifall gezollt wurde. Der Vorsttzende theilte mit, daß die Billets zur Dampfer- partie nach Nedlitz , welche am Sonntag, den 24. Juni, stattfindet, von allen Vorstandsmitgliedern zu haben sind. Ein Antrag, den streikenden Tischlern Wiens SO M. zu bewilligen, fand ohne Dis- kussion einstimmige Annahme. Ferner wurden die arbeitslosen Kollegen aufgefordert, mehr den Arbeitsnachweis, Mariannen- straße 4, zu benutzen. Kollege Pichl giebt bekannt, daß am 20. Mai bei Säger eine öffentliche Versammlung statlfindel. Die nächste Versammlung ist am 4. Juni. Die Nrbeiter-BildungSschnle(Süd-Ost) hielt am S. Mai in Schmielel's Festsälen eine Versammlung ab. Genossin Frl. Agnes Schley(Schülerin der Arbeiter-Bildungsschule) hielt einen interessanten Vortrag über„Ausbeutung und Erziehung". Eine Diskussion fand nicht statt. Unter Verschiedenem richtete der Obmann Schulz einen kurzen, aber kernigen Appell an die der Schule fornstehenden Genossen, der Schule beizutreten resp. die» selbe zu unterstützen. Nach einigen Mittheilungen erfolgte Schluß der gut besuchten Versammlung. In einer öffentlichen Volksversammlung, welche am 3. April in den Germaniasälen tagte, kam die Diskussion der vorangegangenen Versammlung über die Frage:„Wie stellen wir uns zur Kirche?" zum Abschluß. Waldek Manasse legte noch einmal den bekannten Standpunkt der Freidenker dar. Er machte dann der sozialdemokratischen Partei den Vorwurf, daß sie das Freidenkerthum falsch behandle und erinnerte daran, daß das Letztere unter dem Ausnahmegesetze die einzige Stätte war, wo man zusammenkommen konnte. Redner � fordert für die Disst- denken die Freiheit des Bekenntnisses und der Religionsübung» wie sie ihnen nach im Jahre 13ö9 von den Ministern des Kultus und des Innern gemachten Ausführungen die Verfassung und das Allgemeine Landrecht zusichern. Die zur Debatte stehende Frage beantwortet er im Sinne der Resolution Domscheit, nur daß er das vom Freidenker fordert, was die Resolution vom Sozialdemokraten verlangt. Die Resolution Domscheit lautet folgendermaßen: „In Erwägung, daß die besitzende Klasse unseren Kämpfen um Erzeugung denkender Köpfe mit allen Machtmitteln entgegen- tritt; in fernerer Erwägung, daß die organisirte Staatsreligiou, weit entfernt, nur religiöse Bedürfniffe zu befriedigen, vielmehr als Stütze des heutigen Klassenstaates die Aufgabe hat, die Ar- beiterklaffe von dem Streben nach politischer und wirthschast- licher Freiheit abzulenken; erklärt die heutige Versammlung, be- zugnehmend auf Punkt 8 des Erfurter Programms(Erklärung der Religion zur Privatsache): „Die im Interesse der Erhaltung des heutigen Klassenstaates organisirte Staatsreligion kann und darf nicht Privat- fache eines überzeugten Sozialdemokraten sein, vielmehr hat jeder Parteigenosse dte moralische Pflicht, die Machtentsaltung und Lebensfähigkeit der Kirche in keiner Weis» zu unterstützen, sei es auch nur durch eine gleichgillige Zugehörigkeit.—" Domscheit hebt hervor, daß im Erfurter Programm nicht steht„Religion ist Privatsache", sondern daß dort vom Staat die Abschaffung aller Aufwendungen auS öffentlichen Mitteln zu kirchlichen und religiösen Zwecken und die Erklärung der Religion zur Privatsache geiordert wird. Hiernach sei jeder Parteigenosse moralisch verpflichtet, aus der Kirche auszutreten, denn heute sei die Religion nicht Privat-, sondern Staatssache. Neue Kirchen würden in Berlin gebaut, weil die vielen Atheisten noch nicht ausgetreten seien und daher noch als Angehörige der Landes- kirche mitgezählt würden. Hoffmann- Pankow geht auf mehrers von Egidy und einem Stadtmissionar in der vorigen Versamm- lung gemachte Aeußerungen ein und weist deren Haltlosigkeit nach. Er fordert dann Klarstellung des Punkt 8 des Erfurter Pro- aramms in dem von Domscheit soeben angedeuteten Sinne, v. Egidy sagt, er verurtheile den Fortbestand der Kirche, er trete aber nicht aus, weil er sich mit dem Austritt nicht begnüge, denn wenn ein oder hundert Egidy's austreten, so werde deshalb die Kirche noch nicht aufgehoben. Er verstehe ähnlich wie Manasse unter Religion den Drang zum Guten, zur Vervollkommnung. Innerhalb diese« Religion, die ganz und gar Gemeinsamkeitssache sein solle, müsse jedem seine Konsesston gewahrt bleiben, so daß es eventuell so viel Konfessionen als selbständig denkende Menschen gebe. Nach der Versasftmg dürfe eigentlich keine Staatskirche bestehen, denn nach ihr habe ja jeder das Recht, zu glauben, was er will; jeder Glaube sei nun ein von jedem anderen Glauben ab- weichender, ein von ihm dissidirender und somit jeder Preuße Dissident, gleichgiltig welchem Glauben er huldige. Redner äußert dann gegen die Sozialdemokratie eine Reihe von Be» schwerden, die man indeß zumeist seiner Unklarheit aus sozialem Gebiete zu gute halten muß. Unter anderm macht dieser Mann, der seine Lebensausgabe darin steht, zu„versöhnen", der sozialdemokratischen Partei den Vorwurf, daß sie„die Mitwirkung derjenigen zurückstößt. die sich nicht einer Partei anschließen wollen"! Er fordert schließlich, daß aus der Schule der Konfesstonalismus beseitigt wird. Haupt hielt dem Vorredner seine erfreuliche Entwickelung vor; vor Jahresfrist habe Egidy noch gesagt, man dürfe Thron und Altar nicht angreisen, jetzt ziehe er schon selbst gegen den Altar zu Felde; hoffentlich werde er noch weitere Fortschritte in dieser Richtung machen. Frl. Ida � Altmann und V.Wächter wiesen die Vorwürfe Egidy's gegen die Sozialdemokratie im Einzelnen zurück, v. Wächter legte dann seinen bekannten Standpunkt zur Bekenntniß- und zur Landeskirche dar und meinte, im Programm dürfe nur stehen, was Gesetz werden soll, daher könne man darin nicht eine Forderung ausnehmen, wie die:„Aus Wahrhafligkeiispsiicht hat jeder nicht orthodoxe Christ aus der Landeskirche auszuscheiden". Nicht die Staatskirche gelte es zn bekämpfen, sondern den Staat, der die Kirche so lange mit Macht ausstatten werde, als er selbst Macht habe. Die Versammlung schloß hieraus die Diskussion und stimmte der Resolution Domscheit zu. Den Ueberschuß der Tellersammlungen überwies sie der Frauen-Agitationskommission. In der Borussia-Brauerei in Nieder-Schönweide fand am Mittwoch Nachmittag eine Versammlung der streikenden Ar- beiter der chemiscben Fabrik von Kuhnheim u. Ko. statt. Zunächst theilte Kollege Dieck das Ergebniß der am Dienstag Mittag stattgefundenen Konferenz der Kommission und der Fabrikleitnng mit, über die der„Vorwärts" bereits in der Mittwoch-Nummer berichtet hat. Kollege Gerber sichert den Streikenden die Unterstützung der organisirten Hilfsarbeiter Berlins und Umgegend zu.(Lebhaftes Bravo.) Neuendorf, Grünberg und T h i m m forderten gleichfalls zu treuem Festhalten an den gestellten Forderungen auf. Trotz der Drohung des Fabrikanten K u h n h e i m, daß der Betrieb, falls die Streikenden bis Mittwoch zur Frühstückpause nicht zur Arbeit zurückkehren, bis Mittwoch nach dem Fest ruhen soll und die Wiedereinstellung namentlich der älteren Arbeiter dann dem Be- lieben seiner Meister anHeim gegeben werde, haben sich bisher nur ungefähr zwanzig der früheren und etliche neue Arbeiter als Streikbrecher gesunden. In einem dem Thorweg am nächsten liegenden Raum wird der Betrieb unterhalten, um damit den Anschein zu erwecken, als verfüge die Fabrikleitung über genügende Arbeitskräfte; nur ein Schornstein raucht. Der Transport der Fabrikerzeugnisse nach dem gegenüberliegenden Bahnhof wird aus nicht ersichtlichen Gründen von berittenen Gendarmen be- gleitet. Die Streikenden unterhalten einen gut organisirten Patrouillenvienst, um sowohl Arbeitsuchende über den Stand der Dinge aufzuklären, als auch die Feiernden zur Ruh« und Be- sonnenheit zu ermahnen. Nach erfolgter Berichterstattnng der Kommission hielt
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