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Nr. 107.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mr., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreichs Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Zeitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Infertions Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Juferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin .

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Juffiz.

Freitag, den 11. Mai 1894.

zeichnet.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

daß eine Partei, die, wie die sozialistische, den Umsturz Das Manifest trägt das Datum des vorgestrigen Tages des Bestehenden und die Untergrabung aller Autoritäten" und ist von sämmtlichen sozialistischen Abgeordneten unter­erstreben, mit anderem Rechtsmaßstab zu meffen sei, Unmittelbar nach Fertigstellung reisten die Abgeord= wie andere auf dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung stehende Parteien. Und das Urtheil hat, wenn auch in der neten Toussaint, Vaillant, Millerand, Baudin und Sombat Begründung dieser Gedanke formell zurückgewiesen wird, nach Trignac ab. Redakteur des Vorwärts", trotz der Gemäßigtheit des an­ihm doch thatsächlichen Ausdruck gegeben, indem der

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Bravo !

Sozialdemokraten sind nicht einzuschüchtern.

Und je breiter die gähnende Kluft zwischen Justiz und Rechtsgefühl des Volkes, desto besser für uns.

Justiz heißt auf Deutsch Gerechtigkeit. Nun ist aber der Begriff des Rechts und der Gerechtigkeit weder vom Himmel gefallen, noch den Menschen angeboren, sondern er ist das Produkt der Verhältnisse und ändert sich mit diesen. Unter Recht und Gerechtigkeit verstehen die Menschen je nach ihrer Stellung und ihren Interessen Verschiedenes. Die schärfere Akzentuation des Klassengegensages, die Und in der Natur der Menschen und Dinge liegt es, daß, geklagten Artikels, zur höchsten Strafe verurtheilt ward. Wir sagen nicht, daß der Gerichtshof subjektiv un- daraus entspringende Verschärfung der Reaktion, sind für je mehr die Interessen der Menschen sich scheiden, je mehr der Klaffengegensatz sich entwickelt, desto größer auch der gerecht war wir sind sogar überzeugt, daß er gerecht uns Sozialdemokraten wie unsere französischen Brüder Unterschied in in den Rechtsbegriffen der verschiedenen den Rechtsbegriffen der verschiedenen fein wollte, allein der Gerichtshof hat eben einen anderen es richtig sagen: nur neue Beweise für die wachsende Menschen wird, und daß die Rechtsbegriffe der Menschen Begriff von Recht und Ungerechtigkeit als wir, und mit Macht der sozialistischen Partei." in ebenso schroffen Gegensatz zu einander gerathen müssen, wie uns die breiten Schichten des Voltes. die Klaffen selber. Die Justiz ist aber die Gerechtigkeit der herrschenden Klasse, deren Rechtsbegriffe längst aufgehört haben, fich mit denen der beherrschten, der arbeitenden Klasse und der Volksmassen zu decken. Die wachsende Schärfe und Heftigkeit, welche der Klassenkampf seit dem Emporkommen der internationalen sozialistischen Bewegung angenommen hat, mußte naturnothwendig auch die Kluft erweitern, die zwischen dem Rechtsbegriff der herrschenden und der beherrschten Klaffe gähnt, oder, anders ausgedrückt: zwischen der Justiz und dem Rechtsbegriff des Volkes. Das, was das Volk Ge­rechtigkeit nennt, und das, was sich im heutigen Klassenstaat Justiz nennt, find diametrale Gegensätze.

Wozu soll das führen?

Als die französische Kammer den Antrag auf Ver­

folgung des sozialistischen Deputirten, weil er Sozialiſt, angenommen hatte, versammelte sich sofort die sozialistische Fraktion und erließ folgendes Manifest:

Bürger! Ohne irgend einen Grund, ja ohne irgend einen Vorwand hat eine knechtische Majorität auf den Befehl einer politisch bankrotten, aufs äußerste getriebenen Regierung die Strafverfolgung eines der Unserigen, des sozialistischen Abgeordneten Toussaint beschlossen.

Die Gerechtigkeit ist das Rechtsgefühl der neuen, der tommenden Welt, und diese Gerechtigkeit wird Herr werden über die Justiz der alten Welt.

Preßßtimmen

über den 18. Januar- Prozeß.

Soweit sich bis jetzt die bürgerliche Presse über den Sein einziges Verbrechen war, daß er, ohne Gewaltthätig. Kritik des Verfahrens, gerade so wie sie einig war in der 18. Januar Prozeß geäußert hat, ist sie einig in der feit und ohne Provokation, für streikende Arbeiter Partei er- Verurtheilung des Vorgehens der Polizei am 18. Januar. griffen hatte. Es hat mehr als vorübergehende Bedeutung, die Preßstimmen über den Prozeß zu registriren.

Die letzten Tage haben schlagende Beweise hierfür ge­bracht. * In Paris wurde von der Regierung die strafrecht­liche Verfolgung eines Abgeordneten gefordert, dessen Ver­brechen darin bestanden hat, daß er bei einem Streit Gegen uns, Bürger, giebt es teine Ge- Blatt schreibt hierüber: für

die Arbeiter eintrat. Und der Ministerpräsident Casimir Berier erlangte von der Kammermajorität die Vollmacht zur Verfolgung durch den letzten Grund die ultima ratio des Klassenstaats: er ist ein Sozialist, und die Justiz muß die Sozialisten treffen."

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Justiz heißt also Bekämpfung, Erdrückung der So­zialisten die Gerechtigkeit" des Herrn Cafimir Perier ist die Rechtlosigkeit, die Vogelfreiheit der Sozialisten, die tein Recht zu sein haben, und folglich überhaupt kein Recht.

Dasselbe Schauspiel in der alten Musterrepublik Schweiz , wo wir vor wenigen Tagen erlebten, daß ein Mann zu schwerer Freiheitsstrafe verurtheilt ward, blos weil er Sozialiſt iſt.

Ein Seitenstück zu diesen beiden Vorkommnissen bildet der gestern in Berlin zum Abschluß gelangte Prozeß über das Vorgehen der Polizei am 18. Januar dieses Jahres.

Wohl ist in der Urtheilsbegründung erklärt, daß die Parteistellung der Angeklagten ohne Einfluß auf die Schuld­frage und das Strafmaß iei, aber im Laufe des Prozesses ift wiederholt auf's Rücksichtsloseste ausgesprochen worden,

Feuilleton.

Der Inde.

Deutsches Sittengemälde

aus der ersten Hälfte des fünfzehnten. Jahrhunderts. Von C. Spindler.

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Es genügte, daß Cafimir Perier der Rammer fagte: Er ist ein Sozialist, den man treffen muß, denn die sozialistische Partei muß gepackt werden( il faut atteindre).

rechtigteit, giebt es nur noch Mißbrauch der Gewalt.

Wir sind stolz, uns den blöden( imbécile) Haß der Feinde des Volks zugezogen zu haben; und in ihrer wachsenden Wuth sehen wir nur einen neuen Beweis für die wachsende Macht der sozialistischen Partei.

Weder die Einschüchterungen noch die Gewaltınaßregeln der Regierung werden uns wankend machen.

Wir werden unserer Pflicht treu bleiben immer und tomme was wolle.

Es ist unser Recht, es ist unsere Pflicht, dahin zu gehen, wo die Arbeiter uns hinrufen. Noch diesen Abend gehen mehrere von uns nach Trignac, und überall, wo das Prole­tariat seine Vertreter braucht, um gegen die gehässige Willkür des Kapitals und der ihm dienstbaren Staatsgewalt zu kämpfen, dahin gehen wir ohne Herausforderung, ohne Furcht.

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Nieder mit der kapitalistischen Reaktion! Es lebe die soziale Republik !"

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gedonnert." Macht fort, Brüder," sprach Veit ge­mäßigter weiter: bestellt Pfarrherrn und Glöckner; ich will indessen dem Höllenbrand mit dein Dolche das Paternoster einfibeln."

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Die Volts Zeitung" erörtert unter anderem die Frage: Giebt es Lockspitel oder nicht? Das

So klipp und klar, wie sie hier steht, ist die Frage eigentlich noch gar nicht aufgeworfen worden. Man war bisher so ziemlich allgemein davon überzeugt, daß es thatsächlich Lock­Spigel gebe, in Deutschland so gut wie anderwärts, und daß diefe Herrschaften sich wiederholt in betrübsamer Weise bemerklich ge­macht hatten. Die Namen Jbring- Mahlow und Naporra, deren segensreiche Thätigkeit seiner Zeit durch den Posener Geheimbunds- Prozeß in eine so eigenartige Be leuchtung gerückt wurde, sind gewissermaßen Gattungsbegriffe geworden. Dennoch aber bestreitet in dem Prozeß, der sich gegenwärtig vor der 2. Straffammer des Landgerichts I ab= spielt, der Vorsitzende, daß man bei uns überhaupt berechtigt sei, von Lockspiteln zu reden. Er persönlich wisse von Lock­spizzeln nichts. Herr Landgerichts- Direktor Brausewetter ift Jurist. Ihm fann es daher nicht schwer fallen, sich einen ausführlichen Bericht über den Hochverraths- Prozeß gegen Breuder und Genossen aus Frankfurt am Main zu verschaffen, der sich im Jahre 1882 vor dem Reichsgericht in Leipzig abspielte. In diesem Prozeß faß auf der Anklagebank auch ein gewiffer Julius Horsch, der die anderen Angeklagten zur Beschaffung von Sprengstoffen und sonstigen Chemitalien bewogen hatte, die dann in der Hauptverhandlung eine große Rolle spielten. Be­züglich dieses Julius Horsch nun wurde damals durch die

Deine. Wir sind zum Truz gerüstet, und unsere Knechte umlagern schon das Kirchlein."

Ter Pfarrherr, der an Sprache und Keckheit wohl merkte, mit welchen Gesellen er zu thun bekam, und durch Die Gebrüder Reseberg eilten schnell von dannen und das traurige Beispiel mehrerer Amtsbrüder, die so zu sagen durchstreiften mit ihren Knechten, wie Gespenster der Nacht, am Altare ihren Tod durch Mörderhand gefunden hatten, den Flecken, Straße auf, Straße ab, bis sie in der tiefen gewißigt worden war, säumte nicht, dem gebieterischen Be­Dunkelheit Kirche und Pfarrhaus gefunden. Wohl hörten gehren Folge zu leisten. Das Frösteln der Angst in allen die Bewohner Offenbachs die Schritte und rohen Reden Gliedern, warf er sich in die kirchlichen Gewänder, beschickte Bodick schaute hoch auf, der neuen Laune des Junkers der Nachtgäste, saben sie wohl mitunter durch die Rizzen den Meßner, und da er in Begleitung des Letzteren, eines gewärtig, und des Legteren Spießgefellen riefen lachend der Läden, wie sie waffenrauschend durch die Gassen lärmten, altergrauen Männleins, das vor Schreck sich kaum auf den Hoho! Schwager! was fällt Dir ein? mas kann der aber in den damaligen Zeiten des Unfriedens und der Füßen zu halten vermochte, an die Pforte der Kapelle kam, Schurke da gut machen? Welche Grille kommt Dir an?" Selbsthilfe wagte sich keiner aus dem Hause, sondern er langte soeben der Hornberger daselbst an, dessen Knechte Keine Grille!" versetzte Hornberg , in dessen Kopfe fich wartete in ängstlicher Stille, ob der Besuch nur eine vor den Täufling an der Leine führten, wie einen Rüden. Das der Wein breit machte: Aber ich schwör's Euch zu meiner überziehende Wetterwolke sei, oder wie der Bliz ihre Hütten- Kirchlein wurde geöffnet, Wache davor gestellt; ein Bes Seelen Seligkeit und meines Leibes Urständ, daß ich den dächer entzünden werde. Die Wächter des Schlosses fanden waffneter hütete den Eingang zum Glockenthürmlein, und die vermaledeiten Fuchsbart über den Haufen steche, bevor ebenfalls keinen Beruf, sich in das Thun der Fremden edeln Herren forderten nun den Priester auf, beim Schein der Morgen graut, wenn er sich nicht in dieser Nacht noch zu mischen, hielten sich zur Vertheidigung gefaßt, und einer einzigen Kerze das heilige Amt an dem stummen, taufen läßt." blieben rubig. So gelangten die Junkherren ohne Anstand todbleichen Zodick zu verrichten, den der wilde Bekehrungs­Ein lantes Gewieher war die Antwort auf den über zum vorgesteckten Ziele. Mit lautem Klopfen wurde der eifer und die Drohungen des Hornberger's dazu gebracht raschend seltsamen Vorschlag, der jedoch im nächsten Augen- Lentpriester aus dem Schlummer geweckt, an's Fenster be- hatten, sich alles gefallen zu lassen, was man mit ihm blicke schon den zu allem Abenteuerlichen seltsam aufgelegten schieden. Der von Natur Furchtsame erbebte, da er Be- vornehmen würde. Der Pfarrherr, der verständig genug Herren völlig zusagte, und mit Begierde von ihnen auf- affnete vor seinem Hause sah und fragte demüthig nach war, einzusehen, daß hier die Würde der Kirche und alles genommen wurde. ihrem Begehren. Heraus, Pfaffe!" rief ihm Wernher Recht mit Füßen getreten werden sollte, machte nachdrück­Vortrefflich!" rief Bernhard. Herrlich!" rief Wern- zu. Lege den Chorrock an und die Stola. Versiche Dich liche Einsprüche in das Verfahren der drei Reherbekehrer, her:", der Jude muß sich taufen lassen, und wir wollen des mit Kerze, Del, Salz und Honig und komm zur Kirche. forderte sie auf, den armen Menschen, der wie das Espen­Höllenbratens Bathen sein." Bodick konnte vor Wuth Ein Ketzer will sich taufen lassen, und schnell, damit der Taub zittere, und keinen armen Laut von sich zu geben und ohnmächtigem Ingrimm keine Silbe vorbringen, aber böse Geist ihn nicht abwendig mache von seinem löblichen vermöge, ruhig ziehen zu lassen, ihn nicht zu einer Hand­sein giftiges Ausspucken und Kopfschütteln redefe an seiner Vorsage."" Ein Kezer?" fragte der erschrockene Geist- lung zu zwingen, die er nicht begreife, die er verabscheue, Wage es, nein zu sagen!" schrie Veit, ihm den liche: Taufen, in später Nacht,... wer bürgt mir...?" deren er nicht würdig sei. Die drei Gebietenden zogen Stahl an die Kehle setzend: und Du fährst zur Hölle. Schweig!" erwiderte ihm Bernhard:" Wir bürgen, aber bedeutend und drohend die Schwerter, stellten sich an Niederträchtiger Auswurf, dessen Wohlthäter wir werden drei Edelleute, des Kezers Taufzeugen. Steige herab ohne den Taufstein und streckten die Schwörfinger in die Höhe. wollen, den wir mit eigenen Händen aus dem ewigen Pfuhl Säumen; bescheide dem Glöckner, daß er Dir diene; aber Wir haben es gelobt bei den Wunden des Herrn, diesen ziehen! mutse nicht, oder es ist Dein Letztes." wofern der Bube Lärm macht, oder den Glockenstrang zu verstockten Sünder zu heiligen, wider seinen Willen", sprachen Verblassend und verstummend stand Bodick wie nieder- ziehen gedenkt, so ist sein letztes blein da und das fie." Geht seine Seele verloren durch Dein Zaudern,

Statt.

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