Freitag, den 31. Juli, 2 Uhr nachmittags, als die MobilmachungZ- vrder an die sännlichen russischen Slrcilkräste bereits ergangen war, an Seine Majestät den Kaiser auf dessen lctzlen Friedensappell telegraphiert:„Es ist technisch unmöglich, unsere militärischen Bor - bereit,«igen einzustellen, die durch Oesterreich . Ungarns Mobilisierung nolwendig geworden sind.-— Kein Wort vom.Lokal-Anzeiger". lein Wort von einer deutschen Mo» bilmachung! Nur beiläufig erinnere ich daran, dah auch der Hinweis des Zaren auf die angebliche Mobilisierung Oesterreich-UngarnS keinen Grund für die russische allgemeine Mobilmachung abgeben konnte. Oesterreich-Ungarn halte zu der Stunde, als die allgemeine Mobilmachung in Rustland angeordnet wurde, lediglich acht Armee- korps angesichts des Konflikts mit Serbien auf KriegSfust gesetzt und Rutzland hatte diese Maßnahme bereits am 29. Juli mit der Mobil- machung von 13 Armeekorps beantwortet. Seit dem 29. Juli waren von österreichisch -ungarischer Seite keine weiteren militäriichen Maß- nahmen ergriffen worden, die Rußland irgend eine Veranlassung zu der der Kriegserklärung gleichkominenden allgemeinen Mobilmachung hätten Veranlassung geben können. Erst nachdem die allgemeine Mobilmachung in Rußland erfolgt war, ist Ocsterreich-llngarn— am Vormittag des 31. Juli— auch seinerseits zur allgemeinen Mobilmachung übergegangen. Wir unsererseits haben selbst dann noch Langmut und Geduld geübt bis zur äußersten Grenze der Rücksicht auf unsere eigene Existenz und der Verpflichtung gegenüber unserem Bundesgenossen. Wir hätten ja schon am 29. Juli, als Rußland gegen Oesterreich mobillsierte, auch unsererseits mobilisieren können. Der Wortlaut unseres Bündnisses mit Oesterreich-Ungarn war bekannt. Niemand hätte unsere Mobilisation als eine aggressive bezeichnen können. Wir haben es nicht getan. Aber auch auf die Nachricht von der russischen allgemeinen Mobilmachung haben wir zunächst nur mit der Verkündung des Zu st an des der drohenden Kriegsgefahr geantwortet, die noch nicht Mobilmachung bedeutet. Wir haben das der Russischen gtegierung milgetellt und hinzugefügt, daß die Mobilmachung folgen müsse, falls nicht Rußland binnen zwölf Stunden jede Kriegsmaßnahme gegen uns und Oesterreich- Ungarn einstelle und uns hierüber bestimmte Erklärung ab- gebe. Wir haben damit Rußland , selbst als das Schicksal des Krieges durch seine Schuld bereits unabwendbar schien, noch ein- mal eine Frist gegeben, sich zu besinnen und im letzten Augenblick den Weltfrieden noch zu retten. Wir haben auch Rußlands Ver- bündeten und Freunden durch diesen Aufschub im letzten Augenblick noch einmal die weltgeschichtliche Möglichkeit gegeben, auf Rußland zugunsten des Friedens einzuwirken. Es war u m s o n st. Rußland ließ uns ohne Antwort. England verharrte gegenüber Rußland in Schweigen. Frankreich leugnete durch den Mund seines Ministerpräsidenten gegenüber unserem Botschafter noch am Abend des 31. Juli die Talsache der russischen Mobilisierung einfach ab und verfügte seine eigene Mobil- machung einige Stunden früher, als wir unsererseits zur Mobil- machung schritten. Waö übrigens den angeblich defensiven Charakter der russischen Gesamlmobilmachung betrifft, so will ich hier ausdrücklich feststellen. daß bei Ausbruch des Krieges 1914 noch eine im Jahre 1912 erlassene allgemeine Anweisung der russischen Regierung für den Mobilmachungsfall in Kraft war, die wörtlich folgende Stelle enthält � „Al�rhochst ist befohlen, daß die Verkündung der Mo- bilisatio» zugleich die Verkündung des Krieges gegen Deutschland i st.* Gegen Deutschland , m. H.! 1912 gegen Deutschland ! Es ist unerfindlich, wie angesichts dieses aktenmäßigen Tat- beftandeS Lord Grey der Welt und seinem eigenen Lande mit der Geschichte von dem Manöver kommen kann, mit dem wir dem friedfertigen Russen die Mobilmachung gegen seinen Willen durch plumpe Täuschung über unsere eigenen Maßnahmen entlockt hätten! Nein, m. H., die Wahrheit ist: Nie und nimmer hätte Rußland den Entschluß zu dem verhängnisvollen Schritt gefaßt, wenn eS nicht von der Themse her durch Handlungen und Unterlaffungen zu diesem Schritt ermutigt worden wäre. Ich erinnere an die Sachlage zu der Stunde, als Rußland den Befehl der allgemeinen Mobilmachung erließ. Bekannt ist die Instruktion, die ich am 30. Juli an unseren Botschafter nach Wien gegeben habe. In dieser Instruktion habe ich der Oesterreichisch-Ungarischen Regierung eine unmittelbare Verständigung mit Ruhland drin- gend nahegelegt und ausdrücklich ausgesprochen, daß Deutschland nicht wünsche, durch Nichtbeachtung unserer Ratschläge in einen Weltbrand hinein- gezogen zu werden. Lord Grey weiß auch genau, daß ich einen von ihm unserem Botschafter am 29. Juli gemachten Ver- mittelungSvorschlag, der mir al» eine geeignete Grundlage für die Erhaltung deS Friedens schien, mit der entschiedendsten vesür- wortung nach Wien weitergegeben habe. Ich habe damals nach Wien telegraphiert: .Falls die österreichisch-ungarische Regierung jede vermitt- lung ablehnt, stehen wir vor einer Konflagralion, bei der Eng. laiid gegen nnS, Italien und Rumänien allen Anzeichen»ach nicht mit uns gehen würden, so daß wir mit Oesterreich-Ungarn drei Großmächten gegenüber- stünden. Deutschland würde infolge der Gegnerschaft Eng- landS das Hauptgewicht des Kampfes zufallen.* Das politische Prestige Oesterreich - Ungarns, die Waffenehre seiner Armee sowie seine berechtigten Ansprüche gegen Serbien könnten durch die Besetzung Belgrads oder anderer Plätze hinreichend gewahrt werden. Wir müssen daher dem Wiener Kabinett dringend und nachdrücklich zur Erwägung geben, die Vermittelung zu den an- gebotenen Bedingungen anzunehmen. Die Verantwortung für die sonst eintretenden Folgen wäre für Oesterreich-Ungarn und uns eine ungemein schwere. Die österreisch- ungarische Regierung ent- sprach unseren eindringlichen Vor st ellungen, in- den, sie ihrem Botschafter in Berlin folgende Weisung gab: .Ich ersuche Eure Exzellenz, dem Staatssekretär von Jagow für die uns durch Herrn v. Tfchirschky gemachten Mitteilungen verbindlichst zu danken und ihm zu erklären, daß wir trotz der Aenderung, die in der Situation seither durch die Mobilisierung Rußlands eingetreten sei, g e r n b e r e i t seien, dem Bor - schlage Sir Edward GrehS, zwischen un» und Serbien zu vermitteln, näherzutreten. Die B o r a u S s e tz u n g en uns ere r Ann a hm e seien jedoch natürlich, daß unsere militärische Aktion gegen Serbien ein st weilen ihren Fortgang nehme und daß da» englische Kabinett die russische Re- gierung bewege, die gegen un» gerichtete russische Mobilisierung zum Still st and zu bringen, in welchem Falle selbstverständlich auch wir die uns durch dieselbe aufgezwungenen defensiven militärischen Gegenmaß. regeln in Galizien sofort wieder rückgängig machen würden.' Dem stelle ich folgende Schritte Lord Grey» gegenüber: Am 27. Juli 1914 gab er auf die Bemerkung de« russischen Bot- schafterS in London , in deutschen und österreich'sch-ungariichen Kreisen bestehe der Eindruck, daß England ruhig bleiben werde, die Antwort: .Dieier Eindruck wird durch die Befehle beseitigt, die wir der ersten Flotte gegeben haben.' Am 29. Juli gab Grey von feiner oertroulichen Warnung an unseren Botschafter in London , daß Deutschland aus rasche Entschlüsse Eng. land», d. b. seine Teilnahme am Kriege gegen unS ge- saßt sein müffe, sofort dem französischen Botschafter Kenntnis.
Konnte Lord Grey annehmen, daß eine solche Eröffnung an den sranzösiichen Botschafter dem Frieden dienen wüide? Mußte der f ranzose diese Eröffnung nicht als Zusage der Woffenhilse für den ricgsfall ansehen? Mußte Frankreich dadurch nicht ermutigt werden, Rußland die seit Tagen dringend verlangte Zusage der unbedingten Kriegsgefolgschaft zu geben? Und mußte Rußland nicht durch die Sicherheit der englischen und französischen BundeSgenoffenschaft in seiner Kriegs- absichl aufs äußeiste bestärkt werden? Die russische Antwort aus da» Morgengeipräch deS Lord Grey ließ in der Tat nicht auf si» warten. Am Abend desselben TageS, des 29. Juli, beauslraote Herr Sasonow den russischen Botschafter in Paris , der französischen Regierung die aufrichtige Dankbarkeit für die ihm von den, sranzösiichen Botschafter gemachte Erklärung auszusprechen, daß Rußland voll und ganz auf die Unterstützung des verbündeten Frankreich rechnen könne. Also Rußland stand i» der Nacht vom 30. zum 81. Juli vor der Tatsache der durch unsere Einwirkung herbeigeführten Nach- giebigkeitOesterreich-UngarnS, die den Weg zur Er- Haltung de» Friedens freimachte; es stand gleichzeitig vor der durch die Eröffnung Lord Grey« a» Herrn Cambon gewährleisteten Sicher- beit der englischen und französischen Waffcnhilfe, eine Sicherheit, die ihm überhaupt erst die Möglichkeit des Krieges gab. ES wählte die Mobilmachung und damit den Krieg. Wer ist nun schuld an dieser schicksalsschweren Entscheidung? Wir, die wir dem Wiener Kabinett mit Nachdruck die äußerste Nachgiebigkeit und die Annahme eines englischen Vermittelungs« Vorschlags empfahlen? Oder das britische Kabinett, das Frankreich und Nußland in der kritischen Stunde seine Waffenhilfe in Aussicht stellte? Lord Grey hat von diesen entscheidenden Dingen nicht ge- sprachen, dafür aber die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf Neben- fachen abgelenkt. Das Haager Schiedsgericht, da» der Zar anbot, klingt ja Sußeilich sehr bedeutungsvoll. Aber eS wurde angeboten, als bereit» die russischen Truppen gegen uns in Bewegung gesetzt waren. Seinen eigenen Kon- ferenzvorschlag— ich habe das wiederholt im Reichstag ausgesührl, hatte Lord Grey selbst zugunsten unserer Vermillelung zlnückgestellt. Und Belgien ? Ehe auch nur ein einziger deutscher Soldat seinen Fuß auf belgischen Boden gesetzt hatte, hat Lord Grey dem fran- zösischen Botschafter nach dessen Bericht an seine Regierung wörtlich erklärt: .Falls die deutsche Flotte in den Kanal einfahren oder die Nordsee passieren sollte in der Absicht, die französische Küste oder die französische Kriegsflotte anzugreifen und die französische Handels- flotte zu beunruhigen— zu beunruhigen, meine Herren!— würde die britische Flotte eingreifen, um der französischen Marine ihren Schutz zu gewähren, in der Art, daß ich von diesem Augen- blick an England und Deutschland sich im Kriegszustand befinden würden.' Kann derjenige, der das Auslaufen unserer Flotte als ossns belli erklärte, wirklich noch im Ernst behaupten, einzig und allein die Verletzung der belgischen Neutralität habe England gegen seinen Willen in den Krieg getrieben? Und schließlich die Behauptung, wir hätten, um England vom Kriege fernzuhalten, der britischen Regierung das unwürdige An- gebot gemacht, sie möge zur Verletzung der belgischen Neutralität die Augen zudrücken und uns freie Hand lassen, die sranzösischen Kolonien wegzunehmen I Ich fordere Lord Grey auf, in seinem Blaubuch und in seinen Akten den Sach- verhalt nachzuprüfen. Ich habe in dem ernsten Bestreben. den Krieg zu lokalisieren, dein britischen Botschafter in Berlin schon am 29. Juli zugesichert, daß wir unter Voraussetzung der Neu- tralität Englands die territoriale Integrität Frankreichs gewähr- leisteten. Am 1. August hat der Fürst Lichuowsky den Lord Grey gefragt, ob im Falle einer Verpflichtung Deutschlands , die Neu- tralität Belgien « zu achten. England sich seinerseits zur Neutralität verpflichten könne; er stellte ferner in Aussicht, daß im Falle der englischen Neutralität die Integrität nicht nur des sranzösischen MmierlandeS, sondern auch der französischen Kolonien garantiert werden könne. Er gab in meinem Austrage die Zusicherung, daß wir bereit seien, aus einen Angriff auf Frank- reich zu verzichten, falls England die Neutralität Frankreichs verbürgen wolle. In letzter Stunde noch machte ich die Zusage, daß, so lange England sich neutral verhall«. unsere Flotte die französische Nordkuste nicht angreifen und— unter Voraussetzung der Gegenseitigkeit— keine feindlichen Operationen gegen die französischen Handelsschiffe vornehmen werde. Lord Grey hatte aus all dies nur die Antwort: er müsse end- gültig jede« NeutralitätSversprecheu ablehne» und er könne nur sagen, daß England sich die Hände freizuhalten wünsche. Hätte England diese Neutralitätserklärung abgegeben, so wäre eS nicht, wie Lord Grey meint, der Verachtung der ganzen Welt preisgegeben worden, sondern e» hätte sich damit das Verdienst erworben, den Ausbruch de» Kriege» zu verhindern. Auch hier frage ich: Wer hat den Krieg gewollt? Wir, die wir England jede erdenkliche Sicherheit nicht nur für unmittelbare englische Interessen, sondern auch für Frankreich und Belgien zu geben bereit waren, oder England, da» jeden unserer Vorschläge ablehnte und sich weigerte, seinerseits irgend einen Weg zur Er- Haltung des Friedens zwischen unseren beiden Ländern auch nur anzudeuten? Meine Herren I Ich wiederholte. Alle diese Ding« sind von der Deutschen Regierung teils in meinen Reden, teils in amtlichen Publikationen so oft dargestellt worden, daß e« mir. nachdem der Krieg nun über zwei Jahre währt, im Grunde widerstrebt, diese retrospektiven Betrachlungen zu erneuern. Aber«ö handelt sich nicht um Politik. Wir alle haben da» größte Interesse daran, den immer wieder künstlich genährten Glauben- al» sei Deutschland der An- greiser gewesen, so gründlich als möglich zu zerstören. Und trifft vollends Lord Greys Ansicht zu, daß die Erkenntnis über die wahren Ursachen de» Kriege» sür seine Beendigung und sür die Friedensbedingungen von großer Bedeutung ist, so weisen meine Worte dpch auch aus die Zukunft hin. Lord Grey hat sich endlich ausführlich mit der Zeit nach dem Frieden, mit der Gründung eines internationalen Bundes zur Bewahrung des Friedens beschäftigt. Auch dazu will ich einige Worte sagen. Mr haben niemals ein Hehl aus unseren Zweifeln gemacht, ob der Frieden durch internationale Organisationen, wie Schieds- gerichte, dauerhaft gesichert werden könne. Die theoretischen Seiten deS Problems Millich hier nicht erörtern. Aber prak- tisch werden wir jetzt und im Frieden zu der Frage Stellung nehmen müssen. Wenn bei und nach der Beendigung des Krieges seine entsetzlichen Verwüstungen an Gut und Blut der Welt erst zum vollen Bewußtsein kommen werden, dann wird durch die ganze Menschheit ein Schrei»ach friedlichen Abmachungen und Verständigungen gehen, die, so- weit es irgend in Menschenmacht liegt, die Wiederkehr einer so ungeheuerlichen Katastrophe verhüten. Dieser Schrei wird so stark und so berechtigt sein, daß er zu einem Ergebnis führe« muß. Deutschland wird jeden Versuch, eine praktische Lösung zu finden, ehrlich mitprüfen und an seiner möglichen Ber- wirklichung mitarbeiten. DaS um so mehr, wenn der Krieg. wie wir zuversichtlich erwarten, politische Zustände hervorbringt, die der freien Entwicklung aller Nationen, kleinen wie großen, gerecht werden. Dabei wird das Prinzip des Rechts und der
freien Entwicklung nicht bloß auf dem Festland, fon- dern auch auf dem Meere zur Geltung zu bringen fein. Davon hat Lord Grey allerdings nicht gesprochen. Die internationale Friedensbürgschaft, die ihm vorschwebt. scheint mir überhaupt einen eigenartigen, auf die speziellen englischen Wünsche zugeschnittenen Cha- r a k t e r zu haben. Während des Krieges haben nach seinem Willen die Neutralen zu schweigen und jeden Zwang der englischen Weltherrschaft auf dem Meere geduldig hinzu- nehmen. Nach dem Kriege, wenn England, wie eS meint, uns aufs Haupt geschlagen und über die Welt nach seinem Willen neu disponiert haben wird, dann sollen sich die Neutralen zu Garanten der neuen englischen Weltordnung zusammenschließen. Zu dieser Weltordnung wird auch folgendes gehören: Aus zuverlässiger Quelle wissen wir. daß England und Frankreich bereits im Jahre 1915 Nußland die territoriale Herrschaft über Konstantinopel , den Bos - porus und das We stufer der Dardanellen mit Hinterland zugesichert und Kleinasien unter den Ententemächten aufgeteilt haben Die englische Regierung ist Anfragen, die ihr hierüber im Parlament gestellt worden sind, ausgewichen. Aber diese Pläne der Entente sind doch wahrscheinlich auch für den Völkerfriedensbund, der sie später garantieren soll, von Interesse. So sehen die Annexionsabsichten unserer Gegner auS, wozu auch noch Elsaß -Lot bringen kommt, während ich bei der Besprechung unserer Kriegsziele die Annexion Belgiens niemals als unsere Absicht be- zeichnet habe. Eine solche Gewaltpolitik kann nicht die Grundlage zu einem wirksamen internationalen Friedensbunde abgeben. Eine solche Gewaltpolitik steht in krassem Widerspruch mit dem von Lord Grey und Herrn Asquith angestrebten Ideal- zustande, in dem das Recht über die Macht herrscht, und alle Staaten, die die Familie der zivilisierten Menschheit bilden, ob groß oder klein, sich unter gleichen Bedingungen und in Uebereinstimmung mit ihren natürlichen Anlagen frei ent- wickeln können. Will sich die Entente ernstlich auf diesen Boden stellen, dann sollte sie auch kon- sequent danach handeln. Tut sie das nicht, dann bleiben auch die erhabensten Worte über Friedensbund und einträchtiges Zusammenleben der Völkerfamilie Schall und Rauch. Die erste Vorbedingung für eine Entwicklung der inter - nationalen Beziehungen auf dem Wege des Schiedsgerichts und deS friedlichen Ausgleichs entgegenstehender Gegensätze wäre, daß sich keine aggressiven Koalitionen mehr bilden. Deutschland ist jederzeit bereit. einem V ö l k e r b u n d e b e i z u t r e t e n, ja, sich an die Spitze eines Völkerbundes zu stellen, der Friedens st örer im Zaume hält. Die Geschichte der internationalen Beziehungen vor dem Kriege liegt klar vor den Augen aller Welt. Was führte Frankreich an Ruß- lands Seite? Elsaß-Lothringen . Was wollte Rußland ? Konstantinopel ? Warum schloß sich England ihnen an? Weil ihm Deutschland in friedlicher Arbeit zu groß ge- worden war. Und was wollten wir? Grey sagt, Deutsch- land habe mit seinem ersten Angebot der Integrität Belgiens und Frankreichs die Erlaubnis Englands erkaufen wollen, von den französischen Kolonien zu nehmen, was ihm beliebe. Selbst dem hirnverbranntesten Deutschen ist nicht der Gedanke gekommen, über Frankreich herzufallen, um ihm seine Kolonien zu nehmen. Nicht das war das Verhängnis Europas , sondern, daß die englische Regierung französische und russische Eroberungsziele begünstigte, die ohne einen europäischen Krieg nicht zu erreichen waren. Diesem aggressiven Charakter der Entente gegenüber hat sich der Dreibund stets in Defensivstellung befunden. Kein ehrlicher Beurteiler kann das leugnen. Nicht im Schatten des preußischen MilitariS- muS hat die Welt vor dem Kriege gelebt, sondern im Schatten der Einkreisungspolitik, die Deutschland niederhalten sollte. Gegen diese Politik, mag sie diplomatisch als Einkreisung. militärisch als Vernichtungskrieg, wirtschaftlich als Weltbohkott in die Erscheinung treten, haben wir von Anfang an in der Verteidigung gestanden. DaS deutsche Volk führt diesen Krieg als Verteidigungskrieg, zur Sicherung seines nationalen Dasein» und seiner freien Fortentwickelung. Niemals ist etwas anderes von uns behauptet, etwas anderes ge- wollt worden. Wie ließe sich auch snnst diese Entfaltung von Riesenkräften, dieser unerschöpfliche, zum letzten ent- schlossene Opfermut erklären, der unerhört in aller Menschengeschichte ist? An der Hartnäckigkeit deS feindlichen Kriegbwillens, um das Aufgebot militärischer und materieller Hilsskräfte aus aller Welt dienstbar gemacht wird, hat sich unsere Widerstandskrast zu immer härterer Entschlossenheit gestählt. WaS England noch an Kräften einsetzen mag— auch Englands Machtgebot hat seine Grenzen— es ist be- stimmt, an unserem Lebenswillen zu scheitern. Dieser Wille ist unbezwingbar und unverwüstlich. Wann unseren Feinden die Erkenntnis davon kommen wird, das warten wir in der Zuversicht ab. daß sie kommen muß. (Bericht über den weitereu Verlauf der Sitzung siehe erste Beilage, dritte Seitei)
Die griechischen Wirren. Eisenbahnerstreik i« Attika. Lenden, 8. November. (W. T. v.) Dem.Daily Telegraph' wird aus Aihen vom 7. November gemeldet: Zu dem S ch i i f a h r t s» streik ist heute der Ausstand des Personal« der Eisen- bahner in Attila getreten und eS wird vielleicht ein oll« gemeiner Eisenbabnerstreil folgen. Da ganz Griechenland sür sein» tägliche Lebensmittelversorgung von den Vorräten im Piräu» abhängt. würde ein längerer Streit Hungersnot zur Folg« haben.