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Er. 95-1917

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Die Gräber.

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Plötzlich und erschütternd kommt zuweilen die ganze Qual, das immerwährende Reid, die dauernde Angst und Unruhe dieser Zeit in einem Menschen zum Ausbruch. An den Seelen junger Menschen fressen diese Kräfte und zerstören sie. Durchwachte Nächte, Tage ohne Nachricht, in brennender Unruhe verbracht, mindern die Kräfte des Körpers, der allen schädlichen Einflüssen auch durch die wenig gute Ernährung zugänglicher wird. So entsteht da und dort, unvermutet und plötzlich ein Ausbruch aus dem krampfhaft ver­steckten Leid, der nagenden Angst, ein Ausbruch, der ein Zusammen­bruch ist unter furchtbarster Last. Ein erschütternder Fall ereignete sich vor kurzem in einer Kleinen Stadt. Es war Sonntag. Schneetreiben in den schmalen Straßen. Die Floden wie große, weiße Schmetterlinge um die trüben Laternen huschend. Wenig Leben. Nur vor dem Kino, das neben einem mehraftigen Sensationsstück Bilder aus dem Kriege versprach, drängten sich die Menschen. Viel Soldaten, aber auch Frauen und junge Mädchen. Im Inneren des Kinos herrschte eine kaum atembare Luft. Der ganze fleine Raum war gestopft voll von Menschen, der irgendwo surrende Ventilator schaffte nicht genügend frische Luft.

Bor vielleicht hundert Menschen zog die flimmernde Leinwand vorüber. Vor Menschen, die zum Teil vielleicht nur hierher ge­gangen waren, um sich für eine Stunde zu zerstreuen, die Ges danken, die wochentags bei der Arbeit immer auf einen Punkt ge­richtet waren, abzulenken, einmal für kurze Zeit zu vergessen, was das Leben so schwer machte.

Die lustigen Stücke fanden am meisten Beifall, sicher weil es ihnen am besten gelang, die Herzen zu befreien.

Im Kino wechselt ernst und heiter sehr rasch. Einen Augen­blick flammt das Licht auf. Die Stimmen schwirren, hier und da noch ein Lachen über das eben gesehene Stück, da verkündet die rote Aufschrift auf der Leinwand:" Soldatengräber in Frankreich ." Es wird wieder finster. Eine bange Stille erfüllt den dumpfen Raum. Dann sieht man lange Reihen sorgfältig angelegter Gräber, unendlich viel Gräber, saubere Wege, schlichte Kreuze, hier

und da schwankende Lebensbäume.

Plötzlich durchbricht ein Schrei die Stille. Ein Angstschrei, aus gepreßter Brust hervorgestoßen, wie ihn ein Mensch in höchster Körperlicher oder seelischer Qual herausschreit. Man begreift nicht gleich. Ist Feuer? Man steht auf, versucht zu sehen, wird nicht bald Licht? Der Schrei wiederholt sich, nicht weniger furchtbar als das erste Mal. Born, das sieht man jetzt undeutlich, steht eine Frau und versucht sich durch die Reihen zu drängen. Sie schreit, weint, will auf die Gräber, schlucht, man sieht die Menschen vor ihr zurückweichen, fie muß Entsetzliches in ihrem Blid haben, in ihren Zügen. Sie will auf die Leinwand zu und ruft jetzt immer: " Ihr meine Kinder! Alle meine Kinder! Meine Kinder!"

Da flammt das Licht auf. Die Unglüdliche ist allen Augen sichtbar. Sie steht mit nach der Zeinwand ausgestreckten Händen, auf der eben noch die Gräber sichtbar waren. Man fühlt und alle wissen es plötzlich: Sie ist wahnsinnig geworden. Sie ist ein junges Weib, hübsche Züge, teine Trauerkleidung, so daß man nicht an­nehmen kann, daß einer ihrer Lieben gefallen sei. Dann wäre sie ja auch nicht hier gewesen. Vielleicht steht ihr Mann im Feld. Die Angst um ihn hat sie zermürbt. Und vor diesen zahllosen Gräbern brach sie zusammen. Das ertrug ihre trante Seele nicht mehr. Sie wird irr. Fühlt sich aber ihrem eigenen Schmerze ent­wachsen, als Mutter der Menschheit vielleicht, als Weib, und ruft, als ihr Geist sich schon umnachbete: Ihr meine Kinder! Alle meine

Kinder!

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Sie ließ sich willig hinwegführen. Sie war ganz abwesend.

Der Kreuzestod.

H. G.

Die Tötung am Kreuze gehört wohl mit zu den allergrausamsten Lodesarten, unter denen jemals Menschen hingerichtet worden sind. Mit angenagelten Händen und Füßen und so angeschlagen, daß eine Verblutung nicht eintreten konnte, stundenlang und wohl auch manch­mal einen ganzen Tag am Kreuze zu hängen, ohne den ersehnten Tod finden zu können, der nackte Leib den heißen Sonnenstrahlen ausgefeßt, von einem furchtbaren Durst geplagt, das ist eine Strafe, die man sich nur als in der Gedankenwelt eines blutgierigen Despoten entstanden denken kann. Bei den Babyloniern, Medern

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Der Polizeimeister.

Ein russischer Polizeiroman von Gabryela Zapolska. Horski riß die Augen weit auf und blickte Tagejem schweigend an. Er sah jezt ein, daß es sich um größere Dinge als um einen mutwilligen Scherz handelte. Was hat sie denn begangen?" Tagejem hielt wieder eine Pause aus. Er bohrte seinen Blick in Horstis erschrockene Augen.

Nun... der Herr Vater müßte eigentlich wissen, wo mit sich seine Stinder beschäftigen, besonders der Sohn!" Horstis Atem stoďte. Mit einem Male ging es ihm auf, daß es sich um ein politisches Verbrechen handelte.

Die Dreiviertel.

am

Freitag, 6. April

50 Jahre Ueberfeetelegraphie.

das Kabel

und Perfern war der Kreuzestod schon bekannt und wahrscheinlich haben sie diese Tortur von den Assyrern übernommen. Auch die Syrier und Phönizier wandten diese Todesstrafe oft an, und von Mitten in den Stürmen des Weltkrieges hat die Uebersee­den Phöniztern und Karthagern dürfte dann die Kreuzigung auch in telegraphie ihren 50. Geburtstag begangen. Erst nach ungebeuren andere Länder eingedrungen sein. Auch im alten Griechenland war Schwierigkeiten gelang die Herstellung einer dauernden Kabel­diese Todesart nichts Seltenes, dagegen wurde sie bei den alten verbindung zwischen Europa und Amerika . Nachdem 1851 nach egyptern in einem geringeren Umfange angewandt. Aber nicht einigen mißglückten Verfuchen die Legung eines Kabels zwischen nur Sklaven, die sich eines Verbrechens schuldig gemacht oder die Dover und Calais geglückt war, faßte 1854 der Amerikaner C. Field sich den Zorn ihres Gebieters zugezogen hatten, Aufrührer und den Plan, von Jrland nach Neufundland quer durch den Atlantischen Gotteslästerer, wie Jesus nach der Meinung der Juden einer Ozean ein Kabel zu ziehen. Um ſeine notwendige Länge zu be­war, wurden durch die Kreuzigung hingerichtet. Vielfach erlitten stimmen, sah man sich zunächst vor die Aufgabe gestellt, die Tiefen diesen Tod bei den alten Völkern auch die Kriegsgefangenen. des Meeres an der ins Auge gefaßten Strecke zu erforschen; zu Namentlich solche Krieger, die besonders tapfer gekämpft hatten, diesem Zwecke wurde die erste Tiefsee- Expedition unternommen. wurden, wenn sie dann in die Gewalt des Gegners fielen, durch Am 5. August 1857 traten endlich die beiden Kabelleger und Niagara bon Valentia( Jrland) aus reuzigung hingerichtet. So wurden auf einen Machtspruch des Agamemnon an das Kreuz geschlagen, und auch Alexander der Große ließ schon nach drei Tagen, als man erst 600 Kilometer gelegt hatte, Darius nach der Eroberung Babylons 3000 Striege gefangene mit je 2000 Stilometer Kabel an Bord die Reise an. Aber Taufende Kriegsgefangene den Kreuzestod sterben. Der letzte Staat riß das Kabel, und alle Bemühungen, es wieder aufzufiſchen, blieben des Altertums, in dem die Kreuzigung in großer Zahl vorgenommen erfolglos. Im Frühling des folgenden Jahres wurde die Arbeit wurde, war Rom . War die Kreuzigung vorber mehr eine Strafe, wieder aufgenommen; diesmal versuchte man es auf eine andere die aus der Willkür von Despoten oder aus Machtsprüchen bluts Weise, indem die beiden Dampfer bis halbwegs nach Amerika dürftiger, siegreicher Heerführer angewandt ward, so wurde sie im fuhren, dort die beiden Kabelenden miteinander verbanden und nun Römischen Staat zu einem gesetzlichen Strafmittel. Unter Staiser in entgegengesetter Richtung auseinanderdampften. Aber auch dies­Konstantin verschwand der Kreuzestod. In neuerer Zeit blieb nur mal leuchtete ihnen kein günstiger Stern; bei 150 Kilometer Länge noch China das Land, in dem Menschen für begangene Uebeltaten riß das Kabel abermals, und als man unentmutigt die Legung nochmals begann, verschwanden noch weitere 500 Kilometer in der den Kreuzestod erlitten. Tiefe. Aber für Field war jeder Mißerfolg nur ein neuer Ansporn, und der dritte, im Juli 1858 unternommene Verfuch glüďte endlich. Der Jubel war groß. dauerte Bei Eduard Schulte ( Unter den Linden ): Leo von König . Bei aber nicht lange; die Jiolation verschlechterte sich qua Paul Cassirer ( Vittoriastraße): Benno Berneis . Beide haben das sehends, der Betrieb wurde von Tag zu Tag schwieriger, gemeinsam, daß ihnen ein letztes Viertel zur Vollkommenheit fehlt. und 1. September schwieg ganz. Nach Berneis, der gefallen ist, hat nicht das erreicht, wonach er strebte; sechs Jahren raffte man sich von neuem auf; in der Zwischenzeit und König wird nie das vollenden können, was er spürbar will. war es gelungen, bessere und haltbarere Stabel herzustellen. Bur Solch' Urteil klingt ohne Zweifel anmaßend; aber es ist nicht so Legung wurde diesmal der damalige größte Dampfer der Welt gemeint. Die Dreiviertel gehören immerhin schon zu den Seltenen. Great Eastern benügt. 8weimal zeigten die Instrumente undichtig in einem gewissen Sinne interessieren sie sogar mehr, als die keit der Jiolation infolge böswilliger Beschädigungen an, so daß Bollkommenen; sie haben einen tragischen Akzent, es liegt über ihnen mehrere Kilometer wieder aufgewickelt werden mußten, um den ein Hauch vom Jlarus- Schicksal. Schaden zu beheben. Schon waren zwei Drittel des Weges zurück­Dieser Gattung ist ferner gemein, daß fie nie ganz ursprünglich gelegt, da riß und versant über 3600 Meter Tiefe das Kabel aber­ift; sie hat ihre Wurzeln in vielerlei Boden. Beide, Berneis und mals; der Great Eastern fehrte erfolglos heim. Nun wurde eine König, haben mannigfache Väter. Zum Teil dieselben. Daumier , neue Gesellschaft, die Anglo American Company, gegründet und ein Delacroix, Goya, van Gogh , auch Liebermann und Slevogi neues Kabel beſtellt; im Juli 1866 dampfte der Great Eastern, mit find deutlich zu spüren. Die Dreiviertel sind zumeist im verbesserten Legemaschinen ausgerüstet, wieder aus, und diesmal quten Sinne gebildet; fie fennen viel und wissen viel. störte kein Unfall die Fahrt. Von da an diente das Kabel dauernd Man fann bon ihren Bildern ablesen, wie sie sich mit dem Verkehr. diesem und jenem, der größer war als fie, aus­einandersetzen, wie sie zu ihm hin und von ihm fort zu gelangen versuchen. Ihre Bilder bekommen so etwas Dialektisches; da sie Die französische Presse, die unter den Streichen sich aber mit Vorbildern und nicht so sehr mit der Natur aus- auch sagen: unter dem Streiche der Zensur schwer zu leiden hat, einanderiegen, haben sie bedingungslos den Charakter der zweiten benutzt jede erdenkliche Gelegenheit, um dieser Aufsichtsbehörde eine Hand. Der Beschauer glaubt das, was er hier zu ſehen bekommt, fleine Bosheit anzutun, in der Hoffnung, daß sie dadurch zu milderen ichon einmal irgendwo anders ähnlich gesehen zu haben. Dennoch Sitten erzogen werden könnte. So hält jetzt ein Boulevardblatt und das unterscheidet die Dreiviertel von den der Zensur vor Augen, daß es in dem sonst so strengen Venedig des Echwächlichen der Unsterblichkeit in solcher gemilderten Form neu Mittelalters alljährlich eine Zeit gab, wo die Zenioren ihre Tätig zu begegnen. feit einstellten, sozusagen einen Waffenstillstand verkündeten und jeden Leo von König liebt die Oberfläche; ihn reizt das farbige reden, schreiben und tun ließen, was er wollte. Diesen Gottes Emaille der Bildhaut. Insofern ist er ein leidenschaftlicher Maler. frieden der Zensur, der zur Karnevalszeit eintrat, schildert ein Franzose, Blau scheint er besonders zu lieben; ein dunkles, aber leuchtendes, der im Jahre 1669 als Gesandschaftssekretär in Venedig weilte, geschliffenes und spiegelndes Blau. Seine Bilder find Binselstriche; in feinen Lebenserinnerungen wie folgt:" In dieser freien fie leben vom Vergnügen am gehobenen Handwert. Sie sind gut Periode versammeln sich die Mönche auf dem Markusplaye. Dort bürgerlich; der Maler läßt sich wohl von der Atmosphäre flettern, unter dem Schuße der Maste, mehrere von ihnen auf der Bohême verführen, aber schäzenswerter scheint ihm ein fäuber- Bänke, um, jeder in seiner Weise, zu offenbaren, was sie über die lich gebedter und friedfertiger Frühstückstisch zu sein. Buweilen interessantesten und wichtigsten Dinge, als da sind: Moral, Politik, will er ausbrechen und ein wenig mildern: dann steigt Greco vor Philofophie usw., denken. Und das geschieht mit um so größerer ihm auf. Bald aber bezähmt er sich wieder; dann nähert er sich Freiheit, als alles, was sie bei solchen Gelegenheiten sagen, feinerlei Gainsborough. Folgen hat, da die Inquisition sich darum gar nicht fümmert... Berneis drang tiefer; er suchte das Innerliche und war so be- Der Rat der Zehn so fährt das Pariser Blatt fort wußte rufen, ein guter Menschenmaler zu werden. Er hat eine ganze also wenigstens während der Karnevalszeit feine väterliche Aufsicht Reihe vortrefflicher Schauspielerporträts geschaffen: Waßmann, einzuschränken. Wir gestatten uns, die Zensur- unsern Rat der Ballenberg, Schildkraut, Reinhardt. Mit skeptischer, aber treffender Zwanzig oder der Vierzig auf diesen Gottesfrieden von Venedig Biychologie machte er aus dem Ballenberg- Bild eine Gänseblümchen aufmerksam zu machen. wiese, auf der sich ein brauner Märchenpilz sonnt. Um Schildkraut lasten Ghetto- Erinnerungen; ein mächtiger Fleischblock, dunkel, finnlich. Melancholie gurgelnd. Sehr überzeugend wirkt Moissi als Oswald; giftig zerfressen, aufgelöst, ein fliegendes Das 10. Konzert des Verbandes der Freien Rerbenbündel. Berneis war ein Sehnsüchtiger und ein Experimen- Boltsbühnen findet am heutigen Karfreitag mittags 12 Uhr tator. Zulegt scheint er versucht zu haben, die Körper restlos fort im Theater am Bülowplag statt. Karten zu 80 Bf. find an der zubeuten, um nur ihre Schatten, ihre Bewegungsfurven, ihre Rasse zu haben. tranzendentalen Reflere zu geben. In solchen Wagnissen aber liegt stets ein Rest von Illustrativem, ein Rest beabsichtigter Merkwürdig( Gastspiel Conrad Dreher mit seiner Gesellschaft) kommt am Oster­feit, etwas von selbstgefälligem Virtuosentum. Wo hinaus diefer fonntag und Montag, sowie an den folgenden Tagen die Novität Maler eigentlich wollte, hat er scheinbar selber noch nicht genau ge-" Der alte Feinschmecker", Münchener Schwank in 4 Akten von wußt; aber er hat die Sehnsucht gehabt, und das ist immerhin Vogelsang zur Aufführung; an beiden Nachmittagen Jägerblut" eine höhere Art der Menschlichkeit. R. Br. mit Conrad Dreher als Gast.

freut er sich

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Der Gottesfriede" der Zensur.

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Notizen.

Theater Chronit.

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- man könnte

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Im Trianon- Theater

Ja," sagte er ,,, ich gebe zu, von mir hängt vieles ab.| Ihre Tochter ernsthaft kompromittiert ist. Sie tann in die Ich kann Ihrem Zöchterchen ein gutes Zeugnis ausstellen Zitadelle kommen, und das ist dann nicht meine Schuld. Ich oder auch nicht. Das hängt ganz und gar von mir ab, habe dieses Dokument zurückbehalten und bin gerade im Be­Herr Horsti." griff, es ans Gouvernement zu schicken. Sie sehen also, daß von Lagejem sehr viel abhängt."

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,, Sie werden gerecht sein!"

,, Ach, um Gotteswillen, nur teine Redensarten! Ihr Polen macht gleich große Worte. Sind Sie etwa gegen mich gerecht, Herr Horsfi? Ja? Wie beurteilen Sie mich! Nicht etwa zu ſtreng, mein Lieber?- Ich weiß alles!"

Horsti schwieg. Er wollte nicht leugnen. Das erlaubte ihm sein rechtschaffener Charakter nicht, andererseits wagte er es nicht, das Tier zu reizen.

Er log mit erstaunlicher Phantasie und dachte nur daran, sich zu retten.

" Ich bin nicht so schwach, wie ihr mich dem Gouverneur schildern wollt. Ich kann für Sie, da Sie ein ehrlicher Mann sind, viel tun. Ich werde dieses Dokument bei mir auf­bewahren und keinen Nutzen daraus ziehen, aber Sie werden dafür vor meinen Augen den Protest zerreißen." Horski fuhr empört auf.

Sie sehen selbst," fuhr Tagejet fort, daß ich recht habe. Ich weiß, daß die Bürger sich bei Ihnen versammelt ,, Sie verlangen," fragte er mit gepreßter Stimme ,,, daß haben, um über mich zu Gericht zu gehen. Ich wäre ein ich das Vertrauen meiner Mitbürger täusche?" Das kommt davon," fuhr Tagejew fort, wenn die Spizbube, ließe mich bestechen, ich hielte zu dem Diebes- ,, Noch mehr, Herr Horski. Ich will, daß Sie einen Brief Eltern sich nicht um ihre Kinder kümmern und sie nicht er- gesindel und richte die ganze Stadt zugrunde. Weiß Gott , abfassen, in dem Sie mir für die Obhut über die Stadt und ziehen, wie es sich gehört, dann kommen die jungen Köpfe was ihr dem armen Tagejew nicht alles nachgesagt habt! für die stets ehrlich erfüllten Pflichten danken." auf verbrecherische Gedanken. So ist es auch mit Ihrem Sohn. Dabei quält er sich für euch ab, ißt sich nicht satt, schläft die ,, Was?" Im Gouvernement werden Sie Näheres über sein Vergehen Nächte nicht und wacht über euch! Sagen Sie selbst, ist das erfahren. Er selbst ist geflohen. Aber die Schwester haben etwa gerecht, wenn ihr euch beim Gouverneur über mich be­wir in der Hand." flagen wollt? Ja?"

uns lebt."

,, Ja! Und dieser Brief soll mit den Unterschriften der­felben Männer versehen sein, die den Protest unterzeichnet haben. Diese Urfunde soll morgen an den Gouverneur ab­geschickt werden. Das verlange ich!"

Er spielte jetzt mit offenen Karten. Horski wich bis zur Wand zurück. ,, Das ist ja Erpressung!" flüsterte er.

,, Mit Euch kann man nicht anders, Ihr seid schlau, ich bin aber ebenso schlau. Wir wollen sehen, wer den anderen überbietet... Nun, sind Sie einverstanden?" Horsti atmete auf.

Nein!" rief er.

Horsti raffte seine ganze Geistesgegenwart zusammen. Er blinzelte mit den Augen, neigte den Kopf zur Seite Razio war vielleicht schon gerettet, es galt also, Jantas Un- und blickte Horski an. Aber Horsti schwieg. schuld zu beteuern. Zagejew ging im Zimmer auf und ab, schließlich blieb er " Sie hat doch von nichts eine Ahnung, Herr Lagejew," am Tisch stehen. begann er, indem er sich bemühte, ruhig zu sprechen. Ich ,, Sie berufen sich auf meine Gerechtigkeit. Nun schön. Aber fann für sie garantieren. Sie hat sich lediglich mit wirtschaft- sehen Sie, eine Hand wäscht die andere. Verstehen Sie?" lichen Angelegenheiten beschäftigt. Ihr fönnt ihr feinen anderen Ein Schauer überrieselte Horsti. Er begriff, daß ein Ge­Vorwurf machen als findlichen Uebermut. Sie werden selbst schäft geschlossen werden sollte. Horski vermochte nicht zu be­zugeben, Herr Polizeimeister, daß Janka sich nicht in politische urteilen, welchen Einfluß Tagejew auf Jankas Schicksal aus­Angelegenheiten gemischt hat. Sie wissen doch, wie jeder von üben konnte, weil er die Schuld nicht fannte, der man sie zieh. Doch fürchtete er so sehr für das Schicksal seines Mit bligartiger Schnelligkeit erwog Tagejew alle Mög- Stindes, daß er sein halbes Leben hingegeben hätte, um sie lichkeiten. Horsti verlangte von ihm etwas, ja, bat ihn aus der Gefahr zu befreien. flehentlich um etwas. Bei Horski lag der Protest mit den ,, Haben Sie den Protest bei sich? Ich habe nämlich das ,, Ueberlegen Sie es sich, Herr Horsfi." Unterschriften der Bürger, Horski hatte einen großen Einfluß Dokument, das man bei Ihrer Tochter fand. Hier ist der Brief, ,, Hier gibt es fein Ueberlegen. Wir sollen Ihnen für im Städtchen und konnte die Katastrophe abwenden, die der sie politisch kompromittiert..." Ihren Schutz danken? Ja? Aber wir fönnen ja unt Tagejem von seiten der Behörde drohte. Es galt demnach, Horski streckte die Hand aus, aber Tagejew zog diefem Schutz faum atmen! Den Protest soll ich vernichten diesen Augenblick auszunuzen. die seine mit dem an Kazio geschriebenen Brief wieder An den Bürgern, die voll Vertrauen zu mir famen, Berret Tagejem blähte sich also auf und betrachtete feine zurück. üben? Das darf ich unter keinen Umständen, selbst nicht, um schmuzigen Nägel, twie er es beim Gouverneur gesehen ,, Nein, nein," sagte er lebhaft, Sie dürfen das nicht mein Kind zu retten." hatte, als dieser ihn beim Quartalsbericht empfangen hatte. lesen. Das ist Staatsgeheimnis. Aber ich sage Ihnen, daß

"

Lagejew wurde bleich. Seine Wangen hingen schlaff herab. Jenes Anerkennungsschreiben wäre ihm ein wichtiges Beugnis gewesen, mit dem er gegen die Anklagen der Gen­darmerie hätte vorgehen können.

Worts. folgt.)