Mr. 121.
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Vorwärts
11. Jahrg.
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Dienstag, den 29. Mai 1894.
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Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!
Zur Rettung der nothleidenden schluß, der ben leitenden Herren vom Bunde der Landwirthe so betrifft, hält der Minifter nicht viel. Wer bis zu den Ohren
Landwirthschaft.
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Hat der preußische Landwirthschaftsminister einige dreißig „ Männer der Wissenschaft und Praxis" zu einer Konferenz berufen, welche am 28. Mai hier in Berlin ihren Anfang genommen bat. Unter den Eingeladenen befindet sich kein einziger Bauer, die westlichen Provinzen werden schwach, die östlichen dagegen sehr start vertreten sein; um Rath gefragt werden eine ganze Reihe Universitätsprofessoren Schußzöllner durch die Bank- Landesdirektoren, Generalfommissions- Präsidenten und Regierungsrathe, die Hauptagrarier Kanib und Mirbach, die Vertreter der schweren Zentrumsreiterei, die Freiherren v. Schorlemer.Alst und Huene, und, wohl als Hauptsachverständiger, der General- Feld marschall des Bundes der Landwirthe, Herr v. Ploch auf Döllingen bei Elsterwerda . Bei der Berathung anwesend werden ferner sein ein Bankdirektor aus Mannheim und die Seele des in Aussicht genommenen landwirthschaftlichen Liquidationsverfahrens", der Herr Miquel.
geläufig ist: Von der Landwirthschaft redet man und die Großgrundbesitzer und Junker meint man.
in Schulden steckt, kann sich nicht an seinem eigenen Zopfe aus dem Sumpfe ziehen.
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Als Hauptursachen der landwirthschaftlichen Krisis erscheinen Bleibt nur die Vereinigung in Rorporationen und Ge dem preußischen Landwirthschaftsminister a) das Sinken des währung von Staatshilfe an diese. Das ist derselbe Gedanke, Reinertrages, b) die zu starke Jnanspruchnahme fremden Kredits. der dem preußischen Landwirthschaftskammern- Entwurf zu Grunde Die Getreidepreise gingen infolge der fremden Konkurrenz immer liegt, erweitert nur durch die Andeutung, daß der Staat mehr zurück, die Arbeitslöhne stellten sich höher, infolge An- unverzinsliche Bodenscheine ausgeben könne, um die Reform ins dranges nach den großen Städten herrsche Arbeitermangel, die Werk zu setzen. Nun könnte aber der Fall eintreten, daß bei Steuern und Abgaben( besonders die Schullasten) hätten die Umwandlung der Hypotheken in Rentenschulden ein Theil der Tendenz zu steigen. In diesem Abfah des Arbeitsprogramms" Güter über ihren Werth hinaus belastet sei. Sollen diese Ueberfindet sich auch der Satz: Besteht eine zu Lasten der Land- schulden einfach wegfallen? Der Minister ist nicht dagegen. „ Beſteht eine zu Casten der Zand- schulden einfach wegjallen? Der Miniſter iſt nicht bagegen. wirthschaft die Industrie, den Handel und die großen Städte Das Arbeitsprogramm" sagt, es müßten Rautelen festgesetzt werbegünstigende Tendenz der Gefeßgebung?" Wir müssen offen den, daß nicht der gänzlich werthlose Theil der jetzigen Nach gestehen, als wir diese Frage lafen, waren wir geradezu ver- hypotheken durch die allmälige Schuldentlastung zur Hebung blüfft. Auch heute noch glauben wir, daß bei dieser Frage fommit". Wie wir unsere Junker kennen, dürfte ihnen von der stellung der Kobold des Seykaftens seine Hand im Spiele hatte. ganzen Reform, die in diesem Satze angekündigte SchuldenDaß ein preußischer Landwirthschaftsminister noch nie etwas von reduktion am meisten zusagen. den sogenannten Brotzöllen gehört babe, daß er nicht weiß, was Das Arbeitsprogramm" des preußischen LandwirthschaftsZuckerprämien und Schuapsbonifitationen zu bedeuten haben, Ministers zielt auf die Einführung des Fideikommisses für Schon aus der Liste der Eingeladenen tönnte man einen was die„ Außerhebungseßung" der Grundsteuer besagen soll, und alle landwirthschaftlichen Befißungen. Da die Landwirthe nach ficheren Schluß ziehen, in welcher Richtung die Retterei ihren die Aufhebung des Jdentitätsnachweises, die Konservirung der Annahme des Ministers verschuldet sind, also sich nicht selbst Weg nehmen würde, aber der Einberufer hat die Sache noch Gesinde- Ordnung und des Koalitionsverbotes für ländliche Ar- helfen können, so müßte diese Einführung, Umwandlung auf deutlicher machen wollen; er hat an die eingeladenen Sachver- beiter, wer wagt es, folches zu behaupten? Er stehe auf Kosten der andern Theile des Voltes, hauptsächlich des arbeitenständigen eine Reihe von Fragen gerichtet, die in ihrer Gesammt und rede. den geschehen. Darum ist die ganze Quacksalberei von unserem heit ein ganz bestimmtes System verförpern, und er hat in einem Wie dem Sinten der Reinerträge Einhalt gethan werden Standpunkte aus zu verwerfen. Es ist aber auch noch sehr die angehängten Arbeitsprogramm" diese Fragen im Namen des fönne, darüber weiß der Minister den Nothleidenden feinen Rath Frage, ob die Landwirthschaft nach Durchführung der Reform preußischen Ministeriums auch gleich beantwortet. Es ist also fein Zweifel, daß die Konferenz sehr harmonisch verlaufen Aussicht stehenden Landwirthschaftskammern. Um so zahlreicher ja. Aber im allgemeinen würde gar nichts geändert. Was würde sind seine Vorschläge, welche sich gegen die Ueberschuldung so ein Rentengutsbesitzer, der seinen Besitz nur bis zu einer be Die Fragen und Vorschläge des preußischen Landwirthschafts- richten. Als Hauptheilmittel empfiehlt er hier die Umwandlung stimmten Grenze belasten darf, anfangen, wenn er über diese ministers gehen alle von der Voraussetzung aus: die deutsche der Hypotheken in abtragbare Rentenschulden. Aber was nüßt Grenze Geld brauchte? Er müßte den Personalkredit in Landwirthschaft befindet sich in einer ungeheueren Nothlage. ein Rentengut, wenn es immer voll belastet ist. Dieser Fall Anspruch nehmen. Die Zinsen hierfür würden hohe sein, Darüber schreien die Bauernbündler schon lange, auch der Finanz- würde immer wieder eintreten, wenn die hente fast allgemein denn er besitzt ja teine Deckung mehr. So ist es den minister hat es behauptet, aber den schlagenden Beweis hierfür übliche Erbtheilungsweise bestehen bliebe. Da hilft nur Eins: amerikanischen Farmern ergangen mit ihren Heimstätten; erbracht hat noch niemand. Man hat die Regierung von den die Freitheilbarkeit der landwirthschaftlichen Güter muß auf diese konnten ihnen nicht genommen werden, weil sie aber feinen verschiedensten Seiten her aufgefordert, genaue Erhebungen zu gehoben und das Anerbenrecht eingeführt werden. Der Anerbe, Personalkredit genoffen, mußten fie davonlaufen, zu Tausenden pflegen, damit man doch schwarz auf weiß, in deutlichen Zahlen derjenige, welcher den Hof übernimmt, wird auf Kosten und bei Nacht und Nebel. fehen könne, was an all dem Gejammer und Getute Wahres seiner Geschwister, der Miterben bevorzugt, erhält ein größeres Unsere Agrarier werden die Verhandlungen der Ronferen ift, darauf hat der Finanzminister einen Blick in seine Steuer- Erbtheil, damit ihm nicht schon durch den Grbgang die Schulden mit süß- fauren Mienen verfolgen. Sie können sich nicht gegen register gethan und konstatirt, daß auf dem Lande von dem über über den Kopf wachsen. Aber das genügt noch nicht. Der An- die Bestrebungen des Ministers kehren, denn sie geschehen wirklich 3000 m. hinausgehenden Einkommen aus dem Grundvermögen erbe könnte ja auf eigene Faust den Hof wieder voll belasten, in ihrem Interesse. Aber sie nügen ihnen nichts, wenigstens im Durchschnitt 38 pet. von den Schuldzinsen aufgezehrt werden. und der Jammer finge von vorne an. Darum muß die Verschuld- nicht für den Augenblick. Was die Herren drückt, ist nicht die Das ist bisher, der Güter und ihre Das ist bisher der einzige Beweis der Regierung geblieben. barkeit der landwirthschaftlichen Güter und ihre Verpfändbarkeit Nothlage der Landwirthschaft, sondern die Schulden. Da nüht Und was beweist er? Nein gar nichts. Wie viel landwirth- beschränkt werden. Dadurch würde auch verhindert werden, was teine Vertröftung auf die Zukunft, der Bahltag steht vor der schaftliche Betriebe in Preußen giebt es denn, die dem Besizer heute noch so häufig geschieht, daß Leute mit kleinem Kapital Thür, da heißt es blechen oder abfliegen. ein Einkommen von über 3000 M. gewähren? Außer den Groß- große Güter kaufen und dadurch sofort der Schuldknechtschaft Mögen sie abfliegen; das arbeitende Bolt wird nur eine Er grundbesigern können da nur die allergrößten Großbauern in verfallen. Um diese Reform durchzuführen, dafür gäbe es zwei leichterung verspüren. Betracht kommen, deren Besigthum über hunderttausend Mark Wege: Selbsthilfe oder Staatshilfe oder eine Vereinigung von werth ist. Die Regierung arbeitet also hier mit demselben Trug- Beiden. Von der reinen Selbsthilfe, soweit sie den Einzelnen
wird.
Feuilleton. Der Inde.
Deutsches Sittengemälde
ans der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.
gangen
Bon C. Spindler.
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zu geben; er verweiſt jie auf die Gelbsthilfe und auf die in sich besser stände als heute. Einzelne und für eine gewiffe Zeit,
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Königs Frieden nicht länger zu stören, wollte er nicht Hand ohne jemals wiederzukehren, sonst nehm' ich mein Gnadens und Hanpt verwirken. Wohl!" feuchte Montfort, mit wort zurück. Wählt! Werdet flüchtig wie Rain und lebet, seinen wilden Blicken Wallraden durchbohrend, die eine oder bleibt und sterbt mit den Euern!" Die Drohende wundersame Mischung von Frechheit, Wuth, Furcht und ließ des vernichteten Mannes Hand los, und er enteilte wie drohender Schadenfreude in ihren Zügen trug:" Der Bann wahnsinnig dem Aufenthalte seiner erbitterten Feindin. Im des Königs ist mir heilig: des Königs Meze nicht. Zittre Sturme seiner Gefühle hatte er nicht die Hornklänge ver Weib, mir jemals wieder zu begegnen! Zittre vor meiner nommen, die einen neuen Besuch angekündigt hatten, welcher Vergeltung. Montfort kennt nur eine Liebe, aber auch eben die Treppe herauftam. Der Kaiser war es wieder; nur einen ewigen Haß!" Mit furchtbaren Geberden ging zu seiner Rechten die schüchterne und ängstliche Hausfrau Bilger schwieg erschöpft mit bebender und bleicher Lippe, er davon, schwang sich auf das Roß, das sein Leibknecht des Wildmeisters, die ihrem verstörten Gatten Blicke der und seine heftige Rede hatte ihre Wirkung auf Montforts im Hofe hielt, und sprengte wie ein Rasender über die furchtsamsten Besorgniß zuwarf. Denn Sigmund war nicht Gemüth nicht verfehlt. Der Graf stierte den Sprecher Schloßbrücke. Bilger hatte nach ihm Wallradens Zimmer der leutselige herablaffende Fürst, wie er noch gestern fich athem los an, und trat scheu von Wallraden zurück.verlaffen wollen; das Fräulein hielt ihn jedoch mit Riefen- gezeigt; heute glühte die Röthe des Zornes auf seiner Welch ein Scheusal malt Ihr mir!" sprach er endlich mit kraft zurück, obgleich ihre Pulse flogen, die Lippe zitterte, Stirne, und von beleidigtem Stolze, vielleicht auch von halb unterdrückter Stimme, diese gleißende Hülle wäre also und der Busen sich so ungestüm hob, das jedes Wort nur Eifersucht glänzten die Augen. Kaum eines Blickes würdigte wirklich nur der Balg einer giftigen Schlange? Meine gebrochen und klanglos ihrem Munde entfliehen konnte. er den Wildmeister." Ihr kommt sehr spät, um meinen Ahnung, meine innerste Se ele hätten mich also nicht hinter Einen Augenblick noch;" stammelte sie, während die Hölle Willkomm zu empfangen!" herrschte er dem Bestürzten zu: ? Ja, ja, Herr von der Rhön ! Ihr habt wahr ge- in ihrem Auge aufflacferte: hört mein letztes Wort zu Auch bin ich in Verlegenheit, wie ich Euch zu begrüßen redet; Wallradens stumme Lippe bezeugt es; die Todten- Euch. Ihr habt mich entehrt und dem Feinde in tiefster habe: als einen minnelustigen Fant, der in einem fremden farbe, die ihr Antlig überzieht. Eure unerwartete Offen- Schmach gezeigt. Der Verbrecher hat über mich den Sieg Garten Früchte naschen möchte, die ihm nicht bestimmt; herzigkeit hat ihre Gestalt in Stein verwandelt, aber diese davon getragen. Der Himmel mag Euch vergeben, von oder als einen schlauen, aber ertappten Kuppler." Hilflosigkeit der Sünde erregt nicht mein Mitgefühl; sie mir erwartet nun teine Schonung. Ich überantworte Euch Raiserliche Majestät!" stotterte Bilger, empört und reizt mich nur auf zur That, und ich will untersuchen, ob dem Henker, der Schande Eure Buhlerin und ihre Brut." gekränkt.- Als einen schlauen aber ertappten Ruppler!" auch ihr Herzblut zu Eis geworden ist!"- Weib!" donnerte der Wildmeister rollenden Auges: fuhr Sigmund kalt und vernichtend fort:„ Ich sagte es, Verhänge über mich, was Du willst. Die Meinigen schone und wahr ist mein kaiserlich Wort, denn soeben hat erst aber. Schone fie, oder ich würge Dich hier zu Tode!" der pflichtvergessene Montfort das Städtlein und dieses Schreckhaft fuhr Wallrade zurück, und erwiderte wie oben: Schloß verlassen. Rechtfertigt Euch nicht, fürchtet meinen Um Euch ein neu Verbrechen zu ersparen, wohlan! so Born, und weicht ihm aus. Euer Weib wird mich an wählt eine härtere Strafe freiwillig, härter als der Tod. Gurer Statt zu dem Gemache des Fräuleins von Balders laßt alles dahinten, grün geleiten." Flieht hinweg von Eurem Herd. Verächtlich wandte der Kaiser dem Be was Ihr mit sündiger Liebe umfaßt; laßt Euren troffenen den Rücken, und Katharine, nachdem sie durch Namen vergehen und Euer Gedächtniß, wie das eines Ge- lagende Geberden den Antheil ausgedrückt, den sie am storbenen, und ich will schweigen, will genug haben an Mißgeschicke ihres Gatten nahm, folgte dem Herrscher unterEuerm langsamen Dahinwelten auf fremdem Boden, genug würfig. an der ewigen Trauer der verlassenen Waisen! Aber fort Wie ein Trunkener taumelte Bilger die Stiege hinunter müßt Ihr sein, che noch das Abendroth niedergeht; fort auf deren letzten Stufe Preyswerck, des Kaisers Hofnar
Mit einem durchdringenden Schrei flog Wallrade zum Fenster, da der blindwüthende heftige Mann mit dem Stable in der Faust auf sie zustürzte. Bebend wie das Laub der Espe umflammerte sie den gehaßten Rudolph, der sich mit aller Mannestraft zwischen die beiden geworfen hatte, und mit übermenschlichem Ringen den gereizten Tiger von seiner Beute abhielt. Nach heftigem Kampfe mußte der schwächere Graf von seinem blutigen Vorhaben ablassen, und ergab sich zähneknirschend in den Willen des Ueberwinders, der seine Pflicht, Wallraden nichts Leides geschehen zu lassen, als eine heilige behauptete, und den Bezwungenen er mahnte, augenblicklich das Schloß zu verlassen, und des
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