poimrrftc xtc&cfitrftt. Berlin , den 28. Mai. Die Nachwahl im sächsischen Boigtlande. Nach amtlicher Feststellung erhielten bei der am 24. d. M. im 23. sächsischen Wahlkreise stattgehabten Reichstags-Ersatzwah� von den abgegebenen 20 585 Stimmen Alwin G e r i s ch (Sozialdemokrat) 9919 Stimmen, Wilhelm Uebel(Zkartell- kandidat) 6000 Stimmen, Max Schubert(deutschkonservativ) 2667 und Arnold von Schwarze(freist Volkspartei) 1999 Stimmen. Es hat somit eine Stichwahl zwischen Gerisch und Uebel stattzufinden. Es fehlen somit Genossen Gerisch blos 374 Stimmen, seinem Gegner in der Stichwahl dagegen 4293 zur absoluten Majorität. Unsere Partei ist die einzige, die einen Stimmenzuwachs zu verzeichnen hat, wir haben 642 Stimmen (gegen 7 pCt.) gewonnen, die Kartellparteien haben, selbst wenn man die antisemitischen und„deutschkonservativen" Stimmen hinzurechnet, 1900 Stimmen(über 18 pCt.) und die freisinnige Volkspartei 1962! Stimmen(ca. 48 pCt.) verloren. Wir können mit dem Resultate der Nachwahl zufrieden sein. Bei dem Eifer unserer Genossen braucht man an dem endgiltigen Siege nicht mehr zu zweifeln, wenn man auch nicht die gewagtesten Mittel verschmäht, um uns den Sitz zu entreißen, man hat, gegen alle bis- herige Praxis, schon auf den nächsten Freitag die Stichwahl festgesetzt, so daß nur drei Tage für die Agitation übrig bleiben.— Ueber die Nachwahl in Schlochau-Flatow liegt jetzt daZ amtliche Wahlergebniß vor. Im Ganzen wurden abgegeben 14 560 Stimmen. Es erhielt Rittergutsbesitzer Silgendorss-Platzig(kons.) 3348 Stimmen, von Prondzynski- roß Loßburg (Pole) 6212 Stimmen. Ersterer ist mithin gewählt. Somit haben die Konservativen gegen die Hauptivahl am 15. �luni v. I. 2362, demnach fast den vierten Thcil ihrer Stimmen verloren, die Polen 2087, über den dritten Theil der am 15. Juni 1893 abgegebenen Stimmen ge- wonnen. Man ersieht hieraus, daß die Konservativen eine Auflösung des Reichstages zu fürchten haben. Dies wird sie den neuen Steuervorlagen gegenüber sehr willfährig machen, so daß die Anstrengungen der Oppositionsparteien sehr gesteigert werden müssen.— Wird ein Margarine- Steuergesetz von der Reichsregierung vorbereitet? Der„Reichs- Anzeiger" meldet heute, daß der Reichskanzler Erhebungen über den gegenwärtigen Stand der Margarinefabrikation und deren Einfluß auf den Handel mit Naturbutter, sowie über die bisher in den einzelnen Bundesstaaten gemachten Wahrnehmungen über die Wirksamkeit und etwaige Ab- änderungs- oder Ergänzungsbedürftigkeit des gedachten Ge- setzes eingeleitet hat.— Der Kanzler Leist traf, wie wir schon berichteten, Sonnabend Morgen 6 Uhr aus dem Dampfer„Lulu Bohlen" im Hafen ein. Der Weiberprügler von Kamerun verließ um 6V2 Uhr unter Bedeckung von zwei Schutzleuten das Schiff. Nach dem„Lokal-Anzeiger" hatte sich an der Landungs- brücke eine Anzahl Kohlenpumper lund Gelegenheitsarbeiter aufgepflanzt, welche Leist im derbsten Hamburger Platt Schniähworte zuriefen. Leist, ersichtlich ausgeregt, bestieg eine Droschke und fuhr zum Zollamt in der Ringstraße.— Intoleranz? Unsere Münchener Genossen haben einem Häuflein Separatisten, die sich„radikal" nennen, auf die Partei schimpfen, dabei behaupten, zur Partei zu ge- hören, die Zugehörigkeit zur Partei abgesprochen. Das wird nun von„nationalliberalen" Zeitungen, die für das Sozialistengesetz noch heut schwärmen, für„intolerant" erklärt. Die Münchener„toleriren", d. h. dulden ja aber, daß jene Leutchen denken und schimpfen nach Herzenslust, sie wollen sie nur nicht im Parteinest haben, das rein ge- halten werden soll. Die Schinipfvögel mögen sich ein eigenes Nest bauen— daran hindert sie niemand, und niemand wird sie darin belästigen. Oder ist es„Toleranz", daß wir jede zudringlichen Burschen unser Haus zur Verfügung stellen?— Einen nichtswürdigeren, von gemeinerer Denkweise zeugenden Erguß haben wir nie, selbst in nationalliberalen Blättern, noch nicht gefunden als nachstehende Notiz: Die deutschen Delegirten zum internationalen Bergarbeiter- Kongreß scheinen eS mit ihrer Berichterstattung nicht sehr eilig zu haben, obgleich sie einen sofortigen Bericht in Aussicht und lustiger Rath saß; sein einziger Begleiter aus dem Ritte zum Liebchen. Der Bursche nickte freundlich mit dem ge- schornen Haupte dem Wildmeister zu, und sprach, indem er ihn am Saume des Gewandes festhielt:„Wollt Ihr ein schön Stücklein lernen, wie es die Sperlinge auf den Dächern und die Narren auf allen Gassen singen?"—„Laßt mich," gab Bilger unwirsch zur Antwort:„mir ist's jetzo wahrlich nicht um der Narren Gesang zu thuu."—„So?" fuhr Preyswerck gemüthlich fort:„so? dann müßt Ihr zwei Stücklein lernen. Das erste heißt:„„Hcrrengunst und Vogelsang ist lieblich, aber dauert nicht lang""— und das andere, das Ihr nothwendig wissen solltet, wäret Ihr ein vollendeter Waidmann , ist nach des Rolands Melodie zu singen und klingt also:„„Edler Falk, man spannt auf Dich, schüttle Dein Gefieder! Edler Falk, so flüchte Dich— kehre nimmer wieder!""—„Habe Dank, ehrlicher Narr!" erwiderte der Wildmeister:„Ten Rath, den Deine lustige Zunge gab, muß meine Verzweiflung befolgen. Grüße mein Weib tausendmal, und dem Kaiser sage: Bei dem Zorne sei keine Gerechtigkeit, darum wollte ich auch keine von ihm ver- langen, sondern hingehen, wo man mich nicht zwingt, ein lockres Weib statt des Wildes zu hüten. Katharine möge mein gedenken, und..." Ausbrechende Thränen niachten ihn hier in seiner Rede verstummen. Gewaltsam riß er sich von den: lustigen Raths los, stürzte in das Zimmer, wo seine Tochter harmlos spielte, drückte die Kleine un- zählige Male an seine Brust, schwang sich auf ein ungesattelt Pferd, und verließ auf dessen schnellen Hufen das Haus, das er wie ein Geächteter und Gebannter zu fliehen ge- zwungen war. Der Gedanke, Sigmunds Entrüstung werde sich neu entzünden an Wallradens Wuth, gab seinem Rosse den scharfen Sporn, und weniger sein bedrohtes Leben suchte er in Sicherheit zu bringen, als seine Ehre, den Leumund der Gattin, nnd seines Kindes zukünftig Geschick. gestellt hatten. Erst morgen werden, halb gezwungen, die ersten Delegirten sich vernehmen lassen. Beim besten Willen und trotz aller Kunst der Schönfärberei werden sie nichts zu melden wissen, was die Genossen erbaut. Besonders schwer wird es ihnen werden, über die„Verbrüderung" mit den Eng- ländern zu berichten. Nachdem diese erfahren hatten, daß von den 26 Delegirten aus Rheinland und Westfalen 25 keine Bergleute mehr waren, verwandelte sich die Stimmung der englischen Delegirten, die eine besonders freundliche niemals war, auch im privaten Verkehr in eine recht frostige. Mit sozial- demokratischen Budikern, Flaschenbierhändlern und ähnlichen „Sachverständigen" die Bergarbeiter-Verhältnisse zu besprechen, hatte für die Engländer etwas Komisches. Einen R e« 0 m m i r» B erg m an n hatten sich die Herren Schröder und Genossen allerdings mitgebracht; jetzt aber soll auch dieser ab- gelegt sein. Tief betrübend war es ferner für die Deutschen , daß sie die Engländer nicht veranlassen konnten, eine Spende für die ausgesperrten österreichischen Bergleute zu geben. Die Deutschen opferten, was sie entbehren konnten(256 M.), aber die Engländer blieben kühl und hielten die Taschen zu. Die noch zur Fahne des Herrn Schröder und Genossen schwören- den Bergleute sind daher mit dem Ausgang des Kongresses höchst unzufrieden; für Paris werden sie schwerlich einen Pfennig aufbringen, und wenn die Geschichte mit dem Berg- arbeiter-Verband so fortgeht, wie in der letzten Zeit, so dürfte er sich wohl bald ganz verflüchtigt haben. Von den 8000 ein- geschriebenen Mitgliedern sollen nur noch 3000 Beiträge leisten; jetzt, nach dem Verlauf des Berliner Kongresses, wird voraussichtlich überhaupt kein Geld mehr eingehen. So ge- winnt es den Anschein, als habe der Kongreß die Bergarbeiter» Bewegung, die schon lange in den letzten Zügen gelegen, ganz todt gemacht. Die niedrige Gesinnung blickt aus jeder Zeile. Ja, es waren alles gemaßregelte Grubenarbeiter— das ist eine Schande, gewiß, aber nicht die Schande der Gemäß- regelten! Und die Schadenfreude, daß auch der letzte, „Renommir-Bergmann" gemaßregelt ist! Das Merkwürdige ist, daß der rohe Patron so dumm ist, gar nicht zu merken, wen eigentlich er mit seinen Bärentatzen schlägt. Nie hat ein Sozialdemokrat die deutschen Grubenbesitzer grausamer blosgestellt und ärger gebrandmarkt, als dieser ihr tölpelhafter Soldknecht. Uebrigens darf der Bursche versichert sein: Die englischen Delegirten sind mit weit größerer Liebe zu den deutschen Bergleuten und weit größerem Haß gegen die deutschen Grubenbesitzer von Berlin zurückgekehrt als hingegangen.— Erregung zum Klassenhast. Die„Kreuz-Zeitung " schreibt in ihrer letzten Freitagsnnmmcr: „Wie die„Allg. Evang.-luther. Kirchenzeitung" mittheilt, ist in Düsseldorf gegen?. Keller(unseren Lesern unter dem Namen Ernst Schill sehr wohl bekannt) Klage erhoben worden, weil er den reichen Besitzern und Arbeitgebern in ernster, aber durchaus würdiger Weise ihre Sünden ebenso vorhielt, wie den Arbciterkreisen. Besonderen Anstoß erregte der Satz:„Alle Tobten, auch die sogenannten großen Tobten der Weltgeschichte, alle Tobten, groß und klein, der Kaiser, der über Millionen Menschen geherrscht, der Kommerzienrath , der über Millionen Mark geherrscht, und so herab bis zum letzten landfremden Bettler, der im ungehobelten Sarge beerdigt wird, alle müssen vor Gottes Richterftuhl erscheinen." Wegen dieses Satzes, der unseres Erachtens nur Bekanntes, unendlich oft Gesagtes enthält, ist, wie bemerkt, eine Anklageschrift an das Presbyterium gerichtet worden, in welcher?. Keller der Förderung des sozialdemo- kratischen Klassenhasses beschuldigt wurde; alle Kommerzien- räthe Düsseldorfs, alle Millionäre und sonstigen Repräsentanten von Bildung und Besitz setzten ihre Namen darunter. Das Presbyterium, im Sinne der Kläger zusammengesetzt, forderte Widerruf, den?. Keller natürlich verweigerte. So hat man denn beschlossen, im Konsistorium gegen ihn vorzugehen. „Hoffentlich," setzt die„Allg. Evang.-Lulh. Kirchen-Ztg." hinzu, „tritt die Behörde für den, in der pflichtmäßigen Ausübung seines Amtes angegriffenen Geistlichen nnt der nöthigen Ent- fchiedenheit ein". Das hoffen wir auch. Andernfalls würde gerade der Klassenhaß erregt werden, den die Ausführungen des?. Keller niemals erregen können." Uns ist dieses Verhalten„der Kommerzienräthe, der Millionäre und sonstigen Repräsentanten von Bildung und Besitz" in Düsseldorf durchaus nicht überraschend, und ebenso wenig überrascht uns der Beschluß des Düsseldorfer Presbyterium.s, den Pastor aufzufordern, zu widerrufen. Unsere Bourgeoisie betrachtet die Religion, ganz mit Recht, als Leitseil für die dummen Massen und den Pastor als ihren Kommis, der in ihrem Interesse die Massen zu bearbeiten habe. Da aber der Pastor sich erlaubt, von seiner Stellung eine Ansicht zu haben, die zwar„den Repräsentanten von Besitz und Bildung" nicht zusagt und sich auch noch erlaubt, diese öffentlich auszusprechen und damit auf die Untergrabung ihrer Autorität bei den geleithammelten Klassen hinarbeitet, so ist das allerdings ein Verbrechen gegen die„öffentliche Vierzehntes Kapitel. Du fauler Bote! sag' an Deine Post. Deine Zunge ist lahm, wie Dein Gaul.— Herr! ich reite auch kein Freudenpferd. Alt. Schauspiel. Die merkwürdige Sitzung des Konziliums, in welcher die Väter desselben, um die Hyder, die die Christenheit umschlungen hielt, mit einem Streiche zu vertilgen, die Ab- sctzung der drei Päpste beschlossen, und Papst Johann— zu ohnmächtig und zu staatsklng, um der Uebermacht zu widerstreben— in eigener Person die Absetzungsformel verlesen hatte, war vorüber, und die Zuhörer, wie die Bei- sitzer, staunend über das bisher Unerhörte, begaben sich in zählreichen gedrängten Schaaren nach ihren Hänsern. Da- gobert in �seiner geistlichen Tracht war mitten darunter, nnd schlenderte unbefangen, dem VeSperbrote entgegen- harrend, durch die Straßen, als plötzlich unter dem Schwarme der Vorübereilcnden eine derbe Faust seine Rechte ergriff nnd herzlich drückte.„Hoch lebe das Konzilium, alle drei heiligen Väter und. vorab der gefällige und nachgiebige Johannes!" jauchzte der ungestüme Freund, der Gerhard in Lebensgröße war.—„Willkommen! alter Kumpan!" ent- gegnete ihm der froh überraschte Dagobert:„Bist Du wieder zu Tage gekrochen, wilder Jäger? Haben sie Dich aus der Eulen Nest gelassen? Und rede, wie kommt's, daß Du frei und frank vor mir stehst?"—„Für's erste," ant- wortete der Hülshofner,„neigt Euch in Temuth vor meinen Tugenden, die ihr nie geahnt habt. Drei völlig und gut gezählte Wochen saß ich im Schatten, wo es nicht hinregnet noch schneit, wo nicht Thau noch Sonnenstrahl zu sehen, und während dieser Frist, die, reimweis zu reden, keine geringe ist, habe ich kein einzigmal geplaudert, denn sonst stolzirtet Ihr wohl nicht so junkerlich und freiherrlich umher. Ter Syndikus, ein wahrer Pcstilenzer, hat mir zugesetzt gleichwie mit glühenden Zangen, und dennoch, und dennoch... dennoch nichts verrathen. Kreuz und Dorn und Stein!'s hat schier Funken gegeben. Die Pfaffen gaben verdammte Zeugschast, die leichtfertigen Jägerinnen, Ordnung", für das der renitente Pastor eine entsprechende Strafe verdient. Herr Keller wird entweder zu Kreuze kriechen oder sein Bündel schnüren müssen. Ein Drittes wäre allerdings auch noch möglich, obgleich es unwahr- scheinlich ist. Es könnte der Fall eintreten, daß das Kon- sistorium, das Herr Keller in der Streitsache angerufen hat, chni Recht geben, dann blieb aber den Repräsentanten von „Besitz und Bildung" in Düsseldorf nichts anderes übrig, als zu einem sozialdemokratischen Kampfmittel zu greisen und den obstinaten Pfarrer zu— boykotten. Was wohl die„Kreuz-Zeitung " zu einem solchen Boykott sagen würde? Einen Generalstreik-- der Unternehmer stellen die Preßkosacken des Berliner Brauringes uns in Aussicht. Was die Arbeiter nicht können, das können mit spielender Leichtigkeit die Herren Kapitalisten: Wenn das allmächtige Kapital gebietet: Alle Räder stehen still! dann st e h e n sie auch still. Die Jämmerlings von Ar- beitern bildeten sich ein: den 1. Mai zu einem Weltfeiertag zu machen. Es war aber blos eitel Renommisterei, für die sie durch Doppeldezimirung der Brauerei-Arbeiter jetzt ver- dientermaßen zu büßen haben. Allein was der schwache Arm der Jämmerlinge von Arbeitern nicht vermag, das vermag der„starke Arm" des weltbeherrschenden Kapitals. Und wenn die Frevler, die dem Berliner Brauring ver- messen den Krieg erklärt haben, nicht schleunig zu Kreuze kriechen, und wenn die nicht im Brauereigewerbe beschäftigten Arbeiter und Sozialisten fortfahren, die Sache der sündhaften Brauereiarbeiter zur ihrigen zu machen, so dürfen sie sich nicht wundern, wenn demnächst die Arbeit- geber aller Industriezweige mit ihren tapferen Vor- kämpfcrn, den Rittern vom Brauring gemeinschaftliche Sache, nnd eines schönen Morgens das Wort zur Wahrheit machen: „A l l e R ä d e r st e h e n st i l l!" Also drohen die Preßkosaken des Brauerrings. Und wir, wir schaben ihnen ein Rübchen! Nur zu, Ihr Herren! Wollet Ihr Euch nicht länger von Evern Arbeitern ernähren lassen, um so besser für die Arbeiter! Und welch treffliche Gelegenheit, der Welt zu zeigen, wie überflüssig die Herren Unternehmer sind.— Die Branerringler beherzigen die Bismarck 'sche Leib- regel vom„Lügen wie telegraphirt". Sie tele- graphiren in die Welt: Berlin , 26. Mai. Abgeordneter Auer vertheidigte gestern vor mehr als 4000 Menschen im Concordiasaal den über die sieben Brauereien verhängten Boykott, dem die stürmisch verlaufene Versammlung mit knapper Majori- tat zustimmte. Die knappe Majorität waren 4000 gegen 40! Und das ist eine der kleinen Lügen!— Viel Larm um nichts. Man schreibt uns aus Mainz , 26. Mai: Die beiden vor etwa 14 Tagen aus dem hiesigen Festungsgebiet verhafteten französischen Architekten Georg Bontinet und Emile Bezelle aus Rheims sind gestern Abend, nachdem durch die Untersuchung deren völlige Un- schuld dargethan und keine Spur von„Spionage" entdeckt worden war, im Einverständniß mit der Militärbehörde außer Verfolgung und in Freiheit gesetzt worden. Die deutschen Spießbürger können nun wieder ruhig schlafen.— „Eine lächerliche Geringfügigkeit". Die Frage, über welche das französische Ministerium„stolperte", ist „von lächerlicher Geringfügigkeit", leitartikelt der Säkular- mensch, der uns Jahrzehnte lang durch sein Preßgesindel („anständige Menschen schreiben nicht für mich") vorlügen ließ, daß er im Allgemeinen der größte Staatsmann aller Zeiten, und im Besonderen der größte Sozialpolitiker der Gegenwart sein sollte. Die Frage„von lächerlicher Geringfügigkeit", über die Herr Casimir Perier „stolperte", ist die: ob Arbeiter als gleichberechtigte Staatsbürger an- zuerkennen sind und die verfassungsmäßigen Staatsbürger- rechte ausüben dürfen. Die„lächerliche Geringfügigkeit" ist nichts weniger als die große Arbeiterfrage, über die der„Herkules des Jahrhunderts", jetzt geheimer Chef- redakteur eines Hamburger Schimpf- und Skandalblatts, ebenso kläglich„gestolpert" ist, wie vorigen Dienstag sein Geistesverwandter Casimir Perier.— Die französische Ministerkrlse dauert fort. Carnot will es um jeden Preis vermeiden, die Radikalen ans Ruder kommen zn lassen. Inzwischen hat die alte Regierung sich, ehe die Ablösung kommt, noch Mühe gegeben, eine gesellschaftsretterische That zu verüben. Sie richtete nämlich für gestern alles so ein, daß die geplante Kommune- Demonstration auf dem Pöre Lachaise im Handumdrehen �.'S deren Geschwätz mich in die klägliche Geschichte hinein ge- bracht hatte, meinten, sie müßten mir an den Hals zur Strafe, daß ich der Kaiser nicht gewesen, während das Klostergesindel mich braten wollte, weil's mir eingefallen, zur Unzeit kaiserliche Majestät zu sein. Von Euch erfuhr ich nichts; meine Herren von Frankfurt hatten mich auf- gegeben; ich saß in der Brühe und ärgerte mich nur darüber, daß ich nicht einmal wußte, in welcher. Bald sollte ich einen Ketzer befreit, bald ein ganzes Kloster an den Rand des Grabes gebracht haben, und was des tollen Zeuges mehr ist. Ich spielte jedoch den Klugen, schwieg fein nnd säuberlich, und leugnete wie ein Heide. Zum Glück hatte ich vor der abscheulichen Verhaftung den wilden Jäger in Eure Obhut gebracht, und konnte mich herzhaft auf den langen Christoph berufen. Das drang denn endlich allgemach durch; ich bekannte mich selbst nicht schuldig, leug- nete daher auch alle Mitschuldigen, und heute bin ich denn auf Befehl des Kaisers, der den heutigen Tag als einen großen zu feiern gedenkt, nebst einer Menge von Leuten, die entweder einem Fastnachtsstreich oder einem minnig- lichen Abenteuer, oder auch einem harten Gläubiger ihre Haft verdankten, in Freiheit gesetzt worden. Mein gutes Glück ließ mich allsobald ans Euch stoßen, von dem ich wenigstens als billige Entschädigung einen Imbiß erwarte, wie er lange meinen Gaumen nicht gekitzelt.— Was meint Ihr zu gesalznen Hechten und Peterlein und einem Römer Weins aus der Märkgrafschast?"—„Sollst haben, was Dein Herz begehrt," versicherte ihm der Jüngling freund- lich.„Du bist der bravste Edelknecht in deutschen Landen, wie der verschwiegenste. Freilich trug auch die magere Kost im Gewahrsam viel zu dieser letzteren Tugend bei; in- dessen"...—„Indessen ist's doch immer lobenswerth," unterbrach ihn Gerhard fast grob.„Wie viele Leute giebt's, die selbst beim Wasserkrug das Maul nicht halten können? Wunderbarer ist's, daß der alte Schneider Welsner, der die Larven hergeliehen, meine Verschwiegenheit theilte." lFortkekung folgt.)
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