Einer der kuriosen Herren(natiirlich ein. Professor) meint, jeschneller und unfertiger das Gesetz würde, desto besser— destomehr Anreiz zur Verbesserung würde das Gesetzbuch ja bietenund deshalb willkommen sein. Alljährlich bei Gelegenheit derEtatsberathung erhebt sich ein Verfechter des Gegenwartsstaatesmit der Anfrage, wann denn das bürgerliche Gesetzbuchdem Reichstage vorgelegt werden wird. Die begreiflicheAngst» daß die jetzige Gesellschaftsordnung bereits abgestorbenfein möchte, bevor das Maulwurfswerk das Licht der Sonneerblickt, suchen dann solche, die zugleich Mitglieder der Kom-Mission und des Reichstages sind, zu beschwichtigen. Sie fließenüber von Eigenlob und bitten schon jetzt, mit einem Seitenblickauf die sozialdemokratische Fraktion, die boshaft schweigt, hernachdas Machwerk nur nicht allzu genau zu betrachte», sondern mög-lichst unbesehen unter Fach zu bringen. Bislang gleicht das Er-gebniß der mehr als 20jährigen Wühlarbeit einer Bankrott-Erklärung der heutigen Gesellschaft. Sie bietet prächtigen Agita-tionsstoff für uns und wird des eingehenderen von uns beleuchtetwerde», wenn sie endlich voll zu Tage liegt. Das. was dieKommission bislang geleistet hat, steht selbst dem heutigen Jubel-greis um Mcnschenalter nach.VottttMo Aeberstrs»».Berlin, den 31. Mai.Der Landtag wurde hellte formloser als sonst in einergemeinsamen Sitzung beider Häuser geschlossen. Für das Volkhat der Landtag in seiner letzten Session, ebensowenig wiein den vorangegangenen etwas gethan, er war, ist undbleibt eine reine Interessenvertretung der Agrarier undBourgeois und handelt danach. Deshalb steht das Vol!'seinen Verhandlungen ganz interesselos gegenüber. Essollte dies freilich nicht sein, denn wichtige, das Interessejedes Staatsbürgers berührende Fragen werden in ihmverhandelt, so fragen der Schule und der Besteuerung.Jnteressiren sollten sich die Genossen auch aus demGrunde mehr für die Arbeiten des Landtages, um sichder schweren Angriffswaffen gegen die herrschenden Klassenzu bedienen, welche die Verhandlungen und Beschlüsse desLandtages so überreichlich bieten.—Die Thätigkeit des Abgeordnetenhauses. Nachder Geschäftsübersicht, welche dem Abgeordnetenhause aniSchluß seiner Tagung gegeben worden ist, sind in 75 Plenar-sitzungen außer dem Etat und einer Reihe von Rechenschafls-berichten 19 Gesetzentwürfe berathen und davon 17 ange-nommen worden, ivährend bekanntlich die Entwürfe überdas Kalimonopol und den Tortmund-Rhein-Kanal abgelehntwurden. Im ganzen betrug die Zahl der dem Abgeordneten-Hause zugegangenen Vorlagen 40. Selbständige Anträgewurden 10 eingebracht; von denselben ist 1 angenommen,auf 2 Anträge sind Resolutionen beschlossen, 6 Anträge sindnicht berathen worden und 1 Antrag(Antrag Ring) istnach Erstattung eines ischristlichen Konimissionsberichts un-erledigt geblieben. Interpellationen wurden 8 gestellt, vondenen eine zurückgezogen wurde und eine unerledigt gebliebenist. Petitionen gingen 1862 ein. Davon wurden 115 alszur Erörterung im Plenum nicht geeignet erachtet, 331 durchUebergang zur Tagesordnung erledigt, 296 der Regierungüberwiesen, 895 durch Annahme von Gesetzentwürfen oderResolutionen für erledigt erklärt. Die übrigen blieben un-erledigt. Wahlprüfungen wurden 15 im Plenum beendet.Erledigt sind zur Zeit 3 Mandate und zwar je eins für dieWahlbezirke: 5 Potsdam, 2 Oppeln, 2 Kassel.Herr v. Marschall, der Minister des Aeußern, erfreutsich eines gediegenen Hasses seitens der Bismarckblätter,der dem gegen Caprivi nichts nachgiebt. Jetzt scheint'ssogar, daß ihm alle Sünden des neuen Kurses in dieSchuhe geschoben werden sollen. Ein Organ der Bismärckerei,die schlotsunkerliche„Westd. Allg. Ztg.", überschüttet denehemaligen badischen Staatsanwalt mit einer wahren Breit-seite von Angriffen, die alle darauf hinauslaufen, daß erdurch Jntriguen alle möglichen Leute beim Kaiser an-geschwärzt haben soll. Er wird der„Arnim" des neuenKurses genannt. Die Anklagen lauten sehr verivorren.Was daran wahr ist, wissen wir nicht. Uns interessirt beider ganzen Hätz nur die Thatsache, daß ein Bismarck-Organwieder einmal den Bismarck ins Gesicht schlägt, indem esgegen Kabinetspolitik und Kabinetsintriguen eifert.—Euch zum Tribut. Ich aber bin einer ihrer schlimmstenZahler, und mein Trachten geht darauf aus, die ungestümeMahnerin ganz aus meinem Hause zu werfen. SchätztEuch darum nicht geringer, mich nicht höher als vonnöthen.Jfhr seid noch lange nicht der lodernde Brand, den Euchdie wilde Empfindung vorspiegelt, ich noch lange keineEisscholle. Esther ist aber viel zu gut, und zu edel, alsdaß ich ihr für kurze Wonne eine ewige Rene verkaufenmöchte. Gute Nacht!"Fünfzehntes Kapitel.Hei! wie freut mich der Herrenstand.Auf hohem Roß, das Schwert zur Hand!Gewappnet vor dem Liebchen steh»,Und neben Fürst' und Grafen gehn!Du grobes Bürgerpack, vorbei!Nur für den Adel ist Turnet!Das Spiel vom hoffärtigen Junker.Wohl noch nie hat eine Stadt, so weit in deutschenLanden der Lauf des Rhein- und Donaustroms reicht, einenlnstigern und gastlichern Anblick gewährt, als Costnitz ihnam zwanzigsten Tage des Monats März darstellte. GeraumeZeit vorher hatte man gewußt, Herzog Friedrich von Oester-reich-Tyrol werde, das Frühlingsfest zu verherrlichen, einKampf- und Ritterspiel geben, wie es selten noch irgendwogeschaut worden. Die Zubereitungen, die jedoch in denletzten Tagen getroffen worden waren, übertrafen durchihre Pracht alles, was die gespannte Neugier erwartendurfte. Und am Morgen des anberaumten Feiertags standdas Werk vollendet da, ein wundersames Schauspiel fürCostnitzs Bewohner und weit herbeigeströmte Gäste. Denweiten Rennplatz umgaben zierliche Schranken, getaucht indie weiße und rothe Farbe. In blinkenden Angeln drehtensich die Pforten, durch welche die Kreiswärtel gingen; mitblanken Schildern, Ketten und Haken waren die Schlag-bäume geziert, durch welche die Kämpfer einreiten sollten.Rings um den mit Sand und Kies geebneten Platz flatter-ten in geringen Zwischenräumen die Banner von Oestreich-Ttzrol, dem Argau, dem Thurgäu und andern, FriedrichsHerrschaft unterworfenen Städten und Landen. Hoch aberüber diesen Bildern und Fahnen der Macht erhoben sichim Halbkreis die leicht und geschmackvoll gebauten Empor-biihuen und Sch augerüste, von welchen der Kaiser mitseines Reichs Fürsten, die Väter des Konziliums, und dieBlumen der Gesellschaft und Volksversammlung, dieDie Agrarenanete wurde gestern fortgesetzt. Oekonomie-rath Winkelmann sprach sich für die Schaffung einer großenAgrarbank ans. Amtsgerichtsrath Schmitz beleuchtete die un-günstigen landwirthschaftlichen Verhältnisse der Rheinprovinz.Gras Stosch befürwortet für Schlesien die Einführung des An-erbenrechts in Form obligatorischer Eintragung in die Höferolleneben Löschungsbefugniß und Testiersreiheit. LandschaftsdirektorDr. v. Gustedt- Berßel entwickelt ein Bild der landwirthschaft-lichen Verhältnisse der Provinz Sachsen und weift im einzelnennach, daß auch hier trotz der scheinbar glänzenden Lage die Ueber-schuldung bereits bei einem großen Theil des mittleren Besitzeseingetreten und ein weiteres Fortschreiten in der nächsten Zeitmit Sicherheit zu erwarten sei.Hosbesitzer Schoos erklärt, daß die Grundbesitzer Hannoversmit ihren erbrechtlichen und Kreditverhältuisscn durchaus zufriedenseien und keinerlei Abänderungen wünschen.Landesdirektor Höppner-Stetti» schildert die Lage der Landwirthschaft in Pommern, vor allem in Vorpommern dahin, daßder mittlere Gutsbesitz durchgängig überschuldet sei und derGroßgrundbesitz, sowie der bislang noch nicht in bedenklichemMaße verschuldete bäuerliche Besitz einer zunehmenden Schulden-last gegenüberstehe. Die Erhöhung der Reinerträge ist ihm daserste Mittel zur Hebung der schlechten und unerträglichenSituation. Demnächst verspricht er sich günstige Wirkungen voneiner Einführung des Anerbenrechts in Form obligatorischerEintragung in die Höferolle und von einer zwangsweisenAmortisation der bestehenden Hypothekenschulden bei fakultativerVerschuldungsgrenze durch die staatsseitig zu unterstützendenLandschaften.Geheimer Ober-Regiernngsrath Blenck-Berlin giebt eine Ueber-sicht über das vorhandene agrarstatistische Material und würdigtdie zur Vervollkommnung desselben von einzelnen Theilnehmernan der Versammlung geäußerten Wünsche.Regierungsrath von Buch- Frankfurt a. O. geht in eineSchilderung der landwirthschaftlichen Verhältnisse der Uckermarkein und stellt fest, daß auch hier eine bedrohliche Verschuldungdes ländlichen Besitzes nicht zu verkennen sei. Er hält das vor-handene Material für völlig ausreichend, um eine zu gesetz-geberischen Maßnahmen drängende Nothlage der Landwirthschaft zu konstatiren. Zu ihrer Beseitigung kann seinesErachtens nur eine Hebung der Reinerträge führen,während die zur Berathung stehenden Maßregeln erst inzweiter Linie in Betracht kommen. Redner fordert eine den ganzenGrundbesitz umfassende, keine einseitig bäuerliche Gesetzgebung,bekennt sich als unbedingten Anhänger der Fideikommisse in dervon ihm geschilderten Gestalt und hält es für dringend geboten,mit Entschuldungsmaßregeln Bestimmmungen zu verbinden,welche eine wiedereintretende Verschuldung zu verhindern ge-eignet seien.Graf ikanitz-Podangen legt das Hauptgewicht angesichts derlandwirthschaftlichen Nothlage auf die Steigerung der Nein-ertrüge und hält die in Aussicht genommenen Maßnahmen aufdem Gebiet des Erbrechts und der Entschuldung nur dannfür wirksam, wenn sie mit Mitteln irgend welcher Artverbunden werden können, durch welche sich eine Erhöhung der Preise aller landwirthschaftlichen Produkteerzielen läßt. Er schildert die Ursachen der vorhandenen Ueber-ichuldung, beleuchiet die für und gegen Einsührung einer Verschuldungsgrenze sprechenden Gesichtspunkte und stimmt der Er-greifung von Maßregeln bei, welche eine Entschuldung des ge-sammten Grundbesitzes herbeizuführen und eine weitere Ver-schuldung desselben zu verhindern vermöchten.Nachdem Professor Dr. Sering-Berlin zur nochmaligen Be-gründung seines Standpunktes unter Betrachtung der vor-getragenen abweichenden Meinungen das Wort ergriffen halte,wurde die Generaldiskusston geschlossen und die Berathung ausheute, Tonnerstag, Vormittags II Uhr, vertagt.Sonntagsruhe in der Industrie. Herr Schweinburg,der Offiziöse der Regierung und der Schlotbarone, derdurch diese doppelte Thätigkeit den Klassencharakter desheutigen Systems so richtig, wenn auch wenig ansprechendsymbolisirt, weiß in seinen„Berliner Politischen Nach-richten" mitzutheilen, daß die Industrie, das heißt dieHerren Stumm, Krupp, Baare und deren Klassengenossenmit der von der Reichsregicrung für die industriellen Be-triebe geplanten Einschränkung der Sonntagsruhe voll-kommen zufrieden sind. Die Arbeiter werden desto un-zufriedener sein, sie werden aber nicht enttäuscht sein, dennsie wissen den Werth des staatlichen Arbeiterschutzes trotzaller bezahlten Lobhudeleien desselben voll zu würdigen.—Freiheit des Koalitionsrechtes in Deutschland.Auch die beiden Bergleute Prokop und Kawizyk, welcheOberschlesien auf dem internationalen Bergarbeilerkongressevertreten haben, sind gemaßrcgelt worden.—reizenden Frauen, den Spielen zusehen sollten. Des KaisersTribüne, von goldenem Stück gleich wie ein Feldherrnzclterbaut, überragte mit ihrem Silberdach, umwallt vonwehenden Reiherbüschen und Federsträußen, alle Nachbar-kühnen, von deren Geländer prachtvolle Sammtdecken mitWappen, Sinnsprüchen und Thierbildern übersäet, zu denSchranken hinabhingen. Die nieder gelegenen Sitze der Kampf-richter und Dankspcnder, die Trompetergänglein in jeder Eckedes Platzes, die kleinen Hütten der Kreiswärtel und Stech-knechte sogar, schloffen sich würdig durch ihr glänzend einfachesAeußere an die Plätze der vornehmen Leute. Jeder Eingangzu dem Platze, jede Treppe zu den Bühnen, wurde vonTrabanten des Herzog? bewacht, theils zu Fuß auf ihrenPartisanen lehnend, theils zu Roß im Silberküraß, denMorgenstern an die Faust geknüpft. Die Turniervögtesaßen bereits mit ihren Stäben hinter den vor ihren Schirm-dächern aufgepflanzten Hellebarden. Die Rennknechte in ihrenglatt anliegenden Lederkleidern und Kappen, das Strick-messer am Gürtel hängend, hatten schon die Seile gespanntund sich dabei gelagert. Am Fuße der zu den Stühlender Kampfrichter führenden Stufen hielt in glänzenderRüstung und buntem Wappenskapnlier der Turnierherold,umgeben von seineu Dienern, die rings an den Brüstungender Schranken die Schilde der turnierlustigen Herren auf-zuhängen beschäftigt waren, sowie diese nach und nach her-beigebracht wurden. Die Fechtpreise in silberneu undgoldenen Kleinodien, kostbarem Stechgezeug, auserlesenenWaffen und Tigerfellen bestehend, waren in einem eigensdazu bestimmten Räume prahlend ausgestellt. Auch dieSpielleute waren schon an ihren angewiesenen Stellen, undso oft ein neues Wappenschild feierlich herzugetragen wurde,um geprüft und neben den übrigen aufgehängt zu werden,ertönte, von Pauken, Trompeten und Zinken geweckt, einfröhlicher Turnierruf. Zu all' dieser Pracht, die ein nochherrlicheres Schauspiel verhieß, hatte der Himmel denklarsten Tag geschenkt, der sich nur je im Bodcnsee gespiegelt.Die Sonne, warm und lieblich strahlend, streute ihr Goldreigebig auf Land und Fluth, und blau hatte sich Himmel,See und Gebirgsferne geschmückt. Lustig und leicht tanztendie schwankenden Kähne, angefüllt von schaulustigen Leuten,vom jenseitigen Ufer herüber; die Straßen rings umdie Stadt waren bedeckt mit herzueilenden Rossen undFußgängern, und vom frühen Morgen an lebten die Gassender Stadt.(Fortsetzung folgt.)Höhere Besteuerung de? HausirgewerbeS wird nachder„Voss. Ztg." von Reichswegen beabsichtigt. Bisher wardas Hausirgewerbe den Gewerbesteuern der Einzelstaatenunterworfen. Auch eine Sozialreform!—Zur Strnfgesetznovelle will die„Post" erfahrenhaben, daß die Bundesstaaten, welche gegen die Wieder-einsührung der Berufung Bedenken geltend machten,Sachsen, Württemberg und Hamburg ihre Einwände nach-träglich haben fallen lassen, nachdem sie sich überzeugthaben, daß die Mehrheit in diesem Falle zu gunsten despreußischen Vorschlags eintrat.—Kein Tag ohne bedenkliches Gerichtsnrtheil, sokann man jetzt in Berlin den lateinischen Spruch millndies sine linea(Kein Tag sei ohne Strich) übersetzen. Nachdem Fall Brausewetter und dem Fall Baader jetzt derFall Thüngen. Es handelt sich um eine gegen denReichskanzler Grafen Caprivi gerichtete Erklärung desEreiherrn v. Thüngen, die in der„Neuen bayrischenandeszeitung" veröffentlicht und von der Zeitung„DasVolk" abgedruckt worden ist. Irgend eine Verbindungdes„Volk" mit der„Neuen bayrischen Landeszeitung" be.steht nicht, abgesehen davon, daß beide Zeitungen nach publi-zistischer Gepflogenheit ihre Blätter gegenseitig austauschen, wo-von übrigens der Angeklagte v. Thüngen nichts wußte. Trotzdemwurde v. Thüngen wegen des Abdruckes seines Artikels im„Volk", den er nicht veranlaßt hat, angeklagt. Dasfür ihn nach bisheriger Rechtsprechung zuständige Gericht warWürzburg, weil in der dort erscheinenden„Neuen bayerischenLandcszeitung" auf seine Veranlassung der inkriminirteArtikel erschienen war, ihm aber Bewußtsein und Wille zurVeröffentüchung im„Volk" fehlte. Obgleich all' diessonnenklar erwiesen wurde, vernrtheilte � ein BerlinerGerichtshof heute Herrn v. Thüngen lediglich wegen desdurch ihn in keiner Weise veranlaßten Nachdruckes einesBriefes von ihm durch ein Berliner Blatt, er vernrtheilteihn sogar zu einer viermal höheren Strafe, als den für denAbdruck im„Volk" preßgesetzlich(verantwortlichen Redakteurund zwar einzig deshalb, weil das Würzburger Blatt miteinem Berliner im Tauschverhältniß steht uns das Würz-burger Blatt nicht den Nachdruck seiner Artikel verbietet.Es bedarf kaum eingehender Auseinandersetzungen, umdie trotz eines ähnlichen Reichsgerichtsurtheils juristisch un-haltbare, die Existenz der Presse gefährdende Entscheidungdes Gerichtshofes nachzuweisen.Wohin soll es führen, wenn der Verfasser eines Ar-tikels an tausend Orten angeklagt werden kann, fallss seinArtikel von Zeitungen an tausend Orten im DeutschenReiche für werth) gehalten, ohne sein Znthun nach-gedruckt wird. Das non bis in ideni(man darf nichtzweimal wegen der gleichen Sache vernrthcilt werden), unddie Verjährung von Preßvergehen wird durch diesesUrtheil in Frage gestellt, die Fertigstellung der Zeitungenwird noch mehr erschwert als bisher. Man wird vermeidenmüssen mit anderen Blättern in Tausch zu treten, wodurchkleine Blätter finanziell schwer geschädigt werden. DerNachdruck von Artikeln wird noch mehr erschwertals bisher. Eine neue Fußangel ist der Pressegelegt. So schwer das Urthcil die Presse auch trifft,weit bedenklicher ist es vom politischen Gesichts-punkte aus betrachtet. So zahlreich auch die Kanzler-Beleidignngsprozesse unter der traurigen Aera Bismarckwaren, so muß zugestanden werden, daß ein Urtheil, wieim Prozesse Thüngen, selbst in der Aera Bismarck nichtmöglich war. Wir haben im neuen Kurse Fortschritte ansder abschüssigen Bahn gemacht. Unser Kamps gilt deshalbnicht neuem oder altem Kurse, sondern dem System, dasbeide macht.—Zum Fall Brausetvetter berichten die Zeitungen,daß der Justizminister kein neues Rundschreiben über dieLeitung von Gerichtsverhandlungen, von dem einige Blättergehört haben wollen, erlassen hat. Wir glauben das gerne,verlautet doch, daß Herrn Brausewetter's Verhalten in ge-wissen maßgebenden Kreisen ganz gut gefallen hat.—Herr v. Richthofen bleibt uns trotz des ProzessesPawlowicz erhalten, so versichern bürgerliche Blätter.—Die Kriegervereine als Sozialistentödter. DieKriegervereine, die nach dem letzten Jahresbericht in15 139 Vereinen 1 202 875 Rtitglieder zählen, sind bekannt-lich dazu auserlesen, einen Wall gegen die Sozialdemokratiezu bilden. Noch fühlen sie freilich selbst, daß dieser Wallwenig Widerstandsfähigkeit besitzt. Aber, das wird schonkommen. In dem Geschäftsbericht der Kriegervereineheißt es:„Erst wenn unsere Organisation vollendet ist, wird esmöglich sein, unsere Endziele, die Erhaltung und Stärkungder Vaterlandsliebe und monarchischen Gesinnung wirksam indie Hand zu nehmen, erst dann werden wir befähigt sein.Hand in Hand mit allen staatserhaltenden Elementen diegeistige Bekämpfung der Sozialdemokratie mit Aussicht ausErfolg aufzunehmen."Ueber dieses„erst wenn" ist die„Norddeutsche All-gemeine Zeitung" sehr entrüstet; der Kampf sei in derGegenwart zu führen und nicht auf die Zukunft zuverschieben. Schon jetzt müsse das Banner des DeutschenKriegerbundes hoch geschwungen werden zum Kampfe gegendie Sozialdemokratie. Wir lassen uns nicht aus das Ge-wimmer der freisinnigen Blätter über die Gesetzwidrigkeitder Kriegervereine ein. Ob auf dem Papier auch die Be-chäftigung mit der Politik denselben verboten ist, so sindwir doch längst thatsächlich daran gewöhnt, den Begriff derPolitik sehr verschieden aufgefaßt zu sehen, je nachdem esich um die„Ordnungsparteien" oder um„Umstürzler"handelt. Alles, was diesen verpönt ist, erscheint jenen gegen-über unter einem ganz anderen Lichte. Die Kriegervereinlertreiben keine Politik; sie treten nur ein für die ewigen undheiligen Gesetze der Ordnung, Sittlidsseit und Tugend!Was den Sozialdemokraten als Hetze angerechnet wird, istbei ihnen nur Ausdruck sittlicher und patriotischer Ent-rüstung! Dieselbe Auffassung kommt hier zur Anschauung,wie im Verhältniß der Unternehmerverbände und der Arbeiter-vereine. Das Märchen vom„Rechtsstaat" hat uns nie inIllusionen gewiegt. Aber, mag die Organisation derKriegervereine noch so gefestigt sein und mag ihre Zahl sichverdoppeln und verdreifachen, sie tragen dieselbe Spaltungin sich, wie die gesammten Bourgeoispartewn. Das ein-heitliche Banner, der gleiche Hurrahruf kann diese Spaltungo wenig decken, als wie der Ruf:„Es lebe der Kaiser!"Eugen Richter und Stöcker, oder ultramontane und evan-gelische Kulturkämpfcr unter eine Kappe bringt. IhreHerzen fanden sich wahrhast höchstens im Ansturm derBourgeois-Jnteressen gegen die Arbeiter. Ob ste das Banner