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LandeZchefS besonders geeignete Referenten an Ort vnd Stelle entsendet wurden. Bei den Vorgängen in Falkenau und Polnisch-Ostrau sind aber die Landes-Chefs sehr betheiligte und verantwortliche Personen, und verantwortlichen Personen giebt man nicht das Recht, eine Untersuchung zu leiten, bei der vielleicht heraus- kommen kann, daß sie selbst sehr in der Schuld sind. (Beifall auf der äußersten Linken.) Die Untersuchung ermangelt daher von allem Ansänge an des Werthes, den sie haben sollte. Er hätte es nicht erwartet, daß die Regierung sich aus den Standpunkt stellen werde, daß in Falkenau und Ostrau alles schön sei; die Wohnungen seien schön, die Löhne seien schön. das Ver- hältniß zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sei schön, und auch das Schießen war schön. Der Falkenauer Bezirksleiter Schmidt werde als ein pflichttreuer gewissenhafter Mann hingestellt, ein Mann, gegen den die schwersten Gravamina erhoben worden sind, und der alles eher sei als der Vertrauens» mann der Arbeiter. Es wird im Ausschußberichte gesagt, daß im Falkenauer Revier nach dem Streik nur die Hetzer nicht mehr aufgenommen wurden. Unter diesem Verwände werden gewöhnlich die alten Leute nicht mehr aufgenommen, sowie es auch beim letzten Gasarbeiter-Streik in Wien der Fall war. Diese alten Leute bekommen dann von ihren Ein- Zahlungen in die Bruderlade gar nichts; das wäre vielleicht «ine neue Art, um die Bruderladen zu saniren. Im Falkenauel Bezirke seien 41 Arbeiter entlassen worden, welche zusammen nicht weniger als S89Sfl. 34 kr. in die Bruderlade eingezahlt haben. (Hört! Hört! auf der äußersten Linken.) Außerdem seien noch 240 Arbeiter entlassen worden, und wenn man nun annimmt, daß diese nur dreimal so viel als die Vierzig gezahlt haben, so ergebe sich eine Summe von 23 593 fl., die blutig erworben und in die Bruderlade hineingezahlt wurde, welche aber für die Leute verschwunden ist. Redner schildert sodann den Vor- fall bei derAgnes''.Zeche, wo ein Auflauf dadurch verursacht worden sei, daß die Gendarmen den Arbeitern verweigerten, die Leiche eines bei ihnen besonders beliebten Werkbesitzers zu begleiten. Es schildert sodann weiter die Vorfälle beim Zu- sanimenstoße in Zieditz und führt aus, daß die Leute nichts Gewaltthätiges im Smne gehabt haben. Durch den vorliegenden Bericht werde gar nichts auf- gehellt. Der Bericht thue dasjenige, was in Oesterreich sozu- sagen eine gewohnheitsmäßige Arbeit der Regierung ist, er färbt schön. Es sei bedauerlich, daß es Leute gebe, welche nicht be» greifen, daß Jemand leidenschaftlich erregt sein kann, wenn er das Elend des Volkes, wenn er Unrecht und Gewalt sieht. Nach einem Ausspruche Edmond de Amici's bekämpfen die Gegner der sozialen Unordnung dieselbe die einen mit der Bibel in der Hand, die anderen in der Hand das Buch des Marx, die dritten mit der leuchtenden, brennenden Flamme. Durch 19 Jahrhunderte besteht die Bibel und war nicht im Stande, das maßlose Unrecht zu bekämpfen, das auf dieser Erde geschieht.(Abg. Pastor: Das ist nicht wahr!) Aller- dings seit das Christenthum in die Welt gekommen, hat eS immer nur seine Heimstätte bei den Elenden und Verlassenen gefunden und die Herrschenden und Mächtigen dieser Erde sind längst verlassen von jedem Geist des Christenthums. In unseren Tagen ist eine neue Lehre aufgekommen, die auf Grundsätzen der Wissenschaft aufgebaut und mit der es möglich ist, mit Besonnenheit und Ruhe die soziale Umgestal- tung unserer Zeit zu bewirken und eine friedliche Revolution herbeizuführen. Dafür aber haben Sie kein Verständniß und keine Neigung, und so steht es so traurig, als ob nur die mit der brennenden Fackel in der Hand die Entscheidung fällen könnten über das Schicksal der kommenden Tage. Wie das auch sei, ich überlasse Sie Ihrer Ruhe und Besonnenheit, in der Sie nichts thun und nichts vorkehren, und zähle lieber bis ans Ende meiner Tage zu jenen unbesonnenen und leiden» schaftlichen Menschen, die leidenschasilich und wahr das Volt und das Recht lieben.(Lebhafter Beifall auf der äußersten Linken.) Lockspitzel. AuS London kommt diesensationelle* Nachricht, ein Bursche Namens T y n a u(?) schreibt ein Bucy, worin er denBeweis* liefere, daß Parnell und die Parnelliten um die Mordthaten im Phönirparl und sonstigen Fenier-Verbrechen gewußt hätten. Die Parnelliten seienmoralisch vernichtet*. Nun diesemoralische Ver- nichtung* ist schon vor 7 Jahren, also lange vor dem Tode Parnell's von derTimes" in dem berühmten Prozeß gegen Parnell versucht worden. Und das Ergebniß war die moralische Vernichtung" derTimes* und! des Lock- spitzel-Gesindels, von dem sie ihre Lügen- notizen empfangen hatte. Was jetzt von irgend einem salschbuchstabirten Lumpacius verübt wird, ist nur ein Anklang jenes in Wahrheit sensationellen Prozesses, der den Beweis lieferte, daß auch die englische Regierung zu der Lockspitzelpraxis gegriffen hat, und daß die senischen Dynamit-Attentate, die auf das englische Volk einen, den Jrländern so ungünstigen Ein- druck machten, von englischen Lockspitzeln ver- anlaßt worden sind, unter denen derRadikalste der Radikalen", Herr O'Donnovan Rossa, lange Zeit Führer des linken Flügels der Fenier, der bekannteste ist. Die Depeschenzensur für die nach dem Auslande gesandten Telegramme wurde in Bulgarien eingeführt. Es muß schlecht um den Fürsten Ferdinand stehen, wenn zu solchen Mitteln gegriffen wird. ZZarkeinackivichken. Der Berliner Bierboykott greift mehr und mehr auch nach der Provinz über. Verschiedene Gubener Gastwirthe führten bisher Bier aus doykottirten Berliner Brauereien. Während einzelne von ihnen jrüher an Arbeiter sehr erhebliche Posten absetzten, haben sie jetzt diese Kundschaft vollständig ver­loren. Ein Restaurateur, der an die Arbeiter einer größeren Fabrik früher täglich einige hundert Flaschen Schultheiß- Bier absetzte, verkauft an dieselben nach der Berrufserklärung der Schultheiß- Brauerei keine Flasche Bier mehr. Hoch die Solidarität! »» Bon der Slgitatio». Der Genosse Liebknecht sprach am 29. v. M. in einer Volksversammlung in Kottbus über: Die wirthschaftliche und politische Lage Deutschlands und die Parteien*. Die Versammlung war von über 2000 Personen be­sucht, darunter eine große Anzahl Frauen; seit den letzten Wahlen ist eine solche Versammlung in Kottbus nicht mehr abgehalten worden. In seinem zweistündigen Vortrage, dem die Anwesenden mit großer Spannung folgten, unterzog Redner das Verhalten der bürgerlichen Parteien einer scharfen Kritik. Gegner meldeten sich nicht zum Wort und so sprach nur noch der Kandidat des Kreises, Genosse Gottfried Schulz. Eine sehr fruchtbare AgitationStour unter« nimmt gegenwärtig der Genosse T h. v. Wächter in den thüringischen Bergwerksdistrikten. Am letzten Sonntag sprach er in einer Versammlung in T e u ch e r n, wo über 890 Personen, darunter viele Nichtsozialdemokraten, zugegen waren. Das Thema lautete: Die Stellung der Sozialdemokratie zum Privat- eigenthum, Königthum, Vaterland, Ehe und Religion. Dieses Thema hatte auch einige Pastoren angelockt, die in der Dis- kussiondaSWortnahmen und einer von ihnen sprach auch verhältniß- mäßig recht sachlich. Vieles von W ä ch t e r' s Ausführungen mußten sie als richtig anerkennm und mit dem Rest wurden sie gehörig heimgeleuchtet. Der Eindruck der Rede Wächter'S auf die Versammelten war ein sichtbar günstiger. ** Parteikonferenz. Die dritte Landeskonferenz der Meininger und Koburger Parteigenossen tagte am 27. Mai in Sonne- berg ; vertreten waren 25 Orte. Genosse Seige gab zunächst einen Rückblick seit dem vorjährigen Parteitag in Gräfenthal . Aus dem Kassenbericht entnehmen wir, daß die Einnahmen 2374,57 M. mit 13,20 M. hinter den Ausgaben, welche 2387,83 M. betrugen, zurückbleiben. Fortschritte in der Organisation und Agitation seien unzweifelhaft zu ver- zeichnen, jedoch müsse noch immer mehr geschehen; besonders müsse man unermüdlich sein im Geldsammeln, denn ohne Geld lasse ein Kampf sich nicht führen. Eine längere Debatte wurde hervorgerufen durch den Punkt: Parteipresse. Es wurde konstatirt, daß der Abonnentenstand desThür. Volksfr." stetig zunehme und 2000 bereits überschritten habe, auf der anderen Seite mußte aber auch hervorgehoben werden, daß durch Nicht- bezahlen der Abonnements u. s. w. große Verluste entstehen, so daß die Presse nicht genügend leistungsfähig ist. In jedem der letzten 3 Jahre mußten aus dem Preßfonds beinahe 400 M. zu- geschossen werden für nicht bezahlte Abonnements- beitrüge. Genosse Hoffmann als Redakteur und Verleger wußte allen sonstigen Einwendungen gegen die Führung des Partei-Organs zu begegnen. Beschlossen wurde, in Zukunft die Restanten zu veröffentlichen. Hiermit war die Tagesordnung erledigt und wurde die Konserenz geschlossen. »» Einen Maulkorb hat die Dresdener Amtshauptmann- schaft dem Herrn Hünig angelegt. Derselbe habe in einer in Bühlau ftattgesundenen Versammlung den Anarchismus als etwas edles und somit folgerichtig(!) auch dessen gemein- gefährliche Thaten als nachahmenswerth hingestellt". Daraufhin hatte die Amtshauptmanuschast verfügt, daß der überwachende Beamte dem H ü n i g das Wort in Versammlungen überhaupt nicht mehr gestatten sollte. Auf eine Beschwerde Hünig's wurde dieser Maulkorb nicht abgenommen, sondern nur ge- lockert. Er darf nun wieder in der Diskussion reden so lange als er will nur ein Referat scheint der fürsorglichen Polizei von einem Manne, der die Theorie des Anarchismus als etwas edles* hinstellt, zu gefährlich. Es ist doch gut, wenn das Auge der Polizei so umsichtig wacht; da» gemüthliche Sachsen wird so wohl nochmals gerettet sein. Der Boykott der Dresdener Waldschlößchen- Brauerei seitens unserer dortigen Genossen dürfte bald zu gunsten der Letzteren entschieden sein. In der letzten Nummer derSächsischen Arbeiter-Zeitung* geben allein gegen 45 Ge- schäftsleute bekannt, daß sie Waldschlößchen- Bier nicht mehr verschänken. Das Denkmal Bracke'S wurde anläßlich feines Todestages mit schöne» Kränzen der Braunschweiger und Wolfen- b ü t t l e r Parteigenossen geschmückt. Der pfälzische Arbeitertag, der am 27. Mai in P i r- masens tagte, war von 44 Delegirten beschickt, welche 38 Ort- schaften vertraten. Der Antrag, ein Partei-Organ für die Pfalz zu gründen, wurde abgelehnt, da das Unternehmen sinanziell vorläufig noch nickt bestehen könne. Die Preßkommission wurde beauftragt, sich behufs Einführung derNeuen Welt" als Beilage derMannheimer Volksstimme" an die Redaktion der Neuen Welt" zu wenden. In einer Resolution sprach sich der Arbeitertag für die Betheiligung an allen Gemeinderaths-Wahlen aus. Der nächsteParteitag der pfälzischen Sozialdemokratie" so soll der Arbeiterlag in Zukunft heißen-- wird in Neu­ stadt a. H. stattfinden. Ei» Staatsanwalt unter Anklage gestellt und zwar wegen Beleidigung eines Sozialdemokraten dürfte wohl auch noch nicht dagewesen sein. Der Staatsanwalt Lorenz hatte gelegentlich einer Verhandlung gegen Hülle die beleidigende Aeußerung geschleudert, er sei eingewerbsmäßiger Ehr- abschneide r". Hülle wandte sich mit einem Strafantrag an das Amtsgericht, wurde aber abgewiesen. Jetzt hat Hülle vom Landgericht, bei dem er Berufung eingelegt, den Be- scheid erhalten, daß der ablehnende Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben und gegen den ersten Staatsanwalt Lorenz wegen Beleidigung(Vergehen gegen§§ 185, 186 Str.-G.-B.) das Haupt­versahren vor dem königlichen Schöffengericht eröffnet worden ist. »» Polizeiliches, Gerichtliches:e. Beschlagnahmt wurde seitens der Hallenser Polizei in einer Anzahl Restaurationen an der Zimmerwand be- festigte Blechkästen, welche mit Ausschrift:Für Unterstützung der Familien politisch verurtheilter Sozialdemokraten" versehen waren. Wegen unbefugten Redens am offenen Grabe wurde der Arbeiter F. Gohrisch in D e u b e n (Sachsen ) vom Schöffengericht zu einer Geldstrafe von 30 M. verurtheilt. Er hatte einem Freunde beim Niederlegen des Kranzes auf dessen offenes Grab einige Abschiedsworte nach- gerufen und dafür hat er das Vergnügen, 30 M. zu bezahlen. Dasselbe Gericht verurtheilte den Genossen B. Morgen st ern in Zschicdge ebenfalls zu 30 M. Geldstrafe, weil er versucht hatte, eine nicht angemeldete Versammlung ab- zuhalten. Auf staatsanwaltliche Einladung hat der Genosse Hans Künzel, Redakteur derVoigtländischen Volkszeitung", sich nach Zwickau begeben müssen, um 4 Monate dort Aufenthalt zu nehmen. Wegen Anstiftung zur Majestäts- beleidigung wurde am Mittwoch der Genosse Hülle von der Strafkammer des Landgerichts Meiniugen zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt. Der Anklage lag folgender Thatbcstand zu Grunde. Während des vor- fährigen Wahlkampfes besuchte Hülle und eine große An- zahl anderer Genossen eine von den Konservativen einberufene Wählerversammlung in Suhl . Der Einberufer, ein antisemitischer Rechtsanwalt, brachte in seiner Eröffnungsansprache ein Hoch aus den Kaiser aus. Hülle, der die Absicht merkte, stieß die in seiner Nähe sitzenden Tischler Müller aus Suhl an und raunte ihm zu:Ein Hoch auf die Sozialdemokratie!" Müller brachte darauf, und zwar kurz bevor dasHoch aufdenKaisererfolgte,ein Hoch auf die Sozialdemokratie aus. Gegen Müller wurde nun Anklage wegen Majestätsbeleidigung erhoben und derselbe zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt. Hülle wurde bei jener Verhandlung als Zeuge vernommen und gab als solcher die obige Darstellung des Sachverhalts und fügte hinzu, daß es ihm darum zu thun gewesen sei, seine Parteigenossen vor Majestätsbeleidigungsklagcn zu bewahren, indem er sie durch das Hoch auf die Sozialdemo- kratie zum Aufstehen bewegte. Die Folge war eine Anklage gegen Hülle wegen Anstiftung zur Majestätsbeleidigung und im weiteren Verlauf die oben gemeldete Verurtheilung. Revision wird eingelegt. Die Verurtheilung Müller's hat das Reichs- gericht nicht beschäftigt, da durch ein Versehen des Vertheidigers die Revisionssrist versäumt wurde. Soziale Ueverstchi. Achtung, Brauereiarbeiter! Wir fordern nochmals die Brauereiarbeiter auf. streng dem Beschluß der Versammlung vom 16. Mai d. I.(Abgabe von 10 pCt. des Arbeitslohnes an die Ausgesperrten) nach zu kommen. Es sind 675 Brauer, Böttcher und Hilfsarbeiter mit 769 Kindern zu unter­stützen. Jeder von Euch kann morgen oder über- morgen in die gleiche Lage kommen, schon aus diesem Grunde ist eS Ehrenpflicht eines jeden noch arbeltenden Kollegen, seine ehemaligen Mitarbeiter zu unterstützen. Die Zahl der Ausgesperrten wächst von Tag zu Tag, immer größere Kreise werden in Mitleidenschaft gezogen, und infolge dessen muffen auch größere Opfer gebracht werden, um binnen kurzer Zeit unsre gerechte Cache zu einem für uns siegreichen Ende ßzu führen. Darum, ihr arbeitenden Kollegen, unterstützt die noth« leidenden, die darbenden Brüder, denn unser Sieg ist auch der Eurige. Die Agitationskommission der Brauer und Brauerei-Hilfsarbeiter, An die ansgesperrteu Brauerei-Arbeiter! Die Unter- stützung der Ausgesperrten wird regelmäßig jeden zweiten Tag ausbezahlt. und zwar Vormittags von 912 und Nachmittags von 2-5 Uhr im Lokale des Herrn Henke(Vertreter Miede- mann). Blumenstr. 38. Ausgesperrte Brauerei- Arbeiter, denen die Kündigungsfrist ausbezahlt worden ist, haben erst nach Ab- lauf von acht Tagen Wartezeit das Recht, die Unterstützung zu erheben. Für Verheirathete mit 3 Kindern und mehr beträgt die Unterstützung.. 2, M. pro Tag, für Verheirathete........ 1,50, für Unverheirathete....... 1, Die Ausgesperrten haben die Verpflichtung, nach ihren Kräften für die strengste Durchführung des Boykotts zu sorgen. Die Agitationskommission der Brauer und Brauerei-Hilfsarbeiter. Der Kongreß der französischen Eisenbahn- Arbeiter. Vom 24. bis inkl. 27. Mai fand in Paris imCafs Parisien" der fünfte Landeskongreß der französischen Eisenbahn- Arbeiter und Angestellten statt. Derselbe lenkte diesmal die besondere Aufmerksamkeit auf sich, da er der Anlaß zum Sturze des Ministeriums Perier war. was seinerseits wieder zur Folge hatte. daß sämmtliche Eisenbahn-Verwaltungen, die der Staats- Eisen- bahnen miteingeschlossen, den Kongreßdelegirten den ihnen vorher verweigerten Urlaub allsogleich bewilligt hatten. Das erste, was der Kongreß gethan, war denn auch, den Abgeordneten, die für die Wahrung der Gewerkschaftsrechte eingetreten sind, den Dank zu votiren. Was die eigentlichen Verhandlungen anbelangt so schreibt man uns aus Paris , beschäftigten diese sich in erster Linie mit den inneren Angelegenheiten. Aus denselben geht hervor, daß die GewerkschaftLkammer der französischen Eisenbahnarbeiter in stetem Zunehmen begriffen ist, und zwar in einem Maße, daß sie, mit etwaiger Ausnahme des Grubenarbeiter- Verbandes, gegenwärtig als die größte gewerkschaftliche Arbeiter- organisation Frankreichs betrachtet werden kann. Während sie nämlich ans ihrem vorjährigen Kongreß April 1893 42 310 Mitglieder zählte, war diese Zahl bereits zu Ende Dezemzer ans 54 483 gestiegen, und beträgt zur Stunde über 60 000. Die Gewerkschaft ist in Sektionen eingetheilt, deren Zahl gegenwärtig 177 beträgt, und sich selbst auf die Kolonien erstrecken. In der That waren auch Delegirte aus Algier anwesend. Der Kongreß hat darum auch be« schloffen, daß der offizielle Gewcrkschaftstitel künftig zu lauten habe:Gbambro syndicale des ouvriers efc ernployßs des chernins de fer de France et des Colonies* Gewerkschaftskammern der Arbeiter und Angestellten der Eisen- bahnen Frankreichs und der Kolonien. Der Mitgliedsbeitrag beträgt vierteljährlich 1 Fr. für männliche und 50 Cts. für weib- liche Eisenbahnbedienstete. Um nun den letzteren, die gar so schlecht hezahlt werden, den Beitritt noch mehr als bisher zu er- leichtern, hat der Kongreß ihren Beitrag auf 25 Cts. herabgesetzt. Trotz dieser geringen Beiträge konnte aufgrund des abgelaufenen Berichtsjahres ein Budget votirt werden, das die Einnahmen mit 106 000 und die Ausgaben mit 68 200 Fr. vorsteht. Hiervon sind nebst den Verivaltungslosten, die mit Personal, Miethe k. aus 20 700 Fr. veranschlagt stick, 19 800 Fr. für das Gewerk- schastsorgan:Le Röveil des Travailleurs de la Voie ferröe" bestimmt. Einen Hautpunkt des Kongresses bildeten die Forde- rungen der Eisenbahnarbeiter an die Kompagnien. Diese Forve- rungen wurden bereits auf dem vorjährigen Kongreß votirt und nachträglich den verschiedenen Kompagnien unterbreitet, die es jedoch unter ihrer Würde gehalten hatten, darauf zu antworten. Der Kongreß beabsichtigte, die Forderungen in vielen Punkten in einer den Kompagnien entgegenkommenden Weise Izu modifiziren, wollte aber zuvor wissen, wie sich die Kompagnien überhaupt zu ihnen verhallen. Zu diesem Zweck hatte der Kongreß eine be- sondere Delegation entsendet, die jedoch unverrichtetcr Dinge zurückkehrte, da die Eisenbahndirektoren sich ans eine Diskussion der Forderungen entweder gar nicht einließen oder nur aus- weichende Antworten hatten. Diesem abweisenden Verhalten gegenüber beschloß der Kongreß seine bisherigen Forderungen unverkürzt aufrecht zu erhallen., Dieselben betreffen in erster Linie die Errichtung einer für alle Kompagnien gleich- förmigen Pensiottskasse und bestimmen in der Haupt- fache folgendes: nach zwanzigjährigem Dienst hat jeder Eisenbahn- Arbeiter oder«Angestellter Anspruch aus volle Pension. Dieselbe hat zwei Drittel des Jahresverdienstes und mindestens 1200 Fr. zu betragen. Diejenigen, deren Pension eine Höhe von 1800 Fr. und darüber erreicht, sind nach Ablauf der 20jährigen Dienstzeit von Amtswegen in den Pensionsstand zu versetzen. Tritt Jemand aus dem Dienst, ist ihm eine im Verhältniß zu seinen Dienstjahren bemessene Penston zu zahlen. Im Falle eintretender Arbeitsunfähigkeit ist dem Betreffenden, unbeschadet seiner sonstigen Entschädigungsansprüche für Ver- letzung:c., und wie viel auch immer seine Dienstzeit betragen haben mag, die volle Pension zu geben, bis zu deren Liquidirung er seinen vollen Lohn resp. Gehalt zu erbalten hat. Im Falle seines Todes ist die Pension auf die Wittwe resp. auf die un- mündigen Kinder oder die Ascendenten des Verstorbenen zu über- tragen. Für den Pensionsfonds haben die Kompagnien auf- zukommen. Von den übrigen Forderungen wären zu ver- zeichnen: Wiedereinstellung aller wegen Streck- oder Gewerkschafts- angelegenheiten Entlassene»; Minimallohn von 5 Fr., für Eisen- bahnwächterinnen 2V2 Fr., gleiches Gehalt bei gleicher Arbeit für alle in den Bureaus Beschäftigten, gleickgiltig, ob es Männer, Frauen oder junge Leute sind; Achtstundentag, Ueberstunden nur bei Unglücksfällen, Schneeverwehungen ic., in welchem Falle jedoch oie Ueberzeit doppelt zu bezahlen ist; Aufhebung des GüterdiensteS an Sonn- und Feiertagen; allwöchentlich eine Ruhe- pause von ununterbrochen 36 Stunden und alljährlich ein Urlaub von 14 Tagen. Dafür Beseitigung aller Gratifikationen. Wie bereits erwähnt, waren bedeutende Modistkationen vor- gesehen, die leicht zu einem Einverständniß hätten führen können, wenn die Kompagnien sich nur Herbeigelaffen hätten, die Forderungen zu diskntiren. Der Generalsekretär der Gewerkschaftskammer, Genosse Guerard, konnte denn auch in der Volksversammlung der Eisenbahnbediensteten, mit der der Kongreß schloß, mit Recht sagen, daß die Kompagnien künftig allein alle Verantwortung für ihr Verhalten zu tragen haben werden. Die Arbeiter haben ihnen ein Beispiel von Mäßigung gegeben, indem sie sich bereit erklärt hatten, einen guten Thal ihrer Forderungen auszugeben. vorausgesetzt, daß man sie diskutire. Wenn einmal die Majorität der Eisenbahnbediensteten hinter der Gewerkschafl stehen werde, dann werde sich nicht mehr diese bittend einstellen, sondern die Kompagnien es sein, die von ihr Konzessionen ver- langen werden. Mit einem Hoch auf die Gewerkschaftskammer wurde denn auch der Kongreß geschlossen. Die Dockarbeiter Londons hielten kürzlich ihren vierten Jahreskongreß ab. Der Präsident des Gewerkvereins, Tom Mann, hielt die Eröffnungsrede. Er meinte, Europa mache schnelle Fortschritte mit der Verdauung des alten Sauer- teiges der sozialen Frage. In den nächsten Jahren schon würden sich seiner Ansicht nach großartige Umwälzungen in dem System der Arbeit vollziehen. Der Gewerkverein der Dockarbeiter besitzt ein Baarvermögen von 4387 Lstr. Sein sonstiges Eigenthum ist 1000 Lstr. werth.