beiterschast ihrer Pflicht, den Nebermuth der Branereibcsitzer ein- NidKminen, im vollen Mnßc nachkommt! Die boykottirten Brauereien setzten ab in Tonnen: Schultheiß I. Schultheiß II. Böhmisch Bereinsbrauerei Spandanerberg Schöneberg Happoldt Gregori Kurz vor dem Boykott Wochen- Sonir tags abends Unter dem Boykott 750 800 450 350 300 380 140 100 1600 1800 1100 600 550 600 280 250 205 316 186 225271 278,302 265 10 31 238 238 98 168 74 27 221 103 172 303 105 186 82 29 25 28 30 26 222 241 217 88 174 80 33 372 365 245 105 231 83 37 207 32 45 In den mit' bezeichneten ist Bahnbier einbegriffen. Im Flasche nbier-Handel verkauften die boykottirten Brauereien pro Tag: Schultheiß I früher 35 000 Flaschen, jetzt ca. 20 000 Flaschen, II„ 50 000„„„ 32 000 Böhmisch„ 32 000„„„ 20 000 Spandauerberg„ 6 000„„„ 4000 Echöneberg„ 56 000„„ 40 000 Happoldt„ 7 500„„„ 3 000 Gregori„ 10 000„„„ 4 500 Zum Beste» der ausgesperrte» Branerei-Arbeiter wird am Sonntag, den 10. Juni, in den Konkordia-Festsälen eine große Gesangsmatinee, verbunden mit Deklamationen und humoristischen Vorträgen abgehalten werden. In anbetracht des guten Zweckes steht zu erwarten, daß die Arbeiterschaft Berlins an diesem Fest zahlreich theilnehmen wird. Billets sind an allen mit Plakaten belegten Stellen zu haben. Die Berliner Frauen- Agitationskommissio» hält am kommenden Donnerstag drei Volksversammlungen ab, zu deren Besuch ganz besonders die Fr auen aufgefordert werden. Die Tagesordnung dieser Versammlungen lautet: D e r B i e r- b 0 y k 0 t t. Lokale und Referenten werden noch durch Annonce bekannt gegeben. Die Frauenvereine werden von der Agitations kommission ersucht, am Donnerstag keine Versammlungen ab- �zuhalten. Es giebt einzelne Berliner Wirthe, welche noch von sicher im Besitz von Brauerei-Aktien sich befinden. Aber so mmTlche dieser Aktien mußten im Laufe der Jahre bei den be- tresfi enden Brauereien als Pfand hinterlegt werden. Der Boykott tobt auf der ganzen Linie, die Aktien weichen und sinken. Und die Hr rrcn Direktoren fnrchten, daß sie stürzen werden, in Bälde, kopfabn'ärts. Wohl aus dieser Erwägung heraus hat die Nord- deutsche Brauevdi unlängst die Lombardirung der bei ihr vepo nirten Akrien zurückgezogen, die Wirthe mußten verkaufen und weinen natürlich ihrem Verlust so manche stille Thräne nach Manch' einer sch nipst wohl auch. Wir uns däucht, ohne Grund. Wie, ,venn die Braueret weniger vorsichtig gewesen wäre und zugewarcket hätte? Dann wäre der Verlust der Wirthe noch großer geworden. Und daß das nicht geschehen, darüber beklagen sie sich.und stellen Betrachtungen an, in welchen Geldschrank ihre Aktien wohl gewandert? Die Undankbaren. Die'.Urbeiter�reundlichkeit, welche in der Schultheist- Brauerei beka,mtli.ch bis zur höchsten Blüthe gediehen ist, äußert sich ebenso stchr in Worten, wie in Thaten. Von den Thaten legt j.ede kapitalistische Zeitung fast täglich rühmendes Zeugniß ab, die arbeltersreundlichen Worte da- gegen äußern sich mehr, wenn auch gerade nicht im Stillen, so doch innerhalb der Kerker-— pardon Keller- mauern der Brauereien. Und sie hören sich gar lieblich an, n�enn von ihnen das Echo der festen Grundmauern mit all- gewaltigem Dröhnen wiederhallt.„Sie dummes Luder, Si e d u m m er K e r l, Rrndvieh. scheerenSie sich hinaus." Das find so ein paar Redeblütheu, die aus dem Rosenmündchen des Ober»Maschinenmeisters Engelhardt zartdnstend hervorquellen. Ein erst am letzte» Freitag wiederum ohne ersichtlichen Grund Gemaßregelter erzählt. daß er, bevor er das harmonievolle Arbeiterglück in der Brauerei des Herrn Röficke genoß, lange Jahre zur See gefahren war. Aber, so sagt dieser in seinem Auftreten durchaus bescheidene Mann, was der Kohlenzieher an kräftigen Flüchen über sich er- gehen lassen muß, die Behandlung, die einem an Bord zu theil wird, kommt der in einem Damenpensiomat gleich, verglichen mit den Rohheiten, die z. B. der Maschinenarbeiter in der Schult- Heißbrauerei erdulden muß. Unter diesen Umständen ist es durchaus begreiflich, daß ein Arbeiter vor einiger Zeit der un- würdigen Behandlung halber die Arbeit freiwillig aufgab, trotzdem er nicht wußte, wie er hinfort für seine Familie Brot schaffen sollte. Und auch unser Gewährsmann sagt, daß er erleichtert und mit frohem Herzen die Räume verlassen hat, in denen man ehrliche und pflichtgetreue Arbeiter fast tagtäglich mit Rohheiten regalirt, die ein gesitteter Mensch selbst seinein Vieh gegenüber anzuwenden sich scheut. Sollten Sie, Herr Rösicke, sich nächstdem wieder einmal be- müßigt fühlen, Ihr von Arbeiterbeglückung triefendes Institut vor dem deutschen Philisterthum m bengalischer Beleuchtung erstrahlen zu lassen, so vergessen Sie nicht, Ihren Herrn Ober-Maschinenmeister in die Mitte des glanzvollen Dekorations- werks zu stellen! Anläßlich des Bierboykotts weiß die gegnerische Presse gar mancherlei vom Denunziantennthum unter der Arbeiterschaft zu fabeln. Daß von den erzählten Dingen neun Zehntel erlogen ist und das eine Zehntel, bei Licht betrachtet, derart liegt, daß der bewiesene Eifer der Arbeiterschaft nur zur Ehre gereichen muß, weiß die gegnerische Presse zwar sehr gut; aber wo bliebe das Prinzip, wenn man der Arbeiterschaft nicht bei jeder Ge- legcnheit eins anhängen wollte? Etwas anders wird das Denunziantenthum aber vom wirk- lichen Lumpengesindel anläßlich des gegenwärtigen Kampfes geübt. Vor einigen Tagen erhielt ein Arbeiter in der Vereins- brauerei zu Rixdors eine Postkarte folgenden Inhalts an seine Arbeitsstätte zugesandt: Hiermit sagen wir unfern besten Dank für die 3 M., welche Sie bei der letzten Sammlung für die streikenden Böttcher gezeichnet haben. Hochachtungsvoll: Ein Anhängsel. Der anonyme Schuft, der diese Karte geschrieben, erreichte seinen Zweck: Am folgenden Tage wurde der selbst im Sinne des Protzenthums völlig unschuldige Arbeiter ohne Weiteres entlassen. Das Slklerneneste k Daß die Herren Brauereibesitzer und Direktoren gar klug berechnende Leute sind, wer wollte das in Abrede stellen? Daß sich jene Herren aber auch mitunter oer- rechnen, kann vorkommen, und daß dies in ihrem jetzigen Kampfe gegen die Arbeiterschaft der Fall ist, darf wohl angenommen werde», wenn jene Herren auch alles aufbieten, um ihre Rechen- fehler zu maskiren. So ernst wie der Kampf ist. so fehlt es m ihm doch nicht an heiteren Episoden, und es»st wohl angebracht, dieselben gewiffcnhaft zu regisiriren, damit sich unsere wackeren Kämpfer an ihnen erfreuen und neue Kräfte sammeln zum frischen, fröhlichen Bierkrieg. So wirkt wahrhaft herzerfrischend eine Nachricht, welche im„Handelstheile" der kapitalistischen Zeitungen, dieser gut dotirien Abladestelle für Börsennachrichlen aller Art, wie eine holde Stlatschrose prangt. Aus dieser Nach- richt zu schließen, haben die Herren Brauereibesitzer und Direktoren endlich ein probates Mittel gesunden, dem großen Publikum den Staar zu siechen und die Augen zu öffnen über die wahren Wirkungen des Bierboykotts, den Teufel durch Beelzebub aus- zutreiben und den Boykott durch sich selbst zu bekämpsen. Wer bisher geglaubt hat, daß der Boykott den Brauereien Schaden bringt, der muß nach Lesung besagter Notiz zu seiner Beschämung gestehen, daß er sich gewaltig geirrt hat, daß die Brauereien durch den Boykott keinen Schaden, nein, im Gegentheil einen großen Nutzen haben. Und wenn dem so ist, wenn der Boykott den Brauereien Nutzen statt Schaden bringt, hat dann der Boykott nicht gänzlich seinen Zweck verfehlt? Ist es denn nicht bester, daß der Boykott aufgehoben wird? Also spinlisiren jene klugberechnenden Herren, jedoch— sie haben sich auch hier wieder einmal ver- rechnet, und zwar in doppelter Hinsicht. Die gedachte Notiz lautet: Aktien-Gesellschaft Schloßbrauerei Schöneberg. Der Bier absah im Monat Mai cr. ist der größte, den die Brauerei seil ihrem Bestehen erzielt hat, und um so bemerkenswerther, als derselbe durch schlechtes Wetter und sonstige Ereigniste beeinflußt war. Der Absatz erreichte die Höhe von 14 539 Hektoliter gegen 13 526 Hektoliter im gleichen Monat des Vorjahres, überstieg somit denselben um 1013 Hektoliter. Der Gesammtabsatz Oktober bis Ultimo Mai cr. beziffert sich auf 96 630 Hektoliter gegen 88 576 Hektoliter oder auf 8054 Hektoliter mehr. Ein Schauspiel für Götter! Die Schloßbrauerei Schöneberg ist eine der boykottirten Brauereien. Durch diese Notiz soll einmal dem großen Publikum gegenüber die scheinbare Unwirksamkeit des Boykotts aä oculos demonstrirt werden; zum zweiten soll diese Notiz ein Beruhigungsmittel für die ängstlichen Aktionäre abgeben. Thatsächlich ist es aber eine starke Zumuthung, zu glauben, daß gerade in diesem Mai trotz„schlechten Wetters und sonstiger Ereignisse"(Boykotts der größte bisher dagewesene Bierabsatz zu verzeichnen sei. Ob es wirklich Jemand glaubt? Das schadet aber nicht, und bald werden wir sehen, daß ähnliche Notizen auch von den anderen boykottirten Brauereien in der kapitalistischen Presse auftauchen. Alle werden versichern, daß sie gerade während des Boykotts die besten Geschäfte gemacht haben. Nun, die Arbeiterschaft ist gar nicht rachsüchtig, sie gönnt den Brauern ihren gesteigerten Verdienst und es ist ihr recht gleichgiltig, ob die Brauereien in den Lokalen, die von ihnen abhängig sind, die Keller mit vollen Fässern vollpfropfen, damit den Aktionären trotz des Boykotts ein guter Absatz vor- gemalt werden kann. Damit es jenen Herren noch wohler und besser ergehe, kann sie ja gar nichts besseres thun, als den Boykott konsequent auch weiterhin durchzuführen. So, da haben sich die schlauen Herren, die da glaubten, den Teufel durch Beelzebub austreiben, den Boykott durch sich selbst erdrosseln lassen z» können, aber ganz gewaltig verrechnet. Die Direktion deS Passage-PalioPtikimiS theilt unS mit, daß sie den Volksschulen die Besichtigung der ethnologisch so überaus interessanten Dahomeh-Truppe zu dem geringen Eintritts- preise von 10 Pf. pro Kopf gestattet, sofern die Schüler trupp- weise unter Anführung eines Lehrers im Panoptikum antreten. Nm de» Besuchern der llrania wie bisher die Möglichkeit zu bieten, das interessante Experiment der Opernübertragung zu genießen, werden von nun ab die Vorstellungen des„Wissen- schaftlichen Theaters" eine Viertelstunde später als bisher, also um 7�/4 Uhr beginnen. Man"ird also gerade noch den Beginn der in dem 3 üm entfernten Opernhause stattfindenden Auf- führungen in der Urania anhöre» können, ehe nian von dort aus die Ozeanreise nach Amerika antritt, die gleichfalls von heute ab auf vielfachen Wunsch eine Zeit lang wiederholt in Szene gehen wird. Der Eintrittspreis zum Operntelephon ist auf 75 Pf. er- mäßigt worden.— Die Sommerferien des Instituts beginnen am 16. k. M., die Wiedereröffnung findet am 5. August statt, Zoologischer Garten . Heute, am 25 Pfennigtag sei das Publikum ganz besonders darauf aufmerksam gemacht, daß der Restaurateur des Gartens boykotlirtes Schultheiß. b i e r anszapft. Arbeiter, die Ihr heute den Garten besucht, seid eingedenk des am Freitag auf's neue bestätigten Boykott- beschlusses und meidet dieses Bier! I» Weimanu's Volksgarten(Gesundbrunnen ) und Paradegarten(Tempelhofer Feld) sind Plakate des„Münchener Brauhauses" und der Brauerei„R eichenkron" und„Carls- berg" angeheftet; wahrscheinlich zu dem Zweck, die Arbeiter in dem Glauben zu bekräftigen, daß in den Lokalen kein boykottirtes Bier verschänkt wird. Wie uns nun von gut unterrichteter Seite mitgetheilt wird, gelangt neben diesem Bier in dem ersteren Lokale Bier aus der Gregory-Brauerei und in der anderen Schöneberger Bier zum Ausschank. Lasse sich von den Arbeitern Niemand durch diese Manipulation täuschen. Die Ergänzungstvahlen zum Gewerbegericht sind auf den 26. September angesetzt. Die Durchsicht der Wählerlisten ist vom 15. bis 28. Juni vorzunehmen. Genaue Mittheilungen über die Eintheilung der Wahlbezirke K. bringen wir in den nächsten Tagen. Akademisch gebildetes Louisthum. In der„Deutschen Warte" vom Mittwoch steht folgendes Heirathsgesuch: Kavalier, akadcmifch gebildet, Mitte Zwanziger, wünscht sich ein unabhängiges, hübsches, gebildetes, munteres, häusliches Mädchen als Gesellschafterin und W i r t h i n. Spätere Heirath nicht ausgeschlossen. Offerten von Damen, welche genannte Eigenschaften in sich vereinigen und eine kleine Wohnungseinrichtung besitzen, erbitte(möglichst mit Photographie) unter„Gesellschaft" Postamt 19. Leider läßt der„Kavalier" nichts darüber verlauten, wieviel Geld er pro Tag von seiner Gesellschafterin als Unterhalt verlangt. Eine Familienkatastrophe, die in große» Zügen an den Schaas'schen Familienmord erinnert, hat sich in der verwichenen Nacht in dem Hause Große Hamburgerstr. 7 abgespielt. Dort wohnte im zweiten Stock des Vorderhauses seit dem 1. Oktober 1879 der am 19. Juni 1843 geborene Malermeister Karl Seeger mit seiner am 4. Juni 1846 geborenen Ehefrau Elise Karbs und den 4 Kindern Rudolf, Bruno, Martin und Elisabeth, die im Alter von 19, 13, 10 und 7 Jahren standen. Die Eltern haben die Kinder zunächst gewürgt, dann vergiftet, schließlich aber selbst zum Strang und Giftbecher gegriffen. Das Familiendrama scheint schon lange vorbereitet gewesen zu sein. Die 2 Treppe» links belegene Wohnung hat zwei Zugänge, deren einer durch die hofwärts belegene einfenstrige Küche führt, während der zweite ebenfalls vom Treppenflur in ein zweifenstriges Vorder- zimmer geht. Die ganze Wohnung besteht aus drei Zimmern. zwei Kammern und der Küche. Von der letzteren gelangt man zunächst in einen dunklen Raum ohne Fenster, in dem der Bater init dem jüngsten Sohne schlief. Neben der Kammer nach dem Hofe liegt eine einfenstrige Stube, die dem 44 jährigen Bruder Seeger und den beiden ältesten Söhnen als Schlafrauni diente. Auf der anderen Seite die Kammer nach den Vorderräumen zu liegt ein zweites dunkles Gelaß, wo das Bett der kleinen Elisabeth steht. Von dort gelangt man in ein zweifenstriges Borderzimmer, wo Frau Seeger auf einem Sopha schlief, endlich in ein gleichfalls zweifenstriges Vorderzimmer, das als gute Stube benutzt wurde und unmittelbar vom Flur aus zu betreten ist. Gestern Abend um 10 Uhr ging der Maler Rudolf Seeger(der Brilder des Familienoberhaupts) zu Bett und drückte dabei der Schwägerin Verwunderung darüber aus, daß die beiden Söhne»och nicht schliefen. Darauf erhielt er die Antwort:„Nein, geh- nur, Rudolf und Bruno schlafen heut Nacht bei uns." Obgleich der so abgefertigte Schwager Anfangs stutzig wurde, beruhigte er sich doch und schlief bald ein. Als er am Morgen um 6 Uhr seine Kammer verließ, sah er Martin angekleidet als Leiche in seinem Bette liegen. Das Bett des Vaters war unberührt. In der zweiten dunklen Kammer lag Elisabeth entkleidet und todt auf ihrem Lager. Bruno lag entseelt auf dem Sopha, das d'.e Mutter zum Schlafen benutzt. In fürchterlicher Aufregung suchte er nun das zweite Vorderzimmer aus und fand seinen Neffen Rudolf an der nach dem Korridor zu belegenen Thür todt liegend aus; sein Bruder hing an der Thürzarge, während Frau Seeger hier mit einem Strick um den Hals todt aus dem Sopha lag. Sofort eilte er nach dem nahe belegenen St. Hedwigs- Krankenhause, holte den Dr. Sasse und benachrichtigte den Polizeilieutenant Enke vom 13. Polizeirevier. Die erste Aufgabe war, den Familien- vater abzuschneiden und, da er noch Leben zeigte. Wieder- belebungsversuche anzustellen. Seeger starb aber alsbald, ohne das Bewußtsein erlangt zu haben. Die Besichtigung der übrigen Leichen hat nun ergeben, daß die drei jüngsten Kinder theils mit einem Strick, theils mit der Hand gewürgt wurden, bis sie be- wußtlos geworden sind. Dann ist ihnen anscheinend Gift ein- geflößt worden. Der älteste Sohn scheint dem mörderischen Elternpaar große Gewalt entgegengesetzt zu haben, denn er hat nicht blas die Würgemarke am Halse, sondern ist auch noch mit einem Küchenmesser bearbeitet worden. Die Pulsader der linken Hand ist durchschnitten. Er hat nach Annahme der Polizei um den Plan gewußt und zuerst sein Einverständniß erklärt, hat auch vielleicht bei der Tödtung seiner Geschwister mitgewirkt. Dann ist ihm aber die That leid geworden; denn er hat au eine Wand mit Kreide geschrieben:„Ich bin dumm". Dabei scheint er vom Vater gestört zu sein. Die grausige Ermordung der Kinder ist anscheinend kurz vor 1 Uhr Nachts geschehe», denn der Obermeister der Malerinnung, Fritz Schnare, hat heute Morgen«in Schreiben Seeger's erhalten, daS den Stempel Postamt 24 trägt und zwischen ein und fünf Uhr dem Briefkasten übermittelt worden ist. Der Brief, der die Beweg- gründe für das schaurige Drama enthält, lautet wörtlich: „Viele Verluste, welche ich seit Jahren erlitten, haben mich ruinirt. Nach jahrelangen Kämpfen bin ich zu Ende! Gewährt die Innung auch Selbstmördern einfache Beerdigung, so bitte ich darum. Wenn es Dir möglich, gedenke meiner in Ehren. Es sendet die letzten Grüße an Dich und alle, die eine Theilnahme für mich hegen. Lebe wohl C. Seeger." Bereits vor 14 Tagen hat sich Seeger bei der Frau des Obermeisters genau nach den Statuten der Sterbekasse erkundigt, ern Beweis, daß die That schon damals geplant war. In dem Zinmier, wo die drei Leichen(Eltern und Rudolf) lagen, waren die Möbel bunt durcheinander geworfen. Dies läßt auf einen Kampf mit dem ältesten Sohne schließen. Auf einem Tisch hatte Seeger zwei Gift enthaltende Milchtöpse und zwei Weingläser gestellt. Sämmtliche Papiere, Rechnungen und Alterversichcrungs- Karten waren auf dem Tische niedergelegt. Die Schnüre. die zur Erwürgung benutzt waren, lagen auf dem Fußboden. Seeger muß die Absicht gehabt haben, an die Polizei zu schreiben, ein zerschnittenes Papier zeigt die Worte:„Euer Hochwohlgeboren theile ich ergebenst mir— Die drei ältesten Kinder besuchten das Sophien-Gymnasium, das jüngste die Gemeindeschule in der Gipsstraße. Die Leichen sind nach dem Schauhause gebracht, die Wohnung ist polizeilich geschloffen. Zwei Briefe an Verwandte sind noch nickt geöffnet. Zu dem Familiendrama in der große» Hamburgerstraße wird noch mitgetheilt, daß Seeaer dem Anschein nach auch seine Frau mit ihrer Einwilligung erdrosselt hat, ehe er Hand an sich selbst legte. Die Leiche der Frau Seeaer lag in der linken Sophaecke, und die Schnur, die sie um den Hals trug, war an der linken Seite fest im Genick mit den Händen zugedreht worden. Das kann die Frau aber kaum selbst gemacht haben. Die scheuß« liche That muß bei Lampenlicht ausgeführt worden sein, denn eine ausgeblasene Lampe stand auf dem vom Sopha zurück- gezogenen Tische in dem Zimmer, wo die Leichen der Eltern und des ältesten Sohnes lagen. Nachdem Seeger alle Familienmit- glieder umgebracht hatte, hat er erst die Briefe geschrieben und einen davon an den Obermeister selbst m den Briefkasten geworfen. Er hat seinem Leben erst gegen sechs Uhr Morgens ein Ende'gemacht, nachdem er die feste Ueberzeugung erlangt hatte, daß alle anderen schon todt waren. Das Gift, das die Eltern selbst genommen und den Kindern eingeflößt haben, ist dem Aussehen der Flüssigkeit nach in Milch gemischt worden. Seeger genoß den Ruf eines sehr arbeitsamen und nüchterner« Mannes. Doppelselbstmord. In einem hiesigen Gasthofe, so be- richtet nne Korrespondenz, kehrte Anfang der Woche ein Pärchen ein, das sich für mehrere Tage ein Zimmer miethete. Der Herr trug sich als Nähmaschinen-Reisender Sch. und Frau in oas Fremdenbuch ein. Der Zimmerpreis und die Zeche wurden pünktlich bezahlt, die Beiden lebten ganz bescheiden und blieben den Vergnügungen der Großstadt fern. Mittwoch früh erklärte der Mann, er müsse abreisen, ließ sich das wenige Gepäck nach Bahnhof Friedrichstraße bringen und löste dort zwei Fahrkarten nach Kottbus . Am andern Morgen wurden in der Nähe der Eisenbahnbrücke bei Kottbus zwei aneinander gebundene Leichen aus der Spree gezogen. Es waren der Reisende und dessen Be- gleiterin, die vor ihrem Tode erst Berlin besucht hatten.„Er" war verheirathet, er liebte„sie" und sie„ihn", und da beide aller Geldmittel bar waren, entschlossen sie sich zu sterben. In Berlin widerte sie nicht nur das Leben sondern auch das Sterben an und so kehrten sie nach ihrer Heimathstadt zurück, um hier vereint in den Tod zu gehen. Ein sehr roheS Attentat ist gegen die 22jährige Luise I. in der Nacht zum 28. v. M. verübt worden. Sie hatte im Krankenhause im Friedrichshain zu thun und wurde fpäter auf der Straße von Burschen gefaßt, hochgehoben und trotz Schreiens und Sträubens in das Gebüsch geschleppt. Dort wurde sie von den vier im Alter von je 18 Jahren stehenden Thätern vergewaltigt. Die Burschen sind jetzt ermittelt und ver- hastet worden. Fiinf Leichen von Ertrunkenen, die sämmtlich aus der kurzen Strecke zwischen dem Schlülersteg und der Alsenhrücke aus der Spree gezogen wurden, sind gestern im Leichenschauhause ein- geliefert worden. An Blntveraiftuna starb vorgestern Vormittag die 16 Jahre alte Tochter des Eigenthumers W. in Rixdors. Das Mädchen hatte Mittwoch Abend einen„Mitesser", der die zarte Haut ver- unzierte, mittels der Fingernägel herausgedrückt. Donnerstag früh schon war die Backe geschwollen, am Abend hatte sich die Geschwulst über das ganze Gesicht verbreitet. Der erste herbei- gerufene Arzt stellte sofort die Diagnose auf Blutvergiftung, ein zweiler ebenfalls. Trotz aller Bemühungen der Aerzte verschied die Aermste vorgestern gegen Morgen. Wodurch die Blutvergiftung hervorgerufen worden ist, ist noch nicht festgestellt. Vermuthet wird, daß beim Ausdrücken des Mitessers Nnreinlichkezt in die Haut gedrungen ist. Wegen versuchten MordeS verhaftet ist der arbeitslose Arbeiter Hermann Wolter. Er lag schon seit längerer Zeit in Streit mit seiner Ehefrau, weil er nichts verdiente, und es wurden ihm auch gestern wieder in der in der Skalitzerstraße belegenen Wohnung Vorwürfe gemacht, dabei fiel der Frau auf, daß Wolter diesmal alle Reden ruhig über sich ergehen ließ, sich aber unter dem Tisch mit irgend einem Gegenstand beschäftigte. Plötzlich brachte er einen Revolver hervor und feuerte einen Schuß auf die Brust seiner Frau, die indessen unverletzt blieb. Wolter be- hyuptet, daß er mit dem Revolver, den er sich am Nachmittag
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