Jr. 191.
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Sonntag, den 15. Juli 1917.
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Reichskanzler Dr. Michaelis.
Als Nachfolger des gleichfalls scheidenden Staatssekretärs des Auswärtigen Zimmermann wird der deutsche Gesandte in Kopenhagen Graf BrockdorffRantau genannt.
Der Kaiser hat dem Reichskanzler v. Bethmann Tut der Reichskanzler das zweite, so hat er eine ftarte| wärtigen Angelegenheiten durch Erlaß bom heutigen Tage zu Hollweg den erbetenen Abschied bewilligt und an geschlossene Reichstagsmehrheit hinter sich, die er durch seine entsprechen. Acht volle Jahre haben Sie diese verantwortungs seiner Stelle den Unterstaatssekretär Dr. persönliche Arbeit noch festigen und erweitern kann. Will er vollen höchsten Aemter des Reichs- und Staatsdienstes in vorbildMichaelis zum Reichskanzler und preußischen das erste, nun, dann mag er sehen, wie er eine Mehrheit für licher Treue geführt und Ihre hervorragende Kraft und Ministerpräsidenten ernannt. feine Politik aufbringt, die Sozialdemokratie wird er aber Persönlichkeit erfolgreich in den Dienst von Kaiser und dann jedenfalls in schärfster Opposition finden. Reich, König und Vaterland gestellt. Gerade in der schwersten Zeit, die Ohne Mehrheit geht es nicht! Das ist eine Tatsache, ie auf den deutschen Landen und Völkern gelastet hat, in der es sich deren Selbstverständlichkeit sich ebenso wie seinerzeit beim um Entschließungen von entscheidender Bedeutung für das Bestehen Sturze Bülows so jekt beim Fall Bethmanns erwiesen hat. und die Zukunft des Vaterlandes handelte, haben Sie mir mit Nat Wenn man um sie verschämt herumgeht und so tut, als könne und Tat unermüdlich zur Seite gestanden. Reichspolitik so ganz einfach von oben her ohne, ia gegen den Reichstag getrieben werden, so tut man der Wahrheit Gewalt an und schädigt Deutschlands Ansehen im Ausland. Deutsch land ist keine Autokratie, und kann keine sein, ein Kanzler, der nur das Vertrauen der Krone, aber nicht das der Volksvertretung befibt, fann sich nicht in seinem Amte halten. Die besondere" Stellung des Reichskanzlers gegenüber dem Reichstag ist weiter nichts als eine leere Formalität, unter der die deutschen Interessen nach innen und außen leiden: es ist Beit, daß der neue Reichskanzler diesen Zopf mit scharfer Schere abschneidet.
"
Ein Mann, der auf begrenztem Gebiet eine große Aufgabe mit zäher Energie nach Möglichkeit gelöst hat, hat den Ruf erhalten, die Geschicke des Reiches in schwerster Zeit zu leiten. Dr. Georg Michaelis , Unterstaatssekretär im preußischen Finanzministerium, Staatskommissar für Bolksernährung in Breußen, hat dem deutschen Volk seit zwei Jahren das Brot zugeschnitten, knapp, aber doch so, daß es niemals ausging. Sein willensstarkes Auftreten gegen Schäden der landwirtschaftlichen und politischen Verwaltung bat ihm Sympathien eingetragen und ihn fast zu einem volks. tümlichen Mann gemacht. Auf der Suche nach einer energischen Persönlichkeit, die auch Vertrauen im Volke befigt, stieß man auf seinen Namen und fand keinen besseren. Ein anderes, das uns not tut, ist die flare Scheidung Außerhalb der agrarischen Kreise, die ihm seine Feststellungen des Politischen vom Militärischen in dem Sinne, über die Berfütterung von Brotgetreide an das Bieb arg ver- daß das Militärische auf sein eigenstes Gebiet beschränkt wird übeln, hat der neue Reichskanzler keine politischen Gegner. und die Politik die führende Stellung einnimmt. Das gilt, scharf zupact. Mehr weiß man von ihm nicht. Seine Stel drei Jahren liegt die Presse in den Fesseln des Kriegslung zu den großen Problemen der Zeit ist unbekannt. Es war sein erster Fehler, daß er sich über sie nicht mit den Parteien des Reichstags auseinandersetzte, bevor er fein Amt endgültig übernahm. Der Kronpring, als Stellvertreter des Kaisers, hat die Parteiführer befragt, wie sie über das Verbleiben Herrn v. Bethmanns im Amte dächten, er hat sich über thre Auffassung der politischen Gesamtlage informiert und darüber seinem Vater Bericht erstattet. Das Ergebnis war die Bewilligung des von Herrn v. Bethmann eingereichten Entlassungsgesuches und die Ernennung Michaelis' zu seinem Nachfolger. Eine Sondierung, ob die Politik des neuen Kanzlers auf eine Mehrheit im Reichstag zu rechnen habe, ist aber nicht erfolgt, und insofern ist der Versuch, die Sitten parlamentarisch regierter Länder nachzuahmen, in seinen bescheidensten Anfängen steden geblieben.
Ihnen für alle Ihre treuen Dienste Meinen innigsten Dan! zu sagen, ist mir ein Herzensbedürfnis.
Als äußeres Zeichen Meiner Dankbarkeit und besonderen Wertschätzung verleihe ich Ihnen den Stern der Großkomture Meines Hausordens von Hohenzollern , dessen Abzeichen Ihnen hierneben zugeht. Mit wärmsten Segenswünschen verbleibe Jch Ihr Ihnen stets wohlgeneigter, dankbarer Kaiser und König
Wilhelm I. R. Die acht vollen Jahre stimmen zufälligerweise ganz genau. Denn am 14. Juli 1909 hatte Herr v. Bethmann sein Amt übernommen.
Man weiß von ihm, daß er dort, wo er eingreift, auch wie auf anderen Gebieten, auch auf dem der 8 en fur. Seit Die Aufnahme in der Presse.
Niemand weiß heute noch, wie sich Herr Michaelis seine neue schwere Aufgabe denkt. Was darüber in die Presse gebracht worden ist, innere Einigkeit"," Festhalten an der Bündnispolitik", find nichts als selbstverständliche allgemeine Redensarten. In der nächsten Reichstagssitzung, voraussicht lich am Donnerstag, wird sich der neue Reichskanzler über feine Bolitif genauer aussprechen. Dann wird sich auch zeigen, wie sich die Sozialdemokratie zu ihm stellt. Herr Michaelis ist der erste Reichskanzler bürgerlichen Namens, aber er ist aus der preußischen Verwaltung hervorgegangen, der er, der jetzt Sechzigjährige, seit seinem 22. Lebensjahre angehört. Da nimmt man manches an, was man, zumal in vorgerückten Jahren, nicht so leicht abstreift.
Aber der neue Reichskanzler fennt ja die Erbschaft, die er übernimmt. Er kennt die Wahlrechtsbotschaft vom 11. Juli, fann also das Amt nur in der Absicht übernommen haben, sie durchzuführen, und da ist ein Mann ohne Schwächlichkeit
und ohne Zaudern am Blaze.
Er fennt auch das Friedensprogramm der Mehrheits
parteien, das wir gestern beröffentlichten, und er kann kaum
zustandes, die Erschütterung des Vertrauens, die in der Krise der letzten Zeit zum Ausdruck gekommen ist, die herrschende Nervosität und Unsicherheit hat hier ihre stärkste Wurzel. Eine Gesundung der öffentlichen Meinung herbeizuführen, indem sie wieder an frische Luft gewöhnt wird, das wird eine hervor. ragend wichtige Aufgabe der Regierung sein.
In enger Gemeinschaft mit der Volksvertretung Deutsch lands innere Freiheit herzustellen und dem Völkergemezel durch einen Frieden gerechter Verständigung ein Ende zu bereiten, das ist das höchste Ziel, das sich ein deutscher Staatsmann der Gegenwart stellen kann, aber auch das notwendige Biel, das er sich stellen muß, wenn er nicht scheitern will!
Dr. Michaelise wurde am 8. September 1857 in Satnau in Schlesien als Sohn des Oberappellationsgerichtsrates Michaelis geboren. Nach Absolvierung seiner Studien wurde er 1879 Refe rendar, 1884 Assessor. In dieser Eigenschaft war er ein Jahr bei der Staatsanwaltschaft in Berlin tätig, von wo er als Dozent an die Schule deutscher Rechts- und Staatswissenschaft in Tokio berufen wurde. Ende 1889 nach Deutschland zurückgekehrt, blieb er bis 1892 weiter im Justizdienst als Staatsanwalt tätig und wurde dann von der Regierung in Trier in die allgemeine Staatsverwaltung übernommen. Von hier aus fam er 1897 nach Arnsberg in Westfalen als Oberregierungsrat. 1900 wurde er als Vertreter des Regierungspräsidenten nach Liegnik verfekt und ging von dort im Jahre 1902 als Oberpräsidialrat nach Breslau . Am 27. Juni 1909 zum Unterstaatssekretär im Finanzministerium ernannt, enhielt er am 20. Juli 1915 den Charakter als Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat Exzellenz.
Zu Beginn des Jahres 1915 wurde Dr. Michaelis an die Spike der Reichsgetreidestelle berufen. Zuletzt wirkte er als Staatskommissar für Boltsernährung in
Preußen.
Besprechung im Reichsamt des Innern.
daran denken, die feste Plattform, auf der sich die ReichsDer neue Reichsfangler und die beiden Heerführer tagsparteien gefunden haben, wieder zu zerschlagen, denn indenburg und Ludendorff hatten am geftrigen Abend damit würde er seinem ersten Programmpunkt, die innere im Reichsamt des Innern eine Besprechung mit Vertretern der Einheit zu fördern, geradeswegs zuwiderhandeln. An sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, der Fortschrittlichen Boltseiner inneren Einheit, die sich nicht nach den klaren Richtlinien partei und des Zentrums. Auch der bisherige Vizekanzler Helfferich einer aufrichtigen Friedenspolitik bewegt, würde die Sozial- und der Unterstaatssekretär Wahnschaffe waren zugegen. demokratie keinen Anteil nehmen können. Die Besprechung war vertraulich. Der neue Reichskanzler will Indes, Herr Michaelis war zwei Jahre lang die Zentral- fein Programm erst im Reichstag öffentlich entwideln. person, in der sich alle Brotsorgen des deutschen Volkes verkörperten, und in dieser Schule müßte, denken wir, auch Weitere Wechsel in den Regierungsstellen.
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ein noch so rabiater Kriegsfanatiker zu einem ehrlichen Freund des Friedens werden. Nichts spricht indes dafür, daß Herr Der Kanzlerwechsel dürfte voraussichtlich weitere Veränderungen. Michaelis ein solcher Kriegsfanatifer ist wenn man von in den Regierungsstellen, sowohl unter den Staatssekretären wie der etwas verdächtigen Empfehlung seiner Persönlichkeit durch unter den preußischen Ministern zur Folge haben. die„ Tägliche Rundschau", die ihn mit stolzer Geschmacklosig- Das Ausscheiden des Staatssekretärs des Auswärtigen 8immermann ist gewiß. Die in der Deffentlichkeit behauptete Ernennung des als sehr tüchtig geltenden Grafen Brockdorff- Rangau zu seinem Nachfolger ist jedoch noch nicht erfolgt.
feit unseren Kandidaten" nennt, absieht.
In diesem Punkte aber wird der neue Mann ein flares Bekenntnis ablegen müssen. Aus der Zweideutigkeit und UnKlarheit, die die deutsche auswärtige Politik in den Ruf der Unehrlichkeit gebracht hat, müssen wir heraus. Entweder treibt, uns" Eroberungssucht, oder sie treibt uns nicht. Entweder wir müssen aus dem Krieg fremdes Land und fremdes Geld holen, mag er dann auch noch zehn Jahre dauern, oder wir wollen in absehbarer Zeit zum Frieden kommen, und dann beschränken wir uns auf das unzweideutige Programm eines reinen Berteidigungskrieges.
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Das Handschreiben an Bethmann. Das vom 14. Juli datierte kaiserliche Handschreiben an scheidenden Reichsfanzler hat folgenden Wortlaut: Mein lieber von Bethmann Hollweg !
Das Berliner Tageblatt" zollt der Kriegsarbeit des neuen Reichskanzlers Achtung, rügt aber scharf seine Sendung„ vom hohen Olymp":
"
von der Teilung der Macht und der Verantwortung, von parlamen " Wir sind noch ziemlich weit vom parlamentarischen System, tarischer Kontrolle entfernt, und alles spielt sich noch ganz nach der Tradition, unter Mitwirkung der Lerschiedensten Faktoren und nur nicht unter Mitwirkung der Volksvertretung ab. Der Reichskanzler Michaelis fommt, ohne daß die Vertretung des großen deutschen Volkes auf die Auswahl des Mannes, der in mindesten Einfluß ausgeübt hat. Er wird sich das Vertrauen ber schwerer Zeit die Geschicke des Landes leiter soll, den Boltsvertretung nur sichern können, und sie wird ihm ihr Vertrauen nur gönnen dürfen, wenn er ohne Zögern einer Neuordnung zustimmt, die wenigstens für die Zukunft dem Volksparlament den gebührenden und notwendigen Einfluß verschafft."
Recht freundlich klingt die Begrüßung des bermutlichen neuen Staatssekretärs des Auswärtigen, des Grafen Broddorff- Rankau:
„ Graf Brockdorff- Rankau, der jekt 48 Jahre alt ist, hat, mit seiner schmächtigen, schlanken Gestalt, dem etwas blassen Gesicht, ben flug ironischen Augen und dem fleinen blonden Bärtchen, das Aeußere und das Wesen einer jener feinen eleganten Hoflente, die es besonders in früheren Zeiten gab Er hat auch den Wiß, die leichte Art des Verhandelns und Plauderns, die jenen Hofdiplo. maten eigen war. Aber er ist nicht in engen Anschauungen befangen, hat bei den verschiedensten Gelegenheiten die Gabe sehr fla. ren, scharfen und unabhängigen Urteilens gezeigt und mit der demokratischen Regierung in Dänemark ausgezeichnete Beziehungen zu unterhalten gewußt."
Mit kühler Skepsis sieht dagegen die alldeutsche ,, Deutsche Tageszeitung" den neuen Staatssekretär kommen:
„ Graf Brockdorff- Rantau ist, jedenfalls für die Oeffentlichkeit, weder, ob er ein Staatsmann ist, noch welches Ziel im Großen er Hat. Auf seinem Kopenhagener Posten hat ihm viel Anerkennung und Dänemark leidliche geblieben sind und doß kein dänischer Kabinettswechsel eingetreten ist. Wie groß die diplomatische Leistung des Grafen Brockdorff- Ranbau und ihr Nuzeffekt für das Deutsche Reich gewesen sei, ließe sich erft beurteilen, wenn man genau wüßte, um welchen Preis von Fall zu Fall das obige Ergebnis erreicht te i I darstellt. Man behauptet, der Gesandte sei meist der Leitende worden ist und ob dieses Ergebnis einen tatsächlichen Vorgewesen und habe mit besonderer Energie eine Politik der Zugeständnisse an Dänemark vertreten. Ueber die Natur dieser Zugeständnisse haben wir seinerzeit gesprochen, als es sich um dänische Schiffahrt nach Großbritannien auf Kosten des U- Boot- Krieges
staatsmännisch betrachtet, ein unbeschriebenes Blatt. Man weiß
eingetragen, daß die Beziehungen zwischen dem Deutschen Reiche
handelte."
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Von dem neuen Reichskanzler hofft die„ Deutsche Tageszeitung" die erste Sorge!-, daß er seinen Ausspruch, die Landwirte hätten das für die menschliche Ernährung notwendige Brotgetreide ans liebe Vieh verfüttert, nicht mehr aufrecht erhalte, und wünscht, Dr. Michaelis möge die innere Geschloffenheit wiederherstellen und Festhalten an unserer bewährten Bündnispolitik die deutsche Einigkeit fraftvoll nach außen betätigen". Wie bei dem Blatte nicht anders zu erwarten, bekommt Bethmann Hollweg den Eselsfußtritt:
im
Trotzdem würden wir ohne Bitterkeit von der Kanzlerschaft Bethmann Hollwegs Abschied nehmen, wenn nicht die Zahr der Mißerfolge, der versäumten Gelegenheiten und der Trümmer Mit schwerem Herzen babe Jch mich entschlossen, deutscher Werte, allem voran hier das alte Preußen und Ihrer Bitte um Enthebung von Ihren Aemtern als Reichs- eine Unsumme verwüsteten monarchischen Rapitanzler, Präfident des Staatsministeriums und Minister der aus- tals, auf diesem Unheilswege zu gewaltig groß wäre. Wohl noch