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Unterhaltungsblatt öes Vorwärts
Dienstag, 2S. Kugust
Der hausbefitzer. Bon JnnuSz Aorczak. Ter Hausbesitzer Rowatzki wollte seine Tochter in die Gesell» schon«inführen und seinen Sohn zur Beendigung der Studien in« Ausland schicken. Und er sagte sich: ich werde meinen Mietern die Miete erhöhen. Er tat es. Und er fühlte jene Befriedigung, die ein Mensch empfindet. wenn er seine Pflicht getan hat. Da begann eine Rette seltsam komischer Geschehnisie. Der Inhaber des Laden« mit Herrenartikeln— Wäsche, Krawatten. Spazier- stocken— machte sich über die unvorhergesehene Ausgabe Sorgen. Er rechnete und überlegte lange und kam schließlich zu folgendem Entschluß: .Ich schaffe einen jungen Mann ab und-zahle von heute ab zehn Kopeken weniger Arbeitslohn für ein Hemd und fünf Kopeken weniger für eine Krawatte. Die Gratifikation bleibt in diesem Jahre aus.' Die Sorge fiel ihm wie ein Stein vom Herzen. Bon dem Tage an mußten sieben Wäjchenäherinnen und drei Kravatienarbeiterinnen eine Stunde länger arbeiten, um ebenso viel Geld zu verdienen wie früher. Der Hausdiener seufzte, daß er seinen Kindern leinen Weinachtsbaum werde schenken können. Der entlassene junge Mann eröffnete seinen eigenen Laden mit Schreib- utenfilien und verlor nach drei Monaten die Mitgift seiner Frau und sein eigene« kleines Barvermögen, dann verkaufte er alle« und reiste mit Frau und Kindern nach der Mandschurei . Der zweite Laden war an einen Biktualienbändler vermietet. Auch ihm machte die Mietsteigerung Sorg«. Er überlegte und rechnete lange und kam schließlich zu folgendem Entschluß: .Wurst ist Wurst, was drin steckt, weiß keiner.,.. Mehl und Salz ohne Zutaten ist gut, mit Zutaten— bringt die Ware mehr ein, und Milch mit Stärke und Waffer sieht ebenfalls weiß au«. Im Handel gibt'S keine Sentimentalität..." In der ersten Etage des Vorderhaufe« wohnte ein Rechtsanwalt. Als er von der Steigerung erfuhr, teilt« er die Sorge seiner Frau mit. Sie überlegte nicht lang« und sagte: .Ich lasse mich au« der Mitgliederliste für die Ferienkolonien streichen. Ich ziehe der Lehrerin drei Rubel monatlich und Stasjo« Rachhilfelehrer zwei Rubel monatlich ab. Ich muß dann auch auf da« Abonnenient der.Pädagogischen Rundschau' und der.Jugend- schrist' für die Kinder verzichten. Du deinerseits wirst die Zeit- ichrift.Hygiene und Gesundheit', die«in Rechtsanwalt nicht un- bedingt braucht, aufgeben.... Ich zahle dem Tapezierer nicht mehr al« 60 Pfennige pro Fenster und werde allein in die Markthalle gehen und feilschen, so gut ich kann...' ... Die Lehrerin mußte täglich eine Stunde länger unter- richtev und tonnte dem Portierkind keinen Gratisunterricht mehr er- teilen. StasjoS Nachhelfelehrer sagte zu seiner alten Mutter:.Sie wolltew inir nicht mehr zahlen, Mutter, aber für die Kolleg« reicht'S, und eindn Wintermantel brauch« ich nicht, da wir einen warmen Winter bekommen, wie e» scheint. Die Marktweiber beklagten sich über schlechte Geschäfte, da jeder alle« halb umsonst kaufen wollte. In der dritten Etage im linken Seitenflügel wohnte ein Buch- Holter und Korrespondent. AI « er den Brief mit der Mitteilung von der Mieiskrigerung erhielt, lief er zu seinem Freunde. .Du botst mir neulich Beschäftigung für die Abendstunden an. Ich habe es mir überlegt und will die Arbeit übernehme». � .Hoffei»! ch ist sie nicht schon anderweitig vergeben,' erwiderte der Freund. Ich werde mich erkundigen und e» Dir mitteilen.' Di« Stelle war besetzt.... Der Buchhalter wagte e« nicht seiner alten Mutter, die bei ihm wohnte und lein eigene« Vermögen besaß, zu sagen. Der Arzt aus der zweiten Etage wurde in die Kellerwohnung gerufen... Er nahm von den armen Leuten da« Honorar von einem Rubel an... Wie darf man noch den Wohltäter spielen, wenn der Wirt die Miete steigert I... Er wußte ja auch nicht, daß die Frau des Kranken den letzten Rubel hergegeben hatte und ihren Mantel im Leihhau« versetzte, um Arznei zu kaufen. Der Beamte auS der dritten Etage des linken Seitenflügels beschloß, sich nicht länger als Eato aufzuspielen... Unbestechlich- keit ist etwas Schöne«, aber wenn die Lebensbedingungen immer teurer werden, muß man auf den guten Ruf verzichten! Man nimmt, wa« man bekommt... Im Theater wurde der Galerieplatz, den der Mieter der Man« sardenwohnung im vierten Stock sonst zu kaufen pflegte, ander- weitig veietzt. Das Bureau im zweiten Hof verkleinerte infolge der erhöhten Verwaltungskosten da« Personal, indem es einen der beiden Hau»- diener entließ. Dieser bekam nicht gleich eine andere Hausdiener-
stelle, wurde Zeitungsverkäufer und vermietete eine« Winkel seiner Stube, in der er mit seinen drei Kindern wohnte, an einen Gärtnerburschen. Kurz darauf starben alle drei SKnder. ein« nach dem andern an Diphtherie . Der«ärwerbursche hatte seine Schwester besucht, deren Kinder an Diphtherie erkrankt waren, und übertrug die Krankheit auf die Kinder de? Hausdiener«.... Im Souterrain de? Haufe« wohnte ein Schuster. Gerade als der Verwalter die Nachricht von der Mieterhöhung brachte, bat die acht- jährig»«anjata um fünf Kopeken für ein Heft. Der Schuster rief: .Das Mädel hat genug gelernt!' und gab sie in eine Ballett- schule. Und die Echusterlehrlinge bekamen noch kleinere Portionen als tonst. Die Kette zog sich noch lange, vi« in» Unendliche hin. Und alle diese Dinge geschahen, damit ein junge« Mädchen in die Gesell- schaft eingeführt und ein junger Mann in« Ausland geschickt werden konnte. Komisch sürwahr! Und noch komischer, daß weder der Hausbesitzer, noch dessen Kinder von diesen Borgängen etwa« ahnten. Da« Rechenexempel des Hausbesitzers stimmte... (Berecht. Uebersetzung von St. Goldenring.s
haltbarmachen von Gemüsen durch Salz. Grüne Bohnen: 80 Pfund Bobnen, 1 Kilogramm Salz. Die Bohnen, die nicht holzig sein dürfen, werden gewaschen, abgefödelt. grob geschnitzelt oder in kleine Stücke gebrochen. Dann werden sie, mit dem angegebenen Salz gut untermischt, in Stein» löpse oder Holzsäßchen fest eingedrückt, und zwar so. daß sich eine Salzlake bildet. Bildet sich dieie nicht, so wird«in wenig stark ge- salzeneS Wasser darüber gegossen. Man bedeckt die Bohnen mit einem weißen, in Salzwasser durchgewaschenem Tuch, legt ein Holz- brettchen oder eine» Teller darüber und beschwert ihn mit einem Feldstein. Die Lake muß über den Bohnen stehen. Aufbewahrung: Da« Gefäß muß in einem kühlen Räume auf- bewahrt werden. Pflege: Die Bohnen müssen aller acht Tage nachgesehen werden. Steht die Lake nicht klar über den Bohnen, so müssen die schleimigen Pilze, die sich gebildet haben, abgenommen werden. Mau wäscht da« Tuch und da« Breltchcn gut und bringt die Bohnen wieder in Ordnung, wie bereits angegeben. Kochen der Salzbohncu: Die Bohnen werden S—S Stunden in kaltem Wasser ouSgewäsiert und dann wie frische Lohnen ge- kocht. Da» Salzwasser wird zu Suppen verwandt. E« können zn den eingelegten Bohnen immer wieder frisch« Bohnen hinzugefügt werden, bis der Topf gefüllt ist. Ebenso Iverden eingelegt: Riibstiele, Kohlrüben. Pilze: 1 Kilogramm Pilze jeder Art, Vi Pfund fein ge- schnilrene Zwiebel, 200 Gramm Salz. Die Pilze werden gewaschen und geputzt. Hierauf werden sie in leichtem Salzwasser einmal oufgelochi, aus einen Durchschlag ge- legt(gut abtropfen lassen!). ausgebreitet, etwas getrocknet, mit Salz und der Hälfte der augegebeneit Zwiebeln uutermischt, in Stein- töpse gedrückt und mtt den anderen Zwiebelscheiben bedeckt. Man beschwert sie init einem Bretlchen oder Teller. Auch hier muß sich etwas Lake bilden, die über den Pilzen steht, sonst muß sehr starke« Salzwasser zugegossen werden. Kochen der Salzpilz«: Sie müssen 3—« Stunden wässern und werden dann wie frische Pilze zubereitet, auch kann man sie mit KtUloffeto. siftd GraupeNvzusammeirkochen.„ Grüne> B-Phnew: in Flaschen: Sehr gut gesäuberte Flaschen, Korken. Pech oder Gip« oder Lack. Eine gesättigte Salz- lösung. Diese wird hergestellt, indem man in lL Liter Wasser 170 Gramm Salz auflöst, aufkocht und kalt«erden läßt. Die klein ge» brocheuen oder geschnippelicu Bohneu werden i» die Flaschen ein« gefüllt, mit der lalten Salzlösung Übergossen, dann die Flaschen verkorkt und übersiegelt oder mit Wasserglas verschloffen resp. überpecht. WasserglaSverschluß: AuS Schlemmkreide und Waffer- glas(in der Drogerie zu kaufen) wird ein Brei angerührt, mit dem der Korken oder«in über den Flaschenhals gelegte» Plättchen über- zogen wird. Der Brei mutz den Rand deö Flaschenverschlusse« vollständig bedecken. Tomaten in Salz(besonders kleine Tomaten): Die To- maten werden in einen Steintopf oder in eine Glaskrause gelegt, ein Tellerchen wird darüber gelegt und die Tomaten mit der oben angegebenen Salzlake Übergossen, der Topf verbunden und an einen kühlen Ort gestellt._ deutsche Klassiker im Iiööischea. Die Sprache der Ostjuden, da?„Jiddische ', ist in der Weise entstanden, daß durch die starke jüdische Auswanderung, die im lt.
und lä. Jahrhundert au« Deutschland nach Litauen und Polen sich vollzog, eine Fülle mittelhochdeutschen Sprachgule« nach Osten geschwemmt wurde. daS sich dann mit dem Hebräischen verschmolz. Der jiddische Dialekt hat sich im Lause der Zeil auch die Werte der Weltliteratur, und zwar ganz vorwiegend die der deutschen , zu- gänglich zu machen gesucht, wobei die deutschen Werl « zunmst wörtlich oder doch nur mit geringen Veränderungen ins Jiddische über- tragen wurden. Auf diese Weis« sind auch die deutschen Klainlcr in« Jiddische übernommen und dadurch den Ostjuden vermitkelr worden. Die„Wilnaer Zeitung' veröffentlicht hierüber einen fistelnden Aufsatz, dem z» entnehmen ist, daß von den Werken Goethe « irbr viele rnl Jiddisch« übersetzt tvorden sind. So gibt es vom ,Fanst' eine ganze Reihe von Uebersetzungen, z. B. von Baschower, Bleicher und Hermalin. Letzterer hat ferner auch den„Werlher", den „Götz",.illavigo' und.Egmont ' übersetzt. Wie sich Goethe im Jiddischen auSuimmt, da« mögen ein paar berühmte Zeilen der Lorrede zu„Werthers Leiden ' veranschaulichen. Es heißt da:.Un du. gute Seele, woß fielst(d. h. fühlst) aielche id. h. solche) jiffurim(Leiden), wie er Hot(hat) gesielt(ge- fühlt), schepf(schöpfe) trrest sTrost) von sein« Zorer«(Leiden) und lo«(lasse) doS dosige(diese«) Bichel(Buch) sei» dein Fremd(Freund), wenn du Host(hast) kein Masel(Glückt nit(nicht) zu durch eigene Schuld kennst nit(kannst nicht) gefineu(finden) kein besieren Fremd(Freund).' Schiller « historische« Pathos scheint dem jiddischen Gestbmack« weniger zuzusagen, und seine Werte sind daher seltener übersetzt worden. Die.Räuber' hat Kassel übertragen, auch haben Fintel »ud Harcnftein Schillersche Gedicht« übersetzt, so zum Beispiel der letzlere dem.Jüngling am Bache", der sich im Jiddischen in»doss Jingel beim Teich" verwandelt hat. Auch Lessing ist mehrfach übersetzt worden, natürlich vor allem„Nathan der Weise ", den Lineyli wörtlich übersetzt, Garin in erzählende Form übertragen hat. Auch.Emilia Äalotti" bat in Judson einen lieber- setzer gesunden. Zahlreich sind schließlich die jiddischen lieber- setzungen von Werken Heine«. DaS bekannte FrühsingSlied„Leise zieht durch mein Gemüt' stellt sich in der Uebersctznng vo» Korman folgendermaßen dar: SS' zihen still durch mein gemit Übliche gesangen. Kling, mein lleeneß frilingSlid Un farwig(d. h. wiegen) in klangen, Weit, weit kling, bis zenem hau« Wu die blumen seinen westn(wirst du) dort dersehen a roi<(«ine Rose) sog(sage) ich grüß(grüße) von danen(hier).
Notizen. �DieWinterspielzeit der Theater setzt wieder ein. Das Deutsche Theater rröffuet am Sonnabend mit Goethe«„Faust ", die Kammerspiele mit der.Gespenstersonate' und die VollSbühne mit Shakespeare « ,98a« Ihr wollt".— DaS Schiller-Theater 0. bringt Sonnabend Sailens Einakterreihr„Born anderen liier", da« Charlotlenburger Hau« bringt Gogol «„Revisor" neu einstudiert. — Ein Verein„Arbeiter-Hochschule E. V." ist mit dem Sitz in Berlin gegründet worden. Er bezweckt die Verbreitung wissenschaftlicher Bildung und Arbeitsweise untrr der. Arbeiterschaii und will an der Writtrentwicktung de« deutschen BolkShochschnl- wesen» selbständig milarbeiten. Er wird die bisherigen Arbeiter« Vorlesungen der Humboldt-Alademie fortsetzen. — Wilhelm H o l z a m e r s Todestag jährt sich am 28. August zum 10. Male. �Zii der Blüte seiner Jahre wurde dieser feinsinnige Mann dahingerafft, dessen Herz für alle« Gute und Groß« und Edle schlug. Die dichterische Bedeutung HolzamerS ist an' erster Stelle von der Deutschen Dichter» Gedächtnis- Slislung warm an- erkannt worden, indem sie verschieden« seiner Werke,»amenllich den prächtigen Volt«ron>an„Pcler Nockler' in hoher Auflagezahl auf» taufte, um sie an Volksbüchereien zu verteile». Jetzt hat die Stii- tung abermals eines der Bücher HolzamerS(den„Armen Luta»') in einer großen Zahl vo» Exemplaren erworben, um ihn tleincn Volksbibliotheken zuzuwenden. — Die Bekämpfung der M e h l m o t t«. Gegen einen arge» Schädling des Mehles, die Mehl motte, die in den Mühlen das Mehl völlig ungenießbar machen kann, ist ev gelungen, ein verhältnismäßig einfaches und vor allew wirksames Mittel zu finden. Man tötet die Mehlmotte und ihre Brut durch Blausäure- dämpfe, die für das Mehl weiter keine schädlichen Folgen haben. Wie im„Prometheus" berichtet wird, ist das Mittel bereit« in einer Mühle mit gutem Erfolge erprobt worden. Ein Feind unserer Lebensmittelversorgung kann nun unschädlich gemacht werden.
ZSj
/lnöers hjarmsteö.
Bon Jakob Knudseu. Er konnte an dem Tage mit keiner Arbeit recht fertig werden und konnte feine Gedanken nicht lioit dein Vieh los- lösen, daS trotz dem Verbot noch da unten im Moore stand. Sine Zeitlang am Nachmittag ging er ganz auf in dem Ge- danken: Genau das zu tun, was er selbst richtig fand, und dann die Obrigkeit und die Regierung und die alte Familie, kurz, die ganze elende Sippschaft mit ihm machen zu lassen, was sie wollten: Mochten sie ihn in Arrest bringen und auS- pfänden usw. bis er finden mutzte, datz der Augenblick dazu gekommen wäre, datz er sich mit ihnen befatzte und cS ihnen nach Verdienst heimzahlte. Doch dann fiel ihm sein Vater ein. Der konnte ja auch manchmal drauf loSgehn. aber im allgemeinen nahm er doch Rücksicht auf all diese Gesetze und Verordnungen und Gauner- streiche.— Noch vor Sonnenuntergang satz Anders im Boote des Bjerrehofs und ruderte zum Vorland hinüber. Von da ging er nach Hause nach dem Tanghof. Als er am Abend des nächsten TageS heimkehrte, brachte er drei vermeintlich gute Ratschläge mit, die zu befolgen er fest entschlossen war. Erstens: er sollte das Verbot auf der Stelle befolgen. Vor Verboten hatte Per Hjarmsted großen Respekt. Er hatte einmal viel Geld durch Nichtbeachtung eines Verbotes verloren und hatte darauf den Prozeß selbst ge- Wonnen, so datz das Ganze sich ausschließlich zu seinem Vor- teil hätte wenden können, wenn er im Anfang bloß nicht zu eigensinnig gewesen wäre. Also: die Rinder sofort aus dem Pajmoor nehmen!— danach gegen Kristen Faurholt geeicht- liche Vorladung beantragen.— Und endlich: unter keinen Umständen appellieren oder bei der oberen Behörde klagen; denn kam man zum Amtmann oder zum Obergericht, vom höchsten Gerichtshof ganz zu geschweigen, so wurde man erst recht hintergangen. Es könnte ja auch gar nicht anders sein, hatte der Alte gesagt, denn wenn diese Welt im argen läge. so müßten ihre größten Machthaber auch notwendig die größten Schurken sein. Der alte Amtmann Fibiger in Hjörring sei ja ganz gewiß ein gerechter Mann gewesen, aber er sei auch nur ein halbes Jahr Amtmann geblieben und dann redlich gestorben.
Außerdem hatte Anders seinen Vater gefragt, ob er wohl nicht Lust habe, den Tanghof zu verkaufen und zu ihm hinüberzuziehen. Der Alte war mit sichtbarer Freude darauf eingegangen. Im Laufe des Herbstes wollte er kommen. Anders ging noch an demselben Abend, als er nach Hause gekommen war. ins Pajmoor hinunter und nahm seine Rinder auS der Gerste heraus. Am nächsten Tage beantragte er auf dem Thinghof gegen Proprietär Faurholt gerichtliche Ladung wegen ungesetzlicher Benutzung von gemeinsamem Grund und Boden. Unmittelbar daräuf begehrte und erhielt Rechtsanwalt Bölling als Vertreter FaurholtS einen Aufschub von zwei Monaten, vom 20. August bis zum 20. Oktober. Anders wurde mehr von einem Gefühl von der Wunder- lichkeit der Welt als von ihrer Schlechtigkeit ergriffen, als er erfuhr, daß dem Kristen Faurholt dieser Ausschub ein- geräumt wäre. So wie ein Mensch sich über die possierliche und überraschende Art wundern mag,>me eine Krankheit ihn behandeln kann, indem sie mancherlei Gestalten annimnit, aber doch beständig auf dasselbe Ziel hinarbeitet,— so fühlte er sich überrascht zu sehen, daß die Sache sich gerade auf diese Weise anließ. Er benachrichtigte seinen Vater. Der kam und unter- suchte die Parzcllierungsdokumcnte, nicht bloß die deS Bjerre- Hofs, sondern auch die der anderen Anteilhaber vom Paj- moor. Der alte Per Hjarmsted erklärte sie alle für unbestrett- bar deutlich; wie er denn auch von etwa zehn Hüsnern in Harreby die gleiche Erklärung bekam: daß das Pajmoor ge- nieinsames. Besitztum und Kristen Faurholts Pflügen ungesetz- lich sei. Per Hjarmsted sagte bei der Abreise zu seinem Sohn. daß der Prozeß, sobald die Frist abgelaufen und er vor Ge- richt gekommen, auch gleich gewonnen sei. Und dann solle er doch sehn, ob er in Zukunft den Adjunkten Fischer nicht davon abbringen könne, so einen Aufschub zu gewähren. Jetzt beziehe er ja bald seist Altenteil auf dem Bjerrehof.— Anders mußte indes in den folgenden Wochen mit ansehen, daß Kristen Faurholt die Gerste im Pajmoor ein- erntete und vierzehn Fuhren davon nach Stavn heimfuhr.— Für seine eigene Uebertretung deS Verbotes mußte Anders eine Geldstrafe von SO Reichstalern erlegen.
DaS Verhältnis zwischen AndtrS und seiner Schwester war weniger gut tu diesem Herbst. Denn sie ging in be- ständiger Verwunderung über ihren Freund Niels umher, daß es wirklich einen Menschen gäbe, so liebevoll, so zärtlich und liebenswert wie ihn. Ihr Gesicht hatte immer diesen verwunderten Ausdruck gehabt, wie er sich häufig bei den hübschesten Frauen jener Gegend findet, aber früher hatte er gleichsam dem Leben, im ganzen genommen, gegolten,— letzt galt er nur dieser einen Tatsache. Es war nicht sonderbar, daß Nielv in sie verliebt sein konnte. denn sie war nugewöhnltch schön in dieser Zeit. Das Ferne in ihrem Blick ivar gleichsam näher gekommen und so lebendig geworden; sie war wie ein Märchen, das Wirklichkeit iverden will, wie eine weiße Rose , die errötet. Aber Anders fand es fast treulos von ihr. ihr Herz so entschieden dem Bruder Gjatridö zu schenken, denn er verstand weder Niels, noch Gjatrid, besonders jetzt nicht, wo er nie- malS mit Gjatrid zusammen war. Er verabscheute ihre Eltern— ohne daS mindeste Verstehen— am meisten jedoch ihre Mutter. Denn er hatte ein instinktives Gefühl dasür, daß in ihr dieses ganze Wesen auf Sttivn seine Wurzel habe. — Warum beugte sich Gjatrid vor solchen Eltern? Warum lief sie nicht von Stavn fort? sie war doch über Jahre. Sic konnteil doch den Trauschein lösen und die Alten auf Stavn sich selber überlassen.— Anstatt dessen sah man dieses Manns- bild Niels im Spätherbst. Ivo die Abende dunkel waren, hier herumrennen. Er bildete seinen Eltern ein, daß er draußen auf den Fjordgründcn bei Fackellicht Aale fange, was er freilich auch, de» Scheines wegen, einen Teil der Nacht über tat. Er mußte natürlich auch darüber berichten, wie es mit dem Adjunkten und Gjatrid stehe. Doch Anders erboste sich oft, wenn er cS mitanhörtc, denn cS war nie so, wie er es sich wünschte. Sic-suchte freilich nach Kräften dem Adsirnkten aus dem Wege zu geheu; aber er kam jedenfalls nach wie vor, und eigentliche Unhöflichkeit wagte sie ihm nicht zu bieten. auf daß er doch mit seinen Annäherungsversuchen hätte ans- hören können. Und all da« um dieser verfluchten Mutter willen!— Und dieser Niels wollte dieses Wesen nie so recht kräftig verurteilen. Er selber ging ja auch aus Schleichwegen einher und batte nicht den Mut, seine Eltern wissen zu lassen, wen er sich zur Braut erwählt hatte. Gort,, folgt.)