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Den Arbeitgebern stehen die mit der Leitung eine? Sewerbe- betriebes oder eines bestimmten Zweiges desselben detrauten Stellvertreter der selbständigen Gewerbetreibenden gleich, sofern ihr Jahres-ArbeitSverdienst an Lohn oder Gehalt LOW) Mark übersteigt. Die der Zuständigkeit des GewerbegerichtS unterstellten HauS- gewerbetreibenden sind, sofern sie gemäߧ 14 der Gewerbe- Ordnung den selbständigen Gewerbebetrieb angemeldet haben, als Arbeitgeber, andernfalls als Arbeiter wahlberechligl. Zum Zwecke der Aufstellung der Wählerlisten werden die zur Theilnahme an der Mahl berechtigten Personen der Eingangs erwähnten Wahlbezirke aufgesordert, ihre Stimmberechtigung unter Vorlegung der erforoerlichen Bescheinigungen innerhalb der nach ß 13 des Ortsstatuts vorgeschriebenen zweiwöchigen Frist d. i. vom IS. bis einschließlich 28. Juni d. I. und zwar an den Wochentagen von S bis 8 Uhr Abends, an den Sonnmagen von 12 bis 3 Uhr Nachmittags in den nachstehend genannten Anme.oestellen mündlich oder schriftlich anzumelden. Die Anmeldungen werden entgegengenommen:' 1. im Wahlbureau, Poststr. 16, 2 Treppen; 2. in der Turnhalle der 131./16S. Gemeindeschule, Tempel- Hofer-Ufer 2; 3. In der Turnhalle der 62. Gemeindeschule, Echmidstr. 38; 4. In der Turnhalle der 11S./170. Gemeindeschule, Skalitzer- straße 55/66; 6. in der Turnhalle der 23. Gemeindeschule, Straußberger- straße 9; 6. in der Turnhalle der J8./63. Gemeindeschule, Gips­straße 23 A; 7. in der Turnhalle der 16. Gemeindeschule. Kastanien- Allee 82; 8. in der Turnhalle der 118. Gemeindeschule, Pankstr. 7/8; 9. in der Turnhalle der 113/128. Gcmeindeschule, Thurm- straße 86. Als Ausweis genügen für den Arbeitgeber die Bescheinigung über die erfolgte Anmeldung deS Gewerbe­betriebes oder die letzte Quittung über Zahlung der Gewerbe- steuer, für den Arbeitnehmer «in Zeugniß seines Arbeitgebers oder der Polizeibehörde, sowie Steueiquittungen jc., daß er seit mindestens einem Jahre inner- halb des Gemeindebezirks wohnt oder in Arbeit steht. Formulare zu den schriftlichen Anmeldungen können in Empfang genominen werde» 1. im Wahlbureau Poststraße 16, 2 Treppen, während der Dienstslunden von Vormittags 8 bis Nachmittags 3 Uhr, und 2. in den oben genannten Anmeldestellen während der vor- geschriebenen Anmeldefrist. Es wird darauf ganz besonders aufmerksam gemacht, daß bei unterlassener rechtzeitiger Anmeldung das Stimmrecht ruht. Die näheren Bestimmungen hinsichtlich der Wahl, des Ories und der Stunden für dieselbe, die Abgrenzung der Wahlbezirke, welche mit den zur Wahl der Stadlverordneten-Versammlung gebildeten 42 Wahlbezirken der 3. Abtheilung zusammenfallen, die Anzahl der in jedem derselben zu wählenden Beisitzer, sowie die Bedingungen der Wählbarkeit werden seiner Zeit noch besonders bekannt gemacht werden. Berlin , den 26. Mai 1894. Soweit die Bekanntmachung deS Magistrats. Die Wahlen finden für Arbeitgeber in sämmtlichen Wahl- bezirken statt, mit Ausnahme des 9., IS., 19., 24. und 33. Wahl- bezirks, in welchen Beisitzer nicht ausgeloost wurden. Für Arbeitnehmer finden in folgenden Wahlbezirken da in diesen Beisitzer nicht ausgeloost wurden keine Wahlen statt. Im 3., 10., 16.. 22.. 24.. 2S, 31. und 34. Wahl­bezirk. Indem wir noch auf die Wichtigkeit der Einzeichnung in die Wählerlisten hinweisen, geben wir bekannt, daß vom Mon- tag, den 11. Juni ab, Formulare zu schriftlichen Anmeldungen auch auf dem Gewerkschaftsbureau, Rosenstraße 28 vorn 1 Tr. in den Geschäitsstnnden von Morgens 81 und Abends von 63 Uhr zu haben sind. Der geschäftsführende Ausschuß der Berliner Gewerkschasts-Kommisfion. Wieder Einer! Wie unsere Leser auS dem Annoncentheil ersehen, ist die Brauerei Wilhelmshöhe . E. Lehmann, Belforter- straße 4, aus dem Brauereiring ausgetreten. Herr Lehmann hat, wie uns versichert wird, von seinen Leuten niemanden entlassen. Vivat sequens! Zur Organisation deS Boykotts. Im selben Augenblick, wo die vereinigren Brauer durch die ihnen dienstbaren Preß- organe ein um das andere Mal versichern lassen, daß der Boykott auf den Bierkonsum ohne jeden Einfluß sei, derselbe sogar eher zu(?) als abnehme, suchen sie auf der anderen Seite den Kreis der unterm Boykott in Mitleidenschaft gezogenen immer mehr zu eine Feder ausgerissen, in Bälde einen neuen Redakteur. Diesem kommenden Mann geht ein bedeutender Ruf voraus.Gr war beimDeutschen Tageblatt" und es dauerte nicht lange, da lag das Aermste mit gebrochenem Genick auf der Wahlstatt, erwürgt von seiner Stiefschwester, derKreuz-Zeitung "; und er wandte sich zumKonserva- tiven Wochenblatt", und über ein Kleines, da war die Wöchnerin sanft verblichen. Neue Besen sollen gut kehren. Wohlan denn,»euer Redakteur, frisch auf, frisch auf, und hinein in die Gewässer! An dem politischen Testament des Herrn Pindter läßt sich mehr verdienen als blos die Sporen. In der letzten Zeit sind an den Anschlagsäulen zwei Plakate erschienen, von denen man hätte erwarten können, daß sie etwas sein und bedeuten würden, wenn eben Berlin nicht Berlin wäre. So aber ist es natürlich wieder der helle Jammer. Die Einladung der großen Kunstausstellung sieht aus, als hätte sie ein kniebeugefroher Wappenmaler des Mittelalters im Schlafe zusammendrvidirt, und beim Plakat der landwirthschaftlichen Ausstellung, da hört einfach die Weltgeschichte auf. Ein Ochs, ein Mädchen und ein Mann befinden sich auf dem Bilde. Der Ochs ist echt, das Mädchen ist schwammig wie ein Windbeutel und der Mann zeigt Zug für Zug den Typus des slavischen Leib- eigenen. Es ist ja möglich, daß diese Darstellung eines Bauern das himmelhohe Selbstgefühl der Herren Junker nicht gerade unangenehm kitzelt; aber den deulschen Bauer, der zur Aus- stellung gekommen, muß die Zornröthe über das Gesicht fliegen, wenn er sieht, wie in dieser Hundeseele von einem Mann seine ganze Klasse charakterisirt wird. Ad vocem landwirthschaftliche Ausstellung! Es ist wirklich sonderbar, welche Schicksale die Namen berühmter Männer haben. Hector , der trojanische Held, und Cäsar, der Kahlkopf, sind glücklich auf den Hund gekommen, es lausen tausende von vierbeinigen Cäsar's und Hector's auf der Welt umher. So schlimm ist das gerade nicht, was ich jetzt erzählen will, aber, ja... Nun... Kurzum, drunten im Treptower Park steht seit Mittwoch ein junger Stier. Er gehört der Marschrasse an, ist geboren am 17. April 1893, im großen und ganzen ein strammer Kerl, hat den zweiten Preis be- kommen und hört aus den Namen Ahlwardt . So steht auf der Tafel, die ihm zu Häupten hängt. Ich habe leider nicht herausbringen können, ob der Besitzer des Thieres sich zu den Anti- oder Philosemiten rechnet.--- vergrößern. So wissen Eingeweihte zu berichten, daß weitere 20pEt. der Brauerei-Arbeiter entlassen werden sollen und außerdem sind die vom Brauereikapital abhängigen Lokalbesitzer und Pächter in den Streit mit herein gezogen worden. Daß alle diese Maß- nahmen nur eine Verschärfung des Kamvfes im Ge- folge haben werden, ohne auf das Endresultat auch nur die geringste Wirkung ausüben zu können, liegt doch auf der Hand. Ob den Berliner Arbeitern zu ihren Versammlungen ein paar Lokale mehr zur Verfügung stehen oder nicht, ist doch sehr gleichgiltig. Ob die Pächter und Oekonomen eben so leicht auf die Arbeiterkundschast verzichten können, wird ja die Zukunft zeigen. Was aber die weitere Ent- lassung von Arbeitern betrifft, so kann diese die Erbitterung unter der übrigen Arbeiterschaft nur auf das höchste steigern, was der Durchführung des Boykotts sicherlich nur zum Vortheil dienen kann. Wenn aber die Herren vom Bierring ihre Reserven heranziehen, so werden die organisirten Arbeiter die Ant- wort darauf nicht schuldig bleiben. Hier heißt es Wurst wieder Wurst. So können wir mittheilen, daß seitens der Boykottkommission alle Vorbereitungen getroffen sind, die von den Brauern angeordnete Lokalsperre mit der Ver­öffentlichung der Liste sänrmtlcher Wirth- schaften, Budiker und Bierhändler, welche boykottirtes Bier verkaufen, zu beantworten. Daß weiterre einschneidende Maßnahmen folgen werden, ist sicher. Di? Herren mögen also nur fortfahren, Oel ins Feuer zu gießen! Von den bei der Enthüllungsfeier des Rösicke-Denk- malS in Pankow gehaltenen Reden haben wir gestern die selbst- herrliche des Arbeilgebers der Oeffentlichkeit übergeben, nach- dem wir vor einigen Tagen die vom Direktor Merten für den Vertreter der Arbeitnehmer. Genossen Gau- d o r f e r abgefaßte, aber von dem letzteren selbstverständlich nicht gesprochene Rede gebracht hatten. Heute wollen wir unser» Lesern die charakteristischen Eingangsworte der Einweihungsrede des Pastors E l s a s s e r mittheilen, um einmal recht deutlich zu zeigen, welchen schmerzlichen Gewissensqualen freigeistige, selbst- denkende, zur materialistischen Weltanschauung durchgedrungene Eltern infolge der kapitalistischen Wirthschaftsordnung aus- gesetzt sind, wenn sie zur Heuchelei gezwungen, mit gebundenen Händen zusehen müssen, wie die sreiheitsdurstigen Seelen ihrer kleinen Lieblinge in pietistischer Atmosphäre zu ver- trocknen drohen. Die Enthüllungsfeier des Rösicke- Denkmals.Kinderheim" genannt, das sich der Millionär und König von Gambrinus Gnaden zur Erinnrrung an seine 25 jährige Thätigkeit in der Schultheißbranerei, soivie in Anerkennung der erzielten Erfolge für 30 000 M. selber gesetzt hat, wurde mit dem von den Kindern gesungenen Choral:Der Herr hat Großes an uns gethan, deß' sind wir fröhlich", eröffnet, worauf Pastor Elsasser das Wort ergriff,um dem neu erbauten Hanse die kirchliche Weihe zu ertheilen und es in den Schirm und Schutz des Allmächtigen zu stellen." Er begann folgendermaßen: Sehr geehrte Festgenossen! Einen Gruß habe ich Ihnen zu bringen von dem Paul Gerhardt-Stift, von dem Mutterhause der Schwestern, die in diesem Kinderheim zu arbeiten berufen sind; einen Gruß aber auch von einem anderen Mutterhause, dem Elternhans da droben. Wie dieses Kinderheim gebaut ist im Geiste Gottes, der da ist ein Geist der Liebe und der Freundlichkeit und der Gütigkeit; wie wir soeben Gottes Lob erschallen hörten aus Hellem Kindermund, so soll es auch ein Gotteswort sein. welches die heulige Einweihnngsfeier einleitet. Es ist das Wort, welches einst Salomo zur Weihe des Tempels sprach und welches auch wir uns heute aneignen wollen. Laß. o Herr, Deine Augen offen stehen über dieses Haus Tag und Nacht. Das Kinderheim sei eine Stätte voll Gottesfurcht, voll Gottesfreude, voll Gottes Schutz..... Das Kinderheim soll die ihm anvertrauten Kinder aufziehen in rechter Zucht und schon im Kindesherzen eine heilig« Ehrfurcht vor Gott aufwachsen lassen. Es soll eine Stätte sein, wo Recht und Gerechtigkeit herrscht, wo Gehorsam und Unterordnung ge- fordert wird und das alles nicht ans Dienst der Menschen, sondern weil Gottesfurcht es so�will. Mögen alle Kinder, die hier weilen, daran denken, daß Gottes Auge auch ins Verborgene sieht, daß seine Augen auch über diesem Hause offen stehen Tag und Nackt; möchten sie die im Katechismus immer wiederholte Hauptsumme aller Gebote beherzigen: Wir sollen Gott fürchten und lieben.... Denn nicht wahr, Ihr lieben Eltern, das ist ja gerade Euer Kummer, daß Ihr Euren Kindern nicht alles so bieten könnt, wie Ihr so gerne, so sehr gerne möchtet: frische Luft, fröhliches Spiel, harmloses Zusammensein mit andern Kindern. Nun, das alles sollen Eure Kinder hier im Kinderheim finden. O möchte es eine Stätte voll rechter Freude sein; und rechte Freude ist immer nur die, bei der wir auch reinen Herzens an Gott denke» können; ja Gottes Freude soll hier herrschen."........... Man sieht so recht deutlich hieraus, wie das Kapital überall da, wo es sich die Krone der Macht aufs Haupt setzt, mit heiligem Eiser darauf bedacht ist, sich des geistlichen Segens und Schutzes zu versichern, um die kleinen Menschenkinder in strenger Zucht und frommer Sitte zu halten, damit sie später um so ge- fügigere Objekte der Ausbeutung werden. Immerhin haben die Eltern Mühe, die zwangsweise in die jugendlichen Herzen ge- säete blaue Passionsblume wieder auszurotten, um ver rothen Blüthe der Freiheit Luft und Licht zu verschaffen. Trotz alledem schleicht sich auch zuweilen selbst in diese heilige» Hallen, wo nur die Milch der frommen Denkungsart verzapft wird, der kleine Schalk Humor ein. In dem Schreib- hest eines der kleinen Knaben, den am letzten Sonntag seine älteren Geschwister besucht hatten, fand man am Montag eine furchtbare Entdeckung. Der fein säuberlich geschriebene Spruch:Hopsen und Malz, Gott crhalt's!" war durch fremde Hand in eine schreckliche Bier- Majestätsbeleidigung umgeändert worden. Der arme Kleine ist dabei ebenso unschuldig, wie jeder von Rösicke auf die Straße geworfene Brauer am Streik der Rixdorser Böttcher schuldlos ist, und doch kommt es zuweilen in einem unbewachten Augenblick schmunzelnd von seinen Lippen: Hopsen und Malz, Rösicke. b-halt's!" Auf die zum Besten der ausgesperrte» Brauerei- Arbeiter in denKonkordia- Festsälen" veranstaltete Gesangs- Matinee, die heute Sonntag stattfindet, machen wir unsere Leser hiermit nochmals aufmerksam. Durch Deklamationen und andere Vorträge ernsten und heileren Inhalts ist dafür gesorgt. daß es an vortrefflicher Unterhaltung nicht fehle. In Anbetracht des guten Zwecks steht zu erwarten, daß die Arbeiterschaft Berlins sich an diesem Fest zahlreich betheiligt. Billets sind an allen mit Plakaten belegten Stellen zu haben. Heiteres vom Bierkrieg. Neben den Sozialdemokraten und ihren Verbündeten ist dem Ringbier ein neuer gefährlicher Feind erwachsen, der demselben gleichfalls den Tod geschworen und den Garaus zu machen sich vorgenommen hat. Allerdings ist die Kampsesweise dieses Feindes grundverschieden von der- jenigen der Sozialdemokratie. Denn während diese den Bierkrieg dergestalt führt, daß sie sich des Genusses von Ringbier nach Möglichkeit, von boykottirtem Bier gänzlich enthält, wird von jener Seite der Bertilgungskrieg in der Weise geführt, daß recht viel Bier getrunken wird, und zwar nur Ringbier! Jedenfalls von der Erwägung ausgehend, daß das Bier, welches nicht getrunken wird, seinen Beruf verfehlt hat, andererseits aber auch wohl in der gutgemeinten Absicht, die armen Wasserfärber für ihre Verluste durch den Boykott zu entschädigen, haben Personen, Gesellschaften, Vereine, welche dem Borgehen der Brauereien Beikall zollen, sich die Aufgabe gestellt, größtmöglichste Quantitäten Ringbier zu vertilgen. Zu diesem Zwecke werden Ringbierreisen, gesellige Zusammenkünfte, Aus- flüge und dergl. mehr veranstaltet und wird bei allen diesen Gelegenheiten in ostentativer Weise Ringbier gefordert und ye- trunken. Daß bei diesen Ringbierrittern das getrunkene Bier seinen Beruf und seine Wirkung nicht verfehlen wird, wollen wir gerne glauben. Daß aber dieser lustige Froschmäusekrieg geeignet sein sollte, die Wirkungen des Boykotts in erwähnens- werlher Weise abzuschwächen, wird wohl im Ernste niemand glauben. Mögen jene Herren und Damen zu Ehren des Ringbieres in äuloo jubilo leben, so viel sie wollen, ihre Völlerei wird die Enthaltsamkeit der Arbeiter- schaft nicht übertrumpfen; mögen jene Ringkämpfer auch noch so viele Lustbbarkeiten veranstalten, zur höheren Ehre des Ringbieres, die Arbeiterschaft verzichtet auf ihre Feite und Er- holungen zum Schaden des Ringbieres. Das Bemühen jener Gutgesinnten", den Brauerring aus der Patsche zu ziehen, ist also verlorene Liebesmühe. Daß das Bier, welches nicht getrunken wird, seinen Beruf verfehlt hat, scheinen die Herren Brauereibesitzer resp. Direktoren nachgerade auch zu verspüren, denn sie suchen ihr überschüssiges Bier auf alle nur halbivegs anständige Weise an den Mann zu bringen. Immer noch besser, es wird getrunken, wenn es auch kein Geld einbringt, als daß es umkomme. Unter diesen Umständen kann die Nachricht nur erheiternd wirken, daß für eine größere Festlichkeit, die zum Besten eines Kaiser Wilhelm- Denkamals, das vor dem Rathhause in Groß- Lichlerfelde auf- gestellt werden soll, am 16. ds. Mts. im Gesellschaflspark statt­findet und bei welcher Speisen, Getränke und auch Erfrischungen besonderer Art vonjungen Damen der besten Gesellschaft" an Büffets gegen beliebige Zahlung verabreicht werden sollen, neben dem Oekonom derHanpt-Kadettenanstalt, Premierlieutenant a.D. Brecht, welcher 1000 Butterbrote stiftet, auch Berliner Brauereien verschiedene Tonnen Bier zur Verfügung gestellt haben. Eine so günstige Gelegenheit konnten sich die Berliner Brauereien natür- lich nicht entgehen lassen. In Patriotismus sind ja die Herren Brauereibisitzer groß! So werden sie einmal ihr Bier los und ernten obendrein für ihre patriotische Denk- und Handlungs- weise noch die obligate öffentliche Anerkennung. Eine feine Kalkulation! Aber auch dieser Patriotismus wird ihnen nicht viel nützen, ebenso wenig, wie das durchsichtige Manöver, ihre Biergärten mit ihren Trabanten zu besetzen, welche auf Regimentsunkosten Zechen müssen. Dadurch will man einerseits den Anschein erwecken, daß die Lokale immer besucht sind, andererseits will man mit diesem künstlich geschaffenenAbsatz" prahlen. Derartige Manöverziehen" aber uichl und die Arbeiter- schaft läßt sich nicht verblüffen! Thatsachen beweisen! Zur ttnterstiiyuiig der Mitglieder desVereins Berliner Gasiwirthe" haben die Ringbrauereien denselben 2SpCt. Rabatt gewährt. Da aber trotz dieser Unterstützung der Konsum des ooykottirten Bieres von Tag zu Tag abnimmt, hat eine vom Vorstand desVereins Berliner Gastwirthe" zum Freitag ein- berufene Gastwirthsversammlung folgendes Hilsefleden be- schloffen:Ter Verein Berliner Gastwirthe richtet an die Berliner ndustricllen resp. an die gesammle wohlgesinnte Berliner inwohnerschast die dringende Bitte, sich den Bestrebungen der Berliner Brauereien und der Umgegend, sowie denen der Berliner Gastwirthe in dem gegenwärtigen Bierboykott anzuschließen, um dem durch nichts zu rechtfertigenden und gegen alles be- st e h e n d e Recht verstoßenden Boykott ein Ende zu machen, durch welchen nicht etwa eine Brauerei oder ein Gastwirth, sondern eine unberechenbare Zahl von Familien ins Unglück ge- stürzt werden." Ohne jeglichen Grund, aus purem Uebermulh, um ungünstigere Lohn- und Arbeitsbedingungen für die im Brauereigewerbe beschäftigten Arbeiter und um noch fettere Ge- winne für die Aktionäre herauszuschinden, Arbeiter aufs Pflaster werfen istnichts", entsprichtallem bestehenden Recht" nicht wahr? Die Arbeiterschaft wird demVerein Bertiner Gastwirthe" zeigen, daß auch diese Heulmeierei die Macht des Boykotts zu schwächen nicht vermag. Oder werden die Bier« könige 100 pCt. Rabatt bewilligen? Der Seyrrfaal derNational-Zeitnng", der. wie mehrere hiesige Druckereien, seit der Boykott- Erklärung Bier aus dem Bürgerlichen Brauhaus Dresden- Plauen bezog, soll jetzt gezwungen werden, dieses Bier wieder abzuschaffen und dafür R i n g b i e r zu führen. Das mag vielleichtnational" sein,liberal" ist eS aber nicht, höchstenswild-liberal" k la Roesicke!*) Eine bureankratische Leistung allererste« RangeS ist eine Zuschrift, die unserm Verleger am Sonnabend aus der Redakteurs.Heimstätte P l ö tz e n s e e zugestellt worden ist. DaS Meisterwerk lautet: Plötzensee, den 8. Juni 1894. Herrn Buchdruckereibesitzer Babing, Berlin SW., Beuthstraße. Von dem von Ihnen für die Beschäftigung deS Redakteurs Enders eingezahlten Vorschuß auf Arbeitslohn wird hier noch ein Nestbestand von 95 M. verwahrt, deren Zurückzahlung Sie bei derhiesigen Königlichen Direktion gefälligst beantrage« wollen. Königliche Gefängnißkasse. Teile. Wie hieraus beutlich hervorgeht, bilden die in Plöhensee verwahrten" 95 Mark das Eigenthum des Verlags des Vorwärts". Da man sich nun unseres Wissens in Villa Plötzensee nicht mit Depotgeschästen befaßt, so wäre doch nichts einfacher gewesen, als daß man Babing die ihm gehören« den>95 M. einfach per Postanweisung zusendete. Statt dessen wird erst in einem besonderen Schreiben einAntrag" verlangt, ohne welchen es unmöglich zu sein scheint, den überschüssigen Vorschuß ins Rollen zu bringen. Bei solcher Umständlichkeit be- greift man schließlich, daß den Beamten in Plötzensee die Zeit fehlt, die erforderlich sein soll, um den Arzt Dr. Gumplowicz bei der vergeblich verlangten Selbstbeschäftigung zu überwachen. Mittelalterliches. Einen Mummenschanz leistet sich am Montag die Schuhmacher-Jnnung zu Berlin . Sie feiert nämlich daS 610. Stiftungsfest im Ausstellungspark Hasenhaide bei boykottirtem Bier. Es geht auf diesem Fest u. a. folgender- maßen zu: Die löbliche Sitte", so schreibt uns die Innung in einer Reklame- notiz,hierbei die 24 ältesten Mitglieder der Innung feierlich zu speisen, wobei dieselben durch ebenso viele weißgekleideteMeisterlöchter bedient werden, bildet einen besonders hervorragende» Akt dieses ehrwürdigen Festes; die Greise werden durch ergreifende An- sprachen der Obermeister und Vorstandsmitglieder gefeiert. Nach beendeter Tafel folgt unter Musikbegleitung der große Festzug durch das herrliche Parketablissement mit allen feinen vielen Sehenswürdigkeiten; vor dem Denkmal deS Dichter-Schuhmachers Hans Sachs wird dann Halt gemacht und hier von neuem gelobt, dem Handwerk treu zu dienen, das Alter zu ehren, die Jugend zu lehren." Und dies Gelöbniß in einer Zeit, wo eine Maschine nach ») Anmerkung des Setzers. Allerdings will man unfern Kollegen von derNational- Zeitung" das Bier aus dem Dresdener- Plauen'schen Brauhaus verbieten, aber aus einem viel tieferen Grunde, nämlich aus dem Plauen 'schen. In den nächsten Tagen wird man ihnen noch das Echte verbieten, weil München durch zwei Sozialdemokraten vertreten ist, ferner werden sie fortan zum Frühstück aus demselben Grunde auf� Hamburger Rauchfleisch dreifach verzichten müssen, ebenso auf Kieler Sprotten, Brauns chwe'iger Leberwurst, Königsberger Fleck. Magdeburger Sauerkraut, Straßburger Gänseleber-Pasteten u. s. w.. schließlich sogar auf Schweizer Käse, weil(nach Schiller ) aus den Bergen die Freiheit wohnt.