Unterhaltungsblatt öes vorwärts
Die wirtsthastlichen Verhältnisse in St. Petersburg . In seinem Bericht über seine Petersburger Eindrücke schreibt der Berliner Korrespondent des.Nieuwe Rotterdamsckie Couranl'— der mit Erlaubnis der russischen Regierung einige Wochen in der Hauptstadt weilte— über die Lebensverhältnisse: Die Leute auf der Straße sahen noch alle wohlgenährt aus, so daß man den Eindruck erhielt, daß sie trotz der phantastisch hohen Lebensmittelpreise und der Schwierigkeit in deren Beschaffung noch keinen ernsten Mangel litten. Ich habe nicht einen Augenblick, auch nicht während der ernstesten Unruhen, die Auffassung bekommen, daß die Lebensmiltelnöte augenblicklich eine gefährliche politische Rolle spielten. Vorläufig war dies eine Geldfrage, und auf das Geld kommt es gegenwärtig bei den Petersburger Arbeitern nicht an. Praktisch gesprochen, ist alles fünfmal so teuer als in normalen Zeiten. Das trifft sowohl auf Nahrung wie auf Kleidung z�u. Es gibt keine Eßgelegenheit, selbst in den bescheidensten Peters- burger Gaststätten, wo man noch eine Mahlzeit unter 5 Rubel erhalten könnte. Im altbekannten, billigen Leinert zahlte man be- reits 6 Rubel. In guten Lokalen muß man mindestens 10 bis 15 Rubel für eine Mahlzeit auswerfen. Ißt man jedoch nach der Karte, so kommt man noch teurer weg. Eine Portion einfachen Gemüses erhielt ich nicht unter 2 Rubel und in den gewöhnlichsten Lokalen mußte ich für eine Portion Fleisch je nachdem 4—8 Rubel ausgeben. Eines Mittags kam ich zwischen Frühstück und Mittag« tisch ins Hotel, wo man zu bestimmten Stunden ein durchaus nicht teures Gedeck erhielt. Ich bestellte nur eine Kleinigkeit: ein Kalbs- koielett mit Kompott und Kaffee. Die Rechnung betrug 13,75 Rubel. Am letzten Abend meines Petersburger Aufenthaltes hatte ich in einem befferen Lokal zwei Freunde zu Gaste. Wir erhielten eine kleine Vorspeise, ein Hauptgericht und tranken zu dreien eine Floscfie Wein und Kaffee. Die Kosten betrugen außer dem Trinkgeld 85,50 Rubel. Ich konnte zufrieden sein, da ich von andern Lokalen gleicher Art ganz andere Dinge gehört hatte. Man darf auch nicht vergessen, daß Wein ein verbotenes Getränk ist, für das in Petersburg bis zu 20 Rubel die Flasche verlangt wird. Ein Vorteil bei alledem war, daß man nach dem 1. s14.) Juli gewöhnlich kein Trinkgeld mehr bezahlte. Eines Abends gab es keine Bedienung mehr im Hotel. Mein Bett mußte ich selbst machen. Am nächsten Tage ging es ebenso zu. Im Lokal bedienten die Köche mit ihren Lehrlingen. Aber des Abends war der Streik schon zu Ende und die Zimmermädels, Kellner und Hausknechte hielten aufs neue ihren Einzug. Mein Tartar bot mir strahlend vor Freude, daß es zu Ende war, wieder seine Dienste an und hielt mir eine Rede, die fast den ganzen Wortvorrat einer Anzahl europäischer und asiatischer Sprachen anschuitt. Das Personal hatte gestreikt, um eine feste Entlohnung zu be- kommen, damit es nicht mehr von der Freigebigkeit der Gäste ab- hängig sei. Die Chefs hatten es einen Tag darauf ankommen lassen, damit ihre Gäste sähen, was dies bedeute. Dann war das Publikum reif für die neue Einrichtung. Die Wirte erhöhten die Preise um 15—35 Proz. und versprachen ihrem Personal einen Anteil der Rechnung von 15 Proz.; nur das Publikum fuhr nicht gut dabei, es halte aber schon nach wenigen Tagen das angenehme Gefühl, das Trinkgeld einzusparen. Und so waren alle zufrieden. Ich habe noch einmal versucht, ein Trinkgeld zu geben, aber die Kellner waren standhaft und weigerten sich liebenswürdig und ent- schieden, es anzunehmen. Nur in den Luxuslokalen, wo der ver« botene Wein noch eine Rolle spielt, war das Trinkgeld noch ge- bräuchlich. « Die Läden in Petersburg sahen recht ausgeraubt auS. Schuhe waren freilich überhaupt nicht mehr zu bekommen, selbst gegen Preise von hundert Rubel. Auch an Kleidungsstücken war die Auswahl nicht mehr so groß. Nie sah man in den Auslagen eine Preis- angabe. Alle Sorten Delikatesten waren grenzenlos teuer. An Früchten herrschte bereits Ueberfluß, obwohl man dies den Preisen nicht an- merkte. Erdbeeren kosteten im Juli das russische Pfund(412 Gramm) 2 Rubel und mehr; schöne Kirschen 3 Rubel. Das Leben in der eigenen Haushaltung war verhältnismäßig nicht so teuer als im Gasthaus, dafür aber um so vieles schwieri- ger. Wohl konnte man alles bekommen, aber gegen viel Geld und viel Umsicht. Die Fleischpreise waren unterschiedlich. Gutes Kalb- fleisch kostete im Laden mit Knochen 2—3 Rubel, Rindfleisch 1—2 Rubel das russische Pfund. Viele Haushaltungen hatten sich jedoch zu Gesellschaften vereinigt und kauften nur beim Grossisten. Sie ersparten dadurch fast 40—50 Proz. der hinaufgeschraubten Laden-
57] Inders hjarmsteö. Von JakobKnudsen. „Und wahr ist es doch. Aber er hat auch gesagt: Wozu fragen Sie mich danach. Mads Kristensen?— Da habe ich gesagt: Ja, Herr Adjunkt, die Leute haben nämlich ge- munkelt, daß das Zimmer der Wirtschafterin ein bißchen nah an Ihrer Schlafkammer wäre. Aber da hat er geantwortet und gesagt: Nein, Mads Kristensen, da liegt Jungfer Gjatrid nicht, denn die alte Wirtschafterin ist noch nicht abgereist. Aber wenn sie auf und davon ist, so, denke ich wohl, wird Jungfer Gjatrid dahinein ziehen." Diesmal lachte weder Jens Vegger noch der Großknecht. Anders zerschmetterte zwar des Mads Kopf ganz gewiß nicht mit dem Feldstein, der da eine halbe Elle von seiner rechten Hand entfernt lag. Aber hätte Mads gewußt, wie sehr es ein Zufall war,— gleich der Be- wegung der Wagschale infolge eines Windhauchs— daß dies nicht geschah, so hätte er unzweifelhaft seinen Mund ge- halten.— Als die Arbeit wieder begann, hatte Anders in seinen Armmuskeln ein Gefühl, wie wenn er eine sehr schwere Last gehoben hätte.—— Vielleicht war Eifersucht mit in seinem Zorn, aber jeden- falls war ihm das ganz unbewußt. Dagegen richtete sich seine Erbitterung mit erneuter Stärke gegen Gjatrids Eltern und den Adjunkten, und zwar trotzdem er wußte, daß all' das Gravierende in des Mads Aeußerungen Lüge war.— Dies war ein Mittwoch,— der 24. April. Am Donnerstag geschah es noch mehrere Male, daß Mads Horsens wieder von Gjatrid Faurholt zu reden begann. Aber er hörte sehr schnell auf. Er war doch wohl darüber erschrocken, wie er am Tag vorher des Anders Aufruhr gesehen hatte. Am Freitagnachmittag kamen Adjunkt Fischer und der Gefangenwärter Nielsen auf den Bjerrehof gefahren. Der Adjunkt hat seine Jagdflinte mit. Anders war auf dem Feld, es wurde jedoch sofort nach ihm geschickt. Der Alte ging im Hof umher. Er bat die Fremden nicht, ins Haus zu kommen. Sie blieben auf dem Wagen sitzen.— Als es etwas lange dauerte, bis Anders kam, konnte er doch zuletzt seine Ungeduld nicht bezähmen, sondern trat an das Fuhrwerk heran, legte seine Hand auf das Kreuz des einen Pferdes und sagte:„Mit Verlaub zu fragen, in
preise. Das frühere Regierungssystem hatte diesen Vereinigungen entgegengearbeitet und darum fehlte den Leuten die Erfahrung. So hatten sie in primitivster Weise begonnen, indem die Bewohner ein und derselben Mietskaserne sich zusammentaten. Mit der Zeit kamen dann noch Verwandte und Bekannte der einzelnen Familien hinzu. Dann war man mächtig genug, einen leerstehenden Laden der Straße als Lager mieten zu können. In der Vereinigung fand man schließlich Menschen, die sich auf diesen oder jenen Artikel ver« standen, und denen übertrug man den Einkauf nnd die Verteilung. Viele solcher Vereinigungen wuchsen so an, daß sie bald die Sache eigenem Personal übertragen konnten. Hatte man die„Robstoffe" beisammen, so war das immer noch kein Mittagstisch, denn zunächst mußte das Brennmaterial gefunden werden. Aber eZ gab keine Transportmittel für das Holz, das die Hauptstadt nötig hatte. Und die Holzhacker ver- langten unerhörte Löhne. Das Brennbolz war also rar und teuer. Bereits im Juli waren die Preise elfmal so hoch wie in Friedenszeiten. Jemand, der eine große Etage bewohnte, erzählte mir, daß ihn sein Brennstoffvorrat für den Winter 5000 Rubel gekostet hätte. Die Leute mußten also mit ihren Brennmitteln äußerst sparsam umgehen. Bestimmte Familien ver« einigten sich, um aus dem gleichen Feuer zu kochen. Daher kam es, daß sehr unregelmäßig gegessen wurde, weil man warten mußte, bis man mit seinen Kochtöpfen an der Reihe war. Auch das gemeinsame Kochen verschiedener Familien kam bald in Schwung. Natürlich hatte Petersburg auch seine Wohnungsnot. Aber wer einmal unter Dach war, hatte es gut. Die Hauseigentümer durften die Mieten nicht erhöhen und auch nicht kündigen, selbst wenn die Verträge abgelaufen waren. Niemand gab da natürlich seine Woh- nung auf, und es war in Petersburg nicht möglich, auf normalem Wege eine Mietwohnung zu finden. Man mußte erst einen Mieter auskaufen. Mit diesem Auskaufen wurde ein schwunghafter Handel getrieben. Die Vermittler schnüffelten Umzugslustige auf, lauften das Mietrecht für ihre Wohnung, das sie an Wohnungsuchends mit hohem Gewinn weiterverkauften. * Finanziell gut hatten es die Arbeiter. Die wildesten Forde« rungen, deren Erfüllung wohl einer Sabotierung der Industrie nahegekommen wäre, waren vorbei. Der zunehmende Einfluß der Fachorganisationen brachte wieder mehr Festigkeit in daS Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter. Aber die Löhne hatten auch gegen früher eine beträchtliche Höhe erreicht, was allerdings nickt unnötig war. Man sah es den Petersburger Arbeitern an Kleidung und Aeußerem an, daß es ihnen trotz Teuerung und Not noch nicht schlecht ging. Elend war nur die Lage der kleinen Be- amten, deren Gehälter nicht gestiegen waren. Nirgends in Europa , selbst nicht in Oesterreich-Nngarn, hat das Geld seinen Wert so eingebüßt wie in Rußland . Nichtiges Geld sah man überhaupt nicht mehr. Die alten Hartmünzen waren gar nicht mehr in Umlauf. Während der ganzen drei Wochen, die ich in Petersburg verblieb, sah ich ein einziges Mal ein russisches Geldstück, und zwar hatte es ein kleines Mädchen in einein Volks« viertel zwischen den Fingern, als es in einen Laden trat. Alles bezahlt man mit Papier . Man hatte KriegSgeld in Papier von 1, 2, 3, 6 und 50 Kopeken, dazu Briefmarken. Und lästig war«S, daß so furchtbar wenig großes Papiergeld in Umlauf war. Bei der ungeheuren Teurung aller Dinge brauchte man doch gerade dieses..._
Ein unbekannter Srief von Theodor Storm . Zu den Wenigen, die frühzeitig Storms ganzen dichterischen Wert erkannten und da? deutsche Volk nach Kräften auf diesen seinen Dichter hinwiesen, gehört Storms jüngerer Landsmann, der Philo- soph und Sozialforscher Professor Ferdinand Tönnies in Kiel . Er durste zum 100. Geburtstage seines verehrten väterlichen Freundes nicht fehlen, und so veröffentlicht er denn bei Karl Curtius in Berlin feine und festelnde.Gedenkblätter", in denen er seine Er« innerungen an den Dichter niedergelegt hat. Zum besonderen Schmucke gereicht diesem Büchlein ein der letzten Lebenszeit Storms entstammender, bisher noch unveröffentlichter Brief. Der Empfänger des Briefes war der 1896 im besten Mannesalter ver- storbene Dichter Johannes Wedde , dessen 1838 erschienene kleine Schrift„Theodor Storm , einige Züge zu seinem Bilde" dem Dichter nicht geringe Freude gemacht hat. ES interessierte ihn auch lebhaft, daß der Verfasser Sozialdemokrat war, sich auch wohl in einem Be« gleitschreiben als solchen vorgestellt hatte, denn Storm hatte sich mit Tönnies wiederholt über den Sozialismus ausgesprochen, und zwar mit der Sympathie eine? Menschenfreundes, der kein Politiker sein wollte. StonttS vom 15. Mai 1888 aus Hademarschen datierter Brief lautet:
welcher Angelegenheit kommt der Adjunkt heute nach dem Bjerrehof?" „Ich werde ein Verbot dagegen erlassen, daß Ihr Sohn in Zukunft unten von den Wiesen Vieh an sich nimmt." „Auf seinen eigenen Wiesen!" rief Per Hjarmsted. „Es ist so viele Jahre hindurch Sitte gewesen, daß die Bewohner des Kirchspiels Harreby ihr Vieh auf diesen Wiesen in Gemeinschaft geweidet haben, daß es sehr bezweifelt werden muß, ob die Handlungsweise Ihres Sohnes gesetzlich gewesen ist.— Aber er kann ja einen Prozeß gegen Proprietär Faur- holt ansttengen und die Frage durch Urteilsspruch entscheiden lassen." „Genau so wie mit dem Pajmoor?" „Genau so wie mit dem Pajmoor," antwortete der Adjunkt ganz ruhig. Es war deutlich, daß der Alte nicht recht wußte, was er im Augenblick tat,— er schwankte auf den Beinen, und es war etwas Tappendes in seinen Handbewegungen. Erst packte er das Vorderbrett des Wagens, dann das Sitzleder, und dann tastete er dem Adjunkten über die Brust und"erfaßte seinen einen Arm:„Sie sollen sich in acht nehmen l' sagte er,„jetzt sollen Sie sich in acht nehmen bei dem, was Sie tun!" Der Gefangenwärter hob seinen dicken Stock und sagte: „Hören Sie mal, Sie alter Mann! Nehmen Sie die Hand weg! sonst bekommen Sie eins über die Finger!" In diesem Augenblick sprang Kirstine Hjarmsted, die auf dem Treppenstein gestanden und zugesehen hatte, hinab, l ief zu dem Wagen hin und ergriff den Alten:„Ach, lieber Vater! — bleib doch von denen weg!" Der Alte ließ sich ein paar Schritte beiseite führen. „Ja," sagte der Gefangenwärter drohend,„die alte Person da mag sich nur vorsehen. Werden wir beiden mit- einander zu tun bekommen, so ergeht es ihm am schlimmsten!"-- Jetzt kam Anders zuni Tor herein. Sein Vater ging schnell auf ihn zu,— aber so taumelnd, wie wenn er zuviel gewunken hätte.— Er begann sofort mit fast weinender Sttmme seinem Sohn von den Fremden und ihrem Vorhaben zu erzählen.— Anders schob ihn behutsam beiseite und ging an den Wagen heran.— Er grüßte niemand. Der Adjunkt machte sich gleich daran, das Verbot vor- zulesen.— Als er serttg war, faltete er das Dokument zu- sammen, legte es in ein blaues Kuvert und steckte es in die
Sehr geehrter Herr I Eine stete Kränklichkeit oder vielmehr ein stetes Mißglücken des Wieder-Zurechtlebens nach einem fünf- monatigen Krankenlager 1386/87 hat mich bis jetzt verhindert, Ihnen Dank und Anerkennung für„einige Züge zu meinem Bild" auszu« sprechen. Wollen Sie diese, wenn auch etwas verspätet, nicht ver- schmähen. Zwar kann ich nicht überall mit Ihnen gehen, und darf auch nicht zu hoffen wagen, was Sie als eine spätere Wirkung meiner Dichtung ausstellen; aber Sie haben einzelnes, was auch mir von Bedeutung erschienen, hervorgehoben, an dem man bisher vorbei gegangen ist, und die Freude und der Mut, mit dem Sie, waS ich in dem langen Leben habe ausgehen lassen, betrachten und sich darin versenken, das tut wohl, wenn man fühlt, daß nun doch endlich die Zeit des Kräfteverfalls und Greisentums gekommen ist. Wenn ich einmal gesagt habe, daß die Novelle die Schwester des Dramas sei, so habe ich dadurch nur mehr die Stellung der ersteren in der Prosa« mit der des letzteren in der VerSdichtung vergleichen wollen, und daß beide zu ihrer Vollendung der Knapp- heit und eineS im Mittelpunkt stehenden Konfliktes bedürfen, von dem aus sich das Ganze organisiert. Im übrigen gehört der Epik — cum gn.no saJis— doch wohl mehr das Leiden, der Dramatik die Handlung an. Daß ich allzeit meinen eigenen Weg gegangen bin, die? gute Zeugnis habe ich wohl verdient, wie oft hat man mich zu anderen Wegen verlocken wollen; ich bin nie auch nur in Versuchung ge- raten. Also noch einmal meinen Dank und meinen herzlichen Gruß. Ihr ergebener Th. Storm. _
Moissis Vieüerkehr. Nach dreijähriger Abwesenheit von der Stätte seiner Erfolge ist Alexander Moissi aus Kriegsstürmen und Gefangenschaft zurückgekehrt. Am Sonnabend spielte er zum ersten Male wieder im Douffchen Theater den Danton in Büchners von heißestem Atem und hellstem Geist erfüllten RevolntionSdrama. Moissi hat sich bei seinem vorangegangenen Wiener Gastspiel über die Einwirtung seiner schweren Erlebnisse ausgelassen, und man merkt es seinem Spiel an: sie haben ihn ernster, tiefer, innerlicher gemacht. Er ver- einfacht aufs äußerste. Den holden Künsten, die zuvor die Jugend entzückte, hatte er freilich schon zuvor entsagt. Er hatte schon be- gönnen, aus dem Bereich des musikhaften Vortrags, des Wort- mtd Rhythmusrausches ins Charakterland überzusiedeln. Dieser Prozeh ist jetzt beendet. Und Dankm gab uns die erste Probe davon. Ol das die glücklichste Wahl mar für sein Wiederauftreten? Gerade dieser Büchnersche Danton hat neben all der müden Melaitcholie, die Moissi jetzt liegt, noch all den Glanz des spielerischen Geistes, das Funkeln der Ironie und das Leichtbeschwingte auch im Entsagen. Vielleicht war Moissi noch zu angespannt und so wurde es sein Danton auch. Aber es lag auch in diesem zu schweren und auch wieder zu entrückten Danton ein eigenartiger Zauber. Hier wurde aus dem Innersten des Erlebnisses ein Abschluß mit allem sichtbar, dem ei« Blick hinter die Schleier der Maja vergönnt gewesen. Aber die alte Kraft, das Feuer der Beredtsamkeit wurden in der großen Anklagerede wieder wach, auch die Stimme hatte wieder ihr Metall, aber doch blieb der Eindruck: dieses ist ein anderer Danton, als er in uns lebte(wobei an die ehemalig« Bonnsche Theaterei natürlich nicht gedacht wird). Wir werden diesen neuen Moissi mit gewecktein Interesse in neuen Aufgaben am Werk sehen.— r.
Notizen. — Vorlesung. Im Lessing- Museum liest Prof. Hans Draheim am Tonnerstag nngcdruckte„Märkische Balladen". — Die große Berliner Kunstausstellung in D ü s s e I d o r f hatte großen Erfolg. Es wurden bisher für über 440 000 M. Bilder verkauft, davon 60 250 M. an den Staat. Es wird daher auch die nächste große Berliner Kunstausstellung wieder in Düsseldorf stattfinden. — Genossenschaftliche Literatur wird als Liebes- gäbe kostenlos ins Feld und in die Lazarette gesendet. Wer sich über das Genossenschaftswesen im allgemeinen oder über bestimmte genossenschaftliche Fragen unterrichten will, mag an die Gesellschaft für genossenschaftliche' Kultur. Eßlingen , Heimstätten schreiben.— Die gleiche Stelle bittet um lleberlassung solcher Literatur. — Der E n ck e s ch e Komet, der jetzt wieder fällig ist, wird von Prof. Wolf in Heidelberg im Sternbild der Fische beobachtet. — Eine neue Gorilla-Art entdeckt. Der schwedische Forscher Elias ArrheniuS hat auf seinen Jagdfahtlen in Zentral- afrika eine neue Gorilla-Art angetroffen und einige Exemplare davon nach �Schweden übergeführt. Professor Einar Lönnberg hat eine Untersuchung der Tiere vorgenommen und gibt seine Beobachtungen demnächst heraus.
innere Tasche seines Pelzes. Dann nahm er den Zügel aus der Hand des Gefangenwärters, der ihn gehalten hatte. während er selber las, drehte den Wagen und fuhr zum Tvr hinaus. Währcild der Adjunkt las, dachte Anders an nichts, worauf er sich später besinnen konnte;— dagegen dessen. was der Adjunkt tat, von dem Augenblick an, als daS Vor- lesen beendet war, bis dahin, wo der Wagen verschwand,— dessen entsann sich Anders hinterher haarscharf, jeder kleinen Bewegung: denn während das vor sich ging, senkte sich— gleichsam ganz von selbst, und als ob es etwas völlig Neues wäre, woran er vorher nie gedacht hätte— der Entschluß in des Anders Sinn nieder, den Adjunkten Fischer zu erschlagen. Er hatte ein Gefühl in Gemüt und Sinnen,— fast wie wenn es bereits geschehen wäre. Er war ganz still und von dem gegenwärttgen Augenblick weit entfernt.— Seines Vaters Worte klangen so unangenehm heiß und heftig und lärmend in seine Ohren. Er ließ ihn schwatzen, erwiderte beinahe nichts darauf. „Nun wollen wir sie von einer anderen Seite fassen", sagte der Alte,„woran sie nicht gedacht haben. Wir wollen nichts von Faurholts Vieh verkaufen; aber wir können es hier auf dem Hof im Stall stehen lassen,— das kann uns keiner verbieten." „Das ist uns doch verboten l" sagte Anders gleich- gültig. „Nein, das Vieh von unfern Wiesen zu ziehen und es zu binden, so daß es nicht hinauskommen kann, vermag uns niemand zu verbieten.— Aber wir dürfen es nicht verkaufen. — Und er kann es ja holen lassen, wenn er will,— ohne Bezahlung. Das heißt nicht: ,an sich nehmen'. Und das können wir tun, so oft es auf die Wiesen kommt.— Was sagst Du dazu, Anders?" „Meinetwegen könnt Ihr tun, ganz was Ihr»vollt. Mir ist es gleichgültig."--- Der Alte ging an diesem Nachmittag und am Abend vor dem Hof umher und spähte, unt zu sehen, ob jetzt das Vieh von Stavn gleich nach dem Verbot sich wieder unten auf den Wiesen zeigen würde. Seit der Auktion hatte Faurholt nämlich seine jungen Rinder im Stall behalten; er hatte sich nicht dazu bequemen können, ihnen einen Bich- jungen in die Wiesen hinunter mitzugeben.— Doch an diesem Tage kamen sie nicht.— Eortsi folgt.)