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wunöee der Kriegschirurgie. Die Entfernung von Steckgeschossen au« dem Herzen, die Herz- naht und andere auherordenllich schwierige Eingriffe, die in früheren Kriegen kein Feldarzt wagte, führt der heutige Kriegschirurg un- bedenklich, gewöhnlich erfolgreich au«, und Fälle, an denen früher selbst der FriedenSarzt verzweifelt wäre, wie der Wiederaufbau von Gesichtern nach furchtbar entstellenden Kiefer» und Gesichtsschüssen, dringt der heutige Kriegschirurg zur glücklichen Heilung I Fu welch ungeahnter Höhe die gesamte KriegSchirurgie in den dre» Jahren de« Weltkriege« aufgestiegen ist, hat unlängst einer unserer be- deutendsten Chirurgen, der BreSlauer Professor Küttner, der als be- ratender Chirurg im Felde seine Kunst ausübt, in einem Vortrag dargestellt, den jetzt die»Deutsche Revue" einem größeren Kreise zu- gänglich macht. Der konservative Grundsatz de« großen Kriegschirurgen v. Bergmann. der Operationen an der frischen Kriegsverletzung ganz vermeiden und der Wunde zunächst Ruhe lassen wollte, hat heute abgesehen von Jnfanteriegeschoßverletzungen— seine Gültig- keit eingebüßt. Gerade die grundsätzliche Frühoperation der Bauchschüsse gehört zu den größten Errungenschaften moderner KriegSchirurgie. Bei diesen Verletzungen beträgt die Sterblichkeit 80—90 Proz. bei abwartender Behandlung. Heute operiert man so zeitig wie möglich im Feldlazarett, und da« erfreuliche Ergebnis ist, daß über die Hälfte der Bauchverletzten, die in die Feldlazarette gelangen, am Leben erbalten werden. Aehnlich geht eS mit der Frühoperation von Schädelschüssen. Jetzt schreitet man rechtzeitig zur Trepanation(Schädelöffnung), ehe die Infektion von außen her die zertrümmerten Hirnmassen erreicht, ja man wagt, was früher ganz undenkbar schien, den sofortigen operativen Verschluß der frischen Schädel- und Gehirnwunde. Da« Verfahren stammt von dem Nobel- Preisträger Baranhi; KüttnerS Schüler Jeger und der Marineober- stabsarzt Kaerger haben es vervollkommnet. Nach Ausräumung der zertrümmerten Hirnmassen, Entfernung aller Splitter und Glättung der Knochenwunde, wird die Lücke der harten Hirnhaut durch freie Ueberpflanzung von Fett oder FaSzie ersetzt, und die Knochenlücke durch Einpflanzung von Knochen aus der Nachbarschaft oder dem Schiencnbein oder auch durch Wiedereinsügung der Knochensplitter geschlossen. Die Erfolge sind geradezu verblüffend. Ist der Fortschritt der KriegSchirurgie dadurch, daß die kühnste Friedcnschirurgie gewiffermaßen an die Front verlegt worden ist, schon erstaunlich, so sind es nicht weniger die Fortschritt«, die durch verbesserte oder neu eingeführt» Hilfsmittel der Chirurgie erzielt werden. Hier ist eine Vervollkommnung der Röntgendurchleuchtung zu nennen, die von Prof. Holzkneckt stammt: die Röntgeneinrichtung befindet sich dabei im Unterstock, die Röntgenröhre ist in einem Kasten nnter dem Operationstische»nd die Handhabnng geschieht durch Kniehebel. Früher war man genötigt, im Dunkeln zu operieren, wie bei der Durchleuchtung' der Münchener Chirurg Grashey hat durch sein .Monokelkryptoskop" dein Chirurgen daS Tageslicht zurückgewonnen: das eine Auge erblickt das Arbeitsfeld im gewöhnlichen Licht, da« andere sieht am eingebauten Leuchlschirm daS Röntgenbild. Eine ebenso wichtige Einrichtung des Chirurgen hat sich bei schweren Brust- und Lungenschüffen bewährt: der Chirurg bedient sich da deS Sauerbruchschen.Druckdifferenzverfahrens", bei dem Sauerstoff in die Lunge eingeführt wird, wodurch sie aufgebläht wird. Küttner selbst hat mit diesem Hilfs- mittel ein paar durch Fliegerbomben hervorgerufene schwere Lungen- Verletzungen zur glücklichen Heilung bringen können, bei denen große Lungengefäße durch Bombensplitter zerrissen waren. Einer der Ver- letzten kam fast sterbend, puISIoS, mit schwerster Atemnot kämpfend und völlig ausgeblutet zur Behandlung, und es gelang, die schwere Brustverletzung, nachdem das Blut ausgeschöpft war und die Schuß» löcher der Lunge verschloffen worden waren, luftdicht zuzunähen. Der Heilungsverlauf war vollkommen glatt. AI « letztes Wunder der KriegSchirurgie sei schließlich eine Leistung genannt, die auf Rechnung der deutschen Serumforschung zu setzen ist: die Sterblichkeit an Wundstarrkrampf betrug vormals 80 bis 90 Proz. Heute ist der Starrkrampf völlig verschwunden. Die« ist daS große Verdienst Behrings, der die Serumbehandlung eingeführt bat, und des Leiters de« Feldfanitätswesen« v. Schjerning, der auf dem ersten Kriegschirurgentage in Brüffel die sofortige vorbeugende Einspritzung des Antitoxins bei Verwundungen angeordnet hat. nachdem man erkannt halte, daß eine kleine Gabe, sogleich nach der Verletzung eingespritzt, den Ausbruch der furchtbaren Infektion ver- hindert.
Lettische Sprichwörter. Mit dem Vordringen der deutschen Truppen in Livland kommen sie auch zu einer lettischen Bevölkerung, die sich ihre Ursprünglichkeit noch länger erhalten hat als die Letten in anderen Gegenden des russischen Reiches. Wohl kaum ein Volk hat so viele und so
treffende Sprichwörter wie das lettische. Ob«S sich um Leben oder Tod, um die guten oder schlechten Eigenschaften der Menschen, um die einfachsten Dinge und Erscheinungen in HanS und Hof und draußen in Wald und Feld oder um die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren handelt, fast stets kann der Lette mit einem Sprichwort aufwarten. Und viele von diesen, meist sehr alten Sprichworten treffen den Sinn dessen, was zum Ausdruck kommen soll, besser als unsere. Wenn«S bei uns heißt:.Wer A sagt, muß auch B sagen", heißt eS im lettischen Sprichwort:»Laßt ihr den Tenfcl in die Kirche, will er auch die Kanzel besteigen." Von einem un- gehobelten Menschen heißt eS:.Er ist in einer Tonne er- zogen und durchs Spundloch gespeist." lieber einen Wunsch, der nicht erfüllt wird, sagt das lettische Sprichwort:.Das Schwein wünscht sich Hörner, aber die Ziege gibt sie nicht." Statt des kürzeren deutschen Ausdrucks vom HanS in allen Gassen sagte der Lette umfassender:.HanS auf allen Bergen. HanS in allen Tälern". Von einem stark mißtrauischen Menschen wird ae- sagt:.Er fürchtet den Bären sogar im Hafer." Von einer gewissen Gleichgültigkeit über den Aerger im Verkehr mit den Menschen zeugt da» Sprichwort:..Mag man mich Wolf oder Bär schimpfen, wenn man mich nur nicht in den Wald treibt"..Einem Hunde wächst kein Wolfspelz" soll soviel heißen wie: ein armer Mensch wird selten zu Reichtum kommen. Ein viel gebrauchtes Sprichwort ist:.Wer Aepfel hat. der hat auch Gäste." An Stelle unseres:»Schreib die Schuld in den Schornstein", sagen die Letten:»Da« zahlt die Schaufel"(zur Aus- Hebung de« Grabes). Unser: Morgenstunde hat Gold im Munde" haben die Letten ersetzt mit dem Worte:.DaS Vögelchen, da« früh aussteht, wäscht auch früh seinen Schnabel." Soll die Schmeichelei vor Mächtigen getroffen werden, so sagt der Lette: ,J« mehr man die Katze streichelt, desto höher hebt sie den Schwanz." Das Sprichwort:.Abgeschnittenes Brot klebt nicht wieder an" soll vor Handlungen bewahren, die in der Uebereilung ausgeführt werden. Einem Menschen, der von einem Geizhais oder Grobian etwas erbittet, wird zugerufen:»Erbitte dir von Wölfen ein Lamm l" Von einem zerstreuten Profesior würden die Letten sagen:»Er sucht das Pferd, auf dem er reitet." Will man das Ende eines ver- fck-wenders voraussagen, so wird daS Sprichwort angewandt: .Sein Vermögen wird bei ihm so lange währen wie beim Hunde die Wurst". Statt unseres deutschen Sprichwort«:»Der hat sein Schäfchen im Trocknen", heißt eS im Lettischen:»Der hat seine Bienen schon abgesetzt." Wenn wir sagen:.Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", wenden die Letten das Sprichwort an:»Der Rabe bleibt ein Rabe, man mag ihn baden oder nicht." So gibt es noch viele lettische Sprichwörter, die alle von einer guten Beob- achtung des menschlichen Leben? und der umgebenden Natur Zeugnis geben._
Unsere Seefischer unö ihr§ang. Man schreibt un! au« norddeutschen Fischerdörfern: Viele Fischer- boote und Ewer liegen jetzt wie leblose Wesen im Hafen und am Strande unserer Fischerinseln. Der Fischfang hat durch den Krieg eine große Veränderung erfahren, er ist sozusagen außer Kurs ge- fetzt. Seit das dienstfähige Mannesvolk von den Inseln, von den Flußufern und den Halligen wacker in den HeereS- dienst getreten ist, hat manche alle, schon aus den Lltteil hockende Teerjacke sich wieder den Südwester aufgestülpt und die /Keljacke .angetreckt", um in Sturm und Wetter zum Fischfang hinaus zu fahren. Die Minengcfahr setzt ihrem Handwerk freilich draußen an den Flußmündungen und in offener See wesentliche Schranken, so daß nur ein ganz kleiner Bruchteil von Fischerfahrzeugrn während dieser Zeit tollkühn und wogemutig auslauft. Für viele meer- und wettercrprobte Wafferratten umschließen diese Fahrten ihren prickelnden und stolzen Reiz, und kehren sie heim vom Fischsang, so wissen sie manches schaucrvoll großartige Erlebnis zu berichten. Die stille Zeit wird bedachtsam dazu benutzt, Fahrzeuge. Klei- dung, Netze und was sonst zum Fang und zur Fahrt gehört, tn- stand zu setzen. Wer jetzt in eine? unserer Fischerdörfer kommt, sieht die Männer bei emsigen Vorarbeiten, vielfach durch Frauen- Hände unterstützt, bcsckmftigt. Am Strande sind die Taue und Netze zuni Flicken oder Filieren aufgehängt und ausgebreitet. Die Fahrzeuge selbst werden innen und außen sorgfältig aus- gebessert, und da so manche Rohstoffe gestreckt werden müffen, ersinnt der Fischer auch hier neue Hilfsmittel und Aus- wege. DaS Innere cineS� Fischerewers oder Fischerbootes ist eine schnurrige abgcschloffene kleine Welt, in der meist drei Häupter ihr Regiment führen: der Fischer oder.Kapitän", der Best- mann oder Knecht und der Junge oder Koch. Jeder hat seine selb- ständige Arbeit und seine eigene Verantwortung. Der Junge oder Koch hat neben der einfachen Herd- und Kllchcuarbeit die Reinigung deS Schiffes zu besorgen; er bezieht dafür einen Tageloh». Der Best-
mann oder Knecht liegt mit dem Fischer oder Kapitän dem Fisch- fang ob, er ist auch Steuermann zugleich und bat einen genauen Gewinnanteil am Fang. Winzige Koje», die zweckentsprechend ein- gerichtet sind, dienen zum Schlafen, Esse», Kochen. Es ist für alles gesorgt, und da der Fischer oft mehrere Tage draußen bleibt, Pflegt er auch seine Zerstreuung an Bord. Eine kleine Bibliothek, ein Musikinstrument ist fast immer an« zutreffen. Den größten Teil des Schiffes nimmt der Fischbund ein, da? ist der vom Wasser umspülte Behälter für die gefangenen Fische. Darin bringen sie ihren Fang an Schollen, Seezungen, Heringen, Stinten, Aalen u. a. m. heimwärts. Die Beute wird jedoch nicht auf den Inseln oder Dörfern abgeliefert, sondern in den großen Seestädten, in Hamburg und nach Altona , die beide berühmte, riesige Fischhallen besitzen. Hier wird der Fang übernommen und bezahlt, und von hier aus wandert er in den Kleinhandel und wird über Städte und Dörfer de» Binnenlandes verteilt. Jetzt reden die Seefischer schon viel von den bevorstehenden Herbst-HeringSsängen, die ihnen altgewohnte Arbeit, guten Fang und reichlichen Verdienst bereiten sollen._
die älteste deutsche Wohnung. Auf dem 301 Meter hohen, mit einer Ruine gekrönien Frauen berge bei Marburg , südöstlich von Cappel bei Marburg wurden seit einiger Zeit von Prof. Wolff aus Frank- surt a. M. Ausgrabungen vorgenommen, die den Nachweis stein- zeitlicher Siedelungen im sruchlbaren Gebiet des EbSdoner Grundes ergaben und eine Lücke in der BesiedelungSgeschichle Deutschlands während jener Kulturperiode ausfüllten. Auf dem Frauenbcrge selbst wurde eine Wohnstälte von eiförmigem Grundriß mit Feuer- stätte und Brondgrab freigelegt. In diesem Jahre wurde nun dort eine jener größeren Hütten von unregelmäßiger Gestalt festgestellt, wie sie für jene Kultnrperiode, die neolithische, bezeichnend gewesen sind. Die Hütte in ihrer Umgrenzung war in einzelnen Teilen be- reitS freigelegt. Sie gehört in die Stufe der Stichbandkeramik, wie sich aus aufgefundenen Scherben ergab, deren weiße Inkrustation teilweise noch erhalten ist. Außerdem wurden Tonperleu und vorzeitiger Siein- schmuck gefunden. In der Hütte ist deutlich der Küchenraum mit der Herdstätte, letztere durch Reste von Tierknochen, Mahlsteinen usw.. erkannt. Die Hütte, die einer großen Sippe Raum gewährte, tvar, was besonders wichtig ist, zum Teil auf den Trüminern einer älteren kleineren, ebenfalls steinzeitlichen Hütte erbaut, die ein Brandgrab und eine Herdstätte birgt. Auch hier wurden Tonperlen gefunden. Es scheinen noch mehr solcher Schätze im Boden der Marburger Gegend zu ruhen, die gehoben sein wollen. Bielleicht werden auch noch andere Wohnungen unserer Vorfahren nufgesiindcn, die ein noch ehrwürdigeres Alter auszuweisen haben. Notizen. — StormS Brief an Wedde. Der im.Vorwärts" au« de» von Ferd. TönnieS veröffenüichie».Gedenkblätlern" mitgeteilw Brief Storm» ist n i ch t m e h r u n v e r ö f s e n t I i ch t. Johannes Wedde hatte ihn in der Monatsschrift.Deutsche Dichtung" drucken lassen wollen, als Anwort auf die unwillige Behandlung, die seine klesne Schrift über den Dichter wegen ihrer Tendenzsarbe avdort erfahren hatte; aber Karl Emil Franzos , der diese Kritik auf dem Gewissen hatte, lehnte Weddes Gegenkritik und den Brief StormS als für weitere Kreise nicht genügend bemerkenswert ab. Daraus- hin hat Franz Diederich in einem Aussatz über Storm, Wedde und FranzoS den Brief im Mai 188V in der Leipziger Monatsschrift „Literarische Korrespondenz und kritische Rundschau"(Seite 292) ver- öffentlicht: er sank mit diesem Organ in Verschollenheit. — Wir stellen noch den Druckfehler richtig, daß Wedde nicht 1898, sondern 1890 starb. — Theaterchronik. Im Theater i. d. Königgrätzer Straße ist die Erstaufführung von SudermannS.Katzensteg" auf Donners- tag, den 27. Sept., verschoben. — Da».Deutsche National-Theater", Reinhardts neueste und größte Gründung, ist nunmehr handelsrechtlich ins Leben getreten. ES ist in Form einer Aktiengesellschaft gegründet, deren Kapital. 1 800 000 M. beträgt. Der Hauptgeldgeber ist Hermann Frenke!. Der ZirluS Schumann, der vom 1. April 1918 ab über- nommen, wird nunmehr dazu berufen fein, die auf Maffenivirlung und Ausstattung(im höchsten Sinne) hinanslaufenden Pläne des alle Möglichkeiten erschöpfenden Regisseurs Reinhardt zu ver- wirklichen. Hoffentlich führen sie nicht zur Beräußerlichung und Zersplitterung. — Neue Dramen. Hermann Essig , der unter den jüngeren Dramatikern für eins der stärkereu Talente gilt, aber trotz seiner 40 Jahre immer noch draußen blieb, ist endlich in Leipzig durchgedrungen. Sein Lustspiel»Die Glückskuh" ist dort im Alten Theater aufgeführt worden. Das Drama, noch unsicher im Stil, ist eine groteske Verspottung bäuerlicher Habgier.
»Hast Du einen Brief von mir bekommen, Gjatrid?" »Nein." »Dann hat ihn jemand genommen. Ich wollte Dich fragen, ivann Du mit mir in den Pfarrhof kommen möchtest? Ich habe den Trauschein gelöst." »Ach ja, ich will, Anders, je eher, desto lieber I Denn jetzt Hab ich nichts anderes als Dich. Und nur gilt auch das andere für nichts!"— Zugleich Jubel und Schluchzen bebten in ihrer Stimme.— Sie beugte sich zu ihm nieder, der etwas tiefer saß, und preßte seinen Kopf gegen ihre Brust. Er wurde ganz still. Er konnte ihr Herz schlagen hören. Es dauerte lange, bis sie wieder zu reden anfingcit. »An welchem Tag reist die Wirtschafterin?" fragte Anders. »In drei Tagen, am 3. Mai." »Zu welcher Tageszeit?" »Um Mittag. — Warum daS?" »Ja, denn cS ist ja fast notweudig, daß sie fort ist an dem Abend, wenn ich komme und Dich nach dem Pfarrhof hole." „ES nutzt doch nichts, daß Du mich holst," sagte Gjatrid. Erst in diesem Augenblick wußte Anders, daß er an dem Abend, am 3. Mai, den Adjunkten töten und gleich darauf Gjatrid mit nach dem Pfarrhof nehmen würde.— Er dachte daran, ob er cS ihr jetzt sagen sollte. Doch er meinte, es nicht zu können. Und sie hatte ja doch auch Zeit, ihm das Jawort zu verwehren, wenn sie nicht wollte— nach jenem. »Wäre der Pfarrer nur zu Hause gewesen, so wäre es ja am allerbesten gewesen, jetzt hinzugehen." sagte Gjatrid. und sie neigte ihren Kopf und wurde rot. Anders küßte sie vielmals deswegen. „Wann kommt er nach Hause?" „Morgen wahrscheinlich," sagte Gjatrid.—„Dann gehst Du wohl gleich zu ihm und sprichst mit ihm darüber, Anders. Denn er traut uns vielleicht nicht, wenn--- Ach ja— ob er uns überhaupt trauen will?" »Das Beste ist, ihm gar nicht davon zu sprechen, bis wir beide da sind," sagte Anders und zog Gjatrid an sich;„dann hat er keine Bedenkzeit." Doris, folgte
59] Inders hjarmsteö. Von Jakob Knudsen . Trotz dem Widerstand deS Alten ließ Anders den Ochsen am nächsten Tage ein paar Rationen Futter geben, da immer noch niemand von Stavn der Tiere wegen kam. Er konnte den Spektakel nicht anhören, den sie machten. Uebrigens wurde das Gefühl, außerhalb deS Ganzen zu stehen, in ihm stärker und stärker; er meinte, merken zu können, wie es zunahm, fast Stunde um Stunde.— Gegen Nachmittag brachte er seine Pferde auf die Weide. Er wollte hinüber und eine Ab- spräche mit Gjatrid treffen. Der Entschluß kam, gerade wie eS wünschte, ganz von selber. Er hätte ja ebenso gut gestern hinübergchn, er hätte es auch bis morgen aufschieben können— denn die zehn Tage waren noch nicht verstrichen:— aber nein,— nun sollte es heute sein. DaS war ein so herrlich sicheres Gefühl.— Er konnte immer noch weit auf dem Wtcsenweg hin das Brüllen dieser unglücklichen Ochsen hören. Er war sehr mitfühlend gegenüber Tieren und versprach sich selbst, sobald er heute abend heimkäme, das Vieh freizulassen, mochte der Alte sagen, was er wollte._— Sonst war sein Vater auch alles andere als ein Tierquäler, aber er mußte ja etwas eigen im Kopfe sein,— offenbar war all diese Erbitterung und dann das Mer daran schuld. Als Anders auf dem Wiescnweg noch ein Stück weiter gekommen war. merkte er doch, daß er jedenfalls eine Zeit- lang das ferne Ochsengebrüll mit einem hohlen, aber noch schwachen Donner verwechselt hatte. Auch heute abend, am letzten Apriltag, waren, wie nun beinahe jeden Tag seit dem 26.— große, blauschwarze Wolkenbänke aus Südwest heraufgezogen. Es war auch schwül, doch dabei wehten kalte Windstöße. Wenn man über die Heidchügcl hinter Stavn gekommen ist.'chat man die Landstraße eine halbe Viertelmeile südlich davon. An ihr liegt Harreby und in einiger Entfernung der Thinghof, das heißt die Wohnung des Hardcsvogts mit dem Hardeskontor und dem Arresthause. An einem Seitenweg lag in der Nähe das Haus des Hardesvogtes. Anders ging durch den Garten und durch die Haupttür auf der Ostseite des Hauses. Geradeaus, am Ende des ziem- sich schmalen und langen Flures war eine Tür, an der Seite
links eine zweite.— Diese letztere Tür ging auf, gleich nach- dem Anders in den Flur getreten war, und der Adjunkt trat aus ihr hervor. Es war ziemlich dunkel im Gange, doch cS dauerte nur einen Augenblick, bis der Adjunkt Anders er- kannte. Anders sagte:„Gutentag.— Ist Jungfer Gjatrid an- wesend?" „Ich weiß nicht. Aber jedenfalls wünscht Fräulein Faur- holt nicht mit Ihnen zu sprechen." „Doch sie wünscht es. Und ich will mit ihr sprechen." »DaS wird Ihnen nicht gestattet. DaS verbiete ich Ihnen." »Ich habe Sie ja gar nicht danach gefragt," sagte Anders mit etwas drohender Haltung und ging auf die Tür am Flurcnde zu. »Gebrauchen Sie Gewalt in meinem eigenen Hause?" schrie der Adjunkt. „Sie können eS früh genug erfahren.-- In diesem Augenblick wurde die Tür aufgeriffen, und Gjatrid Faurholt betrat rasch den Flur. „Der Adjunkt will mir verbieten, mit Dir zu reden." sagte Anders. „Das können Sie nicht verbieten!" rief Gjatrid, lief zu Anders hin und klammerte sich an ihn, indem sie den Arm um seine Schulter legte. „Sie müffen doch wiffen, Fräulein, daß eS dem bestimmten Wunsche Ihrer Eltern widerspricht." sagte der Adjunkt. »Komm. Anders, wir wollen hinausgehen I" sagte Gjatrid. indem sie einen schwarzen Strohhut ergriff, der an dem Kleiderrahmen im Gange hing. Dann lief sie zu der Flurtür hinaus. Anders folgte. »Ob er uns nachkommen sollte?" fragte Anders, als sie die Landstraße verlassen hatten und in die Heide hinein liefen. „Ich denke doch nicht." flüsterte Gjatrid. „Aber steckt er sich nicht hinter Deine Eltern?" „Das mag wohl sein. Aber die werden doch kein Wesens daraus machen, zu rennen und nach ihrer Tochter im Heitze- kraut zu suchen. Dazu halten sie mich auch für zu gut." Gjatrid lief voran und zeigte den Weg. Sie kamen tn eine Niederung der Heide, wo eine Anzahl von Wacholder- reisern standen. Zwischen diese setzten sie sich nieder.