Nr. 280. 34. Jahrg.

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Sozialdemokrat Berlin ".

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.

Fernfprecher: Amt Morisvlas, Nr. 151 90-151 97.

Freitag, den 12. Oftober 1917.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplat, Nr. 151 90-151 97.

Die ungelöste Kanzlerkrife.

Das Programm der neuen russischen

Regierung.

Die neugebildete russische Regierung wendet sich mit einer Tangen programmatischen Erklärung an die Bevölkerung. In ihrer Einleitung nimmt die Erklärung Bezug auf die neuen, im Lande ausgebrochenen Unruhen, die als eine Folge­erscheinung der Bewegung Kornilows hingestellt werden, und bie den Bestand der Republik durch die Umsturz­bewegung bedrohen.„ Der Wind der Anarchie" weht durch das Land, der Druck des äußeren Feindes wächst." Es folgen die üblichen Schreckschüsse über bevor­stehende Gegenrevolution und Ermordung der Freiheit. Die Regierung betrachtet es als ihre Aufgabe, das Land ohne neuen Umsturz" bis zur verfassunggebenden Versammlung zu Teiten, die die absolute Gewalt im russischen Lande hat und der die Lösung aller großen Fragen überlassen werden soll. Der zweite Abschnitt der Erklärung, der die Striegs- und Friedenspolitik der Regierung umgrenzt, foll hier wörtlich wiedergegeben werden:

Durchbrungen von der Ueberzeugung, daß allein der allge­meine Friede es unferem großen Baterlande ermöglichen wird, alle seine schöpferischen Kräfte zu entfalten, wird die Regierung unermüdlich eine tätige äußere Bolitif berfolgen im Geiste der demokratischen Grundsäge, wie sie von der russischen Revolution verkündet und zu nationalen gemacht worden sind, und sie wird den Abschluß eines allgemeinen Friedens erstreben unter Ausschluß jeder Bergewaltigung. In vollkommenem Einvernehmen mit den Verbündeten wird die Regierung in allernächster Zeit an einer Versamm­Iung der allierten Mächte teilnehmen, auf der fie außer ihren gewöhnlichen Abgesandten durch eine Bera fönlich lei: vertreten fein wird, die das besondere Vertrauen der bemokratischen Organisationen genießt.. Auf dieser Zusammenkunft werden zugleich mit der Lösung der Fragen des gemeinsamen Krieges der Verbündeten unsere Vertreter sich mit den Verbündeten auf der Grundlage der von der russischen Revolution verkündeten Grundsätze zu verständigen suchen. Die Regierung wird alle ihre Kräfte anwenden, um die gemeinsame Sache der Ber­bündeten zu unterstützen, das Land zu berteidigen und energisch jeder Unternehmung zur Eroberung Des Bodens anderer Nationen und jedem Verfuch, Rußland den Willen eines anderen aufzuzwingen. entgegenzutreten, und sie wird sich bemühen, die feindlichen Truppen aus Rußland zu verjagen.

Der dritte Teil der Regierungserklärung handelt von der Wiederherstellung der Kampffähigkeit der Armee, die auf dem Wege der demokratischen Grundsäge" gemäß dem vom Kriegsminister veröffentlichten Tagesbefehl des Oberkommandierenden erfolgen soll. Die Wiederherstellung der notwendigen militärischen Disziplin wird betont, die Ent­Taffung der älteren Soldaten und die Verteilung der Lebens­mittel durch die Genossenschaften verheißen.

Der letzte Teil der Regierungserklärung umfaßt ihr wirtschaftliches, soziales und finanzielles Programim. Zu diesem gehören Einrichtung von Arbeits­börsen und gewerblichen Schiedsgerichten, Erbschaftssteuer, progressive Kriegsgewinnsteuer, Steuer für Luruswaren, be­fondere Steuer für Immobilien, Vermehrung aller indirekten Steuern und Errichtung mehrerer Monopole. Was die Agrarfrage anbelangt, so ist die Regierung der Ansicht, „ daß die Beziehungen der Grundeigentümer und der Bauern hinsichtlich des Besitzes der Ländereien von landwirtschaft­lichen Ausschüssen geregelt werden können, die, ohne die gegenwärtigen Besizverhältnisse anzu­tasten, sich mit der Ausbeutung der Ländereien befassen fönnen, um sie zum Anbau tauglicher zu machen.

Vergeblicher Angriff der Franzosen bei Draaibank

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Luftschlacht über Zonne­beke Zandvoorde Vorstoß auf dem Ostufer der Maas Die Luftbente des September.

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Amtlich. Großes Hauptquartier, 11. Oktober 1917.( W. Z. B.)

Weftlicher Kriegsschauplah.

Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht.

Im flandrischen Küstenabschnitte und zwischen Blankart- Sce und Boeltapelle steigerte sich der Artilleriekampf nachmittags zu großer Stärke. Bei Draaibank griffen die Franzosen erneut an, ohne einen Erfolg zu erzielen.

Auf dem Kampffelde östlich von Ypern war das Fener wechselnd start; die Engländer griffen nicht an.

Bei einer abends sich über Zonnebeke- Zandvoorde ent­wickelnden Luftschlacht, an der rund 80 Flugzenge beteiligt waren, wurden 3 feindliche Flieger abgeschossen.

Seeresgruppe Deutscher Kronprins.

Auf dem Ostufer der Maas entrissen niederrheinische und westfälische Bataillone nach wirkungsvoller Feuervorbereitung den Franzosen durch kraftvollen Anfturm wichtiges Gelände im Chaume­Walde. Der Feind führte vier ftige Gegenangriffe, die fämt­lich verlustreich scheiterte Mehr is 100 Gefangene und einige Maschinengewehre fielen in unsere Hand.

Auch südwestlich von Beaumont und bei Bezonvaug hatten cigene Borstöße in die französischen Linien vollen Erfolg.

Deftlicher Kriegsschauplah.

Das an mehreren Stellen der Front lebhafte Störungsfeuer verstärkte fich zeitweilig in der rumänischen Ebene und bei Braila , das von den Ruffen beschossen wurde. Zur Bergeltung nahmen unsere Batterien Galatz unter Fener, wo Brände ausbrachen. Mazedonische Front.

Lebhafte Artillerietätigkeit in der Enge zwischen Ohrida- und Brespa- See, im Cerna- Bogen und zwischen Vardar und Dojran­See. Mehrfach vorstoßende Erkundungsabteilungen der Gegner wurden vertrieben.

Jm September beträgt ber Berlust der feindlichen Luftstreit kräfte an den deutschen Fronten 22 Feffelballone und 374 Flug­zeuge, von denen 167 hinter unseren Linien, die übrigen jenseits der gegnerischen Stellungen erkennbar abgestürzt sind. Wir haben im Kampf 82 Flugzeuge und 5 Feffelballone ver. Loren. Der Erfte Generalquartiermeister. Ludendorff.

Abendbericht.

Berlin , 11. Oftober 1917, abends. Amtlich. Keine größeren Kampfhandlungen.

Der österreichische Bericht. Wien , den 11. Oktober 1917.( W. T. B.) Amtlich wird verlautbart: Auf feinem Kriegs hauplat größere Rampfhandlungen.

Der Chef bes Generalstabe8.

Petersburg, 10. Dftober.( Meldung der Petersburger Telegraphen­Agentur.) Außer Beretetli bezeichnet die Börsenzeitung " auch den ehemaligen Minister des Innern Awffentiew als möglichen Bertreter der ruffifaen Demokratie auf der Konferenz der diierten in Paris.( Vergleiche die vorstehende Erklärung der russischen Regierung.)

Also die gegenwärtigen Befizverhältnisse sollen nicht an getastet werden. Die Erklärung schließt mit einem Aufruf an die ganze Nation, sich eng um die Regierung zu scharen, um mit ihr an der Verwirklichung der gegenwärtigen Grund­probleme mitzumirfen, nämlich Verteidigung des Landes, Petersburg, 11. Dktober.( Meldung der Petersburger Tele­Wiederherstellung der Ordnung und Einberufung der Ver- graphen- Agentur.) Laut Blättermeldungen verteilen sich die 120 Sige fassunggebenden Bersammlung. im Borparlament, die den nichtsozialistischen Gruppen zu stehen, folgendermaßen: Kadetten 64, Partei für Handel und In­dustrie 34, Ausschuß Moskauer Politiker 15, Grundbefizer 7. Das Borparlament wird feine Sigungen erst aufnehmen, nachdem diese 120 Mitglieder gewählt sind.

Begreift doch!

Begreift doch um alles in der Welt, daß dieser Herr Michaelis und dieser Herr v. Capelle ihren Abschied nehmen müssen! Nicht morgen erst, wie man uns tröstend zu verstehen gibt, sondern heute, und womöglich nicht erst um sechs Uhr abends, sondern schon um zwölf Uhr mittags! Ueber das, was diese beiden Männer angerichtet haben, heult das ganze feindliche Ausland vor Freude. Alle Friedensaussichten sind durch ihre unverantwortliche Tat verschüttet, denn die feindlichen Kriegshezer berufen fich heute auf den deutschen Reichskanzler und auf den deutschen Staats­sekretär der Marine, wenn sie behaupten, Deutschland stehe am Vorabend russischer Ereignisse, und binnen furzem wverde der Triumph der Verbündeten vollkommen sein.

Wir wissen, daß das nicht wahr ist. Mehr als drei Jahre hat sich das deutsche Volt gegen eine Uebermacht ver­teidigt in heldenhafter Geschlossenheit wie nie ein Bolf zuvor. Im Kampfe nicht nur gegen das Ausland, sondern auch gegen die wahnwizige Ueberheblichkeit einer Fleinen Schicht ge­borener Herrengeister gelang es, einen Zustand herbei­zuführen, aus dem sich die erfte ernste Hoffnung auf einen nicht mehr fernen ehrenvollen Frieden schöpfen ließ. Und da kommen zwei unfähige Minister, erzählen dem lauernden Ausland Schauergeschichten von einer großen rebo­lutionären Verschwörung in der Marine und peitschen damit Kriegslust und Siegeszuversicht der Gegner aufs neue auf! Alles, was die deutsche Sozialdemokratie, was die deutsche Arbeiterklasse getan hat, um dem Ausland den Glauben an den nahenden inneren Zusammenbruch Deutsch­ lands auszureden, ist durch diese beiden Helden verpfuscht und bertan!

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Gine neue schlimme Botschaft ist gestern im Reichstag ge­meldet worden. Frau Luise Bieß ist verhaftet! Wie wird diese Nachricht im Inland, wie im Ausland wirken? Wiewohl uns das Schicksal dieser franken Frau nicht gleich­gültig ist, fragen wir nur danach, was die politischen Folgen dieser Verhaftung, die Folgen für die Allgemeinheit sein werden. Das Ausland wind sagen:„ Die Affäre nimmt immer größeren Umfang an. Der Brand greift um sich." Im Inland wird man in leidenschaftlichster Weise für und gegen die Verhaftete Partei ergreifen und täuscht Euch doch nicht darüber!- sehr biele werden nicht glauben wollen, daß dieses Verfahren ein reines Rechtsverfahren und von politischen Gründen unbeein­flußt sei. Dafür haben wieder die Herren Michaelis und b. Capelle gesorgt. Sie haben das Vertrauen in die Rechtsprechung erschüttert. Sie haben im Reichstag einen Angriff auf drei Abgeordnete unternommen, der mißglückt ist und der ihnen die eigene Reputation gekostet hat. Wie muß es da wirken, wenn am Tage darauf in derselben Angelegenheit eine Frau ver haftet wird, die eben nicht Mitglied des Reichstags ist, die nicht gegen fie erhobene Beschuldigungen von öffentlicher Tribüne zurückweisen kann, die man verhaften und ver­urteilen fann, ohne daß ein Immunitätsausschuß die gegen sie erhobene Anklage auf ihre Tragfähigkeit prüft? Wird es nicht heißen:„ Es rast der See und will sein Opfer haben!"?

Aller Wahrscheinlichkeit nach war die Verhaftung der Frau Zietz schon vor dem 9. Oftober beschlossen. Um so un­begreiflicher wäre dann aber die Ummünzung dieser Rechts­angelegenheit zu einer politischen Streitfrage. Allerdings, der Name der Frau Ziek ist in der Debatte nicht genannt worden. gemeinen und besonders in dieser Sache in so enger Be­Aber die Berhaftete steht zu den drei Abgeordneten im all­ziehung, daß man mit einem hohen Grade von Wahrschein lichkeit sagen kann: Ist sie schuldig, dann sind es die drei Ab­geordneten auch, und sind die drei Abgeordneten nicht schul­dig, dann ist sie es auch nicht. Niemand kann daran zweifeln, daß ihre Verurteilung ein Triumph für die noch immer gegenwärtige Regierung wäre, sowie für die Rechte, die sich mit fanatischem Parteieifer schon auf die Schuld ihrer drei Mitbeschuldigten verbissen hat, und daß ihre Freisprechung für sie die schwerste politische Niederlage bedeuten müßte. Und dieser Prozeß foll hinter verschlossenen Türen geführt werden! Was soll daraus werden? Wir stellen fest, daß die unheilvollen Wirkungen, die sich für das Neich aus der Tat der beiden Minister ergeben, un­absehbar sind. Sie werden auch nicht damit ausgelöscht, daß diese Herren schleunigst aus ihren Aemtern verschwinden. Aber daß sie nach alledem, was sie angerichtet haben, noch, sei es

Das Programm der neuen russischen Regierung atmet den Geist des Stompromisses zwischen Bürgertum und Sozialismus. Es zeigt im allgemeinen wenig Entschiedenheit weder nach der einen noch nach der andern Seite hin. Am erfreulichsten ist es, daß die Regierung an dem Ziele festhält, einen allgemeinen Frieden unter Ausschluß jeder Vergewaltigung"( ein Ausdruck, der Berlin , 11. Oftober. Der Geschäftsträger der Republit auch nur für furze Zeit, in ihren Aemtern bleiben Annegionen ebenso ausschließt wie Kontributionen) zu er- ll ruguay hat dem Auswärtigen Amte auftragsgemäß ein sollen das ist das unvorstellbare. Was soll die streben. Die russische Regierung erachtet eine solche Fest- Defret feiner Regierung mitgeteilt, in welchem die Be- Welt von uns denken, wenn das möglich ist!

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Uruguays grundlose Feindschaft.

legung offenbar nicht als undiplomatisch. Db es ihr freilich ziehungen zum Deutschen Reiche ohne An- Der Nachfolger des Herrn Michaelis wird gelingen wird, ihre Verbündeten zur Annahme dieses Pro- gabe von Gründen als abgebrochen erklärt werden. vor einer unendlich schweren Aufgabe stehen. Er soll das er gramms zu bewegen, bleibt einigermaßen zweifelhaft. Bugleich hat er um Aushändigung seiner Pässe gebeten. regte Land beruhigen, den Glauben an ein unparteiisches