Nr. 281. 34. Jahrg.
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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.
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Sonnabend, den 13. Oktober 1917.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Am: Miorisplas, Nr. 151 90-151 97.
Die Flandernfchlacht noch in vollem Gange.
Noch ein Rettungsmanöver.
Die Versuche, den Reichskanzler durch Aufopferung des Herrn v. Capelle zu retten, nehmen ihren Fortgang. Wir haben schon gestern das von Kanzlerrettern verbreitete Gerücht zurüdgewiesen, daß der Staatssekretär v. Capelle nicht im Einverständnis mit Herrn Michaelis gehandelt habe. Eine neue Rettungsattion in dieser Richtung unter nimmt jetzt die Kölnische Zeitung ", die sich aus Berlin fahreiben läßt:
Als der Staatssekretär von Capelle am Dienstag feine Mitteilung über die glücklicherweise vereitelten Vorfälle in der Flotte machte, mußte angenommen werden, daß er dabei in vollster lebereinstimmung mit den Anschauungen und der Auffassung des Kanglers gehandelt habe. Im Verlauf der Besprechungen diefes Zwischenfalles find Andeutungen laut geworden, daß dies nicht der Fall war. Wie wir erfahren, bestätigt sich das. Den Staatssekretär hat nach unseren Informationen die be greiflime Empörung über diese Vorfälle sowie die AusTassung des Abg. Dittmann über die Grenzen desseu fortgeriffen, was der Auffaffung des Kauziers entsprach und was diefer in feinen Ausführun gen über die Agitation der Unabhängigen und den Zusammenhang einzelner abgeordneten mit Angehörigen der Flotte hattejagen wollen. Unter solchen Umständen ist es wohl berechtigt, bon einer Capelle rifis zu sprechen.
Nach dieser Darstellung hätte sich also Herr b. Capelle bon momentaner Erregung fortreißen lassen und dafür soll er jest zum Heile des Stanzlers geopfert werden. Aber diese Darstellung ist absolut unwahr. Zahlreiche Augen und Dhrenzeugen tönnen bestätigen, daß Herr v. Capelle feineswegs in der Erregung improbisierte, sondern daß er eine wohlvorbereitete Erklärung vom Manuskript abgelesen hat. Es würde zu den größten Unbegreiflichkeiten der an Unbegreiflichkeiten so reichen legten Tage gehören, wenn der Reichstanzler von dieser wohlvorbereiteten Erklärung teine Kenntnis gehabt haben sollte.
Ein voreiliges Friedensgerücht.
München , 12. Oktober. In der gestrigen Abendigung des Finanzausschusses erklärte Ministerpräsident Graf Hert ling , das Gerücht, Deutschland habe mit seinen Gegnern bereits Friedensverhandlungen eingelei. tet, für vollständig unzutreffend. Die Gerüchte schienen auf feindliche machenschaften zurückzuführen zu sein.
Eine Kampfanfage der Vaterlandspartei gegen die Reichstagsmehrheit.
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Leb
In Flandern nur Artilleriekampf haftere Gefechtstätigkeit bei Riga , Kämpfe im Cerna- Bogen.
Amtlich. Großes Hauptquartier, 12. Oftober 1917.( 2. 2. B.)
Westlicher Kriegsschauplah. Geeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Gestern beschränkte sich die Artillerietätigkeit in Flandern auf starten Feuerkampf im Küstenabschnitt und am Houthoulster Walde. Während der Nacht lag starkes Wirkungsfeuer auf dem Kampfgelände von der Lys bis zur Straße Menin- ypern; es steigerte fich heute früh schlagartig zum Trommelfeuer.
Zn breiten Abschnitten haben dann nene feindliche Angriffe eingefest.
Heeresgruppe Deutscher Kronpring. Nordöstlich von Soissons und östlich der Maas schwoll die Kampftätigkeit der Artillerien zu großer Heftigkeit an. Bei Bauraillon stießen starte französische Erkundungstrupps vor; sie wurden abgewiesen. Destlich von Samogneng kam es zu örtlichen Grabenkämpfen am Osthang der Höhe 344.
Deftlicher Kriegsschauplah.
Nordöstlich von Riga und am 8brucz war die Gefechtstätigfelt lebhafter als in den Bortageu. Bei Zusammenstößen von Streifabteilungen fielen zahlreiche Gefangene in unsere Hand. Mazedonische Front.
Jim Becken von Monaftir und im Gerna- Bogen bekämpften fich die beiderseitigen Batterien zeitweilig start. Am rechten Vardar - Ufer fcheiterte der Angriff einer englischen Kompagnie vor den bulgarischen Linien.
Der Erste Generalquartiermeister. Ludendorff.
Abendbericht.
Berlin , 12. Oktober 1917, abends. Amtlich. Die Schlacht in Flandern ist auf der Angriffsfront Langemard- Zonnebeke noch in vollem Gange. Nördlich von Boeffapelle und südwestlich von Passchendaele wird in Einbruchstellen der Engländer gekämpft.
Der österreichische Bericht.
Wien , den 12, Ottober 1917.( W. T. B.) Amtlich wird verlautbart: Bei geringer Kampftätigkeit Lage überall unverändert. Der Chef des Generalstabes.
Versagen des Reichstags.
Aus den Verhandlungen des Reichstags, die am Donnerstag zum Abschluß kamen, muß jeder Leser die Ueberzeugung gewinnen, daß es in Deutschland nur eine Partei gibt, die weiß, was sie will, und das ist die Sozialdemokratie. Wir könnten also, wenn wir von rein parteipolitischen Erwägungen ausgehen, das Ergebnis der letzten Reichstagsverhandlungen gar nicht hoch genug einschäzen. Indes sind die Zeiten viel zu ernst, als daß man den Wert oder Un wert parlamentarischer Vorgänge nach solchen Friedensmaßstäben einschätzen fönnte. Die fozialdemokratische Fraktion hat durch ihr ganzes Verhalten während des Krieges gezeigt, daß sie sich nicht auf ein Vorgehen einrichtet, das man vulgär als„ Eindruck schinden" zu bezeichnen pflegt. Sie bedarf keiner taktischen Kunststücke, um sich den Zulauf der Wähler nach dem Kriege zu sichern; er wird ohnehin so groß sein, daß es auf Hunderttausend mehr oder weniger gar nicht ankommen fann.
Würden wir also sagen, die Reichstagsfizungen der letzten Tage hätten der Sozialdemokratie mindestens hunderttausend nene Wähler gesichert, so wäre das gewiß feine Uebertreibung, es wäre uns aber auch fein Anlaß, uns bei Betrachtung des Geschehenen angenehmen Gefühlen hinzugeben. Auch wir können uns nicht der allgemeinen Stimmung entziehen, der einmal bei geringerem Anlaß der Abgeordnete ban Calker Ausdruck gegeben hat mit den Worten:„ Es iſt zum Heulen!"
Es ist zum Heulen, daß wir einen Reichsfangler haben, der Michaelis heißt, und einen Stanglerstellvertreter namens. Helfferich, einen Kriegsminister v. Stein und einen Marinefefretär v. Capelle. Es ist zum Heulen, daß diese Herren, nach allem, was passiert ist, figen bleiben, als ob nichts geschehen wäre. Es ist zum Heulen, daß wir in der fritischsten Reit des Reiches eine Regierung haben, die nirgends im Inland und Ausland Respekt finden und beanspruchen fann, eine Regierung, über deren vollendete Unfähigkeit es gar keine Meinungsverschiedenheit gibt, von Heydebrand bis Scheidemann und von Reventlom bis Ledebour, und daß wir heute nicht wissen, ob und wann diese Regierung durch eine fähigere er segt werden wird.
Daß wir das aber nicht wissen, ist die Schuld des Reichstags oder, um ganz deutlich zu sein, vor allem die Schuld des Zentrums und der Fortschrittlichen Volkspartei . Wir suchen mit diesen Parteien feinen Streit, hegen vielmehr den lebhaften Wunsch, mit ihnen in einer Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdauer zusammenwirken zu können, um die Leiden des Volkes zu erleichtern und abzukürzen und schwere Gefahren, die dem Neich aus innerer Verwirrung drohen, zu bannen. Glfaß- Lothringens Zugehörigkeit zum Deutschen Reich ist Das Zentrum und die Fortschrittliche Wolfspartei haben fich teine Frage, sondern eine endgültig abgeschlossene Tatsache, aber in den lezten Reichstagsfizungen ihrer Aufgabe nicht Elsaß- Lothringen ist keine Kuliffe, um hinter ihr die belgisje gewachsen gezeigt. Das muß ohne Rücksicht auf fremde Emp Frage, die eine Lebensfrage für Deutschland ist, verschwinden findlichkeit um der Sache willen mit aller Offenheit ausau laffen. gesprochen werden.
Die Harmlosigkeit" der Vaterlandspartei enthüllt sich immer deutlicher. Sie erläßt jekt einen neuen Aufruf, der unterzeichnet ist von dem Vorstand der Deutschen VaterlandsNach diesen Abfäßen kann es feinem Zweifel unterliegen partei: erzog Johann Albrecht zu Medienwenn ein solcher je bestanden haben sollte, daß die neue burg , Großadmiral v. Tirpit und Generallandschafts- Bartei eine ausgesprochenekampfpartei ist gegen direktor Kapp. Dieser Aufruf ist eine offene Kampf die Barteien der Reichstagsmehrheit, eine Bartei, die, weit anjage gegen die Barteien der Reichstagsmehrheit und da entfernt einigen zu wollen, sich selbst mit Stolz als 3er neben auch noch gegen die auswärtige Politik der Regierung mit einer deutlichen Spize gegen Herrn Kühlmanniche Rede gerichtete Absatz beweist überdies, Regierung mit einer deutlichen Spike gegen Herrn lesungspartei bezeichnet. Der letzte, gegen die jüngste b. Kühlmann. Nad, einer Einleitung von ruhmredigen daß die Vaterlandspartei ebenso leidenschaftlich die ausPhrasen über die Entwicklung der neuen Partei heißt es: Die Furcht, daß fich diese Boltsbewegung mit elementarer wärtige Politik der Regierung, bekämpft. Eine ReDie Furcht, daß sich diese Boltsbewegung mit elementarer gierung, die es zuläßt, daß diese Partei von amtlichen Stellen Kraft weiter entwideln und politischen Parteien zum Schaden gereichen tönne, hat diese zu den äußersten Anstren- gefördert wird, macht sich damit selbst zum Gespött. gungen angespornt. Sie fühlen sich in ihrer erträumten Nebermacht gefährdet. Daher der Versuch, an der Hand mühsam zusammengesuchter Einzelfälle die jetzt unser Volt ergreifende Bewegung als eine von oben eingeleitete und geförderte hinzu
stellen.
Wir selber antworten auf diese Kampfansage nur kurz: Wo die wahre Mehrheit des deutschen Bolkes" steht, das läßt sich nicht beweisen, indem man sich aus KriegsgewinnlerGeldern eine große Preffe zusammenfauft und mit ihr einen Riesenfpektakel vollführt, das läßt sich auch nicht Auf diese saftigen Angriffe folgen die üblichen öligen Be- beweisen, indem man von 42 Millionen Groß- Berlinern teuerungen, daß die Vaterlandspartei feinerlei innerpolitische 3000 Mann in einem Saal demonstrieren läßt, sondern das Biele verfolge. Sie wolle auch nicht die Zeiten des Klassen werden die nächsten Reichstagswahlen ergeben, der kampfes wieder aufleben lassen und hierfür das Wort bater- mir frog allen Speftafels der Baterlands- Berfegungspartei ländisch" m.ßbrauchen. Darauf past dann wunderbar die mit großer Ruhe entgegensehen. folgende Kampfansage:
Schon spricht man von der Zerfeßungspartei, die die Mehrheit des Reichstages zerfeben will. Ja, wir wollen aufdecken, daß die Mehrheit vom 19. Juli innerlich zerfallen Der Militärbezirk Petersburg ist auf Befehl des Kriegsministers ist, daß die Urheber des erneuten Friedensangebotes die irre- zur Entlassung der Soldaten der Jahrgänge 1895 und 96 geschritten. geführte Gefolgschaft immer mehr verlieren. Es wird abzuwarten fein, ob es sich nicht um einen Irrtum Wir wollen zeigen, wo die wahre Mehrheit des bei der drahtlichen Uebermittlung handelt, da es doch trotz des be deutschen Bolte 8 steht. Wir wollen beweisen, daß nach fannten Willens, die Effektivbestände zu verringern, verwunderlich brei Kricasjahren im deutschen Bolt die Entschloffenheit unge- wäre, wenn, gerade die. fräftigften Soldaten im Alter von 22 und brochen ist, sich den Frieden zu erfämpfen, den Deutschland 21 Jahren nach Hause geschickt würden. braucht. Die Deutsche Vaterlandspartei wird jede Reichsleitung Das Unterrichtsministerium hat wahrscheinlich aus Kohlenfreudig unterstüben, die einen zu Deutschlands Niedergang mangel die Schließung der Hochschulen in Petersburg für den führenden Bergitfrieben ablehnt und die Fahne des test des Schuljahres angeordnet; ihre wissenschaftliche Tätigkeit Sieges hochhält. wird fortgefest.
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Am Sonnabend glich die Regierung wir haben leider fein anderes Bild dafür einem Kind, das in den Dred gefallen war. Durch maßloje Ungeschicklichkeit der Herren Selfferich und v. Stein war ganz überflüssigerweise eine rise entstanden. Die bürgerlichen Parteien hoben das Kind Erfolg? Am Dienstag wiederholte sich das Malheur in noch auf, reinigten es und fepten es auf einen Stuhl. Wit welchem biel größerem Umfange. Hätten die bürgerlichen Mehrheitsparteien sich auf keinen Handel mit dieser unfagbaren Regierung eingelassen, hätten sie Herrn Michaelis nicht die Ertlärung aufgeschrieben, durch die er den angerichteten Schaden wieder gutmachen sollte, sondern hätten sie, toie es die Sozialdemokratie tat, am Montag im Hauptausschuß den Nachtragsetat abgelehnt, so hätte Herr Michaelis noch am felben Tage verschwinden müssen, und der Skandal vom Dienstag mit seinen ganzen unabsehbaren Folgen wäre dem Reich erspart geblieben.
Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß sich Zentrum und Volkspartei in den Verhandlungen von Dienstag, Mittwoch und Donnerstag in ihren Reden ganz tapfer aufgeführt haben. Sie haben sich kein Blatt vor den Mund genommen und stellenweise sogar einen Radikalismus der Ausdrucksweise entwickelt, der überrascht. Man kann sich kaum des Gedankens entschlagen, daß durch diese tönendén Reden der peinliche Eindruck der ihnen folgenden Abstimmungen vermischt werden follte. Aber das ist nicht gelungen, der Gegensatz zwischen Reden und Handeln tritt um so schärfer in Erscheinung. Wie man so sprechen kann, wie die Abgeordneten jener Parteien, und so schreiben kann, wie ihre Reitungen, und dann hinterdrein ein Tadelsvotum für diese Regierung ablehnen und einen Nachtragsetat mit dem Gehalt für den neuen Vizefanzlerposten annehmen kann das verstehe, wer will! Man spricht jetzt davon, daß Herr Michaelis Herrn b. Capelle über Bord gehen lassen will, um sein eigenes Re