Einzelbild herunterladen
 

Nr. 288. 34. Jahrg.

Bezugspreis:

Bierteljährl 8,90 ML. monatl. 1,30 möchentlich 80 Bfg. fret ins Haus, borauszahlbar. Einzelne Wochentags nummern 6 Bfg. Sonntagsnummer mit illustrierter Beilage Die Neue Belt 10 Bfg. Bostbezug: Monatlich 1,30 90 Unter Areuzband für Deutschland und Desterreich Ungarn 2,50 Ml., für das übrige Ausland 4 Mr. monatlich. Bostbestellungen nehmen an Dänemart, Holland , Luxemburg , Schweden u. die Schweiz . Eingetragen in die Boft- Zeitungs- Breisliste. Erfcheint täglich.

Telegramm Adresse: .Sozialdemokrat Berlin ".

Vorwärts

lubih Berliner Volksblatt.

5 Pfennig

Der Anzeigenpreis beträgt f. Die siebengespaltene Kolonel. zeile 60 fg. Kleine Anzeigen". das fettgedrudte ort 20 Big.( zu. luffig 2 fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 10 Bfg. Stellengefuche und Schlafstellenanzeigen das erite Bort 10 Bfg., jedes weitere Wort 5 Pfg. Morte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Teuerungszuschlag 20%- Familien Anzeigen 50 Bfo.. politische u. gewerffchaftliche Vereins Pinzeigen 40 Bfg die Zeile. Anzeigen für die nächste Nummer müssen bis 5 1hr nachmitt. im Hauptgeschäft. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3, ab­gegeben werden. Geöffnet von 8 1hr früh bis 7 Uhr abends.

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3.

Ferniprecher: Amt Moritplas, Nr. 151 90-151 97.

Sonnabend, den 20. Oktober 1917.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Ferniprecher: Amt Morisplat, Nr. 151 90-151 97.

Die Artillerieſchlacht an der Aisne - Front.

Zukunftsarbeit.

Würzburg , den 19. Oftober 1917.

Ueber Finanzwirtschaft und Sozialpolitik nach dem Ariege läßt sich bequem auch länger sprechen, als einen Bar­teitagsvormittag. Unzählige Protokolle wenden sich noch sammeln, ehe in diesen Fragen völlige Klarheit geschaffen sein wird. Aber noch etwas anderes muß hinzukommen. Klärung der tatsächlichen Verhältnisse, unter denen wir aus dem Krieg in den Frieden hinübergehen werden.

Jetzt sind wir auf der Reise ins unbekannte Zukunftsland und eigentlich müßte jeder Redner zu seinen Vorschlägen und Erwägungen den Vorbehalt machen: Wenn es nicht noch anders kommt!"

Es läßt sich nicht verhindern, daß die Debatte in Einzel­heiten verflattert; aber zwei feste Punkte lassen sich aus ihr doch herausgreifen: Das ist zunächst der besondere Einschlag, der ihr durch das Eingreifen der Frauen gegeben wird. Die Genossinnen Reiße- Hamburg und Juchacz ergreifen das Wort. Sie sprechen von den unendlichen Leiden der Frauen im Kriege und von ihrer Sorge um die Zukunft. Wie wird unser Wirtschaftskörper die Umgruppierung ertragen, die mit einem Schlage ein Millionenheer arbeitender Frauen über­flüssig macht. Auch hier tappen wir im Dunkeln und können nur sagen: Wir wissen es nicht".

Das zweite, was der Debatte stärkeres, Sicht gibt, ist das Auftauchen einer Streitfrage. Genosse Winnig polemi­fiert gegen den Referenten über Sozialpolitik Genossen isfell, weil er die fofortige Entlassung der Mannschaften beim Friedensschluß verlangt. Er sieht darin eine Gefahr für den Arbeitsmarkt. Ihm tritt Jäckel entgegen, der damit ebenso Zustimmung findet, wie nachher Wissell selbst, wenn er ausführt, daß schon aus rein mensch lichen Gründen kein Soldat auch nur einen Tag länger unter den Fahnen bleiben darf, als es zur Verteidigung des Bandes notwendig ist. Den heimkehrenden Krieger vor Not zu schüßen, dafür muß die Arbeitslosenfürsorge, die öffentliche Arbeitsbeschaffung sorgen. Winnig hatte sich auf Cunows Referat berufen. Wie sich später aus dem Schlußwort Cu­nots ergibt, nicht ganz mit Recht. Käme es zu einer Ab­stimmung so würde Wissell wohl als unbestrittener Sieger aus ihr hervorgehen, Winnig aber ziemlich allein bleiben. Eine Abstimmung aber ist nicht möglich. Wissells Auffassung ist auch die der Fraktion und fein Soldat braucht zu fürchten, er werde einen Tag später nach Hause kommen, weil ein so fluger Mann wie Winnig einmal eine weniger gute Idee gehabt hat.

Ein heller Ton kommt noch einmal in die Debatte mit Scheidemanns Schlußwort. Wie in seinem Referat, verliert sich Scheidemann auch jest nicht in Einzelfragen. Aber er spricht von den Hindernissen, die zu beseitigen sind, ehe man all die gesteckten Ziele erreicht. Und stürmisch stimmt ihm der Parteitag zu, als er erklärt: Das Hindernis, das am schnellsten beseitigt werden muß, scheint mir der Reichskanzler Dr. Michaelis zu sein."

Am Nachmittag fehrt man von den Zukunftsfragen zu den Fragen der Gegenwart zurüd. Robert Schmidt spricht über die Volksernährung. Aus der folgenden Debatte, die Alagen über Klagen aus allen Gegenden des Reiches bringt, leuchtet eine ganz vortreffliche Rede der Genossin Wagner­Chemnitz hervor, die den Frauen rät, keine Fensterscheiben­einzuschlagen, sondern lieber zu Tausenden in die sozialdemo­fratische Partei einzutreten. Das wird, so führt sie mit ein­leuchtenden Gründen aus, für die Behörden eine wirksame Warnung sein.

Genosse Groger schildert aus seinen Neuköllner Erfah­rungen die Groß- Berliner Ernährungsmisere. Sie ist, wovon man sich hier in Würzburg überzeugen kann, viel größer als sonst im Reiche und wenn auch die bayerischen Genossen er­widern, daß auch in ihrem Lande nicht Milch und Honig fließen, so möchten doch wir Berliner gern mit den Bayern tauschen. Erschütternd aber sind die Elendsbilder, die Genossin Schilling aus Sachsen schildert.

Die Wahl des Parteivorstandes bringt keine Ueber­raschungen. Die Wahl Scheidemanns zum Vorsitzenden neben Ebert war zu erwarten. Nicht ohne Interesse ist dagegen die Wahl der Kontrollkommission. Hengsbach , der zur Minder­heit zählt, wird als neuntes Mitglied, mit 133 von 326 Stimmen gewählt, während Kolb- karlsruhe nur 92 Stimmen erhält. Kolb erfreut sich perfönlich der größten Beliebtheit. Das Ergebnis ist aber in politischem Sinne zu werten, und zwar so, daß der Parteitag die Minderheit von der über­wachenden Kontrollinstanz nicht ausschließen, und sich mit Kolb, der nun einmal als Vertreter der äußersten Rechten gilt, politisch nicht identifizieren will.

Franzöfifche Erkundungs- Vorstöße bei Der Kanzler des Mißtrauens.

Vangaillon und bis Brahe. - Die Ein­nahme von Moon. Russisches Linien­schiff Slava gesunken- Beträchtliche Beute.

-

Amtlich. Großes Hauptquartier, 19. Oftober 1917.(.. B.)

Weftlicher Kriegsschauplatz.

Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Die artilleristische Kampftätigkeit in Flandern erreichte gestern wieder an der Küste sowie zwischen ser und Lys große Stärke. Besonders heftig war das Feuer am Houthoulster Walde, bei Basschendaele und zwischen Gheluvelt und Zandvoorde.

Heeresgruppe Deutscher Kronpring.

Nach regnerischem Morgen schwoll von gestern mittag ab die Artillerieſchlacht nordöstlich von Soissons wieder zu voller Höhe an und tobt seitdem bei gewaltigem Munitionseinfaz fast un­unterbrochen. Morgens drangen bei Baugaillon, abends an der ganzen Front bis Braye nach Trommelfener starke französische Abteilungen zu Erkundungsstößen vor; in örtlichen Kämpfen wurde der Feind überall zurückgeworfen.

Die Nachbarabschnitte und das Rückengelände der Kampf­front lagen unter sehr starkem Störungsfeuer, das von uns kräftig erwidert wurde.

Im Oftteil des Chemin- des- Dames griffen die Franzosen erneut dreimal unsere Stellungen nördlich der Mühle von Vauclere au; fic wurden blutig abgewiesen.

Bei den anderen Armeen schränkte Regen und Nebel die Gefechtstätigkeit ein.

Unsere Gegner verloren gestern 12 Flugzeuge, davon sechs aus einem Geschwader, das auf Roulers und Jugelmünster mit beträchtlichem Häuserschaden Bomben abgeworfen hatte.

Deftlicher Kriegsschauplah.

Unter Befehl des Generalleutnants von Estorff erkämpften unsere Truppen, in Booten und auf dem Steindamm durch den fleinen Sund übergehend, das Westufer der Insel Moon.

In schnellem Vordringen wurden die Russen, wo sie Wider­stand leisteten, überrannt; bis zum Mittag war die ganze Insel in unserem Befit.

Bon Norden und Süden eingrrifende Landungsabteilungen der Marine und die Geschütze unserer Schiffe trugen zu dem schnellen Erfolge wesentlich bei.

Zwei russische Infanteric Regimenter in Stärke bon 5000 Mann wurden gefangen; die Beute ist beträchtlich. Auf Defel und Moon sind ein Divisions- und drei Brigadestäbe in unfere Hand gefallen.

Unsere Seestreitkräfte hatten in den Gewässern um Moon mehrfach Gefechte mit feindlichen Kriegsschiffen. Das russische Linienschiff Slava( 13 500 Tonnen) wurde in Brand geschossen und ist dann zwischen Moon und der Nachbarinsel Schildau gesunken.

Land- und Marineflieger hielten die Führung über den Ber­bleib der feindlichen Kräfte gut unterrichtet; mit Bombenabwurf und Maschinengewehrfeuer griffen sie auf Land und See den Feind oftmals mit erkannter Wirkung an.

An der ruffisch- rumänischen Landfront und auf dem mazedonischen Kriegsschauplak feine befonderen Ereignisse.

Der Erste Generalquartiermeister. Ludendorff.

Abendbericht.

Berlin , 19. Oftober 1917, abends. Aintlich.

Im südlichen Teil der flandrischen Front und nordöstlich von Soissons trok schlechten Wetters starker Feuerkampf.

Bom Osten bisher nichts Neues.

Der österreichische Bericht. Wien , den 19. Oktober 1917.( W. T. A) Amtlich wird verlautbart:

Deftlicher Kriegsschauplah und Albanien . Bei den österreichisch - ungarischen Streitkräften nichts Neues. Italienischer Kriegsschauplak.

An der Tiroler und an der Kärntner Front kam es vorgestern und gestern an zahlreichen Stellen zu örtlichen Kämpfen. Unsere Truppen brachten 300 Gefangene und Kriegs­gerät ein. Am Isonzo gewöhnliche Artillerietätigkeit.

Der Chef des Generalstabes.

Ein parteilojes Berliner Blatt brachte dieser Tage die Nachricht, daß die Mehrheitsfraktionen des Reichstags in Ge­meinschaft mit den Nationalliberalen den Beschluß gefaßt hätten, ihre Fraktionsvorsitzenden zum Reichskanzler zu schicken, um ihm nach den bekannten Vorgängen im Reichstag ihr Mißtrauen auszudrücken. Infolge der plöglichen Abreise des Kanzlers nach Kurland sei es aber zu dem beabsichtigten Schritt nicht mehr gekommen.

An diese Mitteilung hat sich eine längere Auseinander­segung angeknüpft. Zentrum und Nationalliberale haben bestritten, daß sie in dieser Form zutreffe. Dagegen stellt die Bossische Zeitung" fest, daß Herr v. Payer, der Führer der Fortschrittlichen Volkspartei , tatsächlich in einer Unterredung mit dem Kanzler diesem seine Stelling zu den Vorkommnissen der letzten Zeit unzweideutigflarge­macht habe. Zur Haltung der Nationalliberalen bringt die ,, Nationalliberale Korrespondenz" an der Spike ihrer Freitag­nummer folgende Erklärung:

Ein reichshauptstädtisches Blatt verbreitet die Nachricht, daß die Vorsitzenden der Mehrheitsparteien sowie der Vorsitzende der nationalliberalen Reichstagsfraktion von ihren Fraktionen beauftragt worden seien, dem Kanzler das Mißtrauen auszu­sprechen. Sotveit die nationalliberale Fraftion in Betracht tommt, ist die Mitteilung in dieser Form unzutreffend.. Tat­sache ist, daß in der interfraktionellen Besprechung ein gemein­famer Schritt der Parteien in der Kanzlerfrage angeregt worden ist. Er tam jedoch nicht zur Ausführung, da das Zentrum und die nationalliberale Fraktion sich ihre eigene Stellungnahme vorbehielten. Die nationalliberale Fraktion nahm, dann ihrer­feits zu der Kanzlerfrage Stellung und stellte eine volle Gin­mütigkeit ihrer Auffassung feft. Da die Verhandlungen vertrau­lich waren, kann über ihren Inhalt eine Mitteilung mit ge= macht werden. Eine Auftragserteilung an den Vorsitzenden der Fraktion im Sinne der erwähnten Notiz ist jedoch nicht erfolgt." Welches der fachliche Inhalt der vollen Einmütig­feit" der nationalliberalen Fraktion ist, teilt die National­liberale Korrespondenz" nicht mit. Aber die fachliche Stellung­nahme der Nationalliberalen fann faum zweifelhaft sein, da die National Zeitung" schon gestern erklärte, daß man sich) bei den Nationalliberalen einig sei, daß das Verbleiben des gegenwärtigen Reichskanzlers im Amte sich als unmög= lich erweist. Wesentlich anders als das parteiamtliche Organ der Nationalliberalen stellt die linksnationalliberale ,, Berliner Börjen- Zeitung" die Stellung der Nationalliberalen dar, die behauptet,

daß in sämtlichen vier Fraktionen der bereits erwähnte übereinstimmende Beschluß gefaßt worden ist und daß es sich in den Verhandlungen mit Sen Barteien lediglich um die formale Frage gehandelt hat, ob die Mitteilung an den Kanzler durch die vier Parteiführer durch einen gemeinsamen Schritt der Herren erfolgen sollte oder ob es nicht aus naheliegenden Grün­den tunlicher wäre, wenn jeder der Parteiführer einzeln mit dem Reichskangler die entsprechende Rücksprache nähme."

Nach der Berliner Börsen- Zeitung" hat man sich für den lekteren Weg entschieden, und nur die plötzliche Abreise des Kanzlers habe die Ausführung des Blanes verhindert.

Was schließlich das Zentrum anbelangt, so begnügt sich die Germania " mit der Feststellung, daß der Zentrums abgeordnete Trimborn nicht von seiner Fraktion den Auftrag erhalten habe, dem Reichskanzler das Mißtrauen der Fraktion zum Ausdruck zu bringen.

Weder das nationalliberale Dementi noch das des Zen­trums lassen in irgendeiner Weise darauf schließen, daß durch die Ableugnung der eingangs genannten Nachricht dem Reichskanzler etwa ein Vertrauensvotum der be­treffenden Parteien ausgestellt werden soll. Im Gegenteil wird man anzunehmen haben, daß das sachliche Mißtranen dieser Parteien gegen Herrn Dr. Michaelis fortbesteht. Ez hat sich nur einmal wieder feine Einigkeit darüber erzielen lassen, wie man in positiver Weise dem Reichskanzler die Meinung der Mehrheit des Reichstages zum Ausdruck bringen sollte. Unseres Erachtens wäre es allerdings der ein­fachste und nächstliegenste Weg gewesen, wenn die genannten Parteien seinerzeit im Plenum den Mißtrauensantrag, der gegen Herrn Dr. Michaelis vorlag, angenommen hätten.

Der Reichstag bietet in der jebigen Situation dem deut­ schen Volfe fein erfreuliches Schauspiel. Es ist offenes Ge­heimnis, daß eine Dreiviertelmajorität das Verbleiben des Reichskanzlers im Amte für unmöglich hält. Dennoch findet diese überwältigende Mehrheit keinen Weg zum gemeinschaft­lichen Handeln. Bei den bürgerlichen Mehrheitsparteien waltet eine gewisse Konfliktsscheu ob, deren durchaus ehren­hafte, mit dem Eindrud auf das Ausland rechnenden Motive mir anerkennen wollen, die aber durch Hinauszögerung und Verschleppung der Krise im sachlichen Enderfolg viel schädlicher wirft, als wenn man sich zu schnellem und energischem Han­deln entschlösse.

Es handelt sich dabei nicht nur um die Person des Herrn