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Gelrgeicheit mit Freuden ergriffen ffStten. Damals wurde auZ der Sache nichts, heule nun kommt dieser Antrag in veränderter Form wieder; daß dieser Antrag, wenn er zur Erörterung kommt, glänzend durchfällt, dazu hat die Presse und das Pro letariat bei Zeiten Stellung zu nehmen. Zum Schluß interessirr hier noch die Fassung des Antrages Wer hat den dirigirenden Assistenzärzten bei ihrer An stellung denAuftrag" zu errheilen,die angehenden Mediziner zu unterweisen", und was ist unter den st a a t l i ch e n und sonstigen großen Krankenhäusern zu verstehen? Meint der Antragsteller mitstaatlichen An stalten" etwa die Militärlazarette? Damit dürften die Herren Antragsteller denn doch kein Glück haben! Früher schon könnte dies bei densonstigen" Krankenhäusern, sofern damit die städtischen Krankenhäuser verblümt angedeutet werden sollen, der Fall sein. Daß dies nicht geschieht und seitens des Magistrats kein solcherAuftrag" ertheilt wird, dafür Sorge zu tragen ist Aufgabe unserer Presse, welche diese Angelegenheit stetig im Auge behalten wird. In dem Arbeiter-VerkelirS-Alinauach für Berlin und Umgebung, der vor einigen Tagen im Verlag von Hans Vaake, Berlin L., City-Passage, erschienen ist, wird der Arbeiterschaft Berlins eine Gabe dargeboten, die, wie wir wünschen wollen gar bald von allen, die am öffentlichen Leben interessirt sind. auf seinen ausgezeichneten Werth hin gewürdigt werden wird. Das inhaltreiche Nachschlagebuch zerfällt in drei Theile, von denen der erste die Fahrpläne der Stadtbahn -, Vorort- und Fern Züge, sowie der Pferdebahnen, Omnibusse und Dampsschiffe zc enthält. Der zweite, am Wesentlichsten in Betracht kommende Theil enthält eine nach unserer Beurtheilung gewissenhafte und übersichtliche Zusammenstellung aller Adressen, die für die Arbeiter Berlins bei irgendwelchen Gelegenheiten von Werth sein können. Wir finden hier die Adressen der Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei, der Neichstagsmitglieder, der Partei-Organe, der Berliner Stadtverordneten, Vertrauensleute, Wahlvereine; ferner stno in über- sichtlicher Darstellung angegeben die Gewerkschaftskoinmission, die Zentralsitze und hiesigen Filialen der zentralisirten Gewerk schaftcn, die Lokalorganisationen, Krankenkassen, der Arbeiter Sängerbund, die Arbeiter-Bildungsschule, die Lokal-Koinmisstons� Mitglieder, die Lokal- und Boykottliste für Berlin und Um gebung und die Agitationskommission für die Provinz Branden� bnrg. In einem dritten Theil endlich,Vermischtes", finden wir eine Reihe Angaben mannigfacher Art, die ebenfalls für den Arbeiter ein mehr oder weniger großes Interesse haben. Wir nennen die Wahlkreiseintheilung der Provinz Brandenburg , eine Tabelle über die Vertretung der Provinz im Reichs tage seit 1S71, die Verordnung über die Sonntags ruhe im Handelsgewerbe, einige Notizen über die Gewerbe gerichte mit Geschäfrsplan für das Gewerbegcricht zu Berlin , ein Verzeichniß der Gerichte, Aemter, Markthallen Krankenhäuser, Fachschulen u. s. w. Mit dem Herausgeber theilen auch wir die Ansicht, daß der Verkehrsalmanach sich zahl- reiche Freunde erwerben und ein unentbehrlicher Berather jedes aufgeklärten Arbeiters ini Leben sein wird. Es läßt sich um dies so eher erwarten, als der billige Preis von 15 Pf. jedermann die Anschaffung des vortrefflichen Büchleins möglich macht. Der Bankier Georg Sejeune, der von Wien aus wegen Bankerotls verfolgt und hier festgenommen wurde, gegen den aber, ehe die Auslieferung nach Oesterreich erfolgte, ein straf rechtliches Verfahren bei dem hiesigen Landgericht eingeleitet wurde, weil er das von ihm verwaltete Vermögen einer Vev wandten bei Seite gebracht haben sollte, ist von einem Gerichts arzt für geisteskrank Kleptomanie? erklärt worden. Des' halb hat das Strafverfahren gegen ihn eingestellt werden müssen Lejeune, der belgischer Staatsbürger ist, wird bis auf weiteres der Irrenanstalt Herzberge überwiesen. Nebcr das Befinden der bei dem Vanungliick auf dem Postgebäude verunglückten fünf Arbeiter, die nach der Charitee gebracht wurden, meldet ein Berichterstatter, daß drei von ihnen bereits an demselben Nachmittage um 6 Uhr aus dem Krankenhauke nach ihren Wohnungen entlassen werden konnten Dies sind Hermann Kempf, Lühbenerstr. 29; Eduard Guhl, Oder' bergerstr. 28, und Hermann Rahmfeld, Neue Roßstr. 7. In der Charitee verblieben sind August Traxel, Gräfestr. 77, und Theodor Wrobel, Ekalitzerstr. 54. Der letztere hat einen Bruch des rechten Oberschenkels und einen Bluterguß im iiniegelenk davongetragen, während der erstere eine Wunde an der rechten Wade und eine Quetschung des rechten Oberarmes erlitten hat. Aber auch für diese beiden besteht keine Lebensgefahr. Der Polier Bentin hat überhaupt kein Krankenhaus auszusuchen nöthig gehabt. Die Leiche des Zimmermanns Johann Krüger aus der Schleiermacher praße 7 kommt zur gerichtsärztlichen Oeffnung. Erschossen hat sich, wie derVolks-Zeitung" auS Charlottem bürg gemeldet wird, der Stadtrath a. D. Kark Gnevkow . Der Verstorbene hat ein Alter von 77 Jahren erreicht. Auf Autrag deS Amtsgerichts in Dirscha» ist heute ein Rechtsanwalt T. von hier verhastet und nach Dirschau gebracht worden. Den Osten und Nordosten Berlin » macht in jüngster Zeit ein feiner Spitzbube mit vornehmen Manieren unsicher. Er tritt als Wohnungssuchender auf, um dabei Gelegenheitsdiebstähle auszuführen. In einem Sonderfalle erschien er bei einer Frau Schumann in der Friedenstr. 32. Nachdem er die Wohnung be- fichtigt hatte und über den Preis verhandelte, begab er sich noch mals in das Schlafzimmer zurück, um den Raum für die Unter- bringunq seiner Sachen auszumessen. Wie die Vermietherin später feststellte, hat er dort eine goldene Uhr mit Kette im Werth von 400 M. entwendet. Von einem Hofhunde ersteischt wurde vorgestern Abend um 7 Uhr auf dem Grundstück Goll'tdwstr. 19 das 18jährige Dienst- mädchen Anna Haller , welches bei einem Bewohner dieses Hauses in Stellung ist. Der Besitzer des Grundstücks ist der Möbel- tischler Groschkus, welcher aus dem Hose ein Fabrikgebäude hat; zur Bewachung des Terrains ist ein Privatwächter angestellt, zu deffen Unterstützung ein großer bissiger Hofhund gehalten wird Ani gestrigen Abend zu obenerwähnter Zeit begab sich das Dienstmädchen Anna H. nach dem Hofe hinaus, auf welchem der Wächter das Thier an einer Kette umherführte. Als der Hund das junge Mädchen erblickte, riß er sich von der Kette loS, stürzte sich auf die vor Schreck Gelähmte und zerfleischte der Unglück- lichen in des Wortes wahrster Bedeutung den rechten Arm und Schulter, ihr außerdem entsetzliche Wunden in der Brust zu fügend. Erst nach vieler Mühe gelang es dem Wächter, die Bestie von dem blutenden Körper des Mädchens loszureißen Die Bedauernswerthe, welche schwer verletzt ist, erhielt sofort ärztliche Hilfe; sie befindet sich m Privatpflege und dürste längere Zeit arbeitsunfähig sein. Weiberklatfch hat den Tod eines Menschen zur Folge ge- habt. Dem Rohrleger Schröder war hinterbracht worden, daß der in demselben Hause Demminerstraße 4 mit ihm wohnende Schuhmacher Swoboda sich dahin geäußert habe, er habe mit Schröder's Frau aus einem Kessel gegessen. Dadurch wurde Schröder so erregt, daß er am II. d. M. Abends an die Thür der Swoboda'schen Wohnung klopfte, und, als Swoboda wieder aufstand und öffnete, ihn zur Rede stellte und zugleich an- K Heinend mit einem Schlagring ihm inehrere Schläge auf den opf versetzte und auch noch in den Finger biß. Swoboda ist an den Verletzungen in der vergangenen Nacht gestorben. Die Sammelliste 265 für die ausgesperrten Brauerei- Arbeiter, auf welche bereits 5,50 M. gezeichnet sind, ist verloren gegangen. Es wird gebeten, dieselbe bei Hoffmann, Alte Jakob- straße 39, Hos S Tr., abzugeben. Polizeibericht. Am 13. d. M. Vormittags wurde vordem Hause Landsbergerstr. 79 ein Mann durch einen Schlächterwagen überfahren und am Unterschenkel bedeutend verletzt. Auf dem Klosel einer Schankwirthschaft in der Wollinerstraße versuchte Nach mittags ein Töpfer sich zu erhängen. Er wurde noch lebend ab geschnitten und nach der Charitee gebracht. Nachmittags gegen 2>/s Uhr waren auf dem Erweiterungsbau des Reichspostamts. Leipzigerstr. 16/17, 7 Arbeiter unter der Leitung eines Maurer- poliers auf einem zwischen dem ersten und zweiten Stocke an gebrachten Gerüst damit beschäftigt, schwere eiserne Träger in den zweiten Stock hinauszuschaffen. Hierbei brach das Gerüst zu- sammen, und die sämmtlichen darauf befindlichen Personen stürzten herab. Ein Arbeiter wurde sofort getödtet, zwei erlitten schwere Verletzungen, der Polier sowie drei Arbeiter wurden leichter verletzt, ein Arbeiter blieb unverletzt. An der Ecke der Kaiser Wilhelm - und Neuen Friedrichstraße gerieth ein Tapezirer- lehrling unter die Räder eines Postwagens und wurde am Bein erheblich verletzt. In einer Fabrik chirurgischer Instrumente, in der Müllerstraße, warfen drei Lehrlinge aus Uebermuth einen Strick über eine im Gange befindliche Transmissionswelle, an den sich einer von ihnen hing. Er wurde infolge dessen wiederholt um die Welle geschleudert und erlitt mehrere Knochenbrüche. Abends wurde ein dreijähriger Knabe vor dem Hause Pallisadew straße 61 durch einen Postwagen überfahren und am Kopfe be- deutend verletzt. Auf gleiche Weise verunglückte vor dem Hanse Prenzlauer Allee 6 ein dreijähriger Knabe, indem er unter die Räder eines Omnibus gerieth und schwere Verletzungen an den Unterschenkeln erlitt. Im Lause des Tages fanden zwei kleine Brände statt. WitternngSiiberstcht vom 14. Jnni. Witterung in Deutschland am 14. Juni, 8 Uhr Morgens Obwohl der Luftdruck feit gestern allgemein etwas zu- genommen hat, ist das Wetter doch in ganz Deutschland noch trübe. Gestern Nachmittag batte Keitum auf Sylt Gewitter, heute Morgen finden bei ziemlich lebhaften westlichen Winden in Nordwest- und Süddeutschland leichte Regenfälle statt. Die Temperaturen haben sich bis jetzt erst sehr unbedeutend gehoben im Südosten überschreiten dieselben noch nirgends 10 o Celsius. Wetter-Prognose für Freitag, den 13. Juni 18S4. Ein wenig wärmeres Wetter mit mäßigen westlichen Winden und veränderlicher Bewölkung, ohne erhebliche Niederschläge. Berliner Wetterbureau. Die Blntthat in Lichterfelde , wodurch zwei Menschen- leben vernichtet wurden, beschäftigte heute das Schwurgericht des Landgerichts II. Der Tbäterschast war der aus der Unter- snchungshaft vorgeführte Gärtner Rudolf Helbig beschuldigt. In der Frühe des 1. März d. I. wurden»n Groß-Lichterselde in Der Slegiitzerstraße zwei Leichen gefunden. In den Tobten wurden der Gärtner August Kurz und der Buchhalter Ad. Dethloff, zwei in Lichterfelde wohnhafte Personen er- kannt. Beide hatten viel Blut verloren und beide waren in gleicher Weise, nämlich am linken Oberschenkel, in der Nähe des Unterleibes verletzt. Kurz hatte dort eine sechs Zentimeter lange und 2 Zentimeter tiefe Wunde, Delhloff's Leiche wies einen furchtbare» Schnitt von 21 Zentimeter Länge auf. Die Leichen lagen etwa hundert Schritt von einander entfernt. Der Verdacht der Thäterschast lenkte sich deshalb auf den Angeklagten, weil dieser zuletzt mit den beiden Verstorbenen gesehen worden war. Anfangs leugnete Helbig, als man ihm aber Blutspuren an seinen Kleidungsstücken nachwies, räumte er ein. die That begangen zu haben. Er habe als Waffe ein Gärtnermeffer benutzt, welches er gleich nach der That in dem Garten seines Prinzipals, des Maurermeisters Schmidt, verscharrt habe. Das Messer wurde an der bezeichneten Stelle gefunden. Die Veranlassung zu dem traurigen Er- eigniß soll ein unbedeutender Wirthshausstreit gewesen sein. Es ist darüber folgendes festgestellt worden: Am Abend des 28. Februar befanden sich die Verstorbenen und der Angeklagte im Kube'schen Echanklokal gegenüber der Schützen- kaserne. Die beiden Erfteren sptelten mit dem Wirth und einem dritten Gast Skat. Als sie hiermit gegen 10 Uhr aufhörten, forderte Hclbig sie zu einer Partie Villard auf. Es wurde darauf eingegangen. Während Des Spiels kam es zu leichten Neckereien, die sich aber im Nahmen der Harmlosigkeit be> wegten und auf das Spiel Bezug hatten. Erst nach Be- endigung des Spiels, als die Gäste im Begriff standen. auszubrcchcn, kam es zwischen Kurz und Dethloff einerseits und dem Angeklagten andererseits zu Aeußerungen, die sich auf das persönliche Gebiet bewegten. Dethloff und Kurz gingen gleich nach 2 Uhr, etwa 3 Minuten später verließ auch Helbig das Kube'sche Lokal. Der Wirth trat dann mit dem letzten Gast, den Hausdiener Schelzien, vor die Thür und führte mit ihm noch eine kurze Unterhaltung. Beide und auch die im Gastzimmer befindliche Ehefrau Kube hörten nach wenigen Minuten«Hilfe! Wächter!" rufen. Der Ruf schien vom Viktoriaplatz her zu kommen. Kube und seine Ehefrau wollen Hclbia's Stimme erkannt haben. Keiner der Ohrenzeugen hat Veranlassung genommen, der Ursache des Hilferufs nachzuforschen. Der Angeklagte giebt folgende Schilderung von dem Auf- tritt, der sich auf der Straße abgespielt hat: Als er den Kreuzungspunkt der Dahlemcr- und der Steglitzerftraße erreicht hatte, habe er dort zwei Personen stehen sehen. Erst beim Nähertreten habe er Kurz und Dethloff erkannt. Kurz sei ihm entgegengetreten und habe ihm ohne Weiteres mit einem Stocke über den Kopf geschlagen. Nun habe er sein Taschenmesser her- vorgezogen, eS geöffnet und damit von unten nach oben einen Stoß gegen den Körper seines Angreifers ge- Ohrt. Dann Hab« er sich jzur Flucht gewandt. Nach wenigen Minuten habe er Schritte hinter sich gehört, er habe gefühlt, wie sein Verfolger ihn hinten am Rock- kragen zu fassen suchte. Er habe sich schnell umgedreht und mit de», Messer, welches er noch offen in der Hand gehalten, seinem Verfolger einen Stoß versetzt, der von unten nach oben gerichtet war. Dethloff, der sein Verfolger gewesen sei. sei sofort zu- ämmengesunken. Er habe dann die Flucht ergriffen. Für die Richtigkeit dieser Darstellung sprechen mancherlei Umstände. Auf dem Kopfe des Angeklagten wurden bei seiner Verhaftung mehrere Beulen entdeckt, welche wohl von Stockschlägen herrühren können. Helbig will sich in beiden Fällen im Zustande der Roth- wehr befunden haben, da die Verstorbenen die Angreifer gewesen und größer und stärker gewesen seien als er. Sein Vertheidiger, Rechtsanwalt Coßmann, tritt nach dieser Richtung hm den Eni- lastungsbeweiS an. Der Angeklagte ändert fein früheres Geständniß dahin ab, daß er die gegen ihn gerichteten Angriffe hlindlings mit dem Messer abgewehrt habe, ohne zu wissen, wohin er gestoßen habe. Er habe nicht nur eine Beule, sondern auch eine offene Wunde auf dem Kopfe gehabt. Hiervon hätten auch die Blutspuren in seinen Kleidern hergerührt. Die Beweisaufnahme mußte sich aus Feststellung der Vorgänge vor der Blutthat beschränken. Im wesent- lichen deckten sich die Aussagen Der Zeugen mit den Angaben des Angeklagten. Abgesehen von Reibereien geringfügiger Natur, sei im Kube'schen Lokal nichts vorgekommen, welches einen Racheakt von der einen oder der anderen Seite vermuthen lassen konnte. Die beiden Verstorbenen wurdeni als ruhige, solide Menschen geschildert, aber auch dem Angeklagten konnte in dieser Beziehung-nichts nachgesagt werden. Unaufgeklärt bleibt ein Umstand. Der Angeklagte behauptete. daß das Kube'sche Lokal aus Vergeßlichkeit ohne er gelassenen Hut geklagte, daß lassen habe. wäre, wenn betreten habe. habe. Kopfe daß Lokal Nun meinte der An- seine Wohnung ver- es ihm aufgefallen ohne Kopfbedeckung Röder ent- ---- Jubel" nicht gefallen Röder zu und zweitens Kopfbedeckung verlassen habe. Der Hut müsse im Lokal zurück- geblieben sein. Der Zeuge Kube erklärte,� daß er einen zurück- "" nicht gefunden er mit bloßem Kube meinte, Helbig sein An dem Thatorte ist der Hut nicht gefunden morden und hielt der Staatsanwatt es für möglich, daß der Angeklagte den Hut beseitigt hatte, wie er es mit dem Messer gethan. Der Vertheidiger legte dem Gerichtshof eine Depesche vor, worin das Kommando eines Feld-Artillerie-Regiments auf eine Anfrage bestätigte, daß Helbig wegen Geisteskrankheit vom Militär entlassen sei. Die medizinischen Sachverständigen begutachteten. daß der Tod der Verwundeten innerhalb weniger Minuten infolge Verblutung eingetreten sei. Der Staatsanwalt. Assessor Jürgens, führte aus, daß von einer Nothwehr gar keine Rede sein könne, selbst wenn Kurz den Angeklagten angegriffen haben sollte. Den Dethloff, der sich in seinem guten Rechte befunden hatte, als er den An- geklagten greifen wollte, durfte der Letztere nimmer- mehr über den Haufen stechen. Der Staatsanwalt empfahl den Geschworenen, die Fragen in Betreff der schweren Körperverletzung mit tödtlichem Ausgange zu bejahen und dem Angeklagten mildernde Umstände zu versagen, damit die strenge Bestrafung als Abschreckungsmittel für andere Messerstecher dienen könne. Der Vertheidiger behauptete dagegen, daß der Angeklagte in Furcht, Schrecken und Bestürzung über das Maß der erlaubten Roth- wehr hinausgegangen sei und deshalb straflos ausgehen müsse. Der Spruch der Geschworenen lautete auf N i ch t s ch u l d i g im ersten, auf Schuldig unter Zubilligung mildernder Um- stände im zweiten Falle(Dethloff). Der Staatsanwalt be- antragt« drei Jahre Gefängniß. Das Urtheil lautete auf zwei Jahre Gefängniß, wovon drei Monate durch die Untersuchungshaft abgerechnet worden. Eine antisemitische Heldenthat. Das merkwürdige Abenteuer, welches der Schriftsteller Arnold P e r l s in der Belle-Alliancestraße hatte, war durch ein schöffengerichtliches Urtheil noch merkwürdiger geworden. Als Herr Perls in der fraglichen Nacht durch die Belle-Alliancestraße kam, begegnete ihm der ihm bekannte Zahnarzt Karras in Begleitung eines Fremden und rief ihm einen harmlosen Gruß zu. Da erwiderte ihm der Fremde, der sich als der Kaufmann E puppte, mit lauter Stimme:Halte die Schn. Herr Perls glaubte, sich eine solche Beleidigung lassen zu brauchen, er trat also auf Herrn und sagte zu ihm: Erstens bin ich kein Jude verbitte ich mir, daß Sie mich in dieser Weise duzen!'Nehmen Sie das gefälligst zurück!" Die Antwort waren verschiedene Stockschläge, die Herr Röder Herrn Perls über den Kopf ver- setzte, so daß P. stark blutend zu Boden stürzte. Herr Karras, der vergeblich vorher versucht hatte, einen Zusammenstoß zu ver- hindern, spielte nun den barmherzigen Samariter und brachte den Verletzten mittels Droschke nach der Sanitätswache, während sich Herr Räber entfernte. Am andern Tage suchte Herr Karras bei dem Verletzten zu vermitteln und als Dies mißlang, ging Herr Röder zu einem ihm befreundeten Arzt, zeigte ihm eine angeblich in jener Nacht durch einen Slockschlag des Herrn Perls verursachte Beule am Kopfe u»d ließ sich das Vorhandensein derselben bescheinigen. Auf grund dieses Attestes stellte auch er den Strafantrag, und so ist es denn gekommen, daß der blutig geschlagene Herr Perls, der bei dieser Affäre noch den Verlust der goldenen Brille zu beklagen hatte, auch noch mit aus die Anklagebank mußte. Das Schöffen- gericht folgte sogar der Behauptung des Angeklagten Röder, daß Herr Perls zuerst geschlagen habe, obgleich dieser jedes Schlagen seinerseits entschieden bestritt und der unparteiische Augenzeuge Herr Karras ein solches nicht gesehen hatte. Das Ende vom Licde war, daß Röder unter der Annahme, daß derselbe in Nothwehr gehandelt, zu 100 M.. Perls dagegen zu 30 M. Geldstrafe verurtheilt wurde. Da von beiden Seiten gegen dieses Urtheil Berufung eingelegt war, hatte sich gestern die 6. Strafkammer des Landgerichts I noch einmal mit dieser häßlichen Straßen- szene zu beschäftigen. Die Strafkammer beurtheilte die ganze Situation doch wesentlich anders, als das Schöffengericht. Durch die Beweisaufnahme gewann der Gerichtshof die Ueberzeugung, daß Herr Räber sich nicht in der Nothwehr befunden, dagegen 'err Perls, wenn er geschlagen haben sollte, einen Akt der othwehr begangen habe. Perls wurde deshalb von Strafe und Kosten gänzlich freigesprochen, die gegen Röder erkannte Strafe dagegen für zu niedrig erachtet und aus 300 Mark ev. 30 Tage Gefängniß erhöht. VermisUzkes: Wer wird begnadigt? Vor kurzem wurde in Plauen t. V. ein Kolonialwaareuhändler, Schaub mit Namen, welcher wegen Verkaufs total verdorbener Schellfische zu 8 Tagen Ge- angniß verurtheilt worden war, vom König begnadigt. Jetzt ist ein ähnlicher Fall zu verzeichnen. Herr Bernhard Sommer, in Firma Sommer u. Haas«, war wegen Betrugs zu 3 Wochen Ge- sängniß und einer Geldstrafe verurtheilt worden, weil er S t i ck e r dadurch betrogen hat, daß er auf die Muster weniger Stiche schrieb, als dieselben ent» hielten,um die Löhne nicht zu sehr drücken zu müssen". Jetzt ist der Mann ebenfalls durch die Gnade des Königs vor dem Gefängniß bewahrt worden! Die Cholera. Anläßlich 5 Cholera-Erkrankungen und eines Cholera-Todesfalles in dem polnischen Bezirke Borszczow(Galizien ) ist seitens des österreichischen Ministeriums des Innern ein den Beschlüssen der Dresdener Konferenz entsprechendes Ausfuhrverbot gewisser Gegenstände aus diesem Bezirk erlassen>worden. Aus Lemberg meldet das BureauHerold": Da' die Cholera in Polen immer festeren Boden gewinnt, werden alle aus Rußland kommenden Reisenden in Szakowa ärztlicher Kon- trolle unterzogen. DaS Gepäck wird desinfizirt. Das Amtsblatt in Bukarest publizirt die zur Abwendung der Choleragesahr versiigten UeberwachungSmaßregeln, sowie die Verordnung bezüglich der gegen Oesterreich und Rußland be- 'chlossenen Grenzsperre. Die Pest in Hongkong . Nach«wer Depesche des Reuter'schen Bureaus" aus Hongkong sind dort am Mittwoch 86 Personen an der Pest gestorben und 9 englische Soldaten von der Krankheit befallen worden. Die chinesische Bevölkerung ver- läßt fortgesetzt den Ort und begiebt sich zum größten Theile nach Canton. Ein chinesisches Kanonenboot ist beordert, um die Ueberführung der Kranken nach der chinesischen Küste zu unter- tützen. Seil dem ersten Auftreten der Pest am 4. Mai sind bis etzt 1700 Chinesen an der Seuche gestorben. Die Epidemie soll im Abnehmen begriffen sein.