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Nr. 296.

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.Sozialdemokrat Berlin  ".

Vorwärts

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Berliner   Volksblaff.

34. Jahrg.

Der Anzeigenpreis beträgt f. die ftebengespaltene Rolonel. zeile 60 Bfg Kleine Anzeigen". bas fettgedruckte Wort 20 Bfg.( gu fäffig 2 fettgedruckte Worte), tedes weitere Wort 10 Bfg. Stellengesuche und Schlafstellenanzeigen das erste Wort 10 Bfg., jedes weitere Wort 5 Bfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Teuerungszuschlag 20% Familien Anzeigen 50 Pfg., politische u. gewertschaftliche Vereins. Anzeigen 40 Bfg die Zeile. Anzeigen für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmitt. im Hauptgeschäft, Berlin   S. 68, Lindenstraße 3, abe gegeben werden. Geöffnet bon 8 1hr früh bis 7 Uhr abends.

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Ami Morisplas, Nr. 151 90-151 97.

Sonntag, den 28. Oftober 1917.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morigplas, Nr. 151 90-151 97.

Mehr als 60000 Ttaliener gefangen.

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Der englisch   französische   Ansturm in Flandern   vergeblich.- Kämpfe am Oise­Aisne- Kanal. Die 2. italienische   Armee geschlagen. Ueber 60000 Gefangene, über 500 Geschütze erbeutet. Die italie­nische Front bis zur Wippach im Wanken.

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Amtlich. Großes Hauptquartier, 27. Oktober 1917.( 2. 2. B.)

Weftlicher Kriegsschauplah. Seeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Franzosen   und Engländer festen gestern tagsüber auf dem Kampffelde in der Mitte der flandrischen Front von neuem starte Kräfte ein, um die Schlachtentscheidung zu suchen. Der Erfolg blieb unfer: vergeblich haben die feindlichen Divisionen fich in unferer Abwehrzone verblutet.

Gesteigerte Artillerietätigkeit lag auf dem Kampfgelände, ehe der Feind zum Angriff schritt; hinter der sich vorwärts schieben­den Feuerwalze brachen seine Sturmtruppen vor.

Nördlich von Bigschote gelangten die Franzosen bis Bulte­hoek; von dort warf sie unser Gegenstoß ins Trichterfeld zurück. Zwischen der Straße Klerken- Pecilapelle und der Bahn Roulers -pern drangen in wiederholtem Ansturm die Engländer vor. Nach hin- und herwogenden Kämpfen, die westlich von Passchen dacle besonders erbittert waren, mußte fich der Feind mit wenigen Trichterlinien vor seiner Ausgangsstellung begnügen.

Abgesett vom Hauptangriff wurden mehrere englische   Dis vifionen gegen unsere Front von Becelaere bis südlich von Gheluvelt vorgeführt. Anfänglich brachen sie in den Park von Baezelhoet und in Gheluvelt ein; doch wurde der Feind durch unseren traftvollen Gegenangriff bald wieder über die alte Linie zurüdgeworfen.

Teiltämpfe daurrten bis in die Nacht; bas starke Feuer ließ nur vorübergehend nach.

Truppen aus allen Teilen des Reiches haben ruhmvollen Anteil an dem für uns günstigen Ausgang des Schlachttages!

Heeresgruppe Deutscher Kronprins.

In wenigen Abschnitten am Dise- Aisne- Kanal nahm der Ar­tilleriekampf größere Stärke an; die feindliche Infanterie ver­suchte gegen Abend vergeblich, an mehreren Stellen auf dem Nordufer des Kanals Fuß zu fassen.

In der Campagne und an der Maas   steigerte fich vielfach die Feuertätigkeit in Verbindung mit Aufklärungsgefechten. Auf dem

und an der

Deftlichen Kriegsschauplat

Mazedonischen Front

ist die Lage unverändert.

Italienische Front.

Die unter der persönlichen Oberleitung Seiner Apostolischen Majestät des Kaisers Karl von Desterreich, Königs von Ungarn  , vorbereitete Operation gegen die Hauptmacht der italienischen  Armee reift unter der Mitwirkung der unvergleichlichen Stoßkraft deutscher Truppen, die Schulter an Schulter mit ihren tapferen Waffenbrüdern am Isonzo   in den Kampf traten, großem Erfolge entgegen.

Die zweite italienische   Armee ist geschlagen!

Durch gutes Wetter begünstigt, drangen über die Höhen und durch die Täler, vielfach zähen Widerstand des Feindes brechend, deutsche und österreichisch ungarische Divisionen unauf­haltsam vorwärts.

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Der scharfgratige Höhenrücken des Stol wurde von der 1. 1. 1. 22. Echützendivifion genommen. Der 1641 Meter hohe, start befestigte Gipfel des Monte Matajur fiel schon am 25. 10. 7 Uhr vormittags- 23 Stunden nach Beginn unseres An­griffs bei Tolmein  - durch die hervorragende Tatkraft des Leut­nants Echnicber, der mit vier Kompagnien des Oberschlesischen Infanterie- Regiments Nr. 63 den starken italienischen Grenz­stüspunkt stürmte.

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Kampf unt Marschleistungen aller Truppen, die durch die Borberge der Julischen Alpen   der italienischen Ebene zustreben, find über alles Lob erhaben.

Die Zahl der Gefangenen hat sich auf 60 000, die der er­beuteten Geschütze auf 450 erhöht.

Unübersehbares Kriegsgerät muß aus den gewonnenen Stel­lungen der Italiener noch geborgen werden. 26 feindliche Flug­zeuge sind in den beiden letzten Tagen abgeschossen worden. Die italienische Jsonzo- Front wankt bis zur Wippach; auf der Karst- Hochfläche hält der Gegner.

Der Erste Generalquartiermeister. Lubendorff.

Abendbericht.

Berlin  , 27. Oftober 1917, abends. Amtlich. In Flandern   heftige Artillerietätigkeit; am Süd­westrand des Houthoulster Waldes örtliche Ju­fanteriekämpfe.

Vom Dise- Aisne- Kanal nichts Neues.

Jm Often keine größeren Kampfhandlungen. An der italienischen Front auch heute gute Fortschritte.

Die Gefangenenzahl von 60 000 ist um einige weitere Tausende gestiegen, die Zahl der erbeuteten Geschüte hat sich auf mehr als 500 erhöht.

Der österreichische Bericht.

Wien  , den 27. Oftober 1917.( W. T. B.) Amflich wird verlautbart:

Italienischer Kriegsschauplah.

Der unter der persönlichen Oberleitung Sr. Majestät un seres Kaisers und Königs gegen die italienische Hauptmacht ge­führte Schlag reift gewaltig aus. Unsere Kampferprobten, ruhm­reichen Jsonzotruppen und die mit unüberwindlicher Stoßkraft vorgehenden deutschen   Streitkräfte haben einen großen Erfolg errungen. Die Waffenbrüderschaft der Verbündeten, geschmiedet auf ungezählten Schlachtfeldern, besiegelt durch das Blut unserer Besten, bewährte sich aufs neue in unvergleichlicher Weise.

Am oberen Isonzo   haben unsere alpenländischen Truppen - altbewährte Infanterieregimenter, Kaiserjäger, Schüten aus Steiermark   und Tirol in den Felsgebieten des Rombon

und des Canin und auf dem Monte Stoll in zäher Aus­dauer und Tatkraft das Gelände und den Feind bezwungen. Südwestlich von Karfreit   erstürmten Preußisch- Schlesier den hoch aufragenden Monte Matajur. Dort wie westlich von Tol­ mein   wird durchweg auf italienischem Boden ge­fochten.

Auf der Bainsizza Hochfläche wehren sich die Italiener Schritt für Schritt. In heftigem Kampfe wurden die feindlichen Stellungen füdlich von Vrh, die einst so heiß umstrittene Höhe ,, 652" bei Vodice und der in Italien   als Siegespreis der elften Isonzoschlacht so sehr gefeierte Monte Santo erobert. Söhne aller Gane Defterreich- Ungarns   wetteiferten an Angriffsfreudigkeit. Bei Canale und östlich davon brachten zwei t. n. t. Divisionen allein 16 000 Gefangene und 200 Geschütze ein.

Nördlich von Görz stehen wir am Isonzo  .

Im Fajtir Hrb entriß die ungarische 17. Division, die seit mehr als zwei Jahren am unteren Isonzo   siegreich Wacht hielt, dem Feind in überraschendem Ansturm seine erste Linie. Es fielen 3500 Italiener in ihre Hand.

Die Gesamtzahl der Gefangenen hat sich auf 60 000, bie der erbeuteten Geschüße auf 500 erhöht. Bon feindlichen Flug­zengen find bisher 26 herabgeschossen worden.

Deftlicher Kriegsschauplatz und Albanien  .

Nichts Neues.

Der Chef bes Generalstabes.

Ein abgelehnter Wahlrechtsentwurf.

Zu der Verzögerung der preußischen Wahlrechtsreform erfahren wir von unterrichteter Seite: Der Minister des Innern Dr. Drews hatte bereits den Entwurf einer Wahl rechtsreform fir und fertig ausgearbeitet, aber dieser Entwurf stieß bet anderen Stellen auf Widerstand und wurde ab­gelehnt. Der Grund der Ablehnung dürfte darin zu suchen sein, daß der Drewssche Entwurf den betreffenden Stellen zu radikal erschienen ist.

Da wir den Dretsschen Entwurf nicht lennen, so können wir auch über seinen Wert nichts sagen. Sicher aber wird niemand bei bem preußischen Minister des Innern überschäumenden Radifalismus voraussetzen. Wenn gleichwohl sein Entwurf feine. Gnade fand, so ist das kein gutes Omen für die praktische Einleitung der

Wahlreform.

Zu neuen Ufern.

Die Nachricht, daß der Reichskanzler Dr. Micha­eits sein Abschiedsgesuch eingereicht habe, ist amtlich noch nicht bestätigt, wird aber in politisch unterrichteten Kreisen nicht mehr bezweifelt. Herr Michaelis hat sein Abschiedsgesuch eingereicht, an dessen Annahme nicht zu zweifeln ist. In wenigen Tagen wird das Deutsche Reich   an seiner Spitze den siebenten Reichskanzler sehen. Das durch viele Enttäuschungen Beit zu hoffen, daß der neue Mann der Mann einer neuen entmutigte deutsche Volf hat nun doch wieder ein paar Tage Zeit sein möge.

Die Reihe seiner Vorgänger seit Bismarck   ist nicht mehr glänzend. Als ersten erblicken wir einen rechtschaffenen Gene­ral, der mit militärischem Gehorsam sein Amt übernimmt und sich mit Eifer in die ungewohnte Aufgabe einarbeitet, als zweiten einen Flugen, alten Hocharistokraten, der seine medi­fanten Denkwürdigkeiten schreibt und ein kleiner Meister im stillen Verhindern ist.- Caprivi und Hohenlohe sind längst in dem Lande, aus dem es keine Wiederkehr gibt, aber auch der dritte Kanzler des neuen Kurses, der körperlich noch in er­freulicher Frische blüht, gehört politisch zu den abgelebten Schatten.

Heißt es nicht, den Sinn unserer Zeit vollständig miß­verstehen, wenn man Bernhard Bülow   unter den Mög­lichen" des Herbstes 1917 nennt? Wir wollen die Eigen­schaften dieses Mannes nicht verkennen, er war zweifellos bei weitem der Gewandteste unter den Vertretern jenes ancien régime, der bergangenen Regierungsperiode, die man irrtüm­lich den neuen Kurs" getauft hatte. Ein angenehmes Talent nicht ohne mühelos erworbene Weltbildung, ein gutes Gedächt nis, eine repräsentable Erscheinung mit Rednergebärde und Sprechergewicht, ein Günstling Fortunas  , dem nichts versagt blieb, weder natürliche Gaben noch Würden, Titel, irdische Glücksgüter, nur eines: die Gesinnung, die den wirk­lichen Mann macht.

Und darum gibt es in der Sozialdemokratie keinen, der Bülow wieder im Amte sehen möchte. Nicht weil er damals unser Gegner, in einem Grade war, in dem er es heute wahr­scheinlich nicht ist, sondern weil er nie ein Gegner gewesen ist, wie wir sie haben wollen, einer, der mit leidenschaftlicher Kraft Ueberzeugung gegen Ueberzeugung sett. Und darum besteht zwischen ihm und unserer Partei ein Gegensah, der sich auch durch äußerliche Anpassung nicht überbrücken läßt. Fürst Bülow   ist die gefällige Erscheinungsform einer ange­nehmen Dekadenz, und er kann seiner ganzen Natur nach kein Verständnis haben für die Arbeiterbewegung, die, vom Stern einer großen Idee geleitet, durch die blutigen Trümmer einer zerfallenen Welt ihren Aufstieg sucht.

Fürst Bülow   wäre heute gewiß bereit, in der Hasenheide auswärtige Politik zu machen, und die Mandelstamm und Silberfarb, die Schnorrer und Verschwörer der russischen Revo­lution, als erleuchtete Staatsmänner zu feiern. Aber man würde wissen, daß seine Artigkeiten von jetzt wie seine Schnoddrigkeiten von einst nichts weiter wären als Mittel zum Zweck, Kunststückchen einer rein artistischen Diplomaten­politik. Fürst Talleyrand de Périgord   hat der Republik  , dem Kaisertum und den Bourbonen gedient, und er ist in dieser Wandlungsfähigkeit denen ein Borbild geblieben, die nicht verstanden, daß die Zeit für die Talleyrands vorüber ist. Der Vergleich hinft freilich auf mehreren Füßen: denn Talleyrand  hat keine so schlechte auswärtige Politik gemacht wie seinerzeit Fürst Bülow  .

Es war das Verdienst Bethmann Hollwegs, daß er nach etwas schwerfälliger Einfühlung die Fehler von Bülows Politik erkannte und sie zu korrigieren verfuchte. Bülow hatte den Friedensboten Jaurès   von der deutschen   Schwelle verjagt, Bethmann sah mit Zufriedenheit das Werk von Bern   wachsen. Bülow war der Mann der rasselnden Redensarten, von Beth­mann stammt das Wort, daß der Starke sein Schwert nicht im Munde führe. Bethmann erkannte, was die Tirpitz- Bülow­sche Politik verdorben hatte, er begriff, daß die deutsch  - englische Verständigung der Angelpunkt des Weltfriedens war und er handelte danach. Sein Fehler war nur, daß er langsam be­ein dreifach Kühnerer gehört hätte. So konnte sein Werk von andern, drinnen und draußen, verdorben werden. Bülow hatte mit Konflikten leichtfertig gespielt, Bethmann hatte sie gewissenhaft zu vermeiden gesucht, aber als einer an ihn herantrat, schlugen die Wellen über dem Haupt eines un­kräftigen Schwimmers zusammen.

Westliche Industriegebiete bombardiert. greifend und zögernd an eine Aufgabe ging, zu deren Lösung

Berlin  , 27. Oktober. In der Nacht vom 24./25. Oktober griffen mehrere feindliche Geschwader das Lothringisch lugem burgische und das Saar  - Industriegebiet mit Bomben an. In Esch   in Luxemburg   wurden fünf Berfonen getötet, vier ver­wundet; in Saarbrücken   ist ein Toter, sechs Verwundete zu beklagen. Militärischer Schaden wurde nicht verursacht. Der sonstige Sach­schaden ist unbedeutend. Vier Flugzeuge wurden durch die Abwehr­mittel unseres Heimatluftschutes abgeschoffen oder zur Landung ge­zwungen, darunter ein Handley- Page- Großßlugzeug. Die Insassen waren bis auf einen Amerikaner jämtlich Engländer.

Und dann erlebte der konservative Bethmann im Weltkrieg sein Damaskus  . Er erlebte es, und wie früher seine starre Abneigung gegen freiheitliche Reformen wirklicher Gesinnung entsprang, so wurde er jetzt aus schwer errungener innerer Ueberzeugung der Künder einer neuen Zeit. Für den Fürsten