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Im gj. Wahlbezirk findet keine Wahl statt. Im öS. Wahlbezirk, Stadtbezirk 220-236..... 3 Arbeiter. 36..... 237-250..... 5 37. 251234, 260-264 2 .. 88. 270-275,.... 2 Im 39. Wahlbezirk, Stadtbezirke 216, 217, 279 bis 283. 285............ 2 Arbeiter. Im 40. Wahlbezirk, Stadtbezirke 284, 286304.. 3 41. 305-318.... 2. 42. 276-278, 319-326 2 Es sind mithin in 34 Wahlbezirken 70 Arbeitnehmer-Beisitzer zu wählen. Parteigenossen! Versäumt nicht. Euch in die Wähler' liste» zur Gcwcrbcgerichts-Wahl eintragen zn lassen! Die Anmeldungen werden entgegengenommen: 1. im Wahlbureau, Poststr. 16, 2 Tr.; 2. in der Turnhalle der 181./169. Gemeindeschule, Teinpel- Hofer-User 2; 3. in der Turnhalle der 62. Gemeindeschule, Schmidstr. 33; 4. in der Turnhalle der 115./170. Gemeindeschule, Skalitzer- straße 55/56; 5. in der Turnhalle der 23. Geiiieindeschlile, Straußberger- strape 9; 6. in der Turnhalle der 8./63. Gemeindeschule, Gips­strahe 23.Ä.; 7. in der Turnhalle der 15. Gemeindeschule, Kastanien- Allee 82; 8. in der Turnhalle der 113. Gemeindeschule, Pankstr. 78; 9. in der Turnhalle der 113./128. Gemeindeschule, Thurm­strahe 80. Als Ausweis geniigen für den Arbeitgeber die Bescheinigung über die erfolgte Anmeldung des Gewerbe- belriebes oder die letzte Quittung über Zahlung der Gewerbe- steuer, für den Arbeitnehmer ein Zengniß seines Arbeitgebers oder der Polizeibehörde, sowie Steucrquittungen:c., daß er seit mindestens einem Jahre inner- halb des Gemeindebezirks wohnt oder in Arbeit steht. Formulare zu den schriftlichen Anmeldungen können in Empfang genommen werde». 1. im Wahlbnreau Posichr. 4S, 2 Treppen, während der Dienst- stunden von Vormittags 8 bis Nachmittags 3 Uhr, und 2. in den oben genannten Anmeldestellen während der vor- geschriebenen Anmeldefrist. Es wird daraus ganz besonders aufmerksam gemacht, daß bei unterlassener rechtzeitiger Anmeldung das Stimmrecht ruht. Wer ist als HanSgcwerbctreibendcr berechtigt, an den Arbeitgeberwahlen zum Äewerbegericht als Arbeitgeber theil- zunehmen? Der Magistrat veröffentlicht in seiner Bekanntmachung, betr. das Gewerbegericht der Stadl Berlin , darüber folgendes: Die der Zuständigkeit des Gewerbegerichls unterstellten Hausgewerbelreibenden sind, sofern sie gemäߧ 14 der Gewerbe-Ordnung den selbständigen Gewerbebetrieb angemeldet haben, als Arbeitgeber, andernfalls als Arbeiter wahlberechtigt. Als ein selbständiger Gewerbetreibender(Hausgewerbe) ist nun nach s 14 derjenige anzusehen, welche für eigene Rechnung und aus eigene Berantwortlichkeit ein Gewerbe betreibt und diesen Gewerbebetrieb der Behörde angemeldet hat. Auch sind diejenigen Hausgewerbetreibenden, welche nicht auf eigene Rechnung arbeiten, fondern für einen oder mehrere Fabrikanlen, sofern sie ihren Gewerbebetrieb angemeldet haben, als Arbeitgeber wähl- berechtigt. Hat alfo der Hausgewerbetreibende sein Gewerbe nicht angemeldet, so ist er nur als Arbeiter wahlberechtigt. Die Frage, ob er Ge- wcrbesteuer zahlt, ob also sein Gewerbebetrieb ein steuerpflichtiger vder steuerfreier ist, kommt hierbei nicht in Betracht, sondern nur die, ob er seineu Gewerbebetrieb als solchen angemeldet hat. Wie Herr Salomon seine Leute ans ihre Berlästlich- keit hin prüft. DieTgl. Rdsch." erzählt: Eines Tages kommt Blumensohn zu seinem langjährigen Geschäftsfreunde Salomon und bittet ihn, ihm während einer Reise 20 000 M. auf­zubewahren. Salomon geht natürlich darauf ein, führt den Blumenfohn in sein Komptvir, wo er sich in Gegenwart aller Komptoiristen die Summe einhändigen läßt.Sie sind Zeugen. daß mir Herr Blumensohn 20 000 M. zur Aufbewahrung über- giebt!" sagt er zu dem Personal. Alle nicken zustimmend. Nach 14 Tagen kehrt Blumensohn zurück und verlangt sein Depot wieder. Salomon stellt sich höchst verwundert und will sich nicht erinnern. Aber ich habe Ihnen doch das Geld in Gegenwart ihres Personals übergeben," erklärt der verzweifelte Blumensohn. Salomon zuckt die Achseln.Kommen Sie herauf in's Komptoir, wir wollen die Leute fragen," erwiderte Salomon ruhig. Blumen- söhn ist vor Schreck starr das gesammte Personal erklärt, von dem Depot keine Ahnung zu haben. Salomon führt den Er- schreckten hinaus, greift in die Tasche und giebt ihm lächelnd das Kuvert mit den 20 000 M.Nehmen Sie's nickt übel, alter Freund," sagt er lächelnd,ich habe nur sehen wollen, ob ich mich aus meine Leute verlassen kann l" Wenn die Geschichte des antisemitischen Blattes auch nicht wahr ist, so ist sie doch in ihrer Art gut erfunden. Jüdischer und christlicher Kapitalismus wetteifern miteinander in dem Bc- streben, ihr kausmännisckzes und technischesHilfspersonal" zu ihren geistigen Prostituirlen zu machen. Es ist keine Kunst, Leute zu haben, die in anständigen Geschäften ihrer Pflicht nach­kommen; die wahre Zuverlässigkeit der Bureausklaven läßt sich erst in Gaunereien erproben. So will es die Moral des Kapitalismus . Der räthselhafte Todesfall eines KindeS beschäftigt seit Donnerstag'die Polizei. Der am 23. Februar d. I. geborene Sohn Heinrich der Schlächtermeister Schäfer'schen Eheleute wurde gestern Nachmittag um 5 Uhr von der Mutter in der Zionskirch- straße 11 befindlichen Wohnung todt im Bette liegend aufge- sunden. Frau Schäfer war etwa eine halbe Stunde der Woh- nung ferngeblieben und will sie beim Verlassen verschlossen haben, so daß außer' dem'Kinde niemand dort anwesend gewesen ist. Nun hat ein hinzugezogener Arzt festgestellt, daß auf dem Kopfe und ain Hinterkopse des Knaben Eindrücke, sowie daß an den Beinen blutunterlaufene Stellen sichtbar sind. Die Eltern können sich angeblich den Vorfall nicht erklären, der um so auffallender erscheinen muß, als das noch nicht vier Monate alte Kind sich den Schaden durch Umherwälzen oder Anstoßen an einen Gegen- stand kaum selbst beigebracht haben kann. Die Leiche ist daher beschlagnahmt worden, und die Polizei ist bemüht, den räthsel- haften Vorgang zu klären. Vermißt wird seit dem 5. d. M. der 15jährige Arbeits- bursche Wilhelm Hahn, der Benssclstr. 69 bei den Eltern wohnte. Nach einem hinterlassenen Zettel hat er die Absicht, freiwillig in den Tod zu gehen, da er einer Schuld wegen nicht weiterleben könne. Genaues über den Beweggrund ist nicht bekannt. Die Leiche ist bisher nicht gefunden worden. Die Fundamente des Bahnhofs Alexanderplatz haben sich, der Mittheilung eines Berichterstatters zufolge, theilweise, speziell an den Stellen, wo sich früher der ehemalige Königs- graben befand, gesenkt. Die Senkungen betragen zum Theil bis 30 Zentimeter. Besonders bemerkbar sind dieselben in dem von den Fahrstühlen der Zentral-Markthalle nach dem Ausgang in der Gontardstraße führenden Ausgang. Augenblicklich ist man damit beschäftigt, die fraglichen Stellen durch Einfügung neuer Fundamente auszubessern. Die über den Garten des Prälaten führenden eisernen Brückentheile haben, wie sich bei der letzten Untersuchung herausgestellt hat, auch so bedeutende Abweichungen von der normalen Lage ausgewiesen, daß zwischen das Mauer- werk und den einzelnen Brückentbeiken Keile eingeschoben werden mußten. Ein falsches Fiinfmarrstiick wurde am Donnerstag Mittag einein 12jährigeli Knaben in einem Obstladen am Potsdamer Platz abgenommen. Der Knabe, der mit dem Gekde eine Schachtel Erdbeeren kaufen wollte, gab an, das Falsifikat, das das Bildniß dzs Kaisers Friedrich zeigte, von einem ihm unbekannten Mann, der an der Ecke Potedamerstraße warten wollte, erhalten zu haben. Als ein Schutzmann erschien, um den Thatbestand fest- zustellen. war der Unbekannte inzwischen von der Ecke ver- schivnnden. Polizcibericht. Am 14. d. M. Bormittags wurde vor dem Hause Koloniestr. 1 ein Böttchergeselle mit schweren Verletzungen am Arme und Beine aufgefunden und nach der Chariiee ge- bracht. Er ist angeblich in oer in dep Nähe belegenen Wohnung eines Bäckermeisters mit einem Schankwirth in Streit gernthen und von diesem die Treppe binnntergeworfen worden. Auf dem Güterbahnhofe der Görlitzer Bahn siel beim Rangiren ein Hilfs-Weichensteller vom Trittbrett eines Güterwagens und erlitt einen Bruch der Wirbelsäule und schwere innere Verletzungen. Abends fand im Keller des Hauses Luisenstr. 42 ein Brand statt. WitternngSübersicht vom 13. Jnui. Witterung in Dentschlaud am IS. Jnui, 8 Uhr Morgens. Obwohl in der weltlichen Hälfte Deutschlands der Luftdruck seine normale Höhe bis zu 6 Millimetern überschritten hat, ist das Wetter doch allgemein noch trübe geblieben. Nach gestrigen Gewittern in Kiel und Friedrichshafen haben die Regenfälle zwar im Westen einstweilen aufgehört, nordöstlich von der Oder aber dauert der Regen fort. Auch die kühlen nordwestlichen Winde halten in ziemlicher Stärke noch an und verhindern eine weitere Erwärmung; auch heute Morgen hat Chemnitz nur 8, München 90, und allein zu Swinemünde ist das Thermometer auf 16 0 Celsius gestiegen. Wetter-Prognose für Sonnabend, den 16. Juni 1894. Etwas wärmeres, theils heiteres, theils wolkiges Wetter mit leichten Regenfällen und mäßigen südwestlichen Winden. Berliner Wetterbureau. Geriifcks-Bemmg. In der Anklagcsache wider unser» Genossen Zlrthur Ttadthagen wegen Hausfriedensbruchs und Beleidigung des Bürgermeisters Wagner in Liebemvalde wurde am Freitag die am Mittwoch abgebrochene Verhandlung vor der 8. Straf- kammer hiesigen Landgerichts I fortgesetzt. Es handelt sich, wie wiederholt sein mag, um Vorgänge in einer Wahlversammlung der Kartellparteien in Liebenwalde , in welcher Stadthagen mit anderen Parteigenossen erschienen war. Der Staatsanwalt hatte gegen denselben eine Gesnmmtstrafe von 550 M. in Antrag gebracht, die Verhandlung mußte aber ver- tagt werden, weil der Angeklagte ans der Vernehmung noch einiger Zeugen bestand. �Einer der letzteren be­stätigte dem Angeklagten, daß es diesem nicht möglich gewesen sei, den Saal zu verlassen; ein zweiter Zeuge hat bei der zweiten Versammlung mit Knütteln bewaffnete Leute gesehen. Der Staatsanwalt verblieb bei seinen Anträgen und sprach die An- ficht ans, daß dem Angeklagten der Schutz des§ 193 zu versagen sei. Bürgermeister Wagner habe sich nach keiner Richtung hin eines Mißbrauchs der Ämtsgewalt schuldig gemacht. Der Angeklagte beantragte nicht nur seine Freisprechung, sondern auch die Auferlegung der nothweudigen Auslagen auf die Staatskasse. Der Gerichlshof sprach den Angeklagten von der Anklage des Haus- friedensbruchs frei, indem er nicht für festgestellt erachtete, daß die Aufforderung des Versammlungsvorsitzenden zum Verlaffen des Saales zu den Ohre» des Angeklagten gekommen ist. Was die Beleidigung des Bürgermeisters Wagner betrifft, so hat der Gerichtshof der Behauptung des Angeklagten, daß der Bürger- meister Wagner sich eines Mißbrauchs der Amtsgewalt schuldig gemacht habe, nicht beitreten können. Höchstens könnten diszi- plinarisch zu rügende Inkorrektheiten in Frage stehen. Wenn der Bürgermeister den Angeklagten durch den Gendarmen aus dein Saale haben bringen lassen, so habe er damit nur imwohl- erwogenen Interesse des Angeklagten selbst gehandelt". Der Ge- richtshof hat angenommen, daß dem Angeklagten der Schutz des Z 193 zur Seite stehen, daß aber die Schutzgrenzen dieses Paragraphen überschritten seien, da in der Form und in dem Ton, mit welchem der Angeklagte verlangte, daß der Bürger- meistersistirt" werde und mit welchem er drohte,den Bürger- meister verhaften zu lassen", die beleidigende Absicht zu erblicken sei. Die Vorgänge in der Versammlung vom 14. Februar hat der Gerichtshof nicht für genügend aufgeklärt erachtet, nm auch hier eine Beleidigung auf Seiten deä Angeklagten für festgestellt anzunehmen. Das Urtheil geht nach alledem dahin, daß der Angeklagte unter Freisprechung von der Anklage des Haus- friedenbruchs und der Beleidigung in einem Falle wegen öffent- licher Beleidigung zu hundert Mark Geld st rase event. 10 Tagen Gefängniß zu vcrurtheilen sei. Eine Berhandlnng wegen wissentlich falscher An- schnldigung nnd Beleidigung, welche gestern vor derjstebenten Straskammer des Landgerichts 1 stattfand, hatte fast sämmlliche Beamte des PackhofS als Zeugen in Anspruch genommen. An- geschuldigt war der Feldwebel a. D. und frühere' Hilfs-Steuer- aufseher�Paul Schramm, welcher nach der Entlassung aus seinem letzten Dienste an den Finanzminister und an die Steuer- behörde eine Reihe von Eingaben gerichtet hat, worin schwere Beschuldigungen nnd der Vorwurf grober Dienstvergehen gegen eine Anzahl Steuerbeamten erhoben wurden. Schramm be- hauptete, daß die Beamten, welche bei der Zollabferligungs- stelle auf dein Packhofe angestellt feien, die Ar- bester anzuweisen pflegten, die Fässer mit Spiri- tuosen und Weinen zu öffne». Von dem Inhalte würde mittels Gummischlauch oder Stechheber ein Theil herausgenommen, in Gießkannen, Blechbüchsen oder andere Gefäße gefüllt nnd in die Bureaus gebracht, wo die Beamten sich davon Grog oder Punsch brauten. Die Folge davon sei gewesen, daß verschiedene Beamte beim Schluß des Dienstes so betrunken gewesen seien, daß sie getaumelt hätten. Es sei ebenfalls in den Diensträumen wiederholt Thee gekocht werden und müsse er annehmen, daß auch die Ingredienzen hierzu von zollpflichtiger Waare entwendet worden seien. Es seien ferner Säcke mit Kaffee und Feigen eines Thetles ihres Inhaltes beraubt worden und ebenfalls hätten Schinken» und Fleischdiebstähle stattgefunden. Die Revisionen würden be» sonders in betreff der Gewichtsfeststellungen in überaus lässiger nnd oberflächlicher Weise ausgejührt. In einer anderen Eingabe erging der Angeklagte sich in schweren Beschuldigungen gegen seinen früheren Vorgesetzten, den Steuerrath Gramer. Derselbe scheine die Ltuhe mehr zu lieben, als es mit seinem Dienste ver» einbart sei, er scheine es mit seinem Eide nicht genau zu nehmen und habe ihm während seiner Dienstzeit eine gemeine BeHand» lung zu Theil werden lassen. Der Angeschuldigte behauptete, daß er in allen Punkten die Wahrheit gesagt und jedenfalls nach bester Ueberzeugung gehandelt habe. Einen Theil der Dienstwidrigkeiten habe er selbst ge- sehen, im Uebrigen sei sein früherer Kollege, der Steueranfseher Cerotzky sein Gewährsmann. Der Letztere gab zu, daß er mit dem Angeklagten viele Gespräche geführt habe, welche �sich um die Vorgänge drehten, welche von dem Angeklagten später zur Anzeige gebracht wurden. Schramm habe ihm diese Zugeständ- nisse aber am Biertisch gewissermaßen abgelockt. Was er, der Zeuge, alles über die angeblichen Pflichtwidrigkeiten erzählt, könne er nicht mehr angeben, er wolle aller einräumen, daß er alles Mögliche gesagt haben könne. Der Zeuge hat bei seiner veranlwortlichen Vernehmung Alles widerrufen, was irgendwie ein schlechtes Licht auf seine Kollegen werfen konnte, er ist aber trotzdem ans dem Dienste entlassen worden. Eine Menge Zeugen wurde» über die angeblichen Spirituosen- Diebstähle vernommen. Die Beamten bestritten sämmllich unter ihrem Eide , daß sie von den zollpflichtigen Getränken mehr ent» nommen hätten, als nölhig war, um. die Fässer aus ihren Inhalt zu prüfen. Es sei dies etwa jedesmal ein halbes Wein- oder Wasserglas voll gewesen. Als einziger Entlastungszeuge trat der Stationsassistent Engelmann auf. Derselbe bekundete, daß ihm von der unerlaubten Entnahme von Getränken yi Ohren ge­kommen sei, er habe auch einmal gesehen, daß ein Arbeiter Wein in ein Revisionsbureau brachte. In Betreff der übrigen Diebstähle ließ den Angeklagten die Beweisaufnahme im Stich und ebenso wurde durch sämmtliche Zeugen bestätigt, daß die Revisionen in betreff der Gewichtsfeststellungen in der ge- nauesten und gewissenhaftesten Weise vorgenommen worden waren. Staatsanwalt o. Jaroczewski ließ die Anklage wegen wissent- lich falscher Anschuldigung soweit fallen, als sie die rechtswidrige Entnahme von Getränken betraf, in betreff des Kaffeediebstahls und der Beleidigung des Steuerraths Granier hielt er sie aus- recht. Er beantragte eine Gesamnststrafe von sechs Monaten Gefängniß. Der Vertheidiger, Rechtsanwalt Sello, führte aus, daß der Angeklagte in allen Fällen von der Wahrheit seiner Behauptungen überzeugt gewesen sei und geglaubt habe, seine Pflicht zu thun, wenn er die von ihm theils selbst gesehenen, theils von Cerotzky erfahrenen Unregelmäßigkeiten zur Anzeige brachte. Auch in betreff der Beleidigungen stehe ihm der Schutz des Z 193 des Str.-G.-B. zur Seite und wenn der Angeklagte auch in der Form zn weit gegangen sei, so liege doch nur eine einfache Beleidigung vor, für welche eine Geldstrafe eine ausreichende Sühne sein dürfte. Der Gerichtshof folgte den Ausführungen des Ver» theioigers insoweit, als der Angeklagte nur wegen einfacher Be- leidiguna in zwei Fällen zu einer Gefängniß st rase von sechs Wochen verurtheilt wurde. EinBrandstifter" und sein Offizialvertheidiger. Eine erbarmungswürdige Kreatur stand am Freitag vor dem Schwur- gericht am Landgericht ll in dem Dienstknechte Wilhelm Schröder, welcher beschuldigt war, am Abend des 5. März d. I. die Scheune seines Dienstherrn, des Bauerngulsbesitzers Ebel in Rehfelde vor- sätzlich in Brand gesetzt zu haben. Der 24jährigi Mensch war knapp vier Fuß groß, nur sein Kops reichte über die Barriere herauf und wie er im Aeußeren de» Eindruck eines Kindes machte, so schien er auch in geistiger Beziehung ein Kind ge- blieben zu sein. In behaglicher Breite erzählte er, daß er die Scheune aus Rache angezündet habe, weil ihm der Bauer gedroht habe, er werde ihn krumm und lahm schlagen. Aber gerade diese Breite machte einen ver- blüffenden Eindruck, war doch nach Lage der Sache eine fahrlässige Brandstiftung überaus glaubhaft erschienen sein würde. Auch der Präsident, Landgerichlsdirekior Reuckhoff, hatte diesen Eindruck gewonnen. Derselbe versuchte im Laufe des Jnquisitoriums Näheres über Vergangenheit und Erziehung des Angeklagten aus diesem herauszubringen, stieß aber dabei auf erhebliche Schwierigkeiten. Mit vieler Mühe gelang es fest- zustellen, daß die Mutter des Angeklagten früh verstorben ist, wann wußte er nicht anzugeben. Der Vater hat Mutter und Kind verlassen, wo derselbe ist, konnte er nicht angeben. Mit 10 Jahren ist er in die Provinzial-ErziehungSanstalt in Strausberg gekommen und bis zu seiner Einsegnung dort geblieben. Tann kam er zu einem Bauen, als Hütejunge", da er aber nicht die nothwendigsten Kleider erhielt, rückte er aus und ging in die Strausberger Anstalt zurück, wo ihn der Inspektor auf eigene Faust beschäftigte, bis er wieder bei einem Bauern untergebracht wurde. An einer Stelle ist der Mensch sünf Jahre, sonst aber nur kurze Zeit an einem Orte gewesen. Gelegentlich frug der Präsident: Was haben Sie immer mit Ihrem Gelde gemacht? Angekl.: Geld was ist denn das? Präs.: Na, Sie müssen doch Lohn bekommen haben! Angekl.: Ne, Lohn Hab ich nicht gekriegt! Der Präsident hielt es nun für angemessen, den Angeklagten zu examiniren: Können Sie lesen? Angekl.: Nein! Präs.: Können Sie schreiben? Angekl.: Nur meinen Namen. Der Präsident stand auf, trat an die Anklagebank heran, gab dem Angeklagten Papier und Feder und ließ ihn seinen Namen schreiben. Das ging ziemlich kümmerlich. Dann examinirte der Präsident weiter. Zählen konnte der Angeklagte. Der Präsident frug: Wieviel ist 4 X 5?3" 6 X K? ,12 nein 36" 5X4? Angeklagter schweigt 7x8?41" 3-1-6?10" 5: 10?8" Welches Jahr schreiben wir jetzt? An- geklagter(nach langem Besinnen und unter Nachhilfe): 1894 Präs.: Wann ist Weihnachten? Angekl.: Im Dezember! Präs.: An welchem Tage? Angekl.: Am 20.! Präs.: Wann hat der Kaiser seinen Geburtstag? Angekl.: Am 24. März! Präs.: Wann war der französische Krieg? Angekl.: Das weiß ich nicht! Das Luther'sche B e« kennt n, das Glaubensbekenntniß und daS Vaterunser konnte er bezeichnender Weise ganz guthersagen. Der Präsident regte die Frage an, ob esnicht besser sei, den Geisteszustand des Angeklagten untersuchen zu lassen, der Ossizialvertheidiger, Referendar v. d. Goltz, lehnte es jedoch ab, einen diesbezüglichen Antrag zu st e l l e n, weshalb der Gerichtshos beschloß, den Gefängnißarzt Geh. Rath Dr. Lewin rufen zu lassen. Dieser wiederholte das Examen in aller Kürze und gelangle damit zu dem Schluß, daß der Angeklagte zwar schwachsinnig, doch nicht unzurechnungs- fähig sei. Der als Zeuge vernommene Dienstherr konnte dem Angeklagten nichts Schlimmes nachsagen. Derselbe sei zwar manchmal etwasniederträchtig" gewesen und habe zur Zeit stets angetrieben werden müssen. Lohn sei nicht verabredet gewesen. Verdacht habe er aus den Angeklagten nicht gehabt, weil zur Zeit in der Umgegend viel boshafte Brandstiftungen vor- kamen. Der Brandschaden habe etwa 12 000 M. betragen. Daß der Staatsanwalt für Bejahung der Schuldfrage plädirte, fiel nicht auf, wohl aber, daß sich der Vertheidiger die aus der immensen Beschränktheit des Angeklagten resultirenden günstigen Chancen für die Vertheidignng entgehen ließ und daß er der Vertheidiger die Geschworenen bat, den Angeklagten schuldig zu sprechen. Die Geschworenen votirten denn auch auf schuldig unter Zubilligung mildernder Umstände, worauf der Gerichtshos aus ein Jahr sechs Monate Gefängniß erkannte. Vielleicht sind diese 18 Monate für den Angeklagten die glücklichsten seines Lebens.