Nr.Z0H— 1H17
Unterhaltungsblatt des vorwärts
Sokkabskö, November
Der Georgsritter.*)
Von Teffi . Im Lazarett roch eZ wieder einmal nach Schaffellen und Stiefeln— das bedeutete, dag neue Verwundete angekommen waren. Anna Pawlowna , die Hauptpatroneffe(aufzer ihr gab c>Z noch fiebenunddreißig Pationesfen in verschiedenen Ranystufens. sah aus einem Schemel im OpcraliouSzimmer und rief ins Telephon hinein: .Maria Pelcowna, kommen Sts schnell, schnell. Und Seife für die Verwundelen; außerdem muh ich mich mit Ihnen beraten. Es ist elwaS sehr Angenehmes und etwas sehr Unangenehmes vor- gefallen. Kommen Sie rasch." Anna Paivlowna war aufgeregt. Die emporgezogenen Brauen verliehen ihrem Gesicht einen tragischen Ausdruck, unter ihren schweren Seufzern krachte daZ Korsett. Sic rief den Sekretär: .Hören Sie. Pawel Illitsch, was soll denn das heißen! Wissen Sie, lvas geschehen ist? Wir haben einen Juden hier!.. .Was?" .Was! Einen Juden! Unter den neuen Verwundeten be- findet sich ein Jude! Man hat unZ da einen schönen Dienst er- wiesen!" .Ich versiehe nicht, worüber Sie sich eigentlich so aufregen." »Wie? Worüber ich mich aufrege I Erlauben Sie mir, ich ver- stehe S i e nicht 1" Der Sekretär blickte auf ihre geröteten Wangen, ihre tragischen Brauen, und in seinen Augen leuchtete daS BersiändatS auf, er schlug einen anderen Ton an: .Selbstverständlich begreife ich... eö ist sehr peinlich, besonders für uiuer Lazarett, wo doch alles im allgemeinen.. .Anna Augustowna hat sich für morgen angesagt,— und jetzt raij einem Male— tiefe Ueberraschung!' »Nun mit Gottes Hilse wird schon alles gut gehen, dafür soll man uns ja auch einen.Georgsrilter" geschickt haben?" Anna Pawlowna begann iveich zu werden: .Ja, mein Teurer! Stellen Sie sich nur vor! Ich möchte am liebsten selbst gehen, mich beim Oberst bedanken. DaS ist eine Vergünstigung, die nur unserem Lazarett zuteil wird. Man muh diesen Georgsritter so unterbringen, daß icder, der unS besuchen kommt, ihn tofort sieht." .Im ersten Saal, in der Nähe der Tür." „Man muß darauf sehe», daß eine Lampe dort hängt." .Sofort, ich werde e« sosort in Ordnung bringen." Maria Petrowna erschien, ihr erstauntes Giiaffengcsicht drückte daS ganze Entsetzen über die Nachricht auZ, daß sich' ein Jude im Lazarett befinde. .Das ist irgendeine Intrige." Als sie aber vom Georgsritter hörte, zeigte sie freudig die langen, gelben Zähne. .Wir werden un« alle mit ihm zusammen photographicren lassen." Anna PawlownaS Korsett krachte leise und still vergnügt. Die Veiwundeten wurden hereingebracht. .Welches ist der GeorgSritler?" „Der kleine Schwarze dort,"— antwortete die barmherzige Schwester. Der Georgsritter war ein kleine? Männchen mit bärtigem, er- erschöpftem Gesicht, er konnte nicht gehen, ein stämmiger Krankenwärter trug ihn auf den» Rücken herein. „WaS fehlt ihm?', .Man Hai ihin den Fuß amputiert." .O. der Aermste!" Anna Pawlowna lief geschäftig hin und her, drehte sich ein paar Mal um sich selbst und eilte dann mit Maria Petrowna her» bei, um deu GeorgSritler unterzubringen. .Ist es Dir so bequem, mein Täubchen?" .Danke"— erwiderte schüchtern der Befragte. .Siehst Du. Du hast alles, eine Lampe, eine» Tisch, alles. Willst du rauchen? Maria Petrowna. Liebe, bringen Sie ihm Zigaretten. Man»intz ihm eine breitere Matratze geben, damit er besser liegt — der Arme, man bat ihm den Fuß amputiert." Sie begannen ihn zu befragen, wofür er das Georgkkreuz erhallen habe. Der Gcorgsritter berichtete, trocken und einfach; seine ganze Erzäbliing klang schlicht und gewöhnlich. Der Kommandant war verwundet worden. Er hatte ihn aus seinen Rücken geladen. und weggetragen— durchs Feuer hindurch— an einen sicheren Ort. Unlerivegs war er selbst am Fuß verwundet Da? GeorgSkreuz ist eine der höchsten russischen KriegSauS- zeichnungen. die dem Inhaber den Titel.Ritter" verleiht.
worden, aber eS hatte nicht sehr weh getan, und er war weiter ge» gangen. Er brachte den Kommandanten in Sicherheit Und brach dann selbst zusammen. Es hatte nicht sehr geschmerzt, hatte ihn nur geschwächt. .Das ist wahrer Heldenmut!"— voll Mitgefühl neigte Maria Petrowna den Giraffenkopf zur Seite.„Er versteht sein eigene« Verdienst nicht." „Ja".— seufzte Anna Pawlowna. — da? ist da« evangelisch«: laß deine Reckte nickt wissen, was da? deine Linke tut. Erstaunlich ist die Größe der russischen Seele. Du wirst bei un? bald genesen, mein Täubchen. Wir werden Dich für neue Schlachten auffüttern." „Für neue Schlachten?" fragte traurig und gedehnt der GeorgSritter.. „Ja. ja. wenn eö Dir bester geht.— Er scheint nicht recht zu verstehen, er muß au? dem Süden sein." .Bestimmt, er spricht mit kleinruisisckcm Akzent. Du, Soldat- lein, aus welchem Gouvernement bis Du?" „Aus dem Mogilewsktschen." „Und wie heißt Du?" „Jossel Schnipper." „Wie?" .Wie?" „Er spricht das schlecht ans.— Nm Gaiteöwillen. zeigen Sie schnell seine Pgpiere." Unna Pawlowna nahm da? Papier und laS flüsternd: .Josiel Scknipper... Josicl!... Jüdischer Konfession l... „Mein Gott, was ist denn daS l Was ist das für eine Gemein- hcit! Wie können Sie es wagen, diesen Schnipper hierher zu betten?"— fuhr sie den Wärter an.—«Wer hat eS Ihnen befohlen?* .Wer? Sie selbst doch!" .Ich? Sind Sie verrückt geworden? Ich sagte den GcorgS- rltier, und Sie.. „Aber er ist doch der GeorgSritter."— stotterte der Mann er» schrockeu. „Er! Schnippet?" Anna Pawlowna rang hilflos die Hände und wischte sich den Schweiß von der Stirne. „Nun gut. wir werden unS nachher entscheiden. Wir können keine Simulanten hier brauchen." Sie ging würdevoll aus dein Saal und schlug die TLc hinter sich zu. Aber ihre Seele fand keine Ruhe, wie sie sich nachher entscheiden würde, davon hatte sie keine Ahnung. .Dolior"— schrie sie dem vorübergehenden Arzte zu,.Doktor, sagen Sie mir ausrichtig, dieser Jude simuliert doch nur. nicht wahr?" .WeShalb sollte er denn simulieren?" fragte erstaunt der Dokior,»man ha: ihm dock de» Fuß ampntiert." .Nun ja, ober vielleicht fft dieser ganze Fuß irgendwie simuliert". Anna Pawlowna faltete wie betend die Hraide mid iah den Arzt so bittend und jammervoll an, daß dieser ganz vsrwirrt wurde. „Erlauben Sie, Anna Pawlowna , aber ich kenne mich da über« Haupt nicht mehr änS, Sie haben sich doch so gefreut, rtnen George- ritter zu bekommen..." .Wie schrecklich ist dock dies alles, lieber Doktor, wie schrecklich. Sie begreifen ja Dieser Soldat vereinigt sozusagen zwei Wesen in sich. Sie verstehen dock, Iva? ick mein«? Wir haben dem Georgs- riiter Zigaretten gegeben, geraucht ha: er sie der Jude. Wir haben da» beste Bett für den GeorgSritter ausgesucht, und jetzt liegt darin— der Jude. Da? ist dock... rst doch wirklich, ioa? man Pech nennt!... Das Schicksal bestraft mich für meine Güte 1" Sie sank ans einen Stuhl, vergrub ihr Gesicht in beide Hände, und daö Korsctl ächzte jämmerlich. Der Arzt ivollte noch eiwas sagen, besann sich aber dann eineS Besseren, seufzte auf. und enifernte sich schweigend. Wa- gibis da zu sagen, wenn daS Schicksal so ungerecht gegen die Menschen ist?!— (AuS dem Nutfiichen von H. v. zur Mühlen,)
Kleines Theater:„Gelüzauber' von Otto So�ka. Das in New Aork spielende Stück de? Wiener Autors erweckt in seinen beiden ersten Akren durch die laltbillttg-drollige Verwegen- beit, mit der die Satire die Dinge auf den Kopf stellt, allerhand Erwartungen. Die Art, wie der Held, ein junger Millisnär. daZ Thema von deS Dollar? Majestät m seinem Denken weiter spinnt und seine Thesen in die Praxis umsetzt, bat etwas von der Schlag- kraft der grotesken, speziell nmertkanischen verblüffungSkomit, die Mark TwainS oeirücklesten Unsinn mit ernstestem Gesicht vor»
bringt. Der hoffuunzSvoll« junge Mann verschafft stch zu- nächst durch Milionenstiftungeu für kulturelle Zwecke da? Sewußtsein, einet der nützlichsten Mitglieder der Gesell- schast zu sein. Dann läßt er seine Dollarregimenter nach anderer Richtung spielen. Er engagiert für so und so viel kansende im Monat sich einen Herrn, der bi« zur Kündigung al» Busrnsrrund stmgieren s»>. Uad auch an Liebe, meint er, kannS ihm kraft seines SkammonS niemals fehlen. Herr B i l d t war ganz vortrefflich in der Rolle: Ein liebenswürdiger, vergnügt und freundlich blickender Monsmann, der, unerschütterlich in seinem Wahn, doch talerant genug ist, andere Leute ruhig lächelnd an- zuhören. Indessen, d«S satirische Salz de? hübschen Einfalls reichte nicht für das Ganze. Di« Tallheit durchzuhalten, hätte es einer farbig reichen Phontasie bedurft, die dem Verfasser nicht zu Gebote stand. So hilft er sich im zweiten Teil mit mühselig ersonnen»» Konstrul- tionen fart, die deS Zuschauers gute Laune zu langweiliger Be» drießlichkeit gesrieren lassen. Die Angebetete, die'Tochter eines eitlen, einst berühmten Musikers, will dem Verehrer beweisen, daß sie au? eigener Kraft für sich und ihren Vater reichlich sorgen kann. Der junge Mann beschließt, ihr diesen schönen Traum kraft seines Geld«? zu gewähren. Die Verhandlungen, die er dazu mit dem mächtigen Agenten sührt, sind eine witzige Persiflage aus die Allmacht der Reklame. Die Dame soll, ohne daß sie selber etwas davon»nerkt, gegründet werden. Sie hat ein bißchen gemalt. Man wird also ihre Bilder»IS künstlerische Großtat t* der Presse ausposaunen und vorgeschobene Strohmänner horrende Preise dafür zahlen lassen. Aehnlich soll der vergilbte Ruhm des eitlen Alten zu neuem Glänze aufgebügelt werden. Was dann nock folgt: da? vom Aaenten arrangierte Festmahl für die Gefeierte, ihre Entdeckung der Intrige, ihr Eintritt in eine Agentur, die für reklamesüchtige reiche Wohliäier die erforderlichen Armen austreibt, und die s« lang hinausgezögerte Verlobung bringt kaum noch eine einzige Ueberraschung, dient, wie man heute sagen würde, als bloßes Slreckiingömittel. Die Ausführung, in welcher neben Vildt die Herren Lupn Pick, Forsch, Reissig und Frin. Zimmermann wirkten, war glücklich und geschickt auf den burlesken Ton gestimmt. ät. ' Notizen. — Die Theaterzen für in Köln . Nachdem vor einigen Wochen das Etadttheater von Würzburg Rosen ows Drama »Die im Schatten leben" aufgestihrt hatte, glaubten Kölner Verehrer deS Dichters, daß nun endlich auch in seiner Heimaistadt da« Berg- arbeiterdrama über die Bretter gehen dürfe. Die Zensur hat jedoch dem Deutschen Tbeater in Köln die Allfsührung nicht erlaubt. Die- selb« Zensur läßt freilich zu. daß allabendlich die plattesten Possen in breit-kölnischeni Lokalkolorit geboten werden. Dafür werden aber serienweise Werke verboten, die schon feit Jahren und Jahrzehnten Über die Bühnen gingen. So: Halbe:»Jugend'; Strindberg:.Fräulein Julie "; W e d e k i n d:.Der Kammer- iänger" und.Frühlstigö-Erwachrn". Vor dem Kriege sind diese Stücke selbst i» Köln schon aufgeführt worden. Wa der Zensor nicht bis zum Verbot gehl, sucht er bedenkliche Stellen sittlich zu reinigen. Etwa so:»In der kleinen Satire von Hartlebens.Lore" bean- standet« man diesen Satz: „Des Schwei»«« Ende ist der Wurst Anfang,— auf die himmlische folgt die irdische Liebe"..Aber ich bitte Sie, diese An- spielung! Entweder muß der erste oder der zweite Satzteil ge- strichen werden." meinte der Zensor. In der Aufführung hörte man nur de« Satz vom Schwein. Die Theaterzensur wird in der zweitgrößten Stadt der Man» archie von einem subalternen Potizetsekretiir ausgeübt! — Ein Brief marken-KtlaS, der den Briefmarken- sammler schnell über die geographischen Verhältnisse jeden Landes orientiert, erscheint bei F. C. Lücke in Leipzig . Der.AtlaS der Briefmarken-Geographie" ivtrd vielen ein brauchbares Hilfsmittel sein, zumal wenn eS sich um Poststaatengebilde handelt, die nicht mehr existieren, wie etwa Turn und Taxi« oder die früheren italienischen Staaten. Auch für die indischen Tributarstaaten Eng» land « zum Beispiel ist da« Albuin«ine vortreffliche Veranschaulichung. Di« Karlen sind klein(je jech« aus einer Seite), aber sauber und schatf.«Preis S.ßO M.) — Da« freie, große Amerika ! Wie der Pariser .New Aork Herald" aus New Dork meldet, wird in der kommenden Spielzeit an der New A orker Metropolitan« Oper keine Oper in deutscher Sprache zur Aufführung gelangen. Die seit Jahren am Opernhaus tätigen deutschen Kräfte wurden gekündigt. Außerdem soll die Auslösung de» berühmten Bostoner Shmphonie-Orchesters bevorstehen, angeblich weil sein Letter Dr. Muck sich geweigert hat, die amerikanische Naltonalhymn« zu spielen.
Die weljÄhe Nachtigall. Der Roman eine« sterbenden Jahrhunderts. Von R. F r a n c ä. IV. Den Ingolstädtern hatte eine milde und weise Regierung schon längst von den wichtigeren Menschenrechten das Rauchen freigegeben. Ucbcrall durften sie frei mit der Pfeife oder mit dem damals soeben aufgekommenen Zigarillo im Munde ninv hergehen, nur an einem Orte nicht. Dort wo am Paradeplatz vor der Residenz deS Statlhaltere die zwei Schildwachen Tag und Nacht die Entfernung der Wachhüuschen maßen. Dort mußte jeder Bürger„die'Pfeife aus dem Maul" nehmen, so er vorüberging, wie es in der jedes Jahr einmal mit Trommelschlag verkündeten Verordnung des Statthalters deutlich, wenn auch nicht eben höflich hieß. Die zwei Soldaten bewachten den Eingang zu großer Pracht. Wenn auch der alre Professorcnstock seinen Lewoh- ncrn über dem Kopf eingefallen war, hier war gleiches tvcht zu befürchten. Ein prachtig rcichvergoldctes Treppenhaus führte empor zum großen Thronsaal, in dem der Herzog von Hegnenberg Audienzen gab und mancher schlichte Bürger hatte dort schon Anliegen und Zeit vergessen vor Staunen und Gaffen über den spiegelglatten Parkettboden, die kristallenen Lüster, die mit schwerer roter Seide bespannten Wände und die prächtigen Gemälde, auf denen die Herzöge der Jngol- städtischen Linie, aus späterer Zeit aber, als das Herzogtum an Bayern fiel, die Kurfürsten abgebildet waren mit Allonge- Perücke, mit goldenem Degen und funkelnden, goldbesetzten Kleidern. Auch gegenwärtig drängte sich eine solche gaffende Menge im nicht minder reichen Äntichambre dieses Saales, auf den jeder echte Jngolstädter stolz tvar als sichtbares Zeichen, daß er int Glänze einer Residenz lebte. Von all den vielen schenkte nur einer der Pracht an den Wänden keine Aufmerksamkeit, sondern saß in schlichtem schwarzen Rock be- scheiden in einem Lehnstuhl am Fenster und las andächtig mit niedergeschlagenen Augen in seinem Brevier. Nur einmal blickte er auf. als sich seine Magnifizenz, der Rektor der Jngolstädter Hochschule, ihm freundlich näherte. „Eure Hochwürdcn da? Petitioniert sie vielleicht wegen deS Professorcnstockes— dazu bin ich da"— sagte voll- gewichtig Seine Herrlichkeit.
„Eure Magnifizenz zu danken für die Frage." erwiderte demütig der Priester,„ich komme nur akv simpler Bittsteller wegen zwei armen Soldatenweibern. die in Not verzagen als Witibs, ob sich nicht ein Plätzchen für sie fände etwa zur Be- dienung in den Kasematten." Der Rektor nickte dem Menschenfreund, dessen edle christ- liche Sprache von den Umstehenden tvohl vernommen wurde, gnädig zu und ging weiter. Die meisten der Bittsteller waren schon in der großen Flügeltür verschwunden, die vor daS Antlitz de? Höchst- gewaltigen im Ländchcn führte, da rief endlich der Hnissicr von seiner Liste: „Der Professor Crollalanza, Zootor utriusguv juris— Der Statthalter empfing den geschätzten Gelehrten, dem alles Platz machte, wie einen alten Bekannten. Er war ein vor- nehmer. schöner Mann von höchst gepflegtem Aeutzeren, dem die buschigen und künstlich schwarz gefärbten Augenbrauen einen besonders markanten und wohl auch angestrebten imponierenden Zug verliehen, der dann freilich mit dem nichtssagenden Ausdruck der blauen kurzsichtigen Augen seltsam kontrastierte. „Professor, Er kann auf mich zählen bei seinem Anliegen," sagte er artig.„Der Termin ist doch noch lange nicht," sehte er etwas unsicher hinzu. „Durchlaucht, wenn ich auch die Ehre hatte,«Lurer herzog- lichen Gnaden die geringfügige Summe aus dem Legat jenes Patrioten zur Verfügung stellen zu können, bitte ich mich doch ganz von jener Affäre zu trennen und bei meinem An- blick nur an meine Ergebenheit und den nie ersterbenden guten Willen zu denken zum Heile der Menschen, also im Dienste unserer Regierung nützlich zu sein.. Der Statthalter lächelte wieder beruhigt und klopfte dem Petenten auf die Schulter. Nun hat Er wieder Negierungssorgen," lachte er jovial. Crollalanza, der bisher gebückt auf der unteren Stufe der Estrade stand, auf der der Herzog die Bittsteller empfing, richtete sich auf und sah dem Regierungsgewaltigen fest und ernst ins Auge. „Durchlaucht. nicht ich habe Sorgen, sondern alle Patrioten und Gutgesinnten im Lande haben sie. EZ weht ein sonderbarer Wind über Ingolstadt , ein Geräune und Lispeln von Westen her. daS die Köpfe erschrecklich ausdorrt und er- hitzt."
„Ach, die alte Leier, sein ewiges Schreckgespenst", unter- brach ihn der Statthalter geringschätzig,„noch immer haben die Knechte hinter dem Rücken ihres Herrn die Faust ae- ballt aber noch stets haben sie gehorcht. Und außerdem, ich sehe überall nur zufriedene Gesichter." „Durchlaucht entschuldigen, aber die Zeit ist um. da sich noch einer als Knecht fühlte, da er als Knecht geboren ist. Gott hat aus unbegreiflicher Ursache einen Geist der Auflehnung zugelassen� den ich erschrecklich finden würde, müßte ich mir nicht sagen, daß alles nach GotteS Willen zu unserem Heile dienen muß. Er bereitet eine neue Zuchtrute vor, um uns sittlich zu läutern und zu dem Ernst der Zeit zu erziehen. Wir sind auch zu lau gewesen in der Abwehr deS Bösen und der Verführung."- .Da komme ich unverhofft zu der artigsten Büßpredigt l" lachte der Herzog.„UebrigenS, waS meint er da mit der Lauheit bei der Abwehr der Verführung?" „Eure Durchlaucht wissen es besser als ich, der ich als stiller Gelehrter meine Studicrstube fast nie verlasse, was sich derzeit Überall begibt in geheimen Konventikcln und offenem Aufruhr." „Hier in der Stadt Aufruhr I Ich weiß von nicht?. Er träumt I Red' er deutlicher!" Der Herzog ging im Zimmer auf und ab, dann blieb er stehen. „Mein bester Profeffor'oder Wohl gar Tonfessor! Man hat gehört, daß er einmal den Vätern Jesu nahe- gestanden." Der Jesuit hielt den prüfenden Blick, der ihn traf, aus, ohne die Augen niederzuschlagen. .Mein lieber Professor, ich glaube ja an Eure redlichsten Absichten, aber da» alle« sind nur Gespenster, wenn Ihr er laubt; fromme Phantasien. Ich kenne unser gutes deutsche? Volk. Das wird nie eine Revolution machen— dazu liebt es die Ordnung viel zu sehr. Wohl mag eS einzelne erhitzte Köpfe geben, die Menge aber wird ihnen nicht nachlaufen. DaS redet mir nicht ein. Nun sag' er einmal rückhaltlos, was weiß er denn eigentlich?" „Durchlaucht, ich würde nicht wagen, von selbst von solchen Dingen zu reden, nur wenn eS meine Obrigkeit befiehlt." „Ich steh' doch noch über seiner Obrigkeit. Auch die Kirche hat sich dem Staate einzuordnen— ich befehle ihm also zu reden."'.(Forts, folgt.)