Nr. 138.
Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. Desterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Poft Beitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.
Vorwärts
11. Jahrg.
Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzelle oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 7 Uhr Abends, an Sonna und Festtagen bis 9 Uhr Vors mittags geöffnet.
Serusprecher: Amt 1, Nr. 1508, Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berling
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Sonntag, den 17. Juni 1894.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt Trinkt kein boykottirtes Bier!
worden
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Der
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Louis Gallifet, ist ein Abgott der Bourgeoisie.
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die ganze chriftliche Märtyrergeschichte nicht auf. Und der 1. Mai zurückgewiesen hat; und insbesondere kann Hauptschlächter in dieser blutigen Maiwoche, der Mord- er nicht darüber im Dunkeln gewesen sein, daß die Berline Berliner Bier- Bonkoff " Führer" die Parteileitung inbegriffen mit dem AusWir haben den gesellschaftlichen Krieg"-tein Zweifel. ftand der Brauereigehilfen nichts zu thun haten, ja, daß sie giebt der kapitalistischen Presse wieder einmal Gelegenheit, Der gesellschaftliche Krieg" ist nur ein anderer Ausdruck für den Boykott der Rixdorfer Branerei mißbilligten. die ganze Feigheit, Frechheit und Verlogenheit des Progen- Klassentampf- und der Klassenkampf ist nicht unser Wie scharf wir ihn mißbilligten, das wissen am Besten die thums vor aller Welt auszustellen. In einem Athem wer- Werker ist das Werk der herrschenden Klasse, die Genossen, die jenen Beschluß faßten. Aber auch Herr den uns die widersprechendsten Vorwürfe gemacht. Die mit allen Mitteln sich an der Herrschaft zu behaupten, den Rösicke und Genossen haben es gewußt. Und im albernsten Renommistereien wechseln ab mit kläglichem An- Beherrschten die politische und ökonomische Gleichstellung Vertrauen darauf, daß die Partei in ihrer Mißbilligung rufen der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Bald heißt und Gleichberechtigung vorzuenthalten bemüht ist. Daß das verharren und unter feinen Umständen aus der Neutralität es, die Ritter vom„ Brauerring" merkten gar nichts vom Proletariat sich diese Gleichstellung erkämpfen will, daß es heraustreten werde, entschlossen die Rösicke und Konsorten Boykott, bald: er schädige das Geschäftsleben so sehr, daß in diesem Kampfe von den Waffen, welche es hat, Gebrauch sich zu jener frechen Herausforderung, die ihnen so übel es die Pflicht der Behörden sei, einzuschreiten und dem macht, und dem Unterdrücker mit gleicher Münze heimzahlt, bekommen ist wir meinen die Doppel- Dezimirung verderblichen Unfug ein Ziel zu sehen. Die heftigsten An- das ist sein gutes Recht, das ist sein Menschen der beschäftigten Brauerei- Arbeiter. flagen wechseln ab mit rührseligen Appellen an die recht und seine Menschen pflicht. Der Unterdrückte Wer sich des Krieges von 1870/71 erinnert, bem ist es Menschlichkeit. ist stets der angegriffene Theil, denn Unter- im Gedächtniß, wie tief die deutsche Kriegführung sich moDieses Treiben erfüllt wirklich mit Ekel. Hundertmal drückung ist ein fortdauernder Angriff. Die Abralisch schädigte durch die Anwendung einer den barbarischschleuderte man uns den Handschuh ins Gesicht, und nun, wehr eines Angriffs ist, sogar nach den Gesetzesbüchern sten Zeitaltern entlehnten Maßregel: durch das Geiseln ba wir ihn aufgehoben und dem Gegner ins Antlig geschlagen des Klassenstaats, ein berechtigtes Handeln. Und Abwehr, nehmen. Unschuldige Menschen schweren Leiden und haben, diese erbärmliche Heulmeierei! ja mehr noch: Nothwehr ist dieser Boykott, wie die Gefahren ausseßen, bloß um auf die Freunde und Genossen Gehässig" soll der Boykott sein eine Kriegs ungeheuere Mehrzahl aller Boykotts von unten und dieser Unschuldigen und am Kampf Unbetheiligten einen maßregel". aller Streits. Und wenn alle juristischen und unjuristi Seelendrud, eine Seelen folter auszuüben, und Gewiß ist er das. Wer hat aber den Haß gesäet? schen Handlanger des Kapitalismus sich zusammenthun, um die Gefolterten zum Frieden oder zur- Rapitulation zu Wer den gesellschaftlichen Krieg verkündet und geführt das Gesetz zu beugen oder zu brechen, hieran tönnen sie zwingen das erschien der öffentlichen Meinung aller feit Jahrzehnten, ja, wenn wir zurückgreifen, seit Jahr nichts ändern. Länder als eine Barbarei, als eine Unmenschlichkeit, und hunderten, seit Jahrtausenden? Oder sind es Nichts lächerlicher als das Gewinsel von den Geschäfts- jedes fühlende Herz war empört. nicht die Großen", die wirthschaftlich Stärkeren gewesen, störungen und Existenz- Schädigungen durch den Boykott- Ebenso verwerflich wie das Geiselnehmen ist das die allezeit die Armen und Schwachen unterdrückt und ge ein Gewinsel, das sich gar komisch ausuimmt neben der Dezimiren auch eine Sitte der rohesten Barbarei. ächtet haben? Doch bleiben wir in der Gegenwart: find stereotypen Prahlhanserei: der Berliner Bierboykott sei ein Nur daß es bei den Römern und Griechen meist eine Strafe nicht alle Arbeiter, die das Klasseninteresse ihrer Kameraden Schlag ins Wasser. war für begangene Verbrechen oder Vergehen, die an jedem vertreten, von jeher und überall verfolgt, chikanirt, gehetzt, Nein, Ihr Herren, das ist er nicht. Und noch Jahre, Schuldigen зи fühnen ein zu großes Gemezel geächtet worden? Sind nicht alle, die, selber der herrschen- nachdem Ihr den Frieden gesucht habt, werdet Ihr den erheischt hätte. Wenn z. B. ein paar Legionen gemeutert den Klaffe angehörig, der Sache der Arbeiter sich annehmen, Schlag fühlen. Wir haben den Streit nicht gewollt Ihr hatten, so tödtete man nicht alle, sondern nur den allezeit und überall verfolgt, chitanirt, gehegt, geächtet habt ihn uns aufgedrungen, doch wenn wir schlagen, dann zehnten Mann. Das war barbarisch, allein immerhin noch politisch geächtet, wirthschaftlich geächtet, ge- schlagen wir hart. human gegenüber den geschonten neun Zehnteln und es sellschaftlich geächtet? Und nicht blos sie allein, auch Mit einer, ihren Mangel an Wahrhaftigkeit grell lag eine nach dem Gesetz todeswürdige Handlung vor. die Kinder, Kindeskinder und Verwandten? Wir beleuchtenden Hartnäckigkeit fahren die Herren Rösicke und Die Männer, an denen Herr Rösicke und tönnten mit Tausenden D011 Beispielen Kompagnie fort zu betheuern, die Sozialdemokrotie hätte Genossen ihr Müthchen kühlten, und aus deren Mitte aufwarten. Behntausende unserer Genossen sind durch den Boykott vom Baune gebrochen, und zwar deshalb, weil sie nicht den zehnten, das war ihnen, den Arbeiter diese schmachvollen Verfolgungen und Boykottirungen sie den Vorstoß der Brauer zu gunsten der Arbeitsruhe freunden", zu wenig nein den fünften Mann langsam um ihre Existenz gebracht, planmäßig aus am ersten Mai habe unterstützen wollen. Das ist eine herausholten, um ihn auf die Straße zu jagen und dem gehungert und zu Grunde gerichtet, gar mancher in den 2üge. Eine Lüge ist eine Unwahrheit, ausge: Hunger zu überliefern sie waren an dem Boykott der Tod getrieben worden. Ereifert sich das sentimentale sprochen wider besseres Wissen. Und die Rösicke Nixdorfer Brauerei unschuldig wie neugeborene Kinder. Es Bürgerthum über die Verfolgungen der Christen unter den und Kompagnie haben wider besseres Wissen diese war eine brutale, grausame Barbarei, für die jede Bes heidnischen Kaisern! Die Verfolgungen der Chriften find grobe Unwahrheit in die Welt geschickt. Ja, zeichnung und jede Entschuldigung fehlt, ein roher nicht schlimmer gewesen als die der Sozialisten etwas wider besseres Wissen. Denn Herr Rösicke, der die Arbeiter Despotenakt, eingegeben vom Geldsacks Wahnsinn und blutiger, nach dem Stande der Kultur, dafür lange nicht bewegung aufmerksam überwacht und die Berliner Führer" zeugend von abstoßendster Herzlosigkeit. so raffinirt, methodisch und massenhaft. Und auch über aufs Genaueste kennt, kann unmöglich im Dunkel darüber das blutig ließe sich streiten. Eine Christenmezelei wie die gewesen sein, daß die sozialdemokratische Partei auch Die Herren Rösicke und Kompagnie hatten gedacht Sozialistenmezelei der„ blutigen Maiwoche" von 1871 weist auf ihrem letzten Kongreß eine Kraftprobe" für den die streikenden Brauer würden aus Mitleid mit den beMit der festesten Willensgewalt nur vermochte Diether den ihre Athemzüge zu zählen, und sich zu überzeugen, daß kein bösen Geist zu bändigen; nicht jedoch um die Augen mit fecker Buhle ihre Einsamfeit theile. Den Ermüdeten hatte Vertrauen zu öffnen und ihn dadurch völlig zu überwinden, faum ein mitleidiger Morgenschlummer überrascht, und fondern um ihn zu pflegen und größer zu ziehen in Schweis schon weckte ihn eine Botschaft, die ihm vor wenig Tagen gen und Heimlichkeit. Darum überließ er sich selbst dem noch eine freudige gewesen wäre; die Kunde von der AnFehler, dem er auf die Spur zu kommen trachtete, der funft Dagoberts. Der Sohn, nicht ahnend, daß er im Heuchelei. Mit freier Stirn überließ er sich der Umarmung Baterhause fremd geworden, stürzte mit dem Jubel ungeMargarethens, die ihm ihre Dankbarkeit bezeugte, daß er heuchelter Liebe an des überraschten Vaters Brust. Ach! Wallraden nicht länger in ihrer Nähe aufgehalten; ohne die herzlich gemeinte Freude des Wiedersehens konnte nur Einen Ruß der Pflicht fühlte Diether auf seiner Wange mit einer Miene seinen tiefen Verdacht, seinen heimlichen auf dürftige Augenblicke den unseligen Wahn von Diethers einen Augenblick hielt ihn die Tochter umschlungen, und Groll zu offenbaren, tändelte er mit dem Knaben, den ihm Bette scheuchen. Ohne Säumen kehrte er wieder zurück. schon war die Thür hinter ihr ins Schloß gefallen. Lange die Ehefrau schmeichelnd in die Arme legte. Stunden lang Dem unbefangenen Jüngling sogar konnte die Veränderung starrte aber noch der graue gebeugte Vater vor sich hin, scherzte er mit dem Buben, verwendete kein Auge von ihm; nicht entgehen, die sich mit seinem Vater zugetragen, allein wie ein von jähem Tode Erblaßter, und als dann nun aber nicht väterliches Wohlgefallen, wie wohl ehedem, be- er schrieb auf Rechnung des Siechthums, was auf Rechnung wieder Regsamkeit in seine Glieder trat, wandte er den wog ihn dazu, sondern die Begierde, Johanns Züge sich eines verblendeten Gemüths tam. Aufrichtig und stürmisch, Blick, gezwungen fast, zu dem Bilde des Heiligen, das auf fest einzuprägen; und so oft sein Blick vergleichend von des wie er war, konnte er seine Gedanken nicht lange bei sich ihn herniederfah wie eines Todfeindes verhaßtes Antlig, Knaben Antlig zu dem Bilde des heiligen Rittersmannes behalten. Sagt mir doch, herzlieber Vater," sprach er trug es gleich die Züge des einstens zärtlich geliebten schweifte, bohrte sich ein neuer Dolch in des Argwöhnischen mit jener Butraulichkeit im Auge, welcher man so selten Dagoberts. Aber also ist das unglückselige Wesen des Gemüth, und je gewisser ihm die Aehnlichkeit wurde, je wüster widersteht, sagt mir doch, ob es nur eine Einbildung ist, Argwohns und der Eifersucht, daß durch ein Wort, durch tobte es in seinem Innern, so freundlich er auch seine Runzeln oder Wahrheit, daß ich Kälte und eine gewisse Fremdheit einen aufgerüttelten Gedanken das Theuerste ein Gegen- glättete, so peinlich er auch den Mund zum Lächeln zwang. in Eurem Empfang wahrnehme; und wenn es wahr sein stand bitterer Verfolgung werden, Liebe sich in Wuth ver- Die Nacht, die auf diesen Tag quälender Unruhe folgte, sollte, ob das noch von Eurer Krankheit stammt, ob nicht. tehren kann. Und dieser leise Grimm, ein fressend Ungethüm war für den von Jahren, Gebreste und Verdacht geschwächten Sprecht aufrichtig vom Herzen weg, damit es alsdann in der Brust des Leichtgläubigen, baut sich fester und fester Mann feine erfreuliche, und dem Geizhalfe zu vergleichen, wieder zwischen uns werde, wie vormals."- ein, je angelegentlicher man ihn vertilgen möchte. In ge- der auf seiner Geldtruhe nur von Raub und Mord zu Diether blickte prüfend in des Jünglings redlich Gesicht, fährlicher Stille wächst der Funke an zur verderblichen Gluth, träumen pflegt, fab Diether Dagobert's und des Schult aber die Aufrichtigkeit war bei ihm hinter die Wege geund so kann es geschehen, daß selbst unter dem Eise des heißen hämisch lächelnde Häupter um sein Lager treifen. zogen. Den Scheingrund schob er ohne langes Ueberlegen Alters ein gährendes Flammenmeer wogt, denn im Mittel- Liebesgirren und Minnegetose folterte sein Ohr, so tief er vor. Wie kommt es,"- fragte er beinahe hart, punkte des Lebens stürmt und braust es heiß und träftig, den Kopf in die Kissen wühlte, und hundertmal verließ er daß mir jetzo erst Dich zu sehen erlaubt ist, während Du wenn auch seine Grenzen allgemach im Frost erstarren. sein Bette, um an Margarethens Kammerthür zu lauschen, bereits seit einigen Tagen hier verweilst?"" Ich, Pater?
Feuilleton. Der Inde.
Deutsches Sittengemälde
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Und eine Herausforderung.
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