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Nr.Z251917
Unterhaltungsblatt öes vorwärts
diekstag, 27. November
Die tgl. Kapelle in öer Volksbühne. Am Toiensonntag hat sich das Wunder begeben, dah die Königliche Kapelle unter Richard Strauh ,um ersten Male vor den Mitgliedern des Verbandes der freien VolkSMHnen in deren Theater ein Jnilrumentalkonzert veranstaltete. Obgleich es nur ein Ereignis für Berlin   war, stehen wir doch nicht an, es als bedeutungsvoll dankbaren Herzens zu begrüßen. Einfach und plausibel war es nun gewig. diese Bedeiltung in der Tatsache zu erblicken, daß endlich eine solche Veranstaltung vor einem baupi- sächlich aus' Arbeitern bestehenden Auditorium möglich ist: so als läge die Verdienstlichkeit auf einer Seite und als wäre der andere Teil nur ausnahmsweise irgendwelcher gönnerhaften Laune teilhastig geworden. So ist es nun keineswegs. Ein Blick auf die königliche Kapelle: wie sie wurde, was sie bislang gewesen ist. zeigt uns den Weg der Entwicklung, den die Musik wie ihre Meisler und ausübenden Künstler gegangen. Einst nichts mehr und nichts weniger als unterworfene Dienerichast großer Herren, ist die Kapelle allmählich der Tradition konservativer Erstarrung entwachsen, obne doch gänzlich frei zu werden. Der Einbruch eines revolutio« nären Kunstzeitalters, vornehmlich verkörpert durch Beelhoven und Wagner, versuchte, wenn auch vorerst mir langsam, einen Umschwung zum Besieren zu bewirken. Der sozial- ökonomischen Entwicklung wird es zuzu'chreiben sein, daß die Kunst von ihrer einst hartnäckig behaupteten Exklusivität und absolutistischen Unnahbarkeit herabgestiegen ist und"sich zum Volke bekannt bat. Beide Faktoren sowohl die königliche Kapelle alS die Arbeilerschnst der freien Volksbühnen sind sich auf dem Wege logischer und konsequenter sozial-künstlerischer Entwicklung entgegengekomnien. Die Generation von heute ist einfach sähig und berechtigt, höchste Kunst auS geweihten Händen zu empfangen. Daher schließt die seitens der Arbeiter zum Ausdruck gebrachte Dankbarkeit doch zugleich die Forderung an die Zeit ein: daß es gelingen möge, auch die Königliche Kapelle, als zuhöchst ragende instrumentale Körperschait. aus' echtem sozialkünstlerischem Geiste als ständige Spenderin hehrster Musik an das Volk zu gewinnen. Die Anwesenheit des Kultusministers und des Generalintendanten, Herrn v. Hülsen, der bereitwillig die Konzertidee verwirklichen half, dürfte auch in diesem Sinne zu deuten sein. Ueber Mozart   und Beelhoven, deren schönste für sie und ihr Jahr hundert charakteristische symphonische Schöpfungen den Arbeitern ziemlich vertraut geworden sind diesmal speziell die seltener ge- Hörle.Maurerische Trauermusik  " und dieEroika  " lenkte aus Tod und Verklärung  " zu Richard Strauß  , dem bedeutendsten Symphoniker und Musikdramatiker unserer Gegenwart hin. Eine überragende Heldengestalt auch hier, so zwar, daß nach Aeußerungen des Komponisten der Zwiespalt einer Natur, deren innere Kraft größer ist als die äußere, mit sich selbst dargestellt wird. Unschwer erkannte man gewisse bei der Konzeption tätige Vorstellungen: Erinnerungsbilder vom Glück der Kindheit und idealer JünglingSzeit, von äußerlich und innerlich froher Entfaltung frischer Lebenskraft, dann von Todesahnungen und furchtbarem Kampf mit übermächtigen zerstörenden Gewallen. Das Leitmotiv im getragenen Charakter, dessen beide letzte Akkorde gleich zu Anfang leise in Moll erklingen. deutet später in leuchtendem zarten Dur die Verklärung an. Es ist ganz Nervenmusik modernsten Menschentums, was da wundersam tief und stark erklingt I Welch eine gewaltige Eni- Wicklung, zumal in orchestraler Hinsicht, seit Beethoven I Und dennoch, welch republikanischer Geist bei ihm. Beethoven  , dessen Lebenswerk gleich einem GebirgSmassiv mit vesuvischen Feuerkratern zu unS herüberglänzt! An Strauß, dem Kapellmeister, kann man aber sogleich ermessen. in welchem Verhältnis er zu Mozart   und Beelhoven steht. Dort klassische Ruhe, hier beim eigenen Werk Sturm und lodernde Flamme. Persönliches Erleben: hier wird's Ereignis. Der schöpferische Mensch indes offenbart sich bei Strauß überall da, wo es gilt, den molivistischen Gehalt in seiner ganzen Fülle und Großheit organisch emporzuheben. Daß aber dies Orchester, völlig getaucht in Kunstkultur, Wunder- bares vollbringt, wem wäre es nicht bewußt geworden schon an diesem ersten Tage! ek. Die Gefangenen öes Südens. Von der italienischen Front wird geschrieben: Nie haben Ge- fangenensammelstellen solch' schwere Arbeit zu verrichten gehabt, wie die an der italienischen Schlachtfront. Seit Wochen find nun die Leute kaum aus den Stiefeln gekommen. Tag und Nacht langten die Heerscharen ohne Waffen an, e« mußte Ordnung in die zügel  -
losen Herden gebracht werden, und dann... die armen Kerle waren halbverhungert! Sie fie.en über alle? her, was nur halb- wegs zu essen war. Küchenabfälle wurden verschlungen, und ein Wagen mit Rüben, der vor einer Küche stand, war seines Inhalts ledig, bevor die Wache zum Einschreilen kam. Ja, die Kräuter auf den Ki iegsfeldern wurden aufgezehrt, und ein Italiener kletterte über einen Zaun, um die Sonnenrose zu holen, die an einem Stabs- gebäude geblüht hatte. Gespräche mit einzelnen Italienern, die gut deutsch verstehen, ergaben Tatsachen, die den Hunger der Leute begreiflich machen. Ganze Abteilungen wurden gefangen. die keine Ahnung von dem Vorgesallenen hatten. Sie lagen zum Einsetzen in die geplante zwölfte Cadorna-Offensive bereit und hatten noch keinen Schuß abgegeben. Plötzlich wurde die Verpflegung mangelhaft, und eines Tages blieb sie aus. Die Offiziere wußte» sich nicht mehr zu helfen. Irgend etwas mußte geschehen sein. Aber was...? Immer quälender wurde der Hunger, und schon verschwanden viele Leute, die zu dem Feinde überliefen und sich dort das Essen holten, da es die eigene Heeres- Verwaltung nicht mehr lieferte. Mit einem Male kam der Befehl: Setzt die Gewehre zusammen I Es wurde getan, und schon tauchten deutsche und österreichische Soldaten auf. die Gewehre wurden ver- laden, und die Mannschaslen erhielten die Weisung, sich in Marsch zu setzen So wurden sie gesangen. Anscheinend machen die Gefangenen einen Sport daraus, bei Vernehmungen die Erklärung abzugeben, sie seien des Kriegs müde geworden, und wenn die große Gefangennahme nicht erfolgt wäre, so würden sie von selbst gekommen sein. Die Mehrzahl der Italiener  besteht aus blutjungen Bürschchen mit teilweise funkelnagelneuen Uni- formen und gutem Lederzeug, das den Engländern schweres Geld ge« kostet hat. Mäntel haben sie selten. Meist tragen sie die kurze Pelerine. Nach Gefangenenaussagen sollten die Mäntel erst am . November ausgegeben werden, und das Vorstürmen der Ver- bündcten vereitelte diese Absicht. So wurden sie übernommen, in den nächsten Lausoleen gereinigt und dann in langen Zügenver- laden", um über Oesterreich   nach Deutschland   gebracht zu werden. Merkwürdigerweise hatten die meistjm Gefangenen reichliche Bar­mittel. Viele bezahlten auch kleine Sachen, die sie kauften, in der Regel Zigarren und Zigaretten, mit österreichischem Gelde. Der lange Ausenthalt in dem Grenzgebiete unserer Verbündeten hatte dies bewirkt. Daneben verfügten die Gefongenen über außerordent- lich große Mengen Kupfcrgeld. Ganze Taschen hatten sie voll kleiner Münzen in Kupfer, und wenn einer fünf Zigaretten erstand, mußte er dem Verkäufer schon eine Handvoll Münzen einhändigen. Das heiße Blut der Italiener ist auch in den langen Gebirgskäntpsen, in der Zone von Schnee und Eis, nicht abgekflhlt worden. Das bewiesen die Szenen, die sich beim Verkauf von Rauchwaren, namentlich beim Antreten zum Menageempsang abspielten. Kameradschaft gab eS dann nicht. Rücksichtslos wurden die schwächeren Leute beiseite ge- drückt oder über den Haufen gerannt, und mehr als einer, der»n- vcrsehrt aus der Schlacht gekommen war, holte sich hierbei einen blutigen Kopf.... Einen liefen Einblick erhielt man durch Aussagen der Ge- fangenen auch in die wirtschaftlichen Verhälinisse Italiens  . Es sieht in dem Lande der Zitronen keineswegs rosig aus und die Soldaten klagen über einen empfindlichen Mangel an den notwendigsten Ge- brauchsartikcln, die oft nur noch zu sehr teuren Preisen zu haben sind. Die Mehrzahl der Gefangenen nahm kein Blatt vor den Mund, wenn nach den inneren Zuständen Italiens   gefragt wurde. ES gab nur eine Stimme: Wir sind froh, endlich herauszukommen und wollen gern arbeiten! Daß die Worte ernst sind, sieht man ihnen deutlich an. Tatsächlich bat auch keiner einen Fluchtversuch gemacht. Alle freuten sich der Fahrt nach Norden.
vke Staöt öes Eigenbetriebes. Die Stadt Stavanger   in Norwegen   hat ein Cafö und ein Wirtsbaus eröffnet, wie der KopenhagenerSocialdemokrat" berichtet. Der Betrieb ist bereits über das erste Stadium des Ver- suchs hinaus. Auf den Gemeindewiesen grasen die Milchkühe der Gemeinde. In einem neuerrichteten Betongebäude werden die Gemeindeferkcl gemästet in einer Anzahl von 100 Stück. Die Mutterschweine, die sozusagen gratis leben von den Abfällen der verschiedenen Gemeinde- betriebe, Hospitäler, Stiftungen, Arbeitsanstalten und ähnliche, werden geschlachtet zum Verbrauch des städtischen Fleischverkaufs und zur Bereitung von Wurst und Aufschnitt. Die städtische Konservenfabrik stellt viele tausend Liter Sast her, zur Verwendung teils in den kommunalen Dampfküchen, teils zum Einzelverkauf. Die kommunnle Bäckerei versorgt beide Dampf- küchen und die Gemeindehospitäler mit dem notwendigen Brot.
Die kommunale Wirtschaft umfaßt 4 Abteilungen: 1. ein Cafä, wo Kaffee, Butterbrot und ähnliches verabreicht wird. 2. ein Speise- saal für besseres Essen mit zwei Gängen. 3. ein Speisesaal für billigere« Essen mit nur einem Gericht, und endlich 4. einen Ver- kauf von billigem Essen über die Straße, für die minderbemittelte Bevölkerung. Die Gemeinde Stavanger   hat mit dem Angeführten versucht, etwas Gutes und Billiges zu schaffen, unter Anwendung aller tech- nischen Fortschritte. AlleS wird mit Eleltrizität betrieben, daZ Brot­backen, das Kochen und Braten des Fleisches, die Sastpresserei, die Fleischbackmaschinen, das Kartoffelschälen, 20 Säcke jeden Tag,� die Aufwaschmaschinen, die in einer Stunde tausende von Teller reinigen, die Mcsserputzmaschinen, die mit fabelhafter Schnelligkeit alle Messer blank putzen, alles wird mit elektrischer Kraft gemacht. Einige Zahlen können die dadurch bewirkte Ersparnis illustrieren. Früher brauchte man zur Bereitung der Mahlzeiten täglich für IIS Kr. Brennmaterial. Jetzt kocht man mit Elektrizität und daS kostet nur 6 Kr. täglich. 3000 Portionen Essen werden für 1 Oer pro Tag zubereitet. Zum Kaffeekochen für 2000 Gäste wird täglich für S Kr. elektrische Kraft gebraucht. Für daS Gebiet der Essenbereitung ist die Gemeinde Stavanger   Dank der von ihrem Wasserfall gelieferten elektrischen Kraft eine der am besten dastehenden Gemeinden in ganz Norwegen  . Mit Hilfe dieser neuen Beköstigungsart wird die Gemeinde Sta- vanger in den Stand besetzt, der Not zum Teil abzuhelfen, die in- folge der Arbeitslosigkeit besteht.
Die Srotkarten öer pariser Revolution. Da die Pariser unausgesetzt über daS Versagen des Brotkarten« sysiems jammern, sucht dasJournal des DöbatS" sie zu trösten, indem es daran erinnert, daß man zur Zeit der französischen   Revo« lution noch unter viel größeren Brotkartenichmerzen zu leiden hatte. In der Sitzung vom IS. März 17gS veröffentlichte der National« konvent ein Dekret des Inhalts: ,1. Der Verkauf des BroteS durch die Bäcker wird gegen Brotkarten stattfinden, die den Bürgern durch die Gemeindeämter ausgeliefert werden. 2. Jeder Bürger, der von der Arbeit seiner Hände lebt, wird anderthalb Pfund Brot erhalten; alle anderen Leute jederlei Alters und beiderlei Geschlechts erhalten ein Pfund," Trotz dieser Bestimmungen haben sich aber damals auch nach dem IL. März 17SS die Brot- Verhältnisse nicht gebessert. Viele Karten wurden gefälscht, andere Leute wiederum suchten sich zu Helsen  , indem sie sich gleich« zeitig bei zwei Bäckern eintragen ließen. Einwohner der Vororte mieteten in der Hauptstadt ein Zimmer, lediglich zu dem Zweck, daraufhin auch eine Pariser Brotkarte zu erhalten. Dabei wurde das Brot immer schlechter und die Zahl der Erkrankungen mehrte sich. Auch gab es eine Unmenge Brotschiebimgen, während die Bäcker weniger lieferten, als man nach den Karten beanspruchen konnte. Sie erklärten, daß sie zu wenig Mehl erhielten, trotzdem fand man in ihren Kellern große Mengen zurückgehaltenen, ver- schimmelten Brotes. Bis zum letzten Tage de« Systems gelang es nicht, eine wirklich befriedigende Verteilnng praktisch durchzuführen.
Notizen. Eine Besichtigung der Klosterkirche findet am Mittwoch, den 28. November, abends 8 Uhr, bei freiem Ein- tritt statt. Die Sammlung von Kaufmann, deren Besuch wir unseren kunstinteressierten Lesern aufs dringendste empfehlen, ist am 26., 28., 80. November und 2. Dezember frei zu besichtigen, am 27., 20. November und 1. Dezember zum Eintrittspreise von 2 M. Sie befindet sich Kurfürstendamm   208/200 und ist an Wochentagen von 104 Uhr und an Sonntagen von 102 Uhr geöffnet. DieRaubtiere" Clemenceau   und Lloyd George  . Einen recht bezeichnenden Passus hat sich gelegentlich der Begrüßung ClemenceauS als Ministerpräsident die deutschfresserische Gazette de Lausanne' geleistet.Man braucht einen Mann," schreibt sie,und Clemenceau   ist ein Mann. Ja, er ist noch mehr und bessere? als ein Mann, denn er ist der Tißer. Mit ihm und Lloyd George  , den die Deutschen   die Hyäne nennen, besitzt jetzt die Entente zwei Raubtiere, die für die große Aufgabe dressiert sind." DaS französische  BlattLa Feuille" kommentiert diese Worte mit der ironischen Seitenbemerkung:Wir können nichts Bessere« tun, al« dem Bei- spiel dieser beiden großen Bestien, so dafür die große Aufgabe dressiert" sind, zu folgen. Es der Blutgier deS Tiger« und der Tücke der Hyäne gleichzutun, scheint ja das erhabene Ideal unserer sich dem Zustande des Kannibalismus nähernden Zeit."
Die welfthe Nachtigall. Der Roman eine» sterbenden Jahrhunderts. 47] Von R. Francä. Das muß ma aber fag'n, Leben bringt er schon ins Stadtl. der neue Herr Statthalter", nahm nach einer Pause der Schneider Zapletal das Wort,und wenn auch kleine Re- sidenz, so gibt sie doch zu verdienen für strebsamen Geschäfts- mann. Und schöne TitelHoflieferant" nehmen die Bürger auch gern." I wouß net", begann der Seilerbartl wieder die Oppo- sition,i merk' nix von dera Residiererei, als daß allweil teu- riger wird und allweil no a andere Accis und Steuer. Jetzt Ijab'ns wieder neue Polizieten ogschafft, da kannst'as dann wieder zahl'n, das dr in'd Hos'n neischnüffeln." S'is scho warr," stimmte der Metzger bei,a Rumg'frag is in alle dene Häuser, b'sonders wo Studenten wohnen, s'ist schon nimmer schön. Sie soll'n extra Leut' ang'stellt hab'n, die wo auf verbotene Schrifte aufpasse und nur rumrennen und die ozeig'n, wannst a ehrlich Wort sagst am Biertisch. Und überhaupt die neue Militärverord- nung..." Pst" winkte Schneider Zapletal dem unvorsichtigen Redner zu,kommt gerade pane Besl." Sofort verstummte die Opposition und das sie begleitende beifällige Murmeln und die Bürger kuckten harmlos in den Bierkrug. Nur als BcSl weit genug von dem Tisch entfernt war, setzte der Metzger rasch hinzu: Alsdann i Hab' nix gesagt gegen die Regierung denn i zahl' mei Steuer wia jeder andere." Besl schritt schlendernd zwischen den Reihen umher. Sein scharfes Auge suchte nach einem bestimmten Tisch. Jetzt hatte er ihn erblickt, ging auf ihn zu, grüßte ernst und würdig und frug, ob er noch Platz haben könne. Er setzte sich gerade neben den Herrn Rat Seyboldsdors auf die Bank, auf der sonst Herr Schnurbein   gesessen war... Seit seiner Kündi- gung ließ sich der nicht mehr im Huglbräu sehen, sondern tränk, beglaubigten Nachrichten zufolge, jetzt sein Bier im Eselsbräu, worin der Rat allein schon eine vorwurfsvolle An- spielung erblickte. SeyboldSdorf machte zu der ungebetenen Nachbarschaft
ein Gesicht, als ob ihm ein Maikäfer ins Bier gefallen wäre, sagte aber nichts alS ein zustimmendes hm, hm. Dagegen litt es sein Gegenüber, den Devotionalienhändler Schwäger! nicht, so stumm dazusitzen. In Fortsetzung des durch Besl's Ankunft unterbrochenen Gesprächs meinte er lebhaft: Gut, daß er kommt, Herr GeheimratSschrcibcr, grab streiten wir uns, ob wirklich schon Spießruten auf einfache Desertion gesetzt sind. Er hat ihn ja selber erwischt den Ausreißer von voriger Woch' eigentlich ein rechter Schab' um den jungen Menschen, daß er auf solche Abweg' kommen is. Ja, ja, das machen aber die modischen Zeitungen. Wenn man die nicht verbietet, wird noch viel Unglück g'schehn im Land. Sag' er, was hat denn der Peißer eigentlich ang'stellt? wenn man's sagen darf, mein' ich natürlich nur. Mein Prinzipalkommis wohnt in der Fischergasse im selben Haus und hat den Rumor ang'hört natürlich nur zum Teil uud von fern, denn ein guter Bürger, der wo was auf sich halten tut, geht da natürlich nicht zu und will nichts zu tun haben mit der löblichen Polizei außer natürlich am Biertisch, wie wir die Ehre haben, ver- steht sich, mein' ich ich natürlich nur... Also mein Schweiffer wohnt in der Fischcrgasse grab um d'Eckn übern Gang, wo der junge Herr von Solms g'wohnt hat. Dort hab'n s'ihn ja verhaftet. Er soll gradenwegs aus der Käsern' hinglloffen sein und der Solms soll ein Seil zum Fenster rauShängeu g'habt ham, um die Flucht zu begünstigen, sagt die Krämerin im Haus. Und zwei Dolche und eine Pistole hat er bei sich g'habt, der rabiate Mensch und einen genauen Zettel, auf wen allen nun die Attentaten kommen sollen... denn auf unfern gnädigsten Herrn Fürststatthalter soll eine ganze Konspiration ausgegangen sein von Paris   her mit denen Freimaurern, überhaupt die Zeitungen, laßt's mi mit denen aus, die wo Zeitungen lesen." Ich Hab' mit der Geschichte nichts zu tun gehabt," unter- brach nun Besl ernsthaft den Redestrom,ich Hab' allerdings den Peißer zuerst dingfest gemacht, aber das war wegen De- litte, die Amtsgeheimnis sind." Die Bürger sahen sich betroffm an. Sag' er Herr Besl" begann nun pointiert der äußere Rat,ist es vielleicht auch Amtsgeheimnis, daß der von Solms in der Sache mit verwickelt ist und schon g'schaßt wurde?" In Besl's Aeuglein glomm ein zufriedenes Lächeln auf.
Ich darf natürlich aus einer Untersuchung heraus nichts sagen." Also ich sag ihm, daS ist ein ganz gefährlicher, vs capiti odomot pieces. Und wenn der junge Peißer, so ein ganz ordentlicher Pursch war, die Peißerischen haben jähre- lang bei ilns eing'kauft, durch wen verführt wurde, ist's nicht schwer zu raten ich weiß da manches. Item, daß solche noch auf freiem Fuß umherlattfen, würde beim Magistrat nicht passieren, so noch der Rat den Blutbann hätte wie ihn zu Recht eigentlich verbrieft ist." . Den Bürgern schauerte wollüstig die Haut bei solch' ge- wichtigen Gesprächen. Der Herr Rat sog ein paar �mächtige Paffer aus seiner Pfeife, warf der Kellnerin einen Gulden hin und griff nach seinem Hut. Herr herzoglicher ach entschuldigen, Herr Magistrats- rat na, der herzogliche Rat wird Wohl schon bald unter- wegS sein," schmeichelte plump BeSl,wollen noch ein wenig verziehen. Hier scheinen sehr wertvolle Dinge vorzuliegen. Darf ich Euer Gnaden unter vier Augen sprechen?" SeyboldSdorf drehte sich selbstgefällig um, ob auch ge- nügend Zuschauer dieser politisch-historisch bedeutsamen Szene acht hatten, nickte dann gnädig Gewährung und blieb mit dem gesürchteten Geheimschreiber der Polizei ein Viertel- stündchen abseits am Gartcnzann. Keiner der Bürger wäre jetzt weggegangen, selbst wenn es in seinem Hause ge- brannt hätte. Als der Herr Magistratsrat wiederkam, bestellte er, was er sonst nie tat nach dem Zahlen, noch eine Maß, nahm einen tiefen Schluck, strich sich den Schaum vom Barte und sagte dann zu der inzwischen stark vermehrten erwartungsvollen Korona, die sich auf die wie ein Lauffeuer durch den Bier- garten gehenden Gerüchte versammelt hatte: Man ymß sagen, einer der sein G'hortsich weiß, der Herr Geheimschreiber. Könnte auch in magistratlichen Dingen seinen Mann stellen.' Das war zwar eine große, ja unerhörte Anerkennung aus dem Munde eines äußeren RatcS, befriedigte aber die erwachte Neugier nur wenig. Wird er verhaftet, Pane SeyboldSdorf?" krähte der herbeigeeilte kleine Schneider auf einmal mutig im Hinter- gründe,i frag nur, weil er hat Anzug neuen bestellt, will ich keine Stoff' kaufen, ise so teuer.".(Forts, folgt.).