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Kr. 337< 54. Johrgaoz

1. Seilage öes Vorwärts

Sonntag, 4. Dezember 1417

GroßSerlin Die z« heute mittag IS Uhr nach dem Zirkus Schumann einberufene Kundgebung, in der die Reichstagsabgeordneten Rich. Fischer, Pfanukuch, Rob. Schmidt und Philipp Scheidemanu referieren sollten, ist vom Oberkommaudo in den Marken verboten worden. Ebenso die Fraucuversammluug, die morgen abMd sich mit dem ThemaLandtag und Frauen- Wahlrecht" beschäftigen sollte. Siebe hierüber den heuligen Leitartikel. Die Karten für die Sonntagiversammlungcn bitten wir bis auf weiteres aufzu» bewahren. * Die regelmäßigen Mitgliederversammlnoge« und Partei- Veranstaltungen dieses Monats finden Mittwoch, den IS. Dezember, statt. Unsere Genoffe» und Genossinnen mSge» die Bekannt- machnugen am Dienstag und Mittwoch beachten. So nährt man Wöchnerinnen!? Dah die Knappheit der Nahrungsmittel sich auch in Heil- und Pflegeonstolten fühlbar macht, ist begreiflich. In der E n t- bind un gönn st alt der Stadt C b a rl o t t en b urg wird aber, wie uns icheint, die Kostschmäleruiig denn doch au weit ge­trieben. Eine Aibeiierirau, die einen Abort erlitt und reichlichen Blutverlust batte. wurde nach der an der Sophie-Charlotte-Strasie gelegenen Anstalt gebracht. Sie versichert, dasi sie dort während rbreS fünf Tage dauernden Aufenthalts folgende Beköstigung er- halten habe: aum ersten Frühstück Kaffee und eine unbestrichene Scheibe Brot, zum zweiten Frühstück eine Suppe aus Kohl oder Kohlrüben und eine bestrichene Scheibe Bröl und nachher ein GlaS Milch, zum Mittagesien ein Gericht aus Kohl oder Kohlrüben obne Fleisch und nachher ein Glas Milch, zum Vesper wieder Kaffee und eine unbestrichene Scheibe Brot, zum Abendesien nochmals eine Suppe aus Kohl oder Kohlrüben und zwei bestrichene Scheiben Biot und nachher ein Glas Milch. Nur an einem der fünf Tage sei ihr zum Miitagesien statt des Kohls und der Kohlrüben ein anscheinend aus Fleisch zubereiteter Klops mit Kartoffeln gereicht worden, sonst aber habe sie an allen Tagen vom Morgen bis ,uni Abend immer die gleiche Kost erhalten, wie sie oben angegeben ist. Die Kranke glaubt, nach ihren Beob» achinngen. mit voller Bestuninthett sagen zu dürfen, daß auch andere Frauen, darunter sogar Wöchnerinnen, mit dieser Nahrung abgespeist worden seien. Wie die Kranken mit der Verdauung des Kohls und der Kohlrüben fertig wurden und wit sie bei so karger Ernährung wieder zu Kräften kommen sollen, das möchten wir wisien. Dem Wohle der Frauem die uns den Nachwuchs liefern sollen, kann solche gewisi nicht nötige Kostschmälcrung wahrlich nicht dienen. Wir habe» hier übrigens einen lehrreichen Beitrag zur Beantwortung der kürzlich im.Borwörls� nach einem Bortrag des ProiesiorS Langstsin er- örterten Frage, wie Mniler und Kind ,n dieser Kriegszeit ernährt werden»'ollen. Der Ebemann jener Frau hielt mit Reckt die ihr in der Charlottenburger Anstalt gegebene Kost für so unzulänglich, dah er die geschwächte Kranke gegen den Willen deS ArzieS vor­zeitig berauSnabm. Tatsächlich kann er ihr zu Hause für den Be° trag, den die Anstalt für d,e gesamte Pflege fordert, eine sehr viel beffere Beköstigung schaffen. Petroleum nur noch gegen Karten. Bon Moniag, dem 10. ab darf Petroleum von Kleinhändlern nur noch gegen Petroleumkarten an die Verbraucher abgegeben werdem Im freien Handel ist Petroleum bei Kleinhändlern nicht mehr erhältlich. Perroleumkarten können nach Maßgabe des dor- hondenen Pelroleiuns.in erster Linie nur denen zugeteilt werden, deren Räume weder Gas- noch ElektrizitätSanschluh haben. Ist dieser Anschluß vorhanden, so können Petroleumkarlen nur dann be- willigt werden wenn die Verweigerung eine Gefährdung der Gc- iundheit, deS Erwerbs oder der Wirtschaft zur Folge hätte. Anträge aus Peiroleilmkaiten dürfen nur auf den vorgeschriebenen, bei den

Brotkommissionen erhältlichen Antragsformularen gestellt werden. Dieselben sind ordnungsmäßig ousgesülli bis zum Mittwoch, den �2., bei den Brotkommissionen abzugeben. Wer in diesem Jahre bereits Petroleumkarten erhalten hat. erhält dieselben auch weiter- bin, ohne einen neue» Antrag zu stellen. Strümpfe aber keine Stopfwolle. ES ist zwar nicht leicht, im Zeichen des Mangels an Wolle noch ein Paar ordentliche Strümpfe zu erhalten. DaS nimmt die Be­völkerung in Kauf, weil sie weiß, daß die Wolle knapp ist. Ge- duldig erstehen sich die Leute einen Bc-ugschein und freuen sich, wenn sie wieder ein Paar Strümpfe ihr eigen nennen können. Die Freude dauert allerdings nicht lange, denn bei dem Mangel- basten Material und dem stärkeren Gebrauch sind die Strümpfe bald zerriffen. Was dann? Wieder einen Bezugichein holen und sich neue Strümpfe kaufen? Das kann man der Bevölkerung nicht zumuten. Zum andern macht die Ausgabestelle für Bezugscheine Schwierigkeiten, weil nur in ge- wisien Zeitabständen an eine und dieselbe Person Strümpfe per- ausgabt werden. Guter Rat ist teuer. In Friedenszeiten war es Stile, die Strümpfe zu stopfen. DaS würden die Hausfrauen fetzt auch sehr gerne tun, aber es fehlt die Stopfwolle. DaS Zeug, das mau für teures Geld erhält, kann man nicht als Wolle ansprechen. Der Kriegsausschuß für Konsumenten- inieresien regt deshalb an, nicht nur ganze Strümpfe zu verausgaben, sondern auch in gewiffen Zeitabständen, oder auf Bezugschein auch ein gewisses Quantum Stopfwolle. Für viele Familien ist Stopfwolle sogar notwendiger wie Strümpfe. Sie könnten die alten abgetragenen Strümpfe wieder in Ordnuna bringen und dadurch den geringen Bestand an Strümpken schonen. So aber zwingt man sie, die alten Strümpse in die Ecke zu werfen und sich forlgesetzt neue zu beschaffen, oder aber die Strümpfe so lange zu tragen, bis sie überhaupt nicht mehr zu ge- brauchen sind. Bielleicht nimmt sich die ReicksbekleidungSstelle ein- mal der Sache an und sorgt dafür, daß die Bevölkerung die nötige Stopfwolle erbält._ Erst Bierverdünnung, dann Bierverteuerung! Gestern berichteten wir von dem Beschluß des ZentralauSschusieS für Fnlandsbierbersorgung, den Brauereien die allgemeine Ein- fllhrung eines minderwerrigen VinfachbiereS mit höchstens 2 Pcoz. Stammwürzegeholt zu empfehlen, und heute können wir bereits melden, daß der Arbeitsausschuß der Preisprüfungsstelle den Höchstpreis tür den Ausfchanl von Einfachbier von 50 Pf. auf 70 Pf. für ein Liter erhöht hat. Dieser Preis be- zieht sich indesien nicht nur auf daS gesamte untergärige und obgärige Einfachbier ouS dem Gebiete der Norddeutschen Brausteucrgemeinschaft, sondern auch aus sämtliche Vierersotzgetränke und Miichungen von beiden. Er beträgt bei dem Aus'chank in kleineren Gemäßen: für''go Liter 10 Pf., für Liter 15 Pf, für b/zg Liter 18 Pf. für Liter 20 Pf, für'/« Liter 25 Pf. für »/« Liter 23 Pf, für» Liter 80 Pf, für 1% Liter SS Pf. Ter Magistrat Berlin hat dem Beschluß des ArbeltsauSschuffes zu- gestimmt. Die neuen Preise treten aber erst nach Erlaß einer ent- sprechenden Verordnung in Kraft; bis auf weiteres gilt also noch der bisherige Höch st preis von 50 Pf. für 1 Liter._ NeuesterTabak-Ersatz". Der Bundesrat hat unterm 6. d M. genehmigt, daß den Her- stellern von Tabakerzeugt, ifl-n die Verwendung von Buchenlaub und Z ick o ri« n b t t'erv als Ersatzstoffs bei der Herstellung von Tabakerzeugnisien und kabakäbnlichen Waren gestattet werden darf. Hersteller von Tabakerzeugnisjen, die diese Ersatzstoffe zu den genannten Zwecken verwenden wollen, haben vorher die Genehmi- gung deS zuständigen Hauptamts einzuholen. Anderen Personen kann die Genehmigung nicht erteilt werden. Berdünntes und verteuertes Bier und dazu StinkadoreS aus Buchen- und Zichorienblätiern! Das find zwei harte Schläge gegen die alldeutschen Stammtischkannegießer, die sich beim zehnten Sckoppen für ein todeskühnes Durchhalten bis zum völligen Nieder- ringen sämtlicher Feinde zu begeistern pflegten. Wir fürchten fast, daß ihr entschlossener Opfermut jetzt merklich erblasten wird. Um ihnen eine kleine seelische Stärkung zuteil werden zu lasten, schlagen wir daher vor, den neuen amtlich.genehmigten� Pestnudeln den anfeuernden Namen.Marke Vaterlandspartei� zu gebeu� Die sozialdemokratische Stadtverordnetcnfraktio» bat folgenden Antrag Varkomsky u. Gen. bei der Sladtverordnetenversammliing zur Besprechung in der am nächsten Donnerstag stalifindeilden Sitzung eingebracht:.Di« Versammlung wolle beschließen, den Ma-

gistrat zu ersuchen, in schärfster Weise Stellung zu nehmen gegen die Bestrebungen, die darauf abzielen, die aus der guten Kartoffel« ernte verbleibenden Ueberschüsie freizugeben und zwar auch zu VerfütterungSzwccken und damit die im Interesse der städtischen Bevölkerung so dringend notwendige Erhöhung der Kartoffelkopfmenge unmöglich zu machen."' Was schenke ich z« Weihnachten? Di« Antwort auf diese Frage war immer schwer und heute ist sie'S ganz und gar. Die Fülle der Auswahl hat sich in ihr Gegen- teil verwandelt, die Schenkmöglichkeiten sind arg verkümmert. Biel Nützliches, Gutes, Notwendiges wird davon betroffen, aber es ist doch auch eine erfreuliche Wirkung dabei: der Tand und daß Nichtige sind ins Hintertreffen geraten. Das kommt nun dem altbewährten Rate zugute: Schenke Bücherl Natürlich heißt es auch da vor dem Wertlosen auf der Hut sein. Man schenkt zu Weihnachten keine Eintagßbücher, und zum Schlechten gehört auch der Bückertand, der wie Sand am Meer lagert, zerrieben und aus- geworfen von der großen Flut des Leben-.' Gute Bücber aber sind wie Wogen, die uns tragen, so daß wir die starke Bewegung der Zeit und unseres Daseins fühlen. Sie spenden Licht und baben Dauer. Um ein Angebot solcher Bücher ist's dem VorwärtS-Berlag zu tun, und so weilen wir auf die Auswahl hin, die er gestern in seiner Anzeige anbietet. Sie erfüllt viele Wünsche: Unterhallung, Belehrung, erhebeneeu Genuß, Ausruhen und Kampf, Wissenschaft und Kunst bietet ihr Feld. Tie Anzeige kann nur in einmaligem Abdruck mitgeteilt werden, io daß zu raten ist: Schneidet die Bücherliste aus! Und dann noch eins, worauf der Verlag hinweist: manches Buch ist nur noch in knappem Borrat vorhanden, so daß ein baldiges Kaufen nicht unnütz fein dürfte. Wem der Weg nach der Lindenstraße in der Zeit der Verkehrs« not zu weit ist, wende sich an die zuständige Spedition oder iende den Betrag durch die Post. Das gewählte Buch wird dann geschickt. Die BolkSbadranstaltcn Tartenstraße und Wallstraße sind vo» jetzt ab wieder an allen Tagen geöffnet. Nordöstliche Berliner Borortbahn. Von heute ab werden an Sonn- und Feiertogen vormittags die ab Hohenschönhausen vor 8,14 beziehungsweise ab Kurzestraße vor 9.2 verkehrenden außer- fahrplanmäßigen Züge der Linie dtt) eingezogen, mit AuS- nähme der dem Muiiiiionsarbeitetverkehr dienenden Fahrten 6,l4 Uhr ab Orankestraße und 7,2 Uhr ab Kurzestraße, welche nach wie vor stattfinden. Wintergarten. Das Dezember-Progranrm bietet wieder eine Reihe erster Banivuiimmern, so vor allem Josef M i l o s Marmor- gruppen, dargestellt nach eigenen Entwürfen und berühmten Meister- werken der Plastik. Der Geigenvirtuose Lajos Riga leistete Bewundernswertes in der'Beherrschung seines Instrumentes. Hervor- ragende Leistungen vollbrachien die Geschwister W e i ch ar d t als Radsabrlünitlerinnen und Acosta mit seinen athlenschen Fang- spielen. Für den unierhaltenden Teil sorgten der Humorist Max Pe ltini, der musikalische Clown Büron , die VoaragSkünstleriu Ilse B o i S und die mimische» Tänzer H a d g e S und B i l l e r , die eine akrobatische Tanzneubeit zum Vortrag brachten. Zirzensiiche Kunst boten Ho lborns Reifenspiel-, die drei F u c o r i s mit ihren Kraslleisiungcn am Trapez, sowie die ExenirikS Ada und Ernst LanoS und die Geschwister C a r r s in ihrem Reilakt. Zeugen rineS StraßenbahnunfallS, der sich am ö. Dezember (Donnerstag) nachmittags zwischen 8 und 4 Uhr in Berlin an der Ecke Alexander- und Blumen st ratze ereignete, werden gesucht. Ein 14 jähriq-S Mädchen. Klara Rohde. das hrnrer der. Haltestelle von einem Wagen der Straßenbahnlinie 86 abstieg, geriet unter den Anhängewagen und erlitt Verletzungen, an denen es noch an demselben Tage starb. Der Vater, Slraßenreiniger Anton Rohde, Berlin . Kreuzbergstr. 76. Seiienstngel 2 Treppen, bitler Zeugen des Unfalls und besonders die Personen, die auf den Perrons des Motorwagens und des Anhängewagens standen, ihm ihre Adressen mitzuteilen. Militär- und Ziviljustiz. Bei cöncnt geringfügigen Streit auf der Straße hat am 27. Mai 1906 in Wien ein Oberleutnant einen städtischen Gasmonteur erstochen. Der Oberleutnant wurde von einem Feldgericht wegen Edrennotoehr freigesprochen, allein das Landgericht hat der Witoe des Getöteten dem Grunde nach Schadenersatz zugcsprocheu. weil der Offizier an dem Monteur Tot- schlag begangen habe. Das Zivilgericht stellte fest, daß dem Offizier eine Fortsetzung des Angriffs auf seine Ehre(bestehend in einein Schimpfwort als Erwiderung eines solchen)'nicht drohte und er auch in der Wucht des Stichs weit über das hinauSgegan- ge n ist. was er hätte unternehmen dürfen, um einer Fortsetzung

Die welsche Nachtigall. Der Roman eines sterbenden Jahrhunderts. Von R. France. Endlich war der Akt fertig. Mit hellem Kreischen flog die �eder bei der Unterfertigung des Verhaftungsbefehls über das Papier. Dann zog Exzellenz den schönen blatten Rock an und ging frohgemut pfeifend die hintere Treppe hinab denn im Hirschen waren seit mehreren Tagen Damen aus München abgestiegen. Und die konnte man vielleicht noch sehen. Er hatte gehört, eine war hübsch. Best aber steckte die Verhaftungsvollmacht zu sich. ''s muß erst dunkel sein," murmelte er zu dem Schreiber, nur ka überflüssig's Aufsehn bei Tag.'s wird ohnedies zu viel g'schimpft." Dann gingen beide über den von der Abendsonne der- goldeten Paradeplatz. Das Licht brach so recht grell aus einem engen Spalt zwischen schweren grauschwarzen Wolken. An dem blutigen Fleck am Boden blieben die Beiden ein wenig stehen. Am Sontag kommt der Peißer dran," sagte erläuternd der Schreiber. Dös wird net geh'n, er hat no a ganz a wehe Haxen. de muß ma erst auskurieren." erwiderte menschenfreundlich die alte Polizeiseele. Dann gab er dem anderen die Hand und ging zu seinem Abendschoppen. TT. Als Solms am Rachmittag dieses Fronleichnamstages zu seinem Mädchen kam, war er außer Atem, sie aber rot- geweint. Sie fühlte ihr ganzes Innere wund, tvie ausgehöhlt kam sie sich vor. leer und gehaltlos war die Welt und doch fand sie keine Worte, als Reinhard vor ihr stand. Desto mehr fand aber er. Regi. Schatz, denk' Dir die größte, die phantastischste, die unwahrscheinlichste aller Neuigkeiten, die ich soeben erlebt habe." rief er unvorsichtig genug schon am Eingang der Laube. wo sie sich wie immer während dem Mittagsschläfcheu des Vaters trafen. Tiesmal wars noch schwerer gegangen als sonst, denn Tante Pepsch. sonst immer mit im Spiele, war seit gestern

ganz anders, seufzte ein um das andere Mal und machte verschwiegen geheimnisvolle Andeutungen wie: Ach du mein Herrgöttle, wenn er's aber so gar net leid', der Vatta's ist Christenpflicht, seine Eltern zu folge am End hat er gar was Schlechtes über den Herrn von Solms g'hört, s' is ja sonst nix z' sage gegen ihn. aber a jung's Blut is halt gar so leicht verdorbe.. Wäre Regina nicht so mit ihren eigenen Gedanken be- schästigt gewesen, hätten sie diese Redereien stutzig gemacht, und sie wäre bald der Sache auf den Grund gegangen. So aber war sie froh, daß die Tante zum Segen ging und sie Reinhard für den Augenblick allein sehen konnte. Ihr bangte vor diesem Moment, denn sie fühlte, eS war der ent­scheidende für ihre Liebe. Hundertmal hatte sie das böse Wort des Polizisten bei sich verworfen Reinhard war immer eine offene und ehrliche Natur gewesen, sogar die Lauter keit selbst. Er konnte unmöglich ein solches Doppelspiel treiben. Aber im Augenblick, in dem sie sich da? vorsagte, kam auch schon wieder der innere Zweifel. Erfunden konnte das der alte Bcsl doch nicht haben. Und zu welchem Zweck hatte er eS getan? Sie hatte Vormittag beim Kirchgang die Fran- zösin an deren Fenster gesehen, seitdem war sie verdrossen und unglücklich; neben dieser blendenden, intereffanten Er'- scheinung kam sie sich so unbedeutend vor. Und wenn es nur das allein gewesen wäre. Aber daß Reinhard sein Amt nicht wieder annehmen wollte, ließ ihr die ganze Zukunft grau und hoffnungslos erscheinen. Gerade heute in der Kirche war sie fast in Weinen aus- gebrochen als sie in der Bürgerbank faß. weit hinter den Beamtenfrauen, und die Hoffnung, jemals vorn sitzen zu dürfen, wo die vornehmen saßen, in sich begrub... Um so mehr flammten ihre Wünsche auf bei seinen froh- erregten Wörtern Die unwahrscheinlichste aller Neuigkeiten das konnte nichts anderes sein, als Reinhard kam wieder ins Amt! Sie war so aufgeregt, daß sie nur mühsam sprechen konnte: Hast Du vielleicht gar wegen Deiner Wiederanstellung etwas Neues vernommen?" Solms halte in seiner frohen Erregung sie bei beiden Händen gefaßt und wollte sie gerade an. sich ziehen. Nun aber trat er zurück, die Eniüchtenmg überkam ihn wieder.

Ihm war. als ob eine häßliche Spinne über den Spiegel seiner Freude gelausen wäre. Meine Wicderaustellung? Habe ich Dir nicht gesagt, von der mag ich nie wieder was hören! Ich kriech' in kein Amt mehr unter... Frei will ich wirken... Man kann auch so seinem Fürsten, seinem Volke dienen! Nein, viel Wichtigeres Hab' ich für Dich I Denk' Dir, wer bei mir war? Ausgerechnet dieser Halunke Michalansky! Und als ich ihn gebührend abfertigen will, sagt er mir auf den Tod gc- heimnisvoll, jemand iuteressiere sich sehr für deS Iakobus Befreiung und wenn ich davon näheres hören will, solle ich ihm gegen zehn Uhr hellte abend anvertrauen. Natürlich hieltt ich's für eine Falle. Da aber läßt er alle Scheu fallen. Und er, der Kerl, der dem armen Iakobus nachge>pürt. der das ganze Unglück mit den Amizisten eigentlich angerichtet hat, ausgerechnet der infamste Halunke, den Gottes Erdboden trägt, kommt zu mir und tut so von Gewissensbissen und Reue und sagt endlich, wer ihn schickt." In Reginas Herzen schnitt sich auf einmal eine Ahnung ein, rasch wie ein Messerstich. Wer ist's, sag's!" Sie packte ihn beim Arm. Du errätst es nie." Ich weiß schon! Die Baronin Dury." Wie kommst Du darauf?" Reinhard trat erstaunt zurück. Vor Reginas Augen tanzten alle Dinge. Also ivar eS wahr, was Besl sagte. Welche Komödie spielte der Mann, den sie einst für so lauter und echt gehalten hatte? Sie wollte reden, aber kein Ton kam über ihre Lippen, ein konvulsivisches Schluchzen erschütterte sie laut weinend brach sie an dem Gartentischchen nieder. Aber Kind, Regina, was ist Dir? Bist Du krank, was ist Dir?" wiederholte aufs äußerste betroffen der junge Mann immer ängstlicher und verständnisloser. Auf einmal ergriff eine Ahnung von ihm Besitz: Regina, Du bist eifersüchtig!" Das brach ihr Schweigen. Sie hob den Kopf, faltete die Hände und legte alle Verzweiflung ihres gemarterten, von Schmerz. Hoffnung und Enttäuschung zuckenden HerzenS in ihre bittende Stimme: Ja. Reinhard, ich hasse sie. Und wenn Du mich siebst, dann gehst Du nicht hin zu jener abscheulichen Frau. Rem- Harb, ich oder jene I"(Forts, folgt)