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Nr.355. 34. Jahrg.

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Eozialdemokrat Ber.in".

Vorwärts

Berliner Volksblaff.

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3. Fernibrecher: Ami Mortsbian, Nr. 151 90-151 97.

Freitag, den 28. Dezember 1917.

Expedition: Sw. 68, Lindenstraße 3. Fernivredier: Amt Morispies, Nr. 151 90-151 97.

Der Friedensruf von Breft- Citowsk.

Aussprechen was ist! Das Befenntnis der Mittelmächte| Jammer, Not und Elend, Hunger und Blut! Bären die zu dem Grundfaz des annerionslosen Friedens ist der Aus- Gegner vor einem Jahr auf das Friedensangebot der Mittel­brud nicht einer grundsäßlichen Ueberzeugung, sondern einer mächte eingegangen, fo hätten sie genau denselben Frieden realpolitischen Einschätzung der gegebenen Machtver haben können, wie er ihnen jezt angeboten ist, und der Frieden hältnisse. Anhänger des annegionslosen Friedens ans von 19ry wird wahrscheinlich nicht viel anders aussehen als grundiäblicher Ueberzeugung find in Deutschland nur die der Frieden von 1917 oder 1918. Alle denkbaren und vom Sozialdemokraten und die mutigen, aber wenig einflußreichen Standpunkt des Annexionisten aus wünschenswerten Ge­bürgerlichen Bazifisten. Wenn das sozialdemofra- winne erscheinen nichtig im Verhältnis zu den unermeßlichen tische Friedensprinzip in der Antwort der Mittel- Verlusten, mit denen sie zu bezahlen sind. mächte auf die russischen Borschläge zu weitestgehender An- Geht der Krieg im Westen weiter, so werden ihn die deut. erkennung gelangt ist, so liegt das nicht nur an der Ueber- fchen Soldaten in dem Bewußtsein führen, daß die Gegner zeugungskraft der sozialistischen Dialektik oder an der Ge- es nicht anders gewollt haben, und der tiefe Haß gegen den schicklichkeit der sozialistischen Taktik, sondern auch an den Tat- nicht endenden Krieg wird seinen Stachel nicht nach innen, fachen des Krieges selbst. Und die alldeutsche Kritik jener Ant- sondern nach außen kehren. Drüben werden sie wissen wort beruht auf einer gefliffentlich aufrechterhaltenen und und sollen sie wissen, daß es nur eines Wortes ihrer berbreiteten Berkennung dieser Tatsachen. Staatsmänner bedurft hätte, damit sie in Ehren ohne Schaden des eigenen Landes zu Weib und Kind hätten zurückkehren fönnen. Wir aber sollen, fern von Kriegsbegeisterung, doch in tropiger Entschlossenheit der faum noch fernen Stunde harren, die den blutigen Bann bricht!

Die Alldeutschen reden ihren Gläubigen ein, daß Deutsch­ land durch die Kraft feines Schwertes jeden Frieden haben fönne, den es haben wolle. Und da es nach ihrer Auffassung für den Erfolg eines Krieges feinen anderen Maßstab gibt als die Größe der Beute an Land und Geld, sahen sie in der russischen Friedensgeneigtheit weiter nichts als eine Ge­

legenheit, fich einmal im Often tüchtig zu bereichern. War Das Friedensprogramm der Mittelmächte

und der Reichstagsbeschluß vom 19. Juli.

dies vollbracht, so fonnte man sich mit frischen Kräften auf den Westen werfen, um dort das gleiche Werk zu vollbringen. Die großen Staaten der Welt erscheinen in dieser Auffaffung berger erklärte dem Berlin er Sorrespondenten des Neuen nur als die Schafe, die eines nach dem andern unter der deut- Wiener Journals": ichen Schere ihre Wolle laffen müssen.

Ticier Traum ist ausgeträumt, und die Erwachenden er brechen sich geradezu in wüsten Schimpfworten gegen die deutiche Tiplomatie, deren Unfähigkeit allein schuld daran tragen soll, daß es nicht geht, wie die Welteroberer wollten. Aber die deutschen Diplomaten und Machthaber sind un-| fchuldig selbst im Sinne der Aldeutschen, da ihre Haltung gar nicht von Meinungen, sondern von Tatsachen bestimmt wird, mit denen handelnde Staatsmänner rechnen müffen, da es nur nationalistischen Demagogen freisteht, fie nach Be­lieben zu fälschen. Ihr Berdienst beschränkt sich darauf, eine Illusionspolitik vermieden zu haben, von der jeder Einsichtige boraussicht, daß sie zum Busammenbruch führen muß. Erst das Zustandekommen des Friedens mit Rußland gibt uns die nahezu vollkommene Gewißheit, daß diefer Serieg als deutscher Verteidigungskrieg unverlierbar geworden ist. Seitdem die russischen Unterhändler die Antwort der Mittel­mächte als geeignete Grundlage zu weiteren Friedensver­handlungen anerkannt haben, stehen diese ihren starten westlichen Gegnern ganz anders gegenüber als zubor. Und wenn man nach unserer Auffassung mit Recht diese Antwort als ein neues Friedensangebot an die Entente betrachten fann, so wird jezt doch niemand mehr dort drüben von einem Zeichen deutscher Schwäche zu reden wagen.

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Es gehört unbändig viel Optimismus dazu, zu erwarten, daß sich in den nächsten zehn Tagen ein grundstürzender Um­schwung der Gefinmungen in England und Frankreich voll­zichen wird. Zweifellos fteht aber die Kriegspolitik der Westmädste in dielen Tagen unter der stärksten moralischen Breisung. und Erschütterungen, die einen Unischwung vorbe­reiten, fönnen nicht ausbleiben.

ift

Tag fein. Möge er endlich allen Blinden die Augen öffnen, auf dag er infolge gewonnener Erfenntnis für das deutsche Volt doch noch zum heilstage werde, daß die Männer des erschütteruden deutschen Berzichts von Brest - Litewst hinweggefegt werden.

In ähnlichen Zönen toben die Berliner Neuesten Nach­richten". Ihnen läßt jeder Gedanke an Bismard die Shamröte in die Wangen treten, wenn wir nun erleben, daß nach den größten Erfolgen der deutschen Waffen deutsche Diplomaten mit einem Federstrich das deutsche Volk in die Rolle des Unterlegenen versetzen. In dem frommen Reichsboten" regen sich die ernsten Besorg nisie des Patrioten" und er fonstatiert, ebenso wie die Zägl. Rundschau tränenden Auges, daß das Programm der Mittelmächte auf der Grundlage des ttt Scheide­mannfriedens erfolgt sei. Sturz und bündig erklärt Graf Reventlow in der Deutschen Tageszeitung":

"

Diefe grundsägliche Stellungnahme der deutschen Regierung ist im legten Grunde lediglich als ein Brodutt der Ang it bor ber eigenen Sozialbemotratie und Demo. Iratie anzuiehen, daran tann die neuliche Erklärung des Reichs­fanglers im Abgeordnetenhause: er set und bleibe Monarchist, schwerlich etwas ändern.

In dem schwerlibera

In dem schwerliberalen Deutschen Kurier" erregt die Antwort des Vierbundes Erstaunen, Befremden, ja Bestürzung", und in ähnlichen Tönen hallt und schallt fchwer induftriellen Breffe. Der Zentrumsführer Abgeordneter Matthias Erz- es aus der ganzen übrigen tonservativen, alldeutschen und Nur ein Hoffnungsstrahl leuchtet noch am alldeutschen Groberungshimmel, daß die westliche Entente sich den Friedensverhandlungen nicht anschließen werde. Es gewährt bei allem Ernst der Sache einen überaus komischen Anblid, wie die alldeutsche Presse einmütig vor Lloyd George auf die knie fällt und ihn mit gerungenen Händen beschwört, doch um Himmels willen nicht­nach Brest- Litowsk zu gehen. Er möge doch so freundlich sein, den Strieg noch fortzusehen, damit man dann England gegenüber nicht mehr an das Friedensprogramm von Brest - Litomst gebunden set. So tröstet sich z. B. der Deutsche Surier":

Czernins Aeußerungen von 25. Dezember und Kühl manns Grklärungen in ber Eröffnungssigung der Friedenskon­ferenz sind die Unterschrift der Staatsmänner unter die Reichstagsresolution vom 19. Juli. Schon zeichnen sich die neuen Mächtegruppierungen flar vor uns ab: Der Bierbund und die Russen stehen auf dem Standpunkte des Rechts, und die Entente wird nun neuerdings vor die Frage gestellt, ob fie weiter auf dem Standpunkt der Brutalität und der Macht gegen über dem Standpunkt des Rechts stehen will. Die nächsten zehn Tage, in denen die Entente auf diese Frage die Antwort geben muß, sind für die Entente die schwersten Tage, die sie im Krieg durchzu­machen hatte. Wenn Sie mich fragen, ob es wahr ist, was die All­deutschen immer behaupten, die Mehrheit des Deutschen Reichstags wäre in ihren Friedenszielen selbst nicht einig, so sage ich Ihnen: Das ist lächerlich. Wir sind absolut einig, so einig, wie eine Mehr­heit nur sein kann, die aus mehreren Gruppen besteht. In den Bielen des Zentrums, der Sozialdemokratie und der Fortschritts­partei gibt es gewisse Nuancen von Unterschieden. Aber in allen wesentlichen und entscheidenden Bunften find wir vollkommen einig und ein und derselben Meinung. Die Mehrheit des Reichstages muß und wird das, was jest in Brest - Litowst gesprochen wurde und geschehen ist, unterstützen, und die Völker werden dahinter treten, denn es ist ein großer Sieg der Gedanken der Mehr­heitsparteien. Das wird sich schon bei den kommenden Sizungen des Hauptausschusses des Reichstages zeigen.

Daß der Friede mit Rußland in furzer Zeit perfekt wird. halte ich nunmehr für absolut sicher. Es bestehen nun noch fleine Differenzen wegen des Artikels 8 der russischen Forderungen. An diesen Meinungsverschiedenheiten aber wird der Friebe nicht mehr scheitern, da ja hier jedem Staat Gelegenheit gegeben wird, nach feinen Grundsäßen zu entscheiden. Die Russen und auch die ande­ren Bölfer werden durch den Artikel 3 nicht gehindert, die Auto­nomie der Völker zu schaffen, die Bölfer fönnen fich loslöfen von Rußland , fie können aber auch im Verbande des russischen Reiches bleiben. Sier besteht zwischen den Verhandelnden Beine Differenz in der Sache, sondern nur in der Form. Der Sieg des Rechts

aus

der

Bisher hat Britischer Somut uns bor dem Schlimmsten... vor der freiwilligen Preisgabe der berr lichen Siege von Deutichlands Flotte, Heer und Volt, bewahrt. Keine vernichtendere Kritik an den diplomatischen Leistungen unferer politischen Reichsleitung ist dentbar, als die Tat fache, daß unsere einzige Soffnung, politischen Sadgafie von Breft- Bitowst... leidlich unversehrt wieder herauszugelangen, allein auf der Erwartung fußt, daß Großbritannien sich in seiner Selbstüberhebung ebenso unbelehrbar bezeigen wird, wie Deutschland es in seiner Selbstentäußerung ge tan.( Die durch Bunktierung angedeutete Fortlassung eingeschalteter Rebenfäge war notwendig, weil ohne diefe Fortlaffung ein nor maler Leier den Sinn der allbeutichen Saz monstren nicht erfassen fann, die fich wie ein Kampf gegen den Geist der deutschen Sprache ausnehmen. Red. des Vorw.")"

Ganz ähnlich hoffen und bauen auch die Berliner Neuesten Nachrichten" allein auf England:

Wie schon häufig flammert sich die Hoffnung dieser Baterlandsfreunde nicht an die Tätig feit unserer Diplomaten, sondern an die große Wahrscheinlichkeit, daß England niemals frei willig aus der Hand geben wird, was es ein. mal hat, und daß dann nach Erfüllung des Kaiserwortes unferem deutschen Bolte allen flauen Diplomaten zum Troy doch noch den Frieden erhält, den es braucht.

Wenn es den Lloyd George und Clemenceau wirklich ernst mit der Bekämpfung des deutschtums ist, so können fie aus diesen Gebeten der alldeutschen Presse biel lernen: nämlich, daß sie der alldeutschen Politit gar teinen flimmeren Schlag berfegen fönnen, als wenn fie fich fch lennigft in Brest Litom& t und ihr Ein­berständnis mit den von Deutschland und Rußland ge schaffenen Friedensgrundlagen erklären.

Durch ihre bedenkenloie Hingabe an eine rein natio­nalistische Bolitik sind die Westmächte in eine Rage gekommen, die sich nur schwer ausmalen läßt. Sie fönnen einen guten Frieden haben und find gezwungen, einen schlechten Krieg weiterzuführen. Angenommen, es würden fich in absehbarer ist nun unaufhaltsam. Beit auf dem westlichen Kriegsschauplay größere Berände... Der ganze Verlauf der Verhandlungen von Brest - Ritowost, rungen vollziehen, so glaubt heute auch drüben kein Mensch, die Fragen der Russen und die Antworten unserer Staatsmänner daß sie sich zugunsten Englands und Frankreichs vollziehen beweisen, daß unter diesen beiden großen Gruppen der große Geift fönnten. Hier ein Frieden, bei dem nichts, dort ein Strieg der Berständigung herrscht. Die Cache des Friedens ist auf dem bet dem, wenn nicht alles, so doch unendlich viel zu verlieren besten Weg. Sie fann von niemand mehr aufgehalten werden. Wenn und dennoch werden Lloyd George und Cleman noch irgend einen Zweifel darüber haben könnte, ob die menceau den Frieden verschmähen und zum Kriege Reichstagsmehrheit recht hat, dann spricht unser Erfolg für uns. greifen! Denn sie sind blinde Sklaven der Mächte geworden, Ein neuer Erster Seelord. die sie selbst großgezogen haben, und als größte aller Ba­Nach einer von Reuter verbreiteten amtlichen Meldung trioten" streuen sic Tod und Verderben über das eigene Volt. Alldeutsches Stoßgebet an England. ift Bizeadmiral Sir Roßlyn Wemyß als Nachfolger des Der Bequemlichkeits- Patriotismus betet seine alten Das Friedensprogramm der verbündeten Mittelmächte in Admirals Jellicoe zum Ersten Seelord ernannt worden. Stedensarten her und läßt die Dinge treiben dem Abgrund Brest - Litomet hat in der alldeutschen Bresse den zu erwartenden Jellicoe hat in Anerkennung seiner Verdienste die Peerswürde zul Frankreich und England brauchen aber heute wirk- Sturm der But und Entrüftung hervorgerufen. Allen voran erhalten. Tide Vatrioten. Männer, die den Mut haben, ihrem Volk ist die Deut dhe Zeitung". Sie überschreibt ihren Artifel Der die Wahrheit zu fanen, und die ihre ganze Zatkraft dafür ein- Ententeficg in Brest - Litowst" und behauptet, daß am Beih­feben, einen aussichtslosen, aber gefahrbollen Krieg fo rasch nachtsfeiertag die Entente den größten Sieg diefes

wie möglich zu beenden.

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Iniere alldentichen Machtpolitiker freilich fegen ihre Soffnung auf die Verranntheit der Clemenceau und Llond( George: eine Goffnung, die nicht minder töricht ist als die Torbeit der anderen. Sie nähren sich und ihren Anhang immer noch von der Mufion, daß irgendwo hinter den Bergen bes Kriegs ein großes Glück wohne. Ach, es ist für beide Zeile nichts anderes dahinter als noch mehr Qual und

Es liegt nabe, das Ausscheiden Jellicoes in Verbindung zu bringen mit der Enttäuschung der Erwartungen auf einen ent scheidenden Schlag gegen die deutsche Flotte, insbesondere gegen die deutsche U- Voot Striegführung. Taß biele trog Gir Geddes Gr ärungen im Unterbaus von ibren hödit beunruhigenden Wirkungen faum ernstlich verloren bat, ergibt fich eben jegt wieder aus Aeuße rungen der Times", die unter Hinweis auf gewiffe Torpedierungen fagt, es fei ber Höhepunkt der Verrücktheit, den Verfuch zu machen, Darum bat Teutialand gekämpft, geblutet? Darum fant die Ewierigkeiten der Lage als geringer hinzustellen oder einen die Blüte des Bolles ins Grab? Der erste Weihnachtstag 1917 falichen Eindruck über ihre Wirklichkeit zu erwecken, dadurch, daß man wird Zeit der Geschichte für Deutschland ein swaraerlertlärt, die Gefahr fei überwunden.

Krieges erfocht". Weiter heißt es: Was fast breinbein­halbes Jahr deutschen Sterbens errang, bas haben in Brest Litowet die Diplomaten mit einem geberstrich am ersten Weihnachtstag 1917 bertan." Pathetische Slagen und Drohungen schließen fich an: