Nr. 5
- 1918
Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Die Großinquifitoren.
Ein Kulturbild von Erika Sonntag.
Was der Mensch braucht, muß er haben, in erster Linie aber einen Bezugicbein.
Sonnabend, 5. Januar
Die heißeste Hize.
Menschheit nach Ansicht Prof. Stods wohl nicht genützt, denn er zitierte die Worte Mephistos„ Wenn sie den Stein der Weifen hätten, Es gibt eine untere Grenze der Temperatur; fie liegt bei dem der Weise mangelte dem Stein". 1423 wandte sich die englische Regierung an die gelehrte Geistlichkeit und forderte sie auf, zu Gott zu beten, sogenannten absoluten Rullpunkte( minus 273 Grad) und ist nach damit doch der Stein der Weisen entdeckt würde und daß man so heutigen Anschauungen nicht erreichbar. Eine obere Grenze der die englischen Staatsschulden bezahlen könnte. Nicht ausgeschlossen, Temperatur gibt es dagegen nicht, und den Technikern wie den Ein Fräulein tritt vor den Tisch der Bezugscheingewaltigen, io meint Stod, daß auch andere Regierungen sich in diesem Punkte Physilern ist es gelungen, die Sizegrade, die fünftlich zu erzielen umdrängt von der sie mit regem Interesse betrachtenden bezug mit der englischen begegnen können. sind, fort und fort zu steigern. Die Technit hat sich lange Zeit scheinlüsternen Menge. leberspringen wir die Entwicklung der Chemie in Jahrhunderten mit Defen beholfen, deren Temperatur noch nicht einmal Ich bitte, mir ein Paar Strümpfe zu bewilligen. und folgen wir den Ausführungen Stocks über die letzten Jahrzehnte, 2000 Grad betrug; in neuerer Zeit hat man mit viel stärkeren Die Dame hinter dem Tisch rückt sich ihren Kneifer zurecht, dann sehen wir, daß die Chemie als Wissenschaft wie als Tedinil in Sizegraden zu arbeiten gelernt: das Kenallgasgebläse erreicht höhere steht sie streng an:
Wieviel Strümpfe baben Sie?
Fräulein: Nur zwei Baar.
geradezu unglaublich furzer Zeit zu einem mächtigen Faftor geworden Temperatur, und als vor 22 Jahren Hans Goldschmidt in ift. Im Anfang der 60er Jahre erklärte eine amerikanische Fach- Gffen mit seinem fogenannten Thermit"( Aluminium und Eisenzeitschrift, daß dasjenige Land, das die besten Chemiter befize, auf oxyd) hervortrat, war man bis auf Temperaturen von rund 8000
Die Dame hinter dem Tisch: Zwei Paar? Nun, damit kann die Dauer das reichste sein werde. Nahrung, Waffen würden die Grad gekommen, die technisch verwertbar sind. Wenn man ein
man doch auskommen!
Fräulein: Das eine Paar ist leider gänzlich zerriffen. Die Dame hinter dem Tisch: Nun, und das andere? Fräulein errötend: Da gucken auch schon die geben durch. Der Herr rechts neben ihr räuspert sich, der Arbeiter zu ihrer Linken jagt: Na, machen Se's man halbieje, Fräulein!; ein Junge hinter ihr pruftet laut lachend los. Ja, mit die Dessous, faat eine Stimme aus dem Hintergrund, damit kann man heut Die nächste an der Reihe ist eine dicke Mairone bon fugeligen Dimensionen, die an eine Pyramide von Tilsitern mit einem Edamer auf der Spize erinnert. Die Dicke: Ich brauche ein Paar Sofen.
feine Bilder rausstecken.
Die Dame hinter dem Tisch: hier steht ja nicht, für wen! Die Dice: Na, für mir doch.
Die Dame hinter dem Tisch: Wieviel Paar Beinkleider haben Gie?
Die Dide: Wieviel Hofen id habe? Du lieber Gott, muß man das bier auch ausemanderflawittern?
Die Dame hinter dem Tisch: Gewiß muß man das. Also? Die Dice: 8wei Paar, aber solche dünnelen.
So geben Sie ihr doch schon ein paar dicke, fagt ein Herr.
Damit wir weiterfommen.
Die Dame hinter dem Tisch läßt sich nicht beirren: Sommer oder Winterbeinfleider?
haben möchte.
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Winter, sagt die Frau, die an die Beinkleider denkt, die fie Dann kann ich Ihnen leine bewilligen erklärt die Gestrenge hinter dem Trich, und wie die Dice failungslos giftfprühende Blicke schießt, fommandiert sie: Wenden Sie sich an den Herrn auf Zimmer 4 Gebrodien wankt die Tilsiterpyramide mit dem roten Edamergesicht zur Tür hinaus, dem Herrn auf Bimmer 4 ihre Hoiennot zu flagen.
Ein Herr ist dran. Er rückt nervös an der Krawatte, nimmt fich ein Stäubchen vom Aermel! Das Schredliche, das nun kommen wird, macht ihn zittern.
Die Dame hinter dem Tisch Tefend: Gin Oberhemd? Wieviel Oberhemden haben Sie?
Der Herr so leise wie möglich: Reins!
Die Dame hinter dem Tisch kommt zum erstenmal aus der Ruhe. Sie, Sie! schreit fie, wild mit dem Bezugschein um sich fuchtelnd, wollen Sie sich luftig über uns machen? Wollen Sie uns einreden, daß Sie kein Hemd am Leibe tragen, feins bei fich zu Der Herr zudt zusammen. Er scheint einmal beffere Tage gefeben zu haben, denn das Gespräch ist ihm offenbar peinlich, obwohl
Hause haben?!.
diesmal niemand lact.
brüber.
Nun? fragt die Dame hinter dem Tisch.
Es ist ein Nachthemd, haucht der Herr, felbft so bleich wie das Hemd, auf das sich in diesem Moment aller Blide richten. Und als ihn die Dame ungläubig anftarrt, rafft er sich zufammen und versichert mit dem Brustton der Ehrlichkeit: Mit einem Chemisettchen Die Dame hinter dem Tisch läßt ihn noch einmal vor aller Welt beteuern, daß er wirklich fein Oberhemd habe, bann füllt sie den Schein aus. Der Mann ohne Oberhemd tritt mit schämig gefentten Blicken aus der Reihe.
Die Aufgaben der Chemie.
Jm Märkischen Bezirksverein des Vereins Deutscher Chemiter sprach Prof. Sto d über die Aufgaben der Chemie. In scharfen, furzen briffen führte er durch die Jahrhunderte der geschichtlichen Entwickelung. Einst war das Streben nach dem Stein der Weisen das Leitmotiv in der Chemie. Viel hätte feine Entdeckung der
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Chemifer ihm liefern. Die beste Bollsgesundheit und die befte Smallgasgebläse anwendet, in dem Azethlen mit Sauerstoff verbrennt, Ausnutzung seiner Bodenschäze würde dieses Land den Chemikern fönnen Temperaturen von 3500 Grad erzielt werden. Moisson hat danken. Deshalb bedeutet die Erziehung des Boltes in Chemie bei seinen Versuchen, im elektrischen Ofen fünstliche Diamanten her und Naturwissenschaften die denkbar befte Stapitalsanlage. Daß zustellen, teine höheren Hißegrade erreicht. Bis vor kurzem war Deutschland dies frühzeitig erkannte, brachte ihm seine großen die höchste Size wohl die, die zwei Engländer, Sir Andrew Noble und Griolge. Die modernen Erfindungen auf chemischem Gebiet ent- Sir 8. Abel, dadurch erzielten, daß sie einen Eprengstoff, fordit, springen felten dem Kopf eines einzigen. Sie sind das Ergebnis in einem Stablzylinder verbrannten, fie erreichten 5200 Grab, und mühseliger Arbeit einer Vielheit, errungen im Schüßengrabenfrieg amerikanische Blätter halten dies noch heute für die höchste ervon einem Heer wissenschaftlicher Chemifer. Ein solches Heer von reichte Siße. Es ist aber furz vor dem Kriegsausbruche dem Chemikern befigt Deutschland , seit Liebig das erste wissenschaftliche Breslauer Physiker Otto Lummer gelungen, diesen Higegrad weit Forschungslaboratorium gründete. Der Weltkrieg stellt alle Kräfte 3 übertreffen: bei seinen Versuchen über Schmelzung des Kohlender Völker auf eine erbarmungslose Probe und auch die deutschen stoffes mit Hilfe einer neuen Form der Bogenlampe, die mit UeberChemiter wurden ihr unterworfen. Glänzend haben sie sie bes brud arbeitet, fonnte er die auf 6000 Celsiusgrade angenommene standen. Und hinter der Technik ist die wissenschaft nicht zurüd- Sonnentemperatur übertreffen; es gelang ihm, die Temperatur bis geblieben. Die Gasmaste ist der modernste Panzer der chemischen auf 7800 Grad zu steigern. wissenschaft.
Wenn auch der Krieg zweifellos befruchtend auf die Chemie gewirft hat, er hat ihr sicherlich auch schwere Wunden geschlagen. Die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchies stodt, während unfere Femde aufs eifrigste bemüht sind, das Versäumte nachzuholen, die deutsche chemische Technik auszuschalten. Große Summen werden hierfür zur Verfügung gestellt. Auch wir müffen in Zukunft unser Chemiferheer schlagfertiger balten. Unterrichts wie Finanz ministerium werden einsehen müssen, daß hier nicht mit dem Maß gemessen werden darf, wie vor dem Strieg. Die Kosten stellen einen Werbetrag dar, der aufgebracht werden muß, auch wenn sonst über all die größte Sparfamfeit vonnöten ist. Auch in Mittel- und Boltsschulen darf die Chemie hinter der Boysit nicht zurückbleiben. In Gymnasien muß sie eindringen. Es geht nicht an, daß, während sich die Chemie die Welt erobert, fie den Massen fremd bleibt.
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Richt nur, daß
Die Kirchen für weltliche Versammlungen auf!
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Jm Deutschen Willen"( Kunstwart) lesen wir: Immer wieder sollte der Ruf aufstehen und immer weiter follt' er sich verbreiten: öffnet die Kirchen für weltliche Versammlungen! Seit ich ihn das erstemal erhob, ist freilich auch aus unserem Kreise der Boltshausgedante ausgegangen. Aber die beiden Wünsche widersprechen sich nicht. Voltshäuser sind eine treffliche Sache, borläufig jedoch haben wir erft fehr wenige davon, und auf lange hinaus werden wir ihrer nicht biele haben, wogegen eine Kirche in jedem Dorf steht. Sechs Lage lang steht sie in der Woche leer. Sie, oft der einzige würdige öffentliche Raum, und noch viel öfter der einzige fchöne, fie, die das Ge fühl der Gemeinsamkeit für die Bewohner famt allen guten Geistern des nicht bloß- Geschäftemachens wie fein anderer Bau anruft. Warum die Wahlbersammlungen, wo's um Gemeinde, Baterland, Deutsches Meich geht, in den Kneipen und Tanziälen statt in ben Kirchen? Warum fefte, welche die Kunst besuchen soll, warum ehrlich gemeinte Aussprech- und Behrftunden, warum auch nur eine In unseren Hunderttausend Kirchen haben wir ein bracliegendes eblere Unterhaltung durch den Raum herabziehen statt hinaufitimmen? Kulturkapital, das ein werbendes werden könnte. Die Kirchen für weltliche Versammlungen auf!
Notizen.
Die Zivildienstpflicht der Ameisen. Auch in bezug auf die vaterländische Hiltedienstpflicht gilt das In einem der vollkommensten ort des weisen Rabbi ben Atiba. Staatswesen ist die Heranziehung aller Individuen schon längst ein. geführt, nämlich im Ameisenstaat. Bei diesen geistig höchststehenden Infeften gilt die allgemeine Arbeitsleistung und der Arbeitszwang zum Nutzen des Staatsgangen als oberstes Gesetz. bei den Arbeiten des Friedens. Anlegen von Kolonien, Resterbauen, Hand anlegen müssen, auch bei friegerlichen Unternehmungen, sei es inte in der Leseballe der Deutschen Gesellschaft für ethische stultur, Nahrungsmittelbeschaffung usw., alle Mitglieder der Kolonie mit Märchenborlesung. Am Sonntag liest Friedel zu Beutezügen, fei es zur Abwehr feindlicher Angriffe, werden alle Rungeftr. 20, Märchen vor. Anfang 4 Uhr, Eintritt frei. der Treiberameise, unterscheiden sich die Soldaten von den stoffe foll in Anlehnung an die bisher in Karlsruhe bestehende Kräfte zur Verteidigung herangezogen. Bei einigen Arten, so bei Gin Forichungsinstitut für Textilerfat. „ Arbeitern" dadurch, daß erstere einen um 6 bis 10 mal Forschungsstelle für das Deutsche Reich errichtet werden. größeren Stopf haben als lettere, wobei die Großköpfigen - Eine neue deutsch ruffifche 8eitung erfcheint die Führung übernehmen und das Arbeitsheer in Schach Das Blatt, halten. Bates, her Grforicher Die Facel" genannt, im revolutionären Rußland. hes Amazonenstromea, Бек obachtete vielen Taufenden, die sich in breiten Kolonnen vorwärts bemegten. Arbeiter, Soldaten- und Bauernregierung" bezeichnet. Es wird an ben llierwäldern dieses Flusses Ameisenheere von bereinigt euch!" und ist als Organ der russischen revolutionären zeigt über dem Titel den Wahlspruch: Broletarier aller Länder wurden sie auf ihrem Vormarsch gestört, so ergriffen fie die Offen- unentgeltlich unter den deutschen Brüdern" verbreitet und dient fibe, deren sich weder Mensch noch Tier kaum zu erwehren ver- der bolfchemistischen Propaganda. mochte. Ginmal beobachtete Bates auch, tpie die meijen am Hange eines Hügels in die Erde Minen bis zu 26 gentimeter Tiefe gruben. Beim Anlegen der Minen herrschte vollste Arbeitsteilung. Ein Teil grub, der andere schaffte die ausgegrabenen Teile fort. Feiern durfte niemand. Nach 2 Stunden", so erzählte Bates, waren die Nester ausgenommen, und in einzelnen Zügen bewegten sich die Sieger den Hügel hinunter, um fich am Fuße des Hügels gleichmäßig au formieren, um wie im Triumphe abzuziehen. Man ersieht daraus, daß das Leben der Ameise, das nach Blutarch„ der Spiegel aller Tugenden, der Tapferfeit Klugheit und Gerechtigkeit" ist, die givildienstpflicht als uralte feststehende Staatseinrichtung fennt.
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Gin Luftpoft vertebr zwischen Palermo unb Neapel ist zur Verbesserung des Postverkehrs eingerichtet worden. Die Fabrtdauer beträgt drei Stunden. Die guten Erfolge mit der Briefpoft haben die italienische Postverwaltung ermuntert, auch fleinere Batete auf diesem Wege zu befördern.
Der
Die ersten französischen Zabalfarten. Bürgermeister von Balence hat als erster die praktische Schlußfolgerung aus der französischen Tabatnot gezogen. Er ließ Tabal tarten drucken, die fofort in Straft treten sollen. Bersonen unter
16 Jahren sind zum Bezuge der Tabaffarten nicht berechtigt.
ich erfenn' ihn." Sie fühlte sich plöslich ernüchtert, in ihrem Wer sagt Ihnen denn so sicher, daß er noch am Leben ehrlichen Entgegenkommen zurückgestoßen, verlegt. Es brödelte ist? Das Bild da?" Mit einer grausamen Deutlichkeit sprach etwas von ihrer Freude ab. Ja, was fo'n Mädchen Liebe die Hieselhahn jedes Wort aus. Ich glaube noch nicht Ein Roman aus unserer Zeit von Clara Biebig. nennt! Die erkannte ihn ja nicht einmal! Am liebsten hätte dran. Glaube überhaupt nicht dran. Glaube überhaupt Gertrud Hieselhahn setzte die Zähne fest aufeinander, fie fich umgedreht und wäre fortgegangen was mukte die nichts in der Welt mehr. was wußte die nichts in der Welt mehr. Wenn man einmal fo geglaubt ein Weinen wollte ihr kommen, aber sie zwang es nieder. hielt sie feft. Am Ende mußte sie sich das doch einmal an man nicht mehr." ein Weinen wollte ihr fommen, aber sie zwang es nieder. Denn, wie ihr zumute war aber das Geschrei des Kindes hat wie ich, und es war dann doch nichts, dann glaubt Was, auch noch weinen? Ein verbitterter Zug grub sich um Hatte sie nicht schon genug gefehen; wer weiß, vielleicht hatte es gar feinen Bug von ihm ihren Mund, sie treuzte die Arme über der Brust und fah weint, als er sie sigen ließ? Und genug heimlich gemeint, als fie von anderen hörte, Gustav Strüger werde vermißt seit in häßlicher Verdacht stieg wieder in ihr auf. Sie hatte finster drein. damals nicht ohne Grund den Sohn gewarnt, die Sieselhahn Dirmuiden, seine Mutter habe gar keine Nachricht von ihn. sollte früher einmal etwas flott gewesen sein. Jetzt fab fie großes Mitleid. Alles, was sie damals nicht empfunden Die arme Person! Gustavs Mutter fühlte plötzlich Nun, jetzt würde sie doch nicht etwa weinen vor Freude, daß freilich nicht danach aus. Stimmerlich, recht blaß. Der täte batte, als sie den Sohn von dem Mädchen abzubringen suchte, er noch am Leben war? Was ging fie das an? Tot oder schon eine gute Pflege not. Es war nicht angenehm, daß das empfand sie jetzt. Sie ftreckte die Hand aus." Fräulein lebendig, ihr fonnte es gleich sein! Das Mädchen machte ein steinernes Gesicht, es strebte sich loszumachen, aber die dem Gustav zu schreiben.„ Kann ich den Kleinen mal sehen?" Hand der Krüger hielt fest.
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., Hören Sie denn nicht, verstehen Sie denn nicht?! Der Gustav!" Die Hand der Mutter schüttelte die nassen verwaschenen Finger. Der Gustav ist noch am Leben. Er ist nicht tot. Er ist nur gefangen. Und ich fann ihm schreiben ich schreib noch heute soll ich ihn grüßen von Ihnen? Was was fagen Sie nu?!"
Gertrud hatte einen unwillkürlichen Ausruf getan in Freude und Schmerz. Nun sagte sie langsam, sich mit der freien Hand an die Stirn fassend und die Augen schließend, als schwindle es ihr Woher wissen Sie das?"
fragte sie fleinfaut.
Das Mädchen antwortele nicht, es zuchte die Achseln. Aber dann machte es doch eine einladende Handbewegung. Es ließ die Frau vor sich eintreten.
Die Stube war sehr bescheiden eingerichtet: ein Bett, ein Tisch, ein paar Stühle, ein Schrank, am Fenster die Nähmaschine und neben dem Bett in einem alten Kinderwagen das Kleine.
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Sieselhahn," sagte sie versöhnlich, ich bin gekommen in meiner großen Freude. Seit Oftober voriges Jahr habe ich auf Nachricht von meinem Sohn gewartet, nu weiß ich end. lich, daß er noch am Leben is- und ich bin so froh, so dankbar, sofo-" sie stockte einen Augenblick, überlegte; nicht zuviel versprechen. Aber dann stieß sie es förmlich vorwärts, rasch schloß sie: Ich will dem Gustav' ne Freude machen. Und das wird ihn freuen: fomnien Sie zu mir, heute, morgen, wann Sie wollen! Holen Sie sich was von Es hatte aufgehört zu schreien, als ob es den Eintritt Gustavs, Kinderwäsche und auch sonst noch was. Und nu der Mutter schon wahrnehme. Die Augen in dem runden darf ich wohl mal den Kleinen aufnehmen?" Köpfchen gudten groß und blau. Die Strüger befam einen Dine erst Antwort abzuwarten, trat fie rasch zum förmlichen Schreck: die Hieselhahn hatte braune Augen, das Wagen, nahm das strampelnde Sind heraus und hob es mit ,, Woher? Hier, fehn Sie mal!" In triumphierender aber waren Gustavs Augen, auffallend große Sterne, von beiden Armen hoch. Der Kleine frähte. Na siehste, da biste Freude zog die Mutter aus ihrer Tasche das Blatt. Und wie langen dunklen Wimpern umfäumt. Sie war früher oft auf ja! Du bist aber schon' n Kerl. Ei, du, du!" sie es bordem Frau Bertholdi getan hatte, so hielt sie es Gustavs Augen angesprochen worden, als sie ihn noch auf So hatte die Strüger mit ihren Kindern, von denen nur jetzt der Dieselhahn dicht vors Geficht: Sennen Se ihn mieder, dem Arme trug. Und dieses Kind hatte dieselben hübschen ber Guftab noch am Leben war, die zwei anderen waren fennen Se ihn? Der da, der so frumm dasteht! Er hat Augen, die er als Kind gehabt, und die er auch jetzt noch flein gestorbeu dereinst auch geschäfert. Es wurde alles sich nie gerade gehalten. Und abgefallen is er auch mächtig. hatte. Sie beugte sich über das Bettchen; sie hatte den wieder wach, wieder lebendig. Wie alt is er denn jetzt? Gefangen na, denn fann's einen ja auch nich ver- Wunsch, den Jungen einmal herauszunehmen, auf ihrem Arm So'n strammer Junge!" Sie war entzückt. wundern. Aber sein altes liebes Geficht is es doch noch. zu halten. ,, Erst vier Monat!" Nun lag doch ein gewisser Stolz Der Gustav!" Aber das Mädchen fam ihr zuvor. Es stieß den Wagen im Ton der jungen Mutter, der flang nicht mehr so abIhr Finger, mit dem sie immer mieder auf die jugend- mit dem Fuß in die Ecke und sagte unwirrsch: Schreiweisend. Sie wurde gesprächiger. Er war gleich von Anlich- schmächtige Gestalt eines Gefangenen, der, den Kopf ge- hals!" Dann tehrte es sein wieder rot gewordenes Geficht fang an so fräftig. Die Hebamme sagte: Sicher acht Pfund." fenft, betrübt dastand, getupft hatte, fuhr jetzt, wie liebevoll der unwillkommenen Besucherin zu: Was wünschen Sie Daß macht die gute Luft hier draußen; viel anderes fann ich ftreichelnd, übers Papier. Der Gustav- das is er! Er- eigentlich)?" thm ja auch nicht geben." fennen Sie ihn?" Die Krüger wurde ganz verlegen, der Ton der Hiesel- Nähren Sie selber?" Den da fenn' ich nicht." Gertrud schüttelte ernst den hahn war so abweisend- barsch. Aber recht hatte die ja„ Das kann ich nicht. Ich hab meine Beschäftigung. Die Stopf. Sie rren sich wohl. eigentlich: warum sollte sie besonders höflich und freund- Frau, bei der ich hier wohne, sieht nach dem Kind. Es ist Na, wegen Guftab ich wollte ich dachte' n Bufall, daß ich heute zu Hause bin. Ich bekomme Milch würden sich auch freuen, daß er noch am für den Jungen."
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Jch, mich irren?" Nun lachte Frau Krüger förmlich hell lich sein? auf. Und dann sah sie das Mädchen mißbilligend, verächtlich doch. Sie fast von der Seite an. Wenn Sie ihn auch nich erkennen, Leben is."
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( Forts, folgt.)