Unterhaltungsblatt öes Vorwärts
Trank desinfiziere außerdem Mund, Rachenhöhle und VerdanungZ« organe.'—.Ich stimnite dem zu,' schreibt der Berichterstatter, .andere Kameraden auch.'... Dieselbe Soldatenbetrachtung knüpfte auch an die immer noch dielfach vor sich gegangene.Vorpanischung groster Mengen herrlicher Früchte': Aepfel, Birnen, Kirschen, Zwetschen, Beeren, zu geistigen Getränken verschiedener Art. die sie aufs lebhafteste bedauerte, beachtenswerte Bemerkungen an:.Wäre e5 nicht viel bester und volkswirtschaftlilb richtiger, sie zu wohl- schmeckenden Konserven zu verarbeiten? Wie wohlschmeckend und erftischend sind doch eingemachte Kirschen und Mirabellen zur Winterszeit! Im Felde sind solche Früchte oder gedörrte Zwetschen ein grober Genust. sind bekömmlich und gesund, wirken belebend auf die oft sehr mitgenommenen VerdauungSorgane und erfrischen, während Alkohol in jeder Hinsicht schädigend wirkt. Schon die gewöhnliche Marmelade, die inS Feld kommt, ist den Truppen drauhen trotz des Spottliedes, das man auf sie gedichtet hat, von unschätzbarem Wert.... Hat man Kaffee dazu(zu Kommistbrot und Marmelade) ist eS ein Genuß und man kann sich sättigen.'
Petersburger Leben von heute. Stockholm , Anfang Januar. Das Stockholmer „Aftonblabet' veröffentlicht Auszüge aus einem Privarbries, worin ein Schwede, der sich derzeit auf einer Geschäftsreise in Rußland befindet, seine Eindrücke vom beutigen privaten und öffentlichen Leben der russischen Hauptstadt schildert. Der Schreiber gehört offenbar nicht zu einer den Bolschewiki politisch und sozial nahestehenden Schicht. Seine Mitteilungen ericheinen als das Urteil eines unbefangenen und wahrhettSliebenden Reisenden, der. ohne auf ein weiteres Publtkum zu rechnen, feine Angehörtgen über Zustände ouftiäten will, deren Darstellung im Ausland in der Regel von Parteiinteresse und Parteileidenschast beeinflußt ist. Ein solches Dokument hat oft einen größeren Wert, als mit theoretischen Argumenten und mit advokatorischem Eifer arbeitende Klageschriften der in den Kämpfen des TageS unterlegenen Partei, denen die zur gerechten Würdigung der Begebenheiten notwendige Distanz fehlt. ES kann sicher die politische Kritik nicht widerlegen und nicht ersetzen, aber es weist auf deren Grenzen hin. Der Briefschreiber warnt zunächst vor den.Aufklärungen', die man in der schwedischen Presse über die russischen Zustände finde. So habe ein Blatt sich von einem in Haparanda angekommenen Reisenden erzählen lassen, daß man in Petersburg in der Gefahr lebe, ermordet zu werden und dergleichen. Der Briefschreiber be- zeichnet das als schreckliche Uebertreibung..Glaube mir. das meiste von dem, waS über die Bolschewiki und deren Regiment geschrieben wird, ist erlogen... Tie Wahrheit ist, daß ein Fremder, der her« kommt, vorausgesetzt, daß er vorher nichts über die Verhältnisse wußte, kaum irgend etwas bemerken würde. Die Läden find wie gewöhnlich geöffnet, Theater. BioSkope und Gasthäuser desgleichen. Das Leben auf der Straße geht seinen gewöhnlichen Gang weiter, die Straßenbahn— vielleicht mit einigen Ausnahmen für gewiste Vorstadtlinien— verkehrt mit der gleichen Dichtigkeit und Ge< schwindigkeit. Natürlich ist sie auch jetzt überfüllt, aber obgleich ich sie in den letzten Togen täglich benutzt habe, habe ich leinen einzigen Menschen gesehen, der gratis gefahren wäre... Rom ist nicht au einem Tag erbaut worden und die russischen Verhältnisse lassen sich nicht im Handumdrehen ändern. Nicht einmal von den Bolichewiks. Im übrigen wird man gern anerkennen, daß sich diese als flmke und tüchtige Leute zeigen. Man braucht nur ihr Auf- treten gegen jene zu betrachten, die mit Hilfe des Alkohols Unruhen >;::ftcn suchen. Denn, mein Junge, Alkohol findest Du hier— .- i des absoluten Verbots geistiger Getränke. Das heißt, in Restaurants wird kein Alkohol serviert— außer vielleicht in aller Heimlichkeit in einigen von den besteren, eine Sache, woran ich indes zweifle. Aber da und dort gibt es große Lager. Und diese werden mitunter von irgendeiner willigen Seele.entdeckt' und dem Pöbel bekanntgegeben, der natürlich nicht zögert, sich zu betrinken. Aber diese Freude ist oft von kurzer Dauer. Sobald die Komman« dantur von der Sache erfährt, schickt sie Militärpatrouillen an Ort und Stelle und vernichtet den Alkobolvorrap Oft geht es bei solchen Expeditionen heiß zu. Die Patristtille schießt. Zu- erst in die Luft, um die ungeladenen Gäste fortzujagen und unberufene Leute auf Abstand zu halten. Hilft das nicht, werden die Gewehre— darunter auch Maschinengewehre— auf da« HauS gerichtet, wo sich das Alkobollager befindet. Sind die.Gäste' be- trunken, wozu mindestens ein Teil von thuen Zeit gehabt hat, und sind sie dazu mit Gewehren verleben, so entsteht ein Fenerzefecht von selbst. Irgendwelche besonders.blutigen' Zusammenstöße find nicht vorgekommen. Wie ich erfahre, haben die Spiriiusexpeditionen ernstere Folgen nur für eine verschwindende Minderzahl, und man bat bemerkt, daß dies allezeit so für Leute ab- läuft, die sich mit vollem Bewußtsein ins Spiel gemengt haben. Im übrigen kann ich Dir mitteilen, daß diese Dinge bei Nacht ge- schebcn— diejenigen, von denen ich sprechen hörte, zwischen 1l und 2 Uhr. Bei Tag sieht man nichts davon. Ja. richtig, in einer Gasse bei der Kasantathedrale sah ich selbst eines Tages die deutlichen Spuren der Vernichtung von Alkohol im Werte von einigen hunderttausend Rubeln. Man roch den vergangenen Kognak auf weite Entfernung. Und doch war das nur eine Kleinigkeit. Im Keller des Winterpalastes sollen die Bolschewiki Spirituosen für drei Millionen Rubel zerstört haben, darunter 300 Jjahre alte Weine. Gerechterweile muß man anerkennen, daß sie zu diesent Busweg erst griffen, als es sich zeigte, daß die zahlreichsten Wächter nicht ge- nügten. Auch heißt es, daß das englische Rote Kreuz Weine für einig» Millionen gekauft habe— zehn Etsenbahnwagen, sagte mit ein Eisenbahner aus dem sinnischen Bahnhof. Aber, wie gesagt, bei Tage sieht man von den Expeditionen wenig und hört auch davon kaum mehr, als waS in den Zeitungen steht. Und das ist nicht gar viel.— Zumeist Vermutungen und Ge-
6] Töchter öer tzekuba. Ein Roman auS unserer Zeit von Clara Biebig. Die Dombrowski war wirklich eine hübsche Frau, und sie hatie auch gar nicht so unrecht, es war schwer für Mütter. die auf Arbeit gingen, zugleich sorgsam auf ihre Kinder zu achten. Die Lehrerin lenkte ein.„Ja, ja. Aber das könnten Sie doch wenigstens, mir den Jungen morgens sauber in die Schule schicken. Ich muß ihn erst immer an die Pumpe führen." „Na, denn dreckt er eben unterwegs wieder ein I' Die Dombrowski war nicht aus der Fassung zu briugen. Es brachte sie auch heute nicht aus der Fassung, als jetzt ihre Beiden wieder heulend in die Stube hereingestürzt kamen. Erich hatte Minna mit der Schippe gegen die Nase gestoßen, daß ein Bächlein von Blut heruntertroff, und war dann doch selber von Entsetzen ergriffen, als er sah. was er angerichtet hatte. Sie schrien beide und schimpften zwischen ihrem Heulen gegeneinander an. Gertrud war erschrocken zu- gesprungen und wusch dem Mädchen das Blut ab. Frau Dombrowski sagte nur:„Erich, wart' mal. ich schreibe es Vätern. Der kommt und nimmt Dich mit in'n Schützen- graben. Da fressen Dich die Natten. Oder die schwarzen Fran- zosen kommen und holen Dich; die fressen auch Kinder.' Sie hatte ihren Spaß darüber, daß der Junge sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. „Frißt unser Vater auch Kinder?' fragte er langsam. „Das nich', sagte die Mutter lachend.„Der is doch nich schwarz. Aber süchtig kann der auch werden, wenn ihm was nich paßt." ES flog wie ein leiser Schatten über ihr lachendes Gesicht. Sie mochte wohl daran denken, daß er sie einmal ge- schlagen hatte. Und nur wegen einer Kleinigkeit. Er war eines Sonntags abends mit ihr in einem Lokal gewesen, da hatten verschiedene Männer am Nebeutisch geseffen. und der eine von ihnen, ein hübscher Mensch, hatte Blicke mit ihr ge« wechselt. Das war alles. Aber ihr Stanislaus konnte so was nicht leiden. Eisersüchtig lvar der, oh je I Minka Dombrowski blickte einen Augenblick nachdenklich: wie hatte er doch gesagt, als er von ihr fortmußte?.Minka, ich sag dir. wenn du mir nich treu bleibst I' Er hatte gezittert dabei, der arme Kerl..Minka, ich sag' dir, dann— 6te|
rüchte. Die Bolschewiki sprechen nicht viel von sich selbst sie ar- betten. Man maq auch welche Ansicht immer über sie haben, daß sie wisien, waS sie wollen, muß man zugeben. Da wird nichts mit leeren Worten und Gebärden angefertigt. Lenin und Trotzki . wie diejenigen, die ihnen am nächsten stehen, arbeiten Tag und Nackt. Im Smolni ist 24 Stunden am Tage Lickt. Di« hervorragendsten Führer arbeiten, essen und scklafen tm selben Zimmer— vor allem ist das der Fall mit den zwei obersten, und Du darfst mir glauben. daß eS nicht jedermann gelingt, inS Smolni hineinzukommen. Da gibt es Schiidwacken— Soldaten und rote Garden— einen um den andern, rechts und links. Erst wenn man über seinen Zweck ge- nau Auskunst gegeben bat, bekommt man«ine Zulaßkarte ins Smolni. Um Zutritt zu Lenin und Trotzki zu bekommen, ist eine be- sondere Karte erforderlich. Der beste Beweis für das Organisationsvermögen und die Arbeitskraft der Bolschewiki ist meiner Meinung nach ihre Um- organisierung der Ministerien. Wie Du Dick erinnern wirst, traten alle die alten Beamten sofort, als die BolsckewikS zur Macht ge- kommen waren, in den Streik. Was taten nun die BolschewikS? Sie erklärten ganz einfach, daß diejenigen, die ihren Posten wieder einnehmen wollten, sich binnen einer gewissen Zeit anzumelden hätten; die anderen wurden verabschiedet. Eine groß« Zahl von Unterbeamten— um nicht zu sagen, die meisten— meldeten sich an und mit ihrer Hilfe und teilweise mit neuen Leuten wurde die Arbeit in Gang gebracht. Es ist eine Tatsache, daß sie jetzt recht gut funktioniert. Davon habe ich mich selbst überzeugt. Einige meiner Kameraden, die gewisse Erfahrungen vom alten Regime her haben, sagen sogar, daß e§ jetzt besser ist als früher. Aber die BolsckewikS haben nicht nur die Ministerien organi- siert, londern sie nehmen auch die Ordnung des GeschättSlebenS auf sich. Schon wird davon gesprochen, daß aller Import und Export monopolisiert werden soll. Vielleicht ist das ein bloßes Gerücht, vielleicht auch nicht. Es würde mich nicht verwundern, wenn eS zum Monopol käme. Die Industrie ist schon jetzt unter einer gewissen Kontiolle, und die Banken kommen auch daran, wie sehr sie sich da- gegen auch sperren mögen. DaS schließt natürlich nicht auS, daß Schweden hier große Möglichkeiten bat. Aber da muß ordentlich ge- arbeitet werden. Denn gibt es Frieden mit Deutschland — und darüber gibt eS unter den Eingeweihten nur eine Meinung—, so sind die Deutschen im Augenblick hier. Die Animosität gegen Ge- schäfte mir den Deutschen , wovon manch« schwedischen Geschäftsleute sprechen, ist der blanke Unsinn. Die Russen werden ihre Waren sicher dort kaufen, wo sie sie am billigsten bekommen und wo sie im übrigen am besten behandelt werden. Bleiben die Bolschewiki an der Macht— und ich bin überzeugt, daß sie unter den gegen- wältigen Umständen weder von KerenSki , von dem niemand mehr spricht, noch von Kornilow , der keine Truppen hat, noch mich von Kaledin, der viele Meilen von Petersburg ist und mit den Bolicke- witö in seinem eigenen Bezirk genug zu tttn hat. s« ohne weiteres gestürzt werden können—, so muß man eben auch damit rechnen, daß sie Internationalisten sind, sie sich wenig oder gar nicht um nationale Gesichtspunkte kümmern. DaS hat man mehr als einmal gesehen.'_
Heiße Getränke als Wärmer. Ein hübsches kleines Wintersportbild zeichnet«in kurzer Bericht vom Bodensee aus dem letzten Winter. Der Unterste(westliche Fortsetzung des BodenseeS) war fest zugefroren. Taufende von Menschen tummelten sich auf seinem Eise. Da leistete ein gemein- nütziger Verein(Guttemplerloge von Steckborn ), den Zeitpunkt er- fassend, gute praktische Arbeit. Sie errichtete auf der Eisfläche eine Verkaufsstelle für Tee und Backwerk. Der Zuspruch war flott und Hunderte waren dankbar für das zweckmäßige und wohlschmeckende warme Getränk und dafür, daß sie kein Wirtshaus aufzusuchen brauchten. Da eS bei solchen.Neuerungen' immer auch gut ist, wenn die Leute sie nicht bloß eben so hinnehmen, sondern zugleich darauf gelenkt werden, daß sie mit Bewußtsein vorgenommen werden, und was sie für Gründe haben, kündete noch ein guter Spruch und die Unierschrift der veranstaltenden Vereinigung davon. warum man Tee ausschenkte. So ist auch einer Unterhaltung von Soldaten, Kriegsteilnehmern, die vor einiger Zeit in einem norddeutschen Blatte zu lesen war. u. a. das Lob heißer Limonade zu entnehmen:.Ein Kamerad meinte, daß ihm draußen in der Stellung, wenn er mit durchfrorenen Gliedern in den Unterstand kam, nicht» bessere Dienste leistete, als ein« Tafle frisch gebrauler Zitronenlimonade. Diese er- frische und belebe und sei von bestem Wohlgeschmack, vor allem sei dieses köstliche Getränk billig. Eine einzige Zitrone liefere drei Tassen, selbst das schleckte russische Sumpfwasstr sei dazu verwendbar und beeinträchtige den Wohlgeschmack dieses Getränkes nicht. Dieser
hatte ihn gar nicht ausreden lassen. Sie hatte ihm rasch die Hand vor die Augen gelegt, die anfingen unruhig umher zu rollen, und war dann so zärtlich, so heiß gewesen, daß sie im besten Einvernehmen schieden. Auf der Bahn beim Abschied hatte keine so sehr geweint wie Minka Dombrowski und keine so lange nachgewinkt. IL Wenn Frauen sich jetzt auf der Straße trafen, standen sie noch länger beisammen als zu früheren Zeiten. Abends war am Bahnhof der Heeresbericht angeschlagen, da sammelten sie sich in Gruppen. Die Ehefrauen sprachen von ihren Ehe- männern, die Mädchen von ihren Liebsten; da war keine, die nicht einen draußen gehabt hätte. Aber Gertrud Hicfelhahn stand nicht bei ihnen; sie kam abends von Berlin , dort ar- bettete sie bei einem großen Unternehmer— alles Militär- sachen— es war jetzt so viel zu tun, daß sie morgens schon eine Stunde früher anfingen und abends eine Stunde später aufhörten. Immer mebr Leute wurden eingezogen, immer neue eingekleidet, immer wieder rückten welche aus. Es würden bald keine Männer mehr hier sein, stellte Minka Dombrowstt fest. Sie holte das Fräulein manchmal abends vom Bahnhof ab; es hatte sich ein gewissermaßen freundschaftliches Verhältnis zwischen ihr und ihrer Mieterin herausgebildet. Sie bewunderte das Fräulein, das so viel feiner war als sie. sich besser kleidete, besser sprach, sich besser zu benehmen wußte und Gertrud wiederum vergaß nicht, daß die Dombrowstt sich keinen Augenblick besonnen hatte, sie, die Ledige, die ein Kind erwartete, zu dem kein Vater sich be- kannte, bei sich aufzunehmen. Sie würde auch nicht so diel verdienen können, wenn die Dombrowski nicht so und so oft von der Arbeit nach Hause liefe, um nach dem Kindchen zu sehen, sie nahm es sogar an schönen Tagen, wenn sie auf ihrem Stück Land arbeitete, mtt hinaus, hatte es bei sich stehen im Wagen. Müde kam Gertrud heute zurück, müder noch alS sonst. ES war so voll in der dritten Klasse, sie mußte stehen. Es war heiß im Wagen, und sie erzählten alle so viel. Fing eine nur an mit einem Wort, war gleich eine allgemeine Unterhaltung im Gang. Hier hatte jedejhr Schicksal. Die alte Frau in der Ecke hatte söhn und Enkel im Feld; sie selber erzählte nichts, aber die Nachbarin, die mit ihr nach Berlin gefahren war. weil die Großmutter den Enkel, der durchkommen sollte aus einem Transport nach Rußland ,
Notizen. — Vorträge. Ueber„Feuerkugeln und Metsar- sie ine* wird Dr. Archenhold Mittivoch, 8 Uhr, in der Treptow - Sternwarte spreche«. — Die Deutsche Gesellschaf t für Jslamkund« lädt zu einer Reihe von vier Vorträgen über„Die Probleme des Islams in Vergangenheit und Gegenwart' ein, die Prof. Martin Hartmann, Dessauer Str. 14, Hof I, abends 8 Uhr, am Mittwoch, den S. und 23. Januar und am 13. und 27. Februar IL 13 hält. Der Besuch ist unentgeltlich. Der Kunsthistoriker Karl voll ist im 51. Lebensjahre in München geworben. Er war eine eigenwüchsige Natur, die nicht die übliche Heersttaße ging. Von HauS aus Neuphilologe und auch als Tageskritiker bewährt, kam er erst in späteren Jahren in die akademische Laufbahn. Sein Hauptgebiet war die altnieder- ländische Malerei, der er mehrere Schriften widmete. AIS vortreff- liche Einführungen sind seine allen Schwall des Kunstjargons vcr- pönenden„vergleichenden Gemäldestudien' bewährt. Voll hatte lebhafte Fühlung auch mit der modernen Kunst, besonders Elevogt schätzte und würdigte er(auch literarisch). Sein« Vorliebe für die großen französischen Zeichner des 19. Jahrhunderts(besonders Daumier ) trug uuS«in wertvolle? Buch ein. Als streitbarer Franke hat Boll eS verschmäht, sich durch willfährige Streberei beliebt zu machen; insbesondere hat er auch im Fall Bode(gelegentlich des Kampfes um die Florabkiste) Farbe bekannt. Die Chronik der Münchener Kunstgeschichte, Prof. Hyazinth Holland , ist im 31. Lebensjahre in München gestorben. Er lebte und webte in der großen Zeit der Miinchener Malerei, deren führende Träger er noch persönlich gekannt hatte, als getreuer Sammler und Darsteller. Schwind, Pocci und Adam hatte er besonders ins Herz geschlossen. Seine reichen Sammlungen, die auch in das literarische Gebiet einschlagen, hat er der Staat?- Bibliothek seiner Heimatstadt vermacht. — Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Bern wird in der Münchener„Dekorativen Kunst' in einer illustrierten Sondernummer ausführlich behandelt und gibt einen mit Beispielen belegten Bericht von Dr. Moeller van den Bruck über die Kulturpropaganda, die der Deutsche Weltbund mit dieser AuS- stellung im Auslande geleistet hat. Auch der Berliner „Wieland' bringt in einer Sondernummer reizvolle zeichnerische Darstellungen des AuSstellmtgSgebSudeS und grundsätzliche Programmworte deS leitenden Architekten Peter Behrens . In den eigenen.Mitteilungen' des Deutschen Werkbundes finden wir Kritiken von Freund und Feind über diese Ausstellung zusammeugetrageit, in denen auch von französischer Seite meist rückhaltlos, zuweilen widerstrebend, die deutschen Leistungen anerkannt werden. -— R c y m o n t als Nobelpreiskandidat. Die„Nowa Gazeta" erfährt aus Krakau , daß der bekannte Romanschriftsteller R e y m o n t von der polnischen Akademie der Wissenschaften für den Nobelpreis vorgeschlagen wird. — Der Enckesch« Komet aufgefunden. Dem Di- rektor der Hamburger Sternwarte Professor Dr. Scharr ist cS gelungen, auf einer am 31. Dezember aufgenommenen Platte den periodischen Kometen Encke aufzufinden. DaS Gestirn steht am westlichen Ende deS Sternbildes der Fische, ist aber so lichtschwach.„ daß es nur mit Hilfe eine» starken Fernrohre» wahrzunehmen ist. ES bewegt sich langsam in sudöstlicher Richtung weiter.
gern noch einmal auf dem Bahnhof sehen wollte, war ge- sprächiger. Sie hatten leider den Jungen nicht heraus- gefunden, obgleich sie erst vier Stunden auf dem Potsdamer Bahnhof gewartet hatten und dann noch vier Stunden auf dem Schlesischen. „Wir sind ganz alle davon, nich wahr, Sie?' Sic stieß die Alte an. Die nickte nur und wischte sich den Schweiß ab. Ihre welke Hand mit dem Taschentuch zitterte und sank dann matt in den Schoß. Die Gesprächige erzählte umständlich weiter, wie sehr sich die Großmutter gefreut hätte.„Sie hängt so sehr an dem Jungen— se hat schon die ganze Stacht nich schlafen können vor Aufregung. ES is zu traurig. Wir haben gewartet und geivartet, und nu hat se'n doch nich zu sehen ge- kriegt. Siebzig is se und schlagrührig, wer weiß auch, ob se noch lebt, bis er wiederkommt.' „Mein Zweiter ist auch draußen', mischte sich eine andere ein. eine Dame in Trauer; man sah eS ihren Augen an, daß sie viel geweint hatten.„Meinen Aeltesten habe ich schon verloren, der war an dem Unglückstag mit bei Dixmuiden . Mein Dritter wird jetzt auch eingezogen. Nun kann ich nur dasitzen und warten, bis wieder ein Brief, d--n ich inS Feld schickte, an mich zurückkommt:„Gefallen." Sie sagte es mit verzweifelter Bitterkeit. Ein Sturm erhob sich: wie konnte sie nur so sprechen?! Sie schrieen alle auf sie ein. Selbst die schlagrührige Alte tat jetzt den Mund auf.„Warten— wir wollen noch'n bißchen warten," stammelte sie. Die Nachbarin tippte sich auf die Stirn:„Se is schon 'n bißchen kind'sch. Un nu ganz vcrivirrt durch die lange Warterei." „Ich warte auch so," sagte die junge Frau, die ein kleines Kind auf dem Schoß hielt und eines vor sich stehen hatte, das in dem überfüllten Wagen sich ängstlich an ihre Kniee drückte.„Auf Nachricht von meinem Mann. In der Zeitung habe ich gelesen, die Engländer wären nördlich von Pipern in unsere Schützengräben eingedrungen. Gerade da siegt mein Mann. Wenn ihm nur nichts passiert ist! Nachts tue ich kein Auge zu. Immerzu denk ich: wie geht es ihm? Wenn ich nur erst Nachricht hätte I" Man sah ihr die Unruhe an. ihr noch jugendlich-rundes Gesicht hatte einen gespauuteu ängstliche« Ausdruck.(Forts, folgt)