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Nr.SS 35. Jahrgang
Seilage ües Vorwärts
Sormabenö, 26. Januar i Hl s
Sie Zrieöensreöe Czernins. In seiner Delegationsrede führte Graf Czernin   aus, zu Pessimismus läge in Brest  -Litowst kein Anlaß vor, obwohl man mit zwei sehr großen Schwierigkeiten zu tun habe. Die beiden Ukraine  «. Die erste sei das Neuerstehe» verschiedener russischer Reiche, deren Land, und KompeteiMrenzen noch nicht festgelegt seien: Rußland  , Ukraine  , Finnland   und Kaukasus  . Di« Ukraine   halte sich 3« selbständigen Verhandlungen berechtigt, was jedoch die russische   Delegation beitreite.»WiedieSacheheute sieht, weiß ich nicht." Der Reimer verliest aJvei lange Trlegraunne aus Brest  » LitowSt. Sie enthalten ein Schreiben Joffes, worin dieser die Skr- treter der Arbeiter- und Baucrnregierung der ukrainischen Repu- blik, Schachrai und Medwjedef, als bevollmächtigte Unterhändler der Ukraine   legitimiert. Diesem Schreiben ist eine Erklärung des bolschewistischen Vvlkskommissärs für militärische Angelegenheiten der Ukraine   beigegebsn, in der die unkrainische Zentral rada als Vertreterin von.SSourgeoiSgriuppen" Angestellt wird, die dem !!techt habe, im Namen des Volkes zu reten. Die ukrainische Ar» beiter- und Bauernregierung sähe dagegen de» Rat der Volks- to mmi ssäre als berechtigt an, i» Namen der ganze» russische» Föderation aufzutreten. Die Telegativn der ukrainischen Arbeiter» und Bauernregterung werde zusaurmen mit der allrussischen Delegation und m voller Uebereinstinrmung mit dieser auftreten, Ein wei­teres Schreiben d«S BolkSfekretariatS in Charkow   bevollmächtigt Medwsedei, Schachrai und Sadorrski als ukrainische Unterhändler mit der Maßgabe, daß ihre Handlungen mit den Hand- lungen der Regierung der russischen föderativen Republik   in Uebereinstimmung zu bringen seien. Graf Czernin   fährt fort, das sei eine neue Schwierigkeit, denn wir wollen uns in die inneren Angelcgenhetteu Rußlands  nicht einmischen."» Pole«. Was Polen betrifft, dessen Grenzen übrigens noch nicht genau fixiert sind, so wollen wir gar nichts von diesem neuen Staate. Frei und unbeeinflußt fall Polens   Bevölkerung ihr eigenes Schicksal wählen. Ich lege dabei meinerseits gar keinen besirndeven Wert auf die Form des diesbezüglichen Volksvotuurs. Je sicherer es den allgemeinen Volkswillen widerspiegelt, desto lieber ist es mir, denn ich will nur den freiwilligen Anschluß PolenS  ; nur in dem diesbezüglichen Wunsche Polens   sehe ich die Gewähr einer dauernden Harmonie. Ich halte un- widerruflich an dem Standpunkte fest, daß die polnische Frage den Friedenschlutz nicht um einen Tag verlängern darf. Wird eS nach Friedensschluß eine Anlehnung an uns suchen, so weiden wir es gerne aufnehmen, den Frieden darf und wird die polnische Frage nicht gefährden. Ich hätte cS so gerne gesehen, lvenn die volnische Regierung an den Verhandlungen hätte teilnehmen können, denn meiner Auffassung nach ist Polen   ein selbständiger Staat; die Petersburger   Regierung aber steht auf dem Standpunkte, die beutig« polnische Regierung sei nickt berechtigt, Im Namen ihres Landes zu sprechen. Die zweite Schwierigkeit sei das Selbstbcstimmungsrecht der Völker. Da stehe Deutschland   auf dem berechtigten Standpunkt, daß die Willensäußerungen der bestehenden Korporationen als, provisorisch« Basis zu gelten hätten, die nachher durch ein Volks Votum auf breiter Basis, zu überprüfen sei. Rußland aber wolle diese Kor- porationen nicht anerkennen. Ferner verlange Rußland  , daß das Volksvotum nach der militärischen Räumung stattfinde, die plötz­liche Zurückziehung des ganzen Apparates der lveseyung würde aber einen praktisch nicht haltbaren Zustand schaffen. Es handle sich darum, eine« Mittelweg zu finden; die Differenzen seien nicht groß genug, um das Scheiter» zn rechtfertigen. Graf Czernin   ging dann auf die Frage deS allgemeinen Frieden? über und sagte, daß es nur ein« Frage des Durchhalten? sei, ob wir einen allgemeinen ehrenvollen Frieden erhalten. In dieser Ueberzeugung sei er durch Wilson? Friedensangebot bestärkt worden. Oesterrcich-Ungarn   fei zur Verteidigung auch der Bundesgenossen bis zum äußersten entschlossen..Denv»r- kriegcrischcn Besitzstand unserer Bundesgenossen werden wir ver- seidigen wie den eigenen." Czernin   setzte sich dann weiter, ähnlich wie Hertling, mit den 14 Punkten der Wilson-Botfchast im einzelnen auseinander. Er
sprach dabei den Wunsch auS, Wilson möge Italien   und die feind- lichen Balkanstaaten zur Bekanntgabe ihrer Kriegsziele veranlassen. Was Polen   betreffe, so ist es«in offenes Geheimnis, daß wir Anhänger de? Gedankens sind, es möge ein unauhängiger polni- scher Staat, der die zweifellos von polnischer Bevölkerung bewohn- te» Gebiete einschließen mühte, errichtet tvcrden. Czernin   stellte dann, wie schon gestern gemeldet, eine weit- gehende Uebereinstimmung mit Amerika   fest und regte eine ver- söhnliche Aussprache zwischen ihm und Oester reich- II aga rn an. Der Minister kam dann nochmals aus B r e st- L i t o w s k zurück, wobei er den Frieden mit der Ukraine   für den weitaus wichtigsten erklärte, da dieses Lebensmittel zu exportieren habe, während Nordrußland nichts anderes ausführeu könnte als Revolution und Anarchie. Dann kam der Minister aus die österreichischen Streiks zu sprechen und bezeichnete diejenigen, die behaupteten, die Re- gierung stehe dem Streik nicht ferner als Verleumder oder Narren. Der Minister stellte dann an die österreichische Delegation die Ver- trauensfrage: Entweder Sie haben das Vertrauen zu mir, die Friedensverhandlungen weiter zu führen, dann müsse» Sie mir helfen, oder sie haben es nicht, dann müssen Sie mich stürzen. Ein Drittes gebe es nicht!" Die Rede wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen.
Sie /lussthußberatung öer yerrsnhausvorlage. Tie Wahlrechtsreform eilt nicht. Di« Berfossungdkommission des Abgeordnetenhauses läßt sich Zeit. Rachdem sie am Freitag nach achttägiger Pause ihre Arbeiten wieder aufgenommen Hot, wird sie sich bereits am Sonnabend wieder von ihren Anstrengungen ausruhen und in Zukunft höchstens an vier Tagen in der Woche arbeiten, vorausgesetzt, daß nicht auch dann noch die eine oder andere Sitzung ausfällt. Der Entwurf über die Zusammensetzung des Herren- Hauses ist so recht geeignet, alle möglichen Abände- rungsanträge zu stellen und zahllose Fragen aufzu- werfen, über die man sich in langen theoretischen staatsrecht- lichen Betrachtungen ergehen kann. Ob das königliche Recht der Berufung, falls wir einmal eine parlamentarische Regie- rung haben, noch unbedenklich beibehalten werden kann, ob der jeweilige Thronfolger eo iplo dem Herrenhause ange­hören soll oder ob er dazu.der Berufusig durch den König be- darf, ob der Fürst von Hohcnzollern-Sigmaringcn, der durch­aus nicht preußischr Gesetzgeber sein will. mitGewalt zur Einnahme eines Sitzes im Herrenhause gezwungen werden soll, ob man dies sonderbare Gebilde besser Herrenhaus oder Erste Kammer oder Ständekammer nennt. Das alles sind Fragen von weltcrschüfternder Bedeutung, zu deren Klärung es vieler Stunden und Tage bedarf, inzwischen soll das Volk sich in Geduld fassen und über das Schicksal des ihm am Herzen liegenden Wahlrechts zum Abgeordneten- hause nach wie vor i in dun kein bleiben. Wird sich die arbeitende Klasse dies Spiel auf die Dauer gefallen lassen? Die Herren von der hohen Kommission spielen ein gewagtes Spiel. Mögen sie zur Einsicht kommen, bevor es zu spät ist! * Zu der am Freitag begonnenen Beratung der HerrenhauSvor» läge durch den VersassungöauSschnß des Abgeordnetenhauses lagen bereits zahlreiche Anträge vor. Unter anderem hat dos sozial- demokratische Ausschußmitglied beantragt, daß dem Herren- hause aus Grund von Präsentation auf 12 Jähre angehören sollen III Arbeiter. Die Präsentationskammern sollen die A r b e i t s k a m m e r n sein. Bis zum Erlaß eines ArbeitSkammeracsetzes sollen die Vertreter der Versicherten bei den Oberver- sicherungSämterrf«ineS jeden der 36 Regierungsbezirke sowie der Stadt Berlin   je 3 Mitglieder präsentieren. Die Fort- schrittler beantragen eine Entschließung, die die Regierung ersucht, beim Bundesrat auf die schleunige Vorlegung eines Reich»- arbeitskammergcsetzes hinzuwirken. Die aus Grund eines solchen Gesetzes in Preußen errichteten Arbeitskammern sollen das Recht erhalten, eine der Bedeutung der Arbeiterschaft entsprechende Anzahl von Vertretern in daö Herren­
haus zu berufen. Ein konservativer Antrag will da? Herren- haus Erste Kommer nennen und ein weiterer konservativer An- trag dem jeweiligen Thronfolger von Preußen nach erreich- tcr Volljährigkeit die Mitgliedschaft im Herrenhause auch dann geben, wenn der König ihn nicht besonders beruft. Minister deS Innern Dr. Drews führte aus, man könnt nicht allen Berufen u-td Jnteressentengruppen. die im Wirt- schastslebcn eine Rolle spielen, ein gesetzliches Recht auf Vertretung im Hcrrcnhause geben; für gerechte Vertretung der Interessenten- aruppen werde die königliche Berufung zu sorgen hoben, Rechtsansprüche der früheren reichSständtschen Fürsten  und der anderen heute erblichen Mitglieder aus Sitz im Herren- hause erkennt die Regierung nicht an. Erbliche Mitglieder ent- sprechen nicht dem Zug der Zeit; wenn auch ihre Bedeutung aner-
Gesetzes halten. Den Kronprinzen kann der König schon jetzt be- rufen, er hat eS aber nie getan. Der Kronprinz soll mit dem politischen Leben Fühlung erlangen, einen besseren Ort dazu als das Herrenhaus gibt e? nicht, und der König wolle in Zukunft möglich st viele königliche Prinzen berufen. Ein konservativer Abgeordneter meint, die politische Notwendig- keit des Herrenhauses werde von keiner Seite bestritten. Wenn da» Herrenhaus ein Hemmschuh sei, so habe solch ein Hemm» schuh   immer etwas Gute». Zwar haben die erblichen Mit- glieder keinen Anspruch, aber es ist doch außerordentlich schmerz- lichfürsie, zum alten Else» geworfen> zu werden, und noch schmerzlicher für die um Krone und, Staat verdienstvollen Familien, nun aus die Zufälligkeiten einer Wahl verwiesen zu werden. Den Konservativen fällt es nicht leicht, dem zuzustimmen. Der Redner beantragt für sich allein, daß die In- Haber der vier großen Lande sämter in Preußen weiter Mitglieder des Herrenhauses bleiben sollen. Solange wir keine parlamentarische Regierung haben, braucht man dem Krön- Prinzen keine Sonderstellung einräumen, wir müssen uns aber auf das schlimmste gesaßt machen, und eS könnte vorkommen, daß ein bei der Regierung nicht beliebter Thronfolger nicht ins Herrenhaus berufen wird. Der Antrag bedeutet kein Mißtrauen gegen die Krone. Aber zu einer Staatsregierung, deren Zusam- mensetzung wir gar nicht kennen, haben wir dieses Vertrauen nicht. Ein Fortschrittler erklärt die Annahme des Vorredners, daß der Ausschuß einmütig die Notwendigkeit einer ersten Kammer be- sähe, für willkürlich. Wenn das Herrenhaus auf berufSstäu- bischer Grundlage errichtet werden soll, dann� muß dies auch konse- auent geschehen und die Zusammensetzung müsse der modernen Gliederung deS Staates entsprechen, dürfe aber nicht Vorrechte beibehalten, die ihren Grund lediglich in der Vergangen- heit und in überwundenen Verhältnissen haben. DaS sozialdemokratische Ausschußmitglied wendet sich gleich- falls gegen da? Zweikammersystem. Ebenso gut wie man im Reiche mit einer Kammer auskommen müsse, wird das auch in Preußen möglich sein. Dem Antrag, dem Kronprinzen ein Recht auf einen Sitz im Herrenhausc einzuräumen, widerspricht er. Ganz besonders wendet er sich gegen die vom Antragsteller gegebene Begründung, denn im Herrenhause könne der Kronprinz die Stimme deS Volkes niemals kennen lernen, weil das Herren- haus auch in der neuen Zusammensetzung das Gegenteil von den Stömungen im Volke darstellen werde. Ein Zentrumsredner meint, man könnte das Herrenhaus als Ständelammer bezeichnen. Am Bestehen und an der Ausgestaltung deS Herrenhauses hält das Zentrum fest. All« Stände und Erwcrbsgruppcn müssen entsprechend vertreten sein. Zu der Frage, ab der Kronprinz der ersten Kammer angehören muß, werden wir noch Stellung nehmen. Ein Freikonservativer setzt sich für das Zweikammer. s h sie m ein. Der Ausschuß beschließt, an den ersten vier Tage» jeder Woche zu beraten, jedoch auf wichtige Sitzungen de? Staatshaus- Haltsausschusses Rücksicht zu nehmen, insbesondere, wenn dort die- selben Regierungsvertretcr wir im Verfassungsausschuß anwesend sein müssen. Ein Rationallibcraler verlangte Einschränkung der Be. rufung auS königlichem Vertrauen, mn Platz zu machen für die zahlreichen anderen Beruf? stände, die aus Be- rufung ihrer Vertreter Anspruch erheben/ Er befürchtet, daß unter einem parlamentarischen Ministerium in einer Konfliktszeit gegen die Mebrheit der zweiten Kam- mcr nicht regiert werden könnte, daß dann die Berufung ins Herren- haus nach politischen Gesichtspunkten erfolgen und die Borschläge der Präsentationskörper nicht beachtet werden wüe-
Töchter öer Hekuba.
Ein Roman auS unserer Zeit von Clara Viebig  . Mit ihrer Mutter konnte Lili nicht s o über den Toten sprechen, wie sie an ihn dachte. Ihr war. alS erschiene dann ein Zug auf der Mutter Gesicht, ein Zug. den sie sich deutete: Abwehr. Und sie hatte recht gesehen. So sehr Frau don Voigt mit ihrer Tochter trauerte, so konnte sie doch nicht anders, als sich sagen: dies war eine Lösung. Der italienische Traum war ausgeträumt. Lili war noch jung, wollte Gott  , daß sie noch einmal ein neues Leben beginnen könnte l Und die Tochter fühlte; wäre der Gefallene ein deutscher Offizier gewesen, der Schmerz der Mutter wäre doch noch anders. Und Lili zog sich ganz in sich zurück. Stundenlang saß sie am Fenster, die Hände im Schoß und sah träumend hinunter auf den Hof. Wer doch alles fo gelassen hinnehmen könnte wie die Frau da unten' Die ging inimer zur selben Stunde ihre Hühner füttern, die Kaninchen und die Ziege. Die 2iero kannten sie. Wenn die Hühner, die jetzt solange der Frost nicht einsetzte, im winterlich-kahlen Garten scharren durften, den ersten Tritt der derben Leder- Pantoffeln auf dem Pflaster des Hofes klappen hörten, stürzten sie eilig herbei. Dann kam etwas wie ein Lächeln auf das verfaltete Gesicht der Krüger. Und das Lächeln blieb, wenn sie der meckernden Ziege das Heu in die Raufe steckte, !md eS wurde noch stärker, wenn sie zum Kaninchrnstall trat. Lili sah die Weißen und schwarzweiß-gefleckien Tierchen hinter ihren Drahttüren hopsen. Die Krüger hielt sich immer lange bei ihnen auf. Daß die nicht fror! Der erste Schnee war gefallen. Aber sie stand wohl eine halbe Stunde in ihren Pantoffeln in gebückter Stellung bei dem niedrigen Ställchen, streckte ihre Hand hinei« und streichelte die Tiere. Wie arm muß man geworden sein, um sich so mit dummen Kaninchen zu befassen! Ein mitleidiger Ausdruck glitt über Lilis Gesicht. Als die Krüger sich eines TageS mühte, Stroh- matten um den Stall zu nageln und nicht gut allein damit fertig tvurde, ging Lili hinab, um ihr zu Helsen  . Sie waren ja alle beide arm. »Das ist �Schneeweißchen'." sagte die Krüger,ttud das .Rosenrot.' Sie hatte das Türchcn geöffnet. Zwei schnec-
weiße Kaninchen, herrliche Tiere mit langen seidigen Haaren, kamen gleich heran, drückten den Kopf mit den zartrosa Ohren zu Boden und wollten geliebkost sein. Wer hätte ge. dacht, daß die rauhe Hand so sanft streicheln könnte! Die wollen immer gekrault sein, da lassen sie Kar. toffeln und Grünes for stehen." sagte die Krüger; es war wie Zärtlichkeit in ihrer Stimme.Mein Gustav hat immer Kaninchen gehabt, als er noch'n Junge toar. Die hat er so gerne!" Schweewcißchen und Rosenrot! Die junge Frau nickte: die kannte sie. noch aus dem Märchen her. Als sie ein Kind ivar. Wie wunderschön war das gewesen, wenn sie an solch kaltem Abend wie heute im warmen Kinderzimmer saß auf dem kleinen Stubl und die Mutter ihr vorlas! Schweewcißchen und Rosenrot, das alte deutsche Märchen. Sie lächelte, eL zog ihr hold durch den Sinn. Unwillkürlich lockte eS sie. auch sie mußte die Hand ausstrecken und die Tiere streicheln. Wohltuend warm strömte es von dem seidigen Fell in ihre kalten Finger. Schweeweitzchen und Rosenrot hielten ganz still, ihre roten Augen blinzelten nicht. Verzauberte Tiere was die wohl dachten? Lili neigte den Kopf und legte ihre Wange auf das weiche Fell. Schncelveißchen und Rosenrot nun war sie wieder im Kinderland, da gab es kein Leid, das über Sonnen- Untergang währt, keinen unauslöschlichen Kummer. VII. Das hätte Hedwig Bertholdi nicht zu hoffen gewagt, daß beide Söhne zusammen auf Urlaub kommen würden. Es war fast zuviel deS Glücks nach langem Entbehren, sie war ganz überwältigt. Als Heinz ihr von Frankfurt am Main  telegraphierte:.Bin auf dem Weg zu Dir!' jubelte sie laut; aber als nun auch von Rudolf ein Brief eintraf:.Nach den letzten schlveren Kämpfen bekommen wir Erholungsurlaub, vielleicht daß ich zu gleicher Zeit mit diesem Briefe da bin/ fing sie an zu weinen. Mit der ungeduldigen Sehnsucht einer Braut rüstete sie für die Söhne. Ihre alten Zimmer sollten sie wiederhaben; eZ tat ihr leid, duß sie nicht von Gruud auf alles darin neu und schöner herrichten lassen konnte, aber dazu war jetzt nicht die Zeit. Sic mußte sich begnügen, alles bürsten und waschen. die Wände abfegen, die Bücher ausstauben zu laffen. ES kam ihr so manches Erinnern dabei; sie hatte sich vordem
nie entschließen können, in diesen Zimmern zu räumen. Sie hatte sie verschlossen gehalten wie ein Heilig- tum. Nun lagen da die Schulbücher, die Aufsatz- hefte, die ersten Liebesbriefe an irgend einen Back- fisch. So mitten heraus waren die Söhne fortgc- gangen, die Schubfächer waren nicht zugeschlossen, die Sachen nicht geordnet. Da noch die Reitbandschuhe von Heinz, auf seinem Schreibttsch allerhand Photographien er liebte es, sich Bilder schöner Frauen aufzustellen. Da die Schülermappe von Rudolf noch steckten die Klassiker darin und die letzte schriftliche Arbeit. WaS sie vordem nicht gewagt hatte anzurühren wie die Hinterlaffenschaft teuerer Verstorbener war es ihr vor- gekommen das ordnete sie nun mit Lächeln. Ihre Söhne kamen ja zurück, hell und gesund, wenige Stunden vielleicht nur noch, und sie waren wieder hier in ihren alten Zimmern, die beiden Jungen, die das Haus mit Gepolter erfüllten, mit soviel fröhlichem Leben. Rasch, nur rasch! Was war denn mit dem Mädchen, der Emilie? Die kam ja gar nicht von der Stelle und machte alles verkehrt. Emilie wischte sich heimliche Tränen ab. Die sonst so blanken Augen waren trüb. Fron Bertholdi wußte, da!» Mädchen hatte einen Liebsten draußen: war dem etwas zu- gestoßen? Die junge hübsche Person konnte vor Tränen kaum sprechen, bei der Frage der Herrin strömten sie ihr unauf- haltsam übers Gesicht:Nein, er ist gesund aber da ist eine eine in Belgien   hinten da, wo er so lange im Quartier gelegen hat und die, die ach, gnädige Frau!" «sie hielt sich das Staubtuch vorS Gesicht und schluchzte kramps- hast. Es schüttelte ihren ganzen Körper. Es bedurfte längeren Zuredens, uni etwas aus ihr heraus- zubekommen. Sie wollte sich gern aussprechen, und doch ivar da wiederum etwas, was ihr den Ateni verschlug. Endlich gestand sie: ihr Bräutigam hatte sich mit der Belgierin ein- gelassen, nun erwartete die ein Kind von ihm; heute morgen hatte or's seiner Braut nach Hause geschrieben.Er weiß ja nun auch nicht, was er machen soll, er is doch'n ehrlicher Mensch. Und ich ich?!' Emilie rang die Hände. Was soll ich nun machen?" Frau Bertholdi war bestürzt: Emilie war doch nicht etwa?! Werts. k-laU