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Nr.S�ZS.ZKHrgakg
1. Seilage des vorwärts
Sonntag, Z.Zebmauns
Die Revolution in Zinnlanö. Die letzte Januarwoche hat in Finnland   einen neuen Alt revolutionärer Erschütterung beginnen lassen. Die Arbeiter- schaft hat sich gegen die Regierung erhoben, der sinnländische Senat wurde gestürzt. Am 24. Januar fand nach einer Mel- dung derKopenhagener Nationaltidende" an Bord eines Kriegsschiffes in Helsingsors zwischen Mitgliedern der Regie- rung und dem sozialistischen   Ausschuß der Ostseeflotte eine Zusammenkunft statt. Der Matrosenausschuß forderte vom Senat die Auslieferung der Waffen der Bürgergarde an die Rote Garde. Das war der Anfang einer Aktion, die noch nicht abgeschlossen ist. Am Dienstag gab cine.Meldung der Peters- burger Telegraphen-Agentur folgenden Bericht der Lage: In Finnlaird ist die Revolution des Proletariats ausgc- rufen worden. Der sozialdemokratische Ausschuß hat am Sonnabendabend eine revolutionäre Erklärung veröffentlicht, in der er ankündigt, daß die Gewalt ausschließlich der Ar­beiterklasse und ihren Organen gehöre. Der o l l g e m e i n e Ausstand hat in H e l s i n g f o r s am Sonntag begonnen. In airderen Städten hängt die Erklärung des allgemeinen Ausstandes von örtlichen Umständen ob. Ein Aufruf ermahnt die fremden Untertanen sowie die friedliche» Bürger, sich an den Plätzen, wo Kämpfe stattfinden sollten, feindlicher Hyud- lungen zu enthalten. Der Hauptausschuß der Arbeiter hat den Belagerungszustand verhängt und das Tragen von Waffen außer für die Rote Garde verboten. Gegenrevolutio- väre Handlungen und Plünderungen werden nach der ganzen Strenge der revolutionären Gesetze bestraft werden. Nach einer späteren Meldung ist heute der allgemeine Ausstand er- klärt worden, außer in den Werken für Elektrizität und Gas, sowie in Apotheken, Krankenhäufern und Lebensmittel- geschäften. Die Ordnung wird von der Roten Garde und Miliz aufrechterhalten. Die staatlichen Einrichtungen be- finden sich in den Händen der Roten Garde. Der Senat wurde für a b g c s e tz t erklärt. Nach einer Meldung des Svenska Telegrambyron befand sich seit Sonn- tag ganz L>üdfinnland in den Händen der Roten Garden, die von russischen Soldaten unterstützt wurden, während in Nord- finnland die bürgerliche Garde die Revolutionäre in Schach  hielt. Maschimmgewehrtätigkeit im Innern von Heising- fors. Brückensprengungen im Lande, Bewegungen von bür- gerlichen Schutzkorps gegen Helsingsors wurden gemeldet. Am Dienstag teilte dasselbe Telegrammbureau mit: Der aus­führende Arbeiterausschuß beschloß, den Arbeitern vorzu- schlagen, eine Delegation des finnischen   Volkes zu ernennen an Stelle des jetzt gefallenen gehaßten Senats. Bestimmt wurde: Diese Delegation soll, zusanimcn mit dem Zentralrat der Arbeiter und vom Rat kontrolliert, die Regierung ausüben, bis die Arbeiter anderes bestimmen. Tie Regierung, die sozialdemokratisch lein muß, ist vor- läufig folgendermaßen zusammengesetzt: Manner. Prä- s i d e n t/ Sirola, Auswärtiges  , Kaapolaenen, Inneres. Letonmäki, Justiz. Kunsinen, Unterricht, Kabonen, Finanz. Lumiwokko, Soziale Fragen, Elorauta, Ackerbau, Tokoi. Lebensmittel. Lindqvist, Verkehr und Post, Turkia  , Proku- rator. Ter Zentralrat wird 35 Mitglieder zählen, näm- lich zehn aus dem Parteirat, zehn aus der Volksorganisation, zehn Rotgardisten und fünf organisierte Helsingsorser Ar- beiter. Der Name Senat darf nicht mehr vorkommen. Der Sonderberichterstatter der..BerlingÄke Tidende" hatte in Helsnlgfors mit dem neuen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Manner eine Unterredung, in der dieser erklärte, das Programm Finnlands   sei, mit allen Nachbarn, Skandinavien   sowohl wie Rußland  , freundschaft- liche Beziehungen zu unterhalten unter bestimmter Wahrung der Freiheit und Selbständigkeit Finnlands  . Das inner- politische Programm der Regierung werde erst später der« öffentlicht, jedoch könne er jetzt schon sagen, dgß es rein sozia- listisch sei und unwiderruflich vollkommen durchgeführt werden würde, selbst wenn eS zwischen den Bürgerlichen   und der Roten Garde zu Kämpfen kommen sollte.
Inzwischen hat sich ein bürgerliches Heer unter Führung des Generals Grafen M a u n e r h e i m, als des Befehls- Habers der Schutzkorps, von Norden aus in Bewegung gesetzt und zahlreiche Zusammenstöße mit Roten Garden gehabt, Entwaffnungen von russischen Truppen fanden statt. Aus Bauernkreisen soll den Schutzkorps Zufluß gekommen sein. Andererseits wurden russische Rote Garden nach Wiborg   ent­sandt. Siege werden von beiden Seiten gemeldet. Hel- s i n g f o r s ist nach..Berlingske Tidende" vollständig in den Händen des Arbeiterrates. Die Roten Garden nahmen die Stadt Kernt und behaupten sich in Ulsabborg. X o r n e a in­dessen wird von den Biirgerliä?en gehalten. Der Sonder- berichlerstatter derBerlingske Tidende" in Helsingsors tele­graphiert:Im ganzen kann die Lrge dahin zulaui'uengefaßt werden: Tic neue revolutionäre Regierung ist bereits in einer äußerst schwierigen Stellung uird scheint sich selbst dar­über klar zu sein. Es verlaulet mit Bestimmtheit, daß sie unter der Hand den bürgerlichen Parteien einen Per- g I e i ch s V o r s ch l a g gemacht hat. Hiernach sollen die Bürgerlichen in der Regierung 40 Sitze erhalten." Diese Nachricht dürfte indessen sehr mit Vorbehalt zu lesen fem. Einsttveilen deutet nichts darauf hin. daß der Bürgerkrieg sich sckwn bis zu einem Stadium solcher Erwägungen geklärt haben könnte. * Amsterdam  , 1. sVbrurtr. Gittern hiesigen Blatte zufolge erfährt die-..Times" ans Petersburg  : Die finnische Negier ung protestierte energisch gegen Nußlonds Gimg reifen in die Angelegenheiten der finnischen   Republik  , die von den Bolschc- wikidiktatoren bereits ausdrücklich als besonderer und unabhängiger Staat anerkannt worden sei. Die russischen Truppen sind nicht nur nicht, wie versprochen, ganz zurückgerufen worden, sondern die russische   Garde fährt sort, die Weiße Garde anzu- greifen, die als Vertreter der finnischen   Bour- geoisic angeschen lvird.
GroßSerlm Erhöhung der Kommunalsteuern»m Äst Prozent. Als erster Hösts halt Eroß-Berlins   liegt in diesem Jahr der Charlottenburger   aus. Er schlägt eine Erhöhung des Zuschlages zur Staatseinkommensteuer von 170 Proz. auf 190 Proz. vor. Tie übrigen Steuern sind unverändert ge- blieben. Die Begründung für die Mchrforderung findet man in der Teuerung, die sich bei sämtlichen Teilen der städtischen Verwaltung in Mehrsorderungen ausdrückt, in der erheblichen Erhöhung der Kosten für Kohlen, Personalbedürfnisse, Kriegerbcihilfcn und Zinsen für die durch den Krieg ent- stehenden Lastern Ferner hören wir. daß auch bereits der Schöne b e r g e r Magistrat die Erhöhung des Zuschlags der Ein- komniensteucr auf 190 Proz. beschlossen hat und daß auch dort der Haushaltsplan in den nächsten Tagen öffentlich auS- liegen wird. Auch Wilmersdorf   dürfte eine gleiche Er- höhung vornehmen. In Berlin   defindet sich der HmtS- haltsplan noch in der Beratung. Jugendämter und Mrsorgevereine. Die Zusammenfassung der Jngenbfürsargeemrichtnitgcn in Iugenhäinbern unter Leitung der Gemeinden ober deS Staates kann nicht ohne Einfluß auf die sogenannte freie Liebestätigkeit bleiben. Die Frage, tvaS diese von den Iugendä intern zu erwarten bat, wurde tn einer für die Berliner   ItigendgerickitShilfe veran- stalteten Konsereitz der Deutschen Zentrale f ü r I u o e n d- für sorge aufgeworfen. Pastor S i e g m u n d- Sch tt l tz e er­klärte in seinem ciuleü citbett Referat überStaatliche und städtische Jugendfürsorge", die Zentrale müsse die Jugendämter mit Freud  « begrüßen und Gründung van Jugendämtern überall ig Stadt und Land fordern, auch wenn sie selber sich dadurch über- flüssig mache. Er ivieS hin auf den Plan einer landesgesetzlichen Regelung für Preußen, der Jugendämter für jeden Stadtkreis und
für jeden Landkreis in Aussicht nimmt. Hüten falle man sich, die Jugendämter der Landkreise in ödem BerlvalinngSbetrieb vor- fanden zu lassen; mindestens fei in der Leitung dem Landrat em: für diese Arbeit vorgebildete und befähigte Persönlichkeit bei zu- geben. Ter Referent erörterte dann im besonderen dir Frage, ob den Jugendämtern auch die JugeudgerichtShilfc ein gegliedert werden soll. Er hält daS für wünschenswert, wenn es auch nicht sogleich zu geschehen'brauche. In der DiSk-ushou wurde der treien Liebcsiütigteit von allen Rednern ein Loblied ge­sungen. Direktor Knauf, der Leiter des Fürsorgeerziehung'-. wesenS der Sladt Berlin  , führte aus. die llebernechme der Jugend-- Gerichtshöfe durch die Jugendämter werde kommen, aber man solle nicht ohne Not darauf hindrängen, vielmehr solle die freie Liebes- tätigkeit dieseö Arbeitsgebiet solange wie möglich festhalten. G: heimrat Schlosser vom Ministerium deS Innern nahm die Land- rate in Schutz gegen den Verdacht, daß sie als künftige Jugendamts l eil er bureaulratisch perfahren könnten. Er glaubt, die Liebe zur Sache bei ihnen voraussetzen zu dürfen. Ten Fortbestand der freien Liebestätigkeit in der Jugendfür- sorge hält auch er für nötig, und er versickerte, daß die Jugend­ämter die freie Liebestätigkeit nicht beeiirträchiigen. sondern noch fördern werden._ Fitrsorgestellc für ledige Schwangere. Die beim Vonnundschaft-- amt der Stadt Berlin C. 2k>. Landsberger Str. 43 47, neu errichtete Fürsorgestelle für ledige Schwangere eröffnet am Sonnabend, den 2. Februar die ärztliche Beratungsstelle, deren Sprechstunden an jedem Mittwoch und Sonnabend von 5614 Uhr abends stattfinden. Rechtsrat und Hilfe in wirtschaftlicher Bedrängnis erhalten Schwan- gcre außerdem werktäglich von 162 Uhr. Die gesamte Fürsorge« lätigkeit erfolgt für die Schwangeren völlig unentgeltlich. Ter Lebensmittelverbund Grosi-Verlin und die Sonder- zuweisungen. ?ioch der Sotzuug deS LebenZmittelverbandes Groß-Berlin soll jetzt eine gleichmäßige Verteilung der Lebensrnittel für alle Groß- Berliner Gemeinden gewährleistet werden. Sonderzuteilungeu in den einzelnen Gemeinden können nur noch insoweit stattfinden, als sie einheitlich sestgoietzt werden. Der Friedenauer   Gemeindevorstond macht auö diesem Anlaß bekannt, daß er nickt mehr in der Lage sei. an die dortigen über 76 Jahre alten Einwohner Lebensmittel besonders auszugeben, wie es bisher der Fall war. Es fällt also von jetzt ab dtc besondere Ausgabe von Nährmiltelkartcu an diese Einwohner sort.___ Berliner   Lebensmittel. An K a r! o f j e l n werde» in der Woche vom 4. bis 16. Februar 7 Piund abgegeben und zwar können ö Pfund auf Kartoffeliarte entnommen werden, während das 7. Pfund aus der eisernen Ratton zu entnehmen ist. Von morgen bis Sonntag, den 10. Februar, wird an den im Nordosten Berlin  » gelegenen bisher nock nicht berücksichtigten Be- zirken der 176.. l0L 103.. 104.. 212. und 216. Brolkommission je t 2 5 E r a m m F a u st k S s e verteilt. RaubübrrsaU in lkyarlettrndnrg. Ein überaus dreister Rauft- Überfall ist am gestrigen Vormittag indemHaule Schlo tzstr. LPT verübt worden. Gegen 11 Uhr erschien in dem Kontor de» Brunnen- baumeister» Hermann NilewSkn. des EigentiinterS des genannten HauseS, ein wnger Mensch, der die Angestellte des Geschäfts» inhaber-k ein 26jähr»geS Fräulein, allein antraf. In dem Augenblick, als das junge Mädchen den.fremden nach feinem Begehr fragte, stürzte sich der junge Mann auf die Konioristin. würgte sie und schlug mit einem scharfen Gegenstand a,ff sie ein. Die Uebecfolleitc erlitt eine klaffende Kopfwunde, setzte sich jedoch energisch zur Wehr und rief laut um Hilfe. Bei der Annäherung von Nachbarn ließ der Bursche von seinem Opfer ab und versuchte zu flüchten. Er wurde jedoch verfolgt und nach einer aufregenden Jagd gelang eS, den Räuber einzuholen und zu überwältigen. Auf der Polizeiwache, wohin der Festgenommene gebracht'wurde, entpuppte er sich als ein ISjähriger Arbeiter ®i eftmann aus der Nehringitraße 11. Siebmann hatte U bei dem Raubüberiall darauf angelegt, eine größere Summe zu erbeuten. Er wußte, daß bei detn Brunnenbaumeister Rilewsky. der auch der Eigentümer des HauieS ist, in dem der Täter wohnt. gestern morgen die Mieten eingezogen waren und daher ein be­deutender Beirag in dem Bureau sich befand. Die UeBctfaHenc mußte sich sofort in ärztliche Behandlung begeben, konnte ober. da die Verletzungen sich nicht als geiäbrlich erwiesen, nach Hause entlasien werden. Der Täter befindet sich in Haft.-
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Töchter öer tzekuba.
Ein Roman auS unserer Zeit von Clara B i e h i g. .Ja, ja natürlich,' sagte er hastig, die Hacken zusammen­schlagend. Wie unschicklich, sie nicht gleich zu erkennen! Er lächelte:»Sie waren damals die von fern Angeschwärmte der ganzen Jugend hier und dann heirateten Stc den Leutnant Rossi.' Mein Mann ist tot.' Er starrte sie an:Gefallen?' Sie nickte, die Brauen zusammenziehend. Er wußte nichts anderes zu tun, als sich tief vor ihr zu verneigen. Sie standen ein paar Augenblicke ganz stumm. Was sollte er sagen, sein höfliches Beileid aussprechen? DaS brachte er nicht über die Lippen; es erschien ihm heute alles so anders. so merkwürdig gehoben, der Alltäglichkeit mit ihren gewohnten Formen ganz entrückt. Diese Frau war nicht wie eine andere Frau, diese Frau war gleich einer Erscheinung. Doch ärgerte er sich über sich selber: war er denn so ungewandt? Er nahm sich zusammen, er setzte zu einer Unterhaltung an. Das weiße Kaninchen kam ihm zu Hilfe. Es sprang ihr vom Arm, mit einem Satz war es weg und hopste zwischen den Kohlstrünken..Frau Krügers Kaninchen! Schnee- weißchen, hier!" Aber wie ein Hund gehorchte das Tierchen nicht, es freute sich seiner nicht gewohnten Freiheit. Jetzt setzte cS sich hin und machte Männchen wie ein Hase. Sein rosiges Wschen schnupperte. Jetzt hopste es wieder rasch davon, sich beim Sprunge förmlich überschlagend, und mit den Läufen aneinanderklopfend. »Schneeweißchen, Schneeweißchen Aber je mehr sie es jagte, desto geschwinder wurde es. Der junge Mann stützte die Hand auf den Zaun. Ge- wandt schwang er sich hinüber.Gestatten gnädige Frau, daß ich helfe!" Nun jagten sie zu zweien. Es war nicht so leicht, das Tier einzufangen; oft legte es sich hin, duckte den Kopf zu Boden, aber kaum streckte sich eine Hand nach ihm aus, war es auch schon tvieder weg. Sie stolperten zwischen Mutter Krügers Kohlstrünken. Der junge Mann lachte: das war za urkomisch. Jetzt lachte auch die Frau in dem schwarzen Kleid. Sie fühlte auf einmal wieder ihre Jugend. Der Schleier war ihr vom Kops ge-
flogen, ihr Haar wehte, der Atem ging ihr rasch, sie wurde heiß und rot. AlleZ andere war für den Augenblick der- gesfen. ..Aufgepaßt," schrie er.ich treibe eS Ihnen zu!' Lachend rief sie:Au. wieder entwischt! Halten Sie's, halten Sie'S!' ES war wie ein Spiel. Endlich hatten sie den Ausreißer: daS verängstigte Geschöpf zitterte. Lili nahm eS wieder an ihre Brust, sie streichelte es, ihre Stimme klang liebkosend: O du armes Tierchen! Aber warum läufst du auch fort, warum willst du nicht bei mir bleiben?" Ja. daS weiß ich auch nicht!" Der junge Offizier be- trachtete sie mit einem bewundernden Blick: wie die paar Mi- nuten sie verändert hatten! Nun war sie tvieder jung wie ein Mädchen und doch frauenhaft weich und zärtlich, und tvundcr- schön. Er streichelte das Tier auch. Fühlen Sie nur, wie seine Flanken zittern. Hier wie sein Herzchen klopft!" Sie führte feine Hand. Auch fein Herz klopfte. Als Heinz Bcrtholdi diesen Abend im Bett war. lag er noch lange mit offenen Augen. Jetzt hätte er es nun einmal haben können, so recht ruhig einzuschlafen: kein Geschütz- donner. kein Trappen von nägelbeschlagenen Soldatenstiefeln. kein Huschen von langgeschwäuzton Ratten. Kein Befehl konnte ihn aufwecken und kein Gefühl der Verantwortlichkeit, und doch kam der Schlaf nicht. Diese Fraw gefiel ihm jetzt tausendmal besser wie als Mädchen. Da war Lili von Voigt ihm öfter begegnet, als er noch mit den Büchern unterm Arm in die Prima ging. Sic hatten dann immer hastig die Mützen von den Köpfen gerissen, er und die anderen Primaner:.die schöne Lili 1' aber die Schwärmerei der übrigen hatte er nicht geteilt: sie hatte etwas zu Ilnnah- bareS gehabt. Jetzt hatte ihre Schönheit etwas Rührendes. Frau Leutnant Rossi, Witwe schon eine Witwe arme junge Frau! Ihr Mann lag draußen erstarrt im kalten Tod. Und sie mußte nun selber erstarreil wie im Winterschnee in ihrer Einsamkeit. Als er endlich schlief, sah er im Traum die junge Witwe, und Hunderte und Aberhunderte von Witwen gingen hinter ihr her. Ein langer, langer Zug. Er wollte sie zählen, er konnte es nicht. cS waren ihrer zu viele. Ihre schwarzen Kleider rochen nach Moder, ihre schwarzen Schleier wehten wie Trauerflaggen. Junge Gesichter, schöne Frauen sie sahen alle aus wie Lili von Voigt. Er wollte sich abwenden
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und konnte es nicht, er mußte zu ihnen hinsehen wider seiner. Willen. Und er mußte sie hören. Sic klagten im Chor:Einsam, einsam, wir sind so einsam, und»vir sind noch jung. Unsere Arme sind warm. unsere Herzen sind heiß, tvir gehen in Schwarz und trügen doch lieber Rosenrot. Fluch über den Krieg! Er hat uns zu Witwen gemacht. Räche tiitS, räche uns, du junger Krieger!" vjir. Man sah in den Straßen jetzt viele Urlauber, draußen im Feld war augenblicklich ruhigere Zeit. Es tat ihnen not. tvieder einmal in der Heimat zu sein, sonderlich denen, die im Westen die deutsche Linie gehalten hatten gegen den furcht­baren Ansturm. Ob mein Mann auch zu Hause kommt?" sagte Minka DombrowSki zu Gertrud Hieselhahn. Diese zuckte die Achseln. Es lag Sorge in ihrem Blick: wenn der Mann dahinter käme! Hatte ihr die DombrowSki nicht oft genug erzählt. wie eifersüchtig er war und hatte er denn nicht auch alle Ursache dazu? Seit jenem Sonntag, an dem die Frau weggegangen war im weißen Kleid und erst am andern Morgen wiederkam, ganz zerfledert, und sich aufs Bett geworfen hatte und aus­geschlafen bis in den hellichten Mittag, erzählte sie wieder und wieder von �ihrem Barbier, der in Berlin   ein schönes Geschäft hatte. Sic schwatzte immerfort davon. Kam der Mensch denn nicht bald wieder ins Feld? Gertrud hoffte darauf, aber die DombrowSki erzählte lachend: ihr Berliner  verstand's. Wenn der auch'rauskam, der kam doch bald wieder. Der kriegte ja wieder seinen Rheumatismus. Gertrud biß sich auf die Lippen, sie mußte stille sein. Es wäre ihr lieb gewesen, hier herauszukommen, aber sie hatte nicht Geld genug, es war alles schon so teuer und cS wurde teurer mit jedem Tag. Diese Wohnung hier in dem ent­legenen Antvcsen war wenigstens billig. Und die Dom- browSki gutmütig, die würde sie nicht drängen, wenn sie einmal die Miete nicht bezahlen könnte. Ader ihr war nicht Wohl zumut. Tie DombrowSki. die früher Fleißige, vernachlässigte jetzt ihre Wasch- und Reinmachstellcn. Ein paarmal schon hatte die Frau General   von Voigt nach ihr geschickt, und die Frau Leutnant Rossi hatte eine Karte geschrieben; sie Hattert   ver­gebens gewartet.Sie müssen doch wenigstens absagen," sagte Gertrud.'(Forts, folgt.)