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Mr. 144.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreichs Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Bettungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Bfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Grpedition ist an Wochens tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin !

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Benth- Straße 2.

Sonntag, den 24. Juni 1894.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!

Abonnements- Einladung.

Wir ersuchen alle unsere Freunde und Genossen, nach Kräften für die Erweiterung unseres Abonnentenkreises zum 1. Juli thätig zu sein. Es ist das eine Partei pflicht. Die Hauptstärke einer Partei liegt in ihrer Presse je mehr Leser ein Blatt hat, desto größere Macht hat es, und je größer die Macht der Parteipresse, desto größer die Macht der Partei, wer dem Partei Organ neue Leser zuführt, stärkt sonach die Partei. Mit dem 1. Juli eröffnen wir ein neues Abonnement auf den

Eine neue Kapitaliffen- Waffe.

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gezogen werden kann. Spricht man sie dereinst frei von der Anklage, das gemeine Verbrechen der Erpressung bes gangen zu haben, so werden sie von der Frau Justitia mit höflichem Achselzucken entlassen. Als Entschädigung giebt Der Bierboykott wächst an Umfang und Bedeutung für es für sie nur das erhebende Bewußtsein, das Opfer eines unsere ganze soziale Entwickelung. Es ist nicht mehr ein Beamtenirrthums gewesen zu sein, der in dem guten örtlicher Streit zwischen Kapitalisten und Arbeitern, in dem Glauben begangen wurde, es lasse sich Staat und Ge= die herausfordernde Aussperrung von 500 unschuldigen Ar- sellschaft auf diesem bisher noch nicht beitern mit der Weigerung ihrer gesammten Gesinnungs - tretenen Wege vor bösartigen Umsturzbestrebungen, genossen, das Bier jener übermüthigen Ausbeuter zu trinken, wie sie eine feinere Polizeinase in jeder Arbeitersache beantwortet wurde; die wirthschaftlichen Folgen des Zwiftes wittert, schützen und retten. Und das muß ihnen unter wirken weit über die Weichbildgrenzen von Berlin hinaus, allen Umständen ein Trost sein, daß jener Staatsanwalt, anderen Unternehmern erwächst Nutzen oder Schaden daraus. An mag seine juristische Entdeckung nun gerichtlich approbirt entfernteren Orten, wo ein ähnlich gespanntes Verhältniß werden oder nicht, unter allen Umständen wegen seines gleichfalls zum Ausbruch; der Boykott flammt auf, wie bei Db allerdings Frau Juftitia die drei Dresdener einem Waldbrande häufig das züngelnde Feuer weite Strecken überspringt und unerwartet dort, wo es günstige Nahrung findet, funkensprühend emporslackert.

Vorwärts" Berliner Volksblatt wischen Unternehmern und Arbeitern bestand, kommt der Zwiſt geſellſchaftsretteriſchen Eifers Anerkennung verdient.

mit der illustrirten Sonntags- Beilage

,, Die Neue Welt".

Für Berlin nehmen sämmtliche Zeitungsspediteure, sowie unsere Expedition, Beuthstr. 3, Bestellungen entgegen zum monatlichen Preise von

1 Mark 10 Pfennige frei ins Haus, wöchentlich 28 Pfennige.

Für außerhalb nehmen sämmtliche Postanstalten Abonnements zum Preise von

3,30 M. für die Monate Juli- August- September entgegen.( Eingetragen in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1894

unter Nr. 6919.)

In unserer Nummer 71 begannen wir die Veröffentlichung des geschichtlichen Romans Der Inde.

Von Spindler.

Neu eintretenden Abonnenten werden die bisher erschienenen Nummern auf Verlangen nachgeliefert.

Nach diesem Roman werden wir einen anderen veröffent­lichen, der in Berlin spielt und die März- Ereignisse des Jahres 1848 schildert.

Die Redaktion und Expedition des

In Braunschweig und in Dresden giebt es einen Bier­Boykott wie in Berlin , und in Dresden hat sich die Obrigkeit zu Gunsten der Kapitalisten in den Streit hinein­gemischt.

Arbeitervertreter auch nur mit höflichem Achselzucken ent­lassen wird, ob sie dieselben nicht vielmehr grimmen Ernstes als gemeine Verbrecher in ihren eisernen Fingern behält, das steht noch dahin. Unmöglich ist die Verurtheilung unserer drei Genossen Findeisen, Eichhorn und Gradnaner nicht. Man soll nichts Derartiges für unmöglich halten im neuen Reich der Gottesfurcht und guten Sitte, am allers wenigsten im königlich sächsischen Polizeiparadies. Zwar wenn die einfachen Gesetze der Logit, wenn die

Das ist auch obrigkeitliche Sozialpolitik, Fürsorge für den armen Mann, Schuß der Schwachen, oder wie die schönen Reklameschilder heißen mögen, die der Bureaukratie bei Fassung der Paragraphen unseres Strafgesetzbuches ge­3ur Gifettirung ihrer Bevormundungsbestrebungen dienen. pflogenen Reichstags- Verhandlungen, wenn die ausdrückliche Und Sachsen mußte es natürlich sein, von lang her das Ablehnung aller Versuche, derartige Geltendmachungen des Probirfeld für polizeiliche Maschinerien zur Bekämpfung Koalitionsrechtes der Arbeiter, wie sie dem Meisterstück und Knebelung der Arbeitersache, wo diese neueste Kapitalisten- des Dresdener Staatsanwalts zu Grunde gelegt wurden, im waffe probirt wird, wo einige Arbeitervertreter, die im Arbeiterschutzgesetz mit Strafe zu bedrohen- wenn alle Boykottstreit verwickelt sind, wegen Erpressung angeklagt diese Voraussetzungen entscheidend wären in dieser Frage, dann könnte von einer Verurtheilung jener drei Arbeiter­vertreter nicht die Rede sein.

wurden.

Zwei der Verhafteten haben noch darunter zu leiden, daß unsere Gerichtsverfassung den Behörden die Möglichkeit gewährt, einen Verdächtigten, ohne daß er auch nur in absehbarer Zeit eine öffentliche Verhandlung erzwingen kann, im strengsten Verwahrsam zu halten. Einer ist entlassen, nach dem er zwei Wochen lang den Genuß gehabt hat, in staunender Bewunderung der staatsanwaltschaftlichen Findigkeit nachzugrübeln. Jene zwei immer grübeln noch hinter schwedischen Gardinen darüber nach, vielleicht bis

Der§253 des Reichs- Strafgesetzbuchs sagt: Wer, um sich oder einem dritten einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu verschaffen, einen anderen durch Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nöthigt, ist wegen Erpressung mit Gefängniß nicht unter einem Monat zu bes strafen. Versuch ist strafbar." Nach§ 256 tann neben der Gefängnißstrafe auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte er­tannt werden.

Die staatsanwaltschaftliche Logit folgert nun, daß der gewissen Umständen nicht mehr trinken zu wollen, eine

Vorwärts" Berliner Volksblatt. zur öffentlichen Verhandlung, die bei dem schleppenden Ge- Boykott, die Erklärung, das Bier eines Brauers unter

Feuilleton. Der Inde.

Deutsches Sittengemälde

aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.

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Von C. Spindler .

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schäftsgang des deutschen Gerichtsverfahrens noch lange hinaus

hat einen Theil der Mitgabe ausgemacht, und sich soeben mußte, welchen bisher zu sehen ihr nicht vergönnt gewesen. in dem Keller des verfluchten Juden gefunden." Das Zu seinen Füßen drängte sie sich durch, seine Hände drückte

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ift nicht wahr!"- donnerte dem Erzähler Dagobert zu, sie mit Jubrunst ans Herz, die ihrigen streckte sie nach während die Umstehenden sich bekreuzten. Der Kerl gaffte Jochai aus, aber wilde Gewalt stieß sie von ihren Lieben ihn mit offenem Maule an. Nu, wenn Ihrs besser zurück. Vergebens jammerte, vergebens flehte sie, ver­wißt, Herr," antwortete er flämmisch, so hättet Ihr den gebens bot sie, was sie von Werth bei sich trug, für die wackern Leuten hier das Ding erzählen sollen." Dagobert Guade, ein paar Augenblicke lang sich mit dem Unglück­wollte mit dem Roß auf den Lümmel einsprengen, aber chei n zu lezen... ihre Bitten prallten ab von den Vollbrecht war diesmal der Besonnenere, und riß den Panzern der Wächter, und da endlich diese letzteren es nicht Was giebts denn hier?" erkundigte sich Dagobert bei Herrn zurück. Bedenkt doch die Uebermacht!" flüsterte er ferner über sich gewinnen konnten, die rührende Schönheit einem Kerl, der, Langes und Breites erzählend, unter dem Heftigen zu, und lasset uns fürder ziehen." unbarmherzig mit ihren Waffen zurückzuweisen, so tam einem Haufen von Handwerksgenossen stand, deren roth- Nimmermehr!" erwiderte Dagobert: sehen muß ich, welch' eilfertig der Stöcker herbei, um zu thun, was dem Krieger gelbe Jacken die Zunft der Löher verriethen.- Des Juden ein Ende der verdammte Auftritt nimmt!" Die Fluth widerstrebte. Aber, so wie er die Arme ausstreckte, um Keller ist durchsucht worden," erläuterte der Geselle; ich des Volkes wälzte sich gerade mit aller Macht gegen Ben Esther zu ergreifen, fühlte er einen so heftigen Schlag im selbst war unten. Das getödtete Kind hat man zwar nicht Davids Thüre; denn die Gefangenen wurden eben heraus- Genicke, daß ihm die Lust verging, weiter vorzubringen.. gefunden die Buben haben's in den Main geworfen gebracht. Der Oberstrichter, erhitzt von Eifer und Zorn, Gott verdamine Dich, ungehobelter Gesell!" rief dem be­aber viel anderes Zeug, das wohl bewährt, welch ein Hand- ging voraus; ihm folgten Knechte mit Körben und Bündeln, stürzt zurückschauenden Dagobert ins Ohr, welcher die werk die Schelmen von Juden im stillen getrieben haben." die das Gefundene fortschleppten; hierauf erschien Zodick Peitsche schwang, um nöthigenfalls seine kräftige Burecht­" Was denn?" fragten die neugierigen Zuhörer. mit siegreicher Miene, und lange nach ihm die Gebundenen weisung zu wiederholen:" So Du noch einmal Dich unter­Kleidungsstücke mit Blut befleckt," fuhr der Erzähler fort: selbst, von Goldknechten umringt. Nachrichter und Gesellen fängst, die Dirne hier durch Deine schändliche Berührung " Lumpen sowohl als Staatsgewänder, einige Kostbarkeiten, folgten erst weit hinterbrein, denn der Oberstrichter hatte unehrlich machen zu wollen, so breche ich Dir den Hals! - lauter gestohlenes Gut, und endlich eine Kette mit dennoch für gut befunden, sie nur als schreckende, nicht- Der Nachrichter schrie nach Hilfe. Das Volk lachte den blutrothen Steinen, kenntlich für den Eigenthümer durch dienende Leute mitzuführen. Beim Erscheinen der Verhaßten aus, und höhnte ihn. Da kehrte der Oberst­die Steine selbst und die Arbeit des Silberschmids. Der sogenannten Verbrecher entfaltete das Volk wieder all' seine richter zurück. Was giebt's da?" herrschte er: Wer Schmuck hat auch schon seinen Eigenthümer gefunden. Das Rohheit, denn es schämte sich nicht, aus vollem Halse das nimmt Partei für die Jüdin?"-" Ich, Herr," entgegnete arme Weib, das dort ohnmächtig liegt und just gelabt Lied anzustimmen, das in der Rumpelwoche in den Kirchen ihm Dagobert trotzig: Jch Dagobert Frosch, des Schöffen wird, hat ihn erkannt."" Erkannt?" rief der Haufe. gesungen wurde, begleitet von einem tobenden Lärm un- und Altbürgers Sohn." Schande für Euch!" eiferte " Jeder von Euch," sprach der Löher weiter, hat ja wohl gezogener Handwerksgesellen und Straßenbuben: Ach, du der Oberstrichter:" Stöcker! schafft das freche Geschöpf weg!" einmal von dem schönen Evchen von Bergen gehört? armer Judas ! Was hast du gethan? Weiß ich doch sonst Dem Schurken kostet's die Ohren!" versetzte Dagobert, Weit und breit war das wunderholde Kind berühmt. was, das geht dich auch an. Ach, du armer Judas ! seinen Dolch ergreifend:" Er wage es nicht. Schande ist's Weit und breit wurde Hermann, der junge Metzger aus Was hast du gethan!" Unter diesem Geheul, dem der für Euch, edler Herr, solche Gesellen in Eurem Gefolge zu Friedberg beneidet, da er endlich das schmucke Mädel heim- blutdürftigen Wölfe zu vergleichen, fiel ein neuer Auftritt führen. Den Verdammten ergreife der Henker, führte. Nun, schaut hin auf das arme Weibsbild, ob vor, herzzerreißender als der, den das schöne Evchen ge- Unschuldigen nicht."" Die Jüdin gehört mein!" ließ man eine Spur der ehemaligen Schönheit auf ihrem Ge- geben hatte, und schmerzlich im höchsten Grade für Dagobert. fich der Stöcker vernehmen: Sie hat dem Gebot zuwider fichte erkennt; und doch ist sie's. Ihr Mann aber wurde Eine Dirne stürzte herbei, mit aufgelöſtem Haare, bleich gehandelt, und ist auf die Gasse gelaufen ohne Schleier erschlagen, da er mit der Ausstattung seiner jungen Frau wie der Tod, aber bildschön im höchsten Kummer selbst; und Judenzeichen. Das Halseisen gebührt ihr, und mein nach Friedberg fuhr, und die Halskette mit den Esther, die verzweifelnde Esther, die herzueilte, jetzt erst von gehören ihre Haarflechten, so sie dieselbe nicht mit Geld blutrothen Steinen, ein Erbtheil von Evchens Großmutter, dem schrecklichen Gange unterrichtet, den ihr Bater thun lösen mag."" Der Teufel auf Deinen eignen geschornen

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