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Inhren tciu Ningbier zu führen. Die Arbeiterschaft hat sie� hierzu sicher nicht gezwungen, sie hat sich aber bisher ganz wohl dabei befunden. Sffieim daher als Argument gegen den Bier- boykotl angeführt wird, daß es dem Arbeiter schwer fällt, sein gewohntes" Getränk zu missen, so ist das wohl nur ein Phantasiegebilde. Gerade der Arbeiter ist am wenigsten an ein bestimmtes Vier gewöhnt, daher fällt es ihm durchaus nicht schwer. boykoltirtes Bier zu meiden. Der Arbeiter hat am wenigsten Stamm- kneipen, er besucht bald dies, bald das Lokal und kann auch unter normalen Nmstäuden wenig nach einer bestimniten Sorte Bier fragen. Als ein weiterer Beweis dafür, daß die Sozialdemo- kraten durchaus keinen Bierzwang ausüben, die Wahl des ans- zuschänkenden Bieres vielmehr lediglich eigene Entschließung jedeS einzelnen Wirthes ist. niöge hier noch nebenbei die Thatsache an- geführt sein, daß in de» Straßen Berlins in bekannter Weise durch Handzettel Kneipe» mit Damenbedienung und nicht boykottirtem Bier sich dem Publikum enipfehlen. Und auf dieje haben die Sozialdemokraten doch sicher keinen Einfluß! Den Saalverlvcigerungörnmmel machen auch die Saal- besitzer in Köpenick   mit. Säimntliche dortige Wirthe haben sich am Freitag durch Namensunterschrift verpflichtet, zu sozial- demokratischen Versammlungen ihre Lokale nicht mehr herzugeben. Die Berliner   Parteigenossen werden bei Ausflügen dafür sorgen, daß die Ruhe der Köpenicker   Wirthe in keiner Weise gestört werde. Skn dU Gasttvlrthe SchönebergS! Die unterzeichnete Kommission macht darauf aufmerksam, daß alle Aeudrrungen in der Bicrbestellung seitens der Herren Wirthe bis Montag, den 25., Abends, bei Carl F r e i d a n k, Tempelhofer Weg, Haus Götsch, zu melden sind, da Anfang kommender Woche eine Ver- öffentlichung der Wirthe Schönebergs mit der Mittheilung, welches Bier dieselbe» ausschänke», vorgenommen werden soll. Die Lokalkommission Schönebergs. Zur Saalsperre schreibt man uns aus Pankow  : Auch hier versuchte Herr Ringel(Bellevue), Breitestraße, für den Bier- könig Rösicke eine Lanze zu brechen. Die Saalinhaber wurden von diesem Herrn am 20. d. M. in das Lokal von Krause (Spandauer  - und Wollankstraßen- Ecke) zu einer Besprechung eingeladen. Tagesordnung: Bierboykott und Saal- sperre. Bon den Besitzern der fünf hier uns zu Versnmm- lnngen zur Verfügung stehenden Säle erschien nicht einer. Da nun der löbliche Wunsch der Sozialistentödter war, uns gänzlich todt zu machen, so erwies sich diese Thal als ein Schlag ins Wasser. Man munkelt, die Herren hätten kaum einen drei- beinigen Skat zusanimenbekommen. In Nieder-Schön- hausen, wo nur ein Saal:Zum Lindengarten" uns zur Verfügung steht, verlohnte sich eine Besprechung nicht, nian legte Serrn Thieme nur ein entsprechendes Schriftstück vor. Genannter err war aber für den Brauerring rncht zu haben,alle Liebesnrüh" war vergeblich! Hier hat nian sogar die Budiker mobil gemacht, von denen Herr Müller, Kaiserin Augustastraße, sich erweichen ließ, seine Unterschrift zu geben. Da dieser Herr Schultheiß-Bier verschänkt, werdensich die Arbeiter so wie so nicht so nach seinem Lokal drängeln. An die Arbeiter Berlins  , die Sonntags in Schaaren nach Pankow  und Schönhausen   strömen, sei die Mahnung gerichtet, von Be- lästigungen der Herren, die gläubig zu Rösicke's Million empor- blicken, abzusehen. Unterschrieben haben unsere Liste für Pankow   die Herren: KrügerZum Thürmchen", Kaiser Friedrichstraße; Störr, Mühlenstraße; Buge, Schulzestr. LS(an der Nordbahn), und Lehmann,Nordstern"(an der Norbahn). Herr Cello, Ber- linerstraße, hat sich Bedenkzeit ausbedungen, doch war er auch nicht zur Besprechung erschienen. Da sich au sämmtlichen Lokalen auch schöne Gärten befinden, wird für Berliner   Ausflügler keine Lokalnoth bestehen. Genosse Kotz hat sein Amt in der Lokalkommisston nieder- gelegt. Anfragen und Zusendungen sind bis auf weiteres an E. B i l z, Schulzestr., part., zu richten. Der Gastwirth Pohlit, GypSstr. S, vormals Pyrtek, theilt uns mit, daß er sich den Saalverweigerer» nicht angeschlossen habe. Sein Lokal stehe nach wie vor zu politischen und gewerk- schaftlichen Versammlungen zur Verfügung. Ein Nothfchrei der Sluögestoßene». Uns geht folgende Zuschrift zu: Die Christlichen   Herbergen sind in diesem Jahre besonders von Arbeitslosen, namentlich den Bauhandwerkern stark überfüllt; die Nachfrage nach Arbeitskräften ist außer- ordentlich gering. Was soll nun der gänzlich Unbemittelte thun? Arbeit ist nicht. Betteln ec. ist verboten, das Asyl kann wegen der Zeitübertretung nicht mehr benutzt werden. Zu Hunderten kampiren die Unglücklichen daher im Freien. Es sind tagtäglich nur 6 Baracken belegt, während die übrigen 80 Baracken, die manchem arnien Menschen Unterkommen bieten könnten, leer stehen. Die vielen Asylbeamten haben wenig zu thun und würden auch bei Belegung der Baracken wenig an- gestrengt werden. Es ergeht an die Verwaltung das Ersuchen, um Verlängerung der Asylbeuutzung. Der Ferusprechverkehr zwischen Berlin   und Ahlbeck  , Anklam  , Heringsdorf  , Misdroy  , Stralsund   und Swinemünde  , ist eröffnet worden. an die vorgeschriebenen Stellen begeben, die oft eine kleine Tagereise von seinem Ort entfernt liege». Bei der elenden Wetterführung in den meisten Gruben, um die sich die Bergaufsichtsbeamten(Berg- meister) nur viel zu wenig kümmern, verlöschen aber die Lampen alle Augenblicke oder gehen aus sonst einem Grunde aus; um nicht zu verhungern oder wegen geringer Arbeitsleistung einfach entlasten zu werden, müssen also die Arbeiter mir dem Leben spielen. Wenn es also bei den Grundursachen ausschließlich die Profitgier des Unternehmerthums, keinesfalls aber diehöhere Gewalt" ist. welche die Grubenkatastrophen heraufbeschwört, so ist es auch bei der einen auslösenden Ursache, dieselbe Profitgier. Hier ist in wortwörtlichem Sinne Akkordarbeit Mordarbeit, und für jede Grubenkatastrophe müßte der Unternehmer wegen Todt- schlages oder nach Lage der Umstände wegen Mordes zur straf- rechtlichen Verantwortung gezogen werden. In einzelnen Zeitungen, so in derFrankfurter Zeitung  " «nd imWiener Fremdenblatt", wurde auf die neuerdings kon- struirten elektrischen Lampen mit tragbaren Akkumulatoren hin- gewiesen. Durch Anwendung elektrischer Lampen würde aller­dings ein Theil der Gefahr beseitigt werden. Aber man darf ihren Einfluß nicht überschätzen. Eine größere Gefahr für die Entzündung schlagender Welter ruht in den Sprengschüssen als in der Anwendung offenen Lichtes oder mangelhafter Sicherheits- lampen; außerdem aber sind, wie wir oben auseinandersetzten, die Kohlenstaub- Explosionen weit bedeutungsvoller als die Explosionen schlagender Wetter, die fast immer nur lokal be- schränkt bleiben, sich aber nicht, wie die Kohlenstaub-Explosionen, aus die ganze Grube erstrecken. Ueberdies aber sind die elektrischen Akkumulatoren-Lampen in der Bergwerkspraxis nicht verwendbar, weil sie viel zu schwer sind und ein nur schwaches Licht liefern, wenn sie die ganze Schichtdauer hindurch leuchten sollen. Die Gefahr des Abfeuerns von Springschüssen, soweit wenigstens Menschenleben auf's Spiel gesetzt werden, ließe sich übrigens ebenfalls vollständig vermeiden, wenn sämmtliche Sprengschüsse zu gewissen Tageszeiten, wo die ganze Belegschaft ausfahren müßte, gleichzeitig durch elektrische Zünder abgefeuert würden, von der Anwendung der elektrischen Knallgaspatrone, die im Jahrgang 1893 desElektrischen Anzeiger" beschrieben und empfohlen ivurde, ganz zu schweigen. Aber einmal kosten elektrische Zündeinrichtungen Geld, und dann geht durch das gleichzeitige Abfeuern zahlreicher Sprengladungen viel Zeit ver- loren; weshalb da zu Neuerungen zu greifen, wo doch nur Menschenleben auf's Spiel gesetzt werden? Ter Bau Kochstraße 73 ist nunmehr einer zweiten Unter- suchung unterzogen worden. Es scheint, als ob die Katastrophe kein gerichtliches Nachspiel für de» Baumeister oder die Poliere haben wird. Dagegen hat die Bau-Polizei nunmehr Veran- lassung genommen, den ersten Bau-Erlaubnißschein in fast allen Punkten, die den Ausbau des alten Gebäudes betreffen, ruck- gängig zu machen. Eine neue Bau-Erlaubniß hat sofort nach- gesucht werden müssen, und man glaubt, daß das alte Mauer- werk wird niedergelegt werden müssen. Ein weiterer Einsturz des Vorderhauses ist nach dem Urtheil von Sachverständigen gegenwärtig nicht zu befürchten, so daß auch der Schutzmanns- posten, der vor dem Grundstück auf der Straße aufgestellt war, eingezogen worden ist; denn die Annäherung an den Bau ist jetzt weder für Fuhrwerke, noch Fußgänger mehr gefährlich. Eine Nosselenkerin. Am Sonnabend Nachmittag um 3 Uhr halte der Fabrikant Bammer aus Alt-Moabit in Ge- sellschast einer jungen Dame eine Spazierfahrt durch den Thier- garten gemacht, war dann ausgestiegen, und das Fräulein lenkte die feurigen Rappen in schlankem Trabe durch die Leipziger- straße. An der Ecke der Jerusalemerstraße wurden die Thiere scheu, ließen sich von der ungewohnten Hand nicht mehr zügeln und rasten, da der Kutscher   die an dem Geschirr festsitzende Leine nicht mehr fassen konnte, dem Spittelmarkt zu. An der Kolonnade gerietst das Fuhrwerk zivischen einen Pferde-Eisenbahn- und einen Geschäftswagen der Eifenmöbel-Fabrik von Seiffert aus der Großen Frankfurterstraße und war völlig eingekeilt. Die Lenkerin und deren Kutscher   kamen mit dem Schrecken davon, während der Hausdiener Max Röbel aus der Barnimstraße, der den Ge- schästswagen begleitete, zwischen den Knäuel geschleudert und an verschiedenen Slellen verletzt wurde. Der Bammer'sche Wagen war bis zur Unbrauchbarkeit beschädigt, ein Pferd blutete, der Geschäftswagen hatte den Scheerbnum verloren. Nachdem zwei Schutzmänner die Persönlichkeit der Nosselenkerin festgestellt hatten, fuhr diese in einer Droschke davon. Die Stimmung des zahlreichen Publikums machte sich gegen die unkundige Fahrerin geltend. Ein schwerer Nnglücksfall hat sich am Freitag Nach- mittag gegen 4 Uhr am'Exerzierschuppen des Kaiser Alexander- Gardc-Grenadier-Regiments am Prenzlauer Thor zugetragen. Auf den Zaune welcher diesen Platz umschließt, war neben anderen Knaben auch der IL jährige Karl Boon, Sohn eines in der Schönhauser- Zlllee lSSa/b wohnenden Maurers   hinauf­geklettert, um den Uebungen des obenerwähnten Trnppentheils zuzusehen. Beim Abspringen von dem 2 Meter hohen Staketen- zäun fiel der Knabe auf die eiserne Umfriedung des anstoßenden Bötzow'schen Guishauses und zwar so unglücklich, daß die Spitze eines eisernen Stakets in den linken Arm und diesen entlang durch das Gelenk in den Handteller drang. Den zahlreichen Augenzeugen gelang es nicht, den Knaben aus feiner entsetzlichen Lage zu befreien, und der hinzugerufene Inhaber der Snnitäts- wache Königsstadt, Herr Heilgehilfe Linsener, mußte das Fleisch des Armes auseinanderschneiden, um eine Befreiung zu bewirken. Der Knabe wurde nach Anlegung eines Nothverbandes nach dem Krankeuhause Friedrichshain   geschafft. Zur besondere» Vorsicht für alle Raucher mahnt ein Fall von Blutvergiftung, von welcher der 36jährige Monteur Katzke in Weißensee  , Königs-Cchaussee LI, betroffen worden ist. K. hatte die Gewohnheit, beim Rauchen die Zigarre zwischen den Zähnen zu halten und zu kauen, wodurch eine besondere Nikotin- ansammlung an der Spitze der Zigarre hervorgerufen wird. Die Feuchtigkeit einer solchen drang K. in eine kleine am Daumen der rechten Hand befindliche» Wunde, die sich nach kurzer Zeit entzündete. Der Monteur legte derselben keinen Werth! bei; nach zwei Tage» jedoch war der Arm bereits stark angeschwollen, ein sofort hinzugezogener Arzt konstatirte hochgradige Blut- Vergiftung und K. mußte das städtische Krankenhaus Friedrichs- Hain aufsuchen. Es bleibt fraglich, ob dem unvorsichtigen Raucher der Arm erhalten bleiben wird. Hierbei mag noch erwähnt werde», daß auch trockener Tabak, der mit Wundstellen in Be- ruhrung konimt, Blutvergiftung hervorruft, wie dies bereits in mehreren Fällen beobachtet worden ist. Zu der ans uuserem Leserkreise gekommenen Beschwerde über die Behandlung von Frauen in der Poliklinik des Kaiser und Kaiserin Friedrich-Krankenhauscs ist uns von der Ver- waltung ein Protokoll übersandt worden, das wir nachstehend zum Abdruck bringen: Ich erkläre hiermit auf Ehre und Gewissen, daß ich nach meiner Instruktion die Verpflichtung habe, jedes dem Kaiser und Kaiserin Friedrich-Kinder-Krankenhause zur poliklinischen Behandlung zugeführte Kind, dasselbe komme erst zum ersten Male, oder so oft auch immer, in der Zeit von 1011 Uhr Vormittags und von LVs 3>/2 Uhr Nachmittags einzulassen und in die für die Behandlung angewiesenen Wartezimmer zu führen. Mir ist nicht bewußt und ich muß ent schieden bestreiten, daß jemals ein in den festgesetzten Stunden dem Krankeuhause zugeführtes Kind von mir abgewiesen worden ist. Es ist auch kein Anderer jemals in meiner Ver- tretung gewesen, ausgenommen so weit meine Erinnerung reicht, einmal im Monat April, als ich zur Kontrollversammlung mußte. Ich muß darauf bestehen zu erklären, daß wenn der Redaktion desVorwärts" andere Angaben gemacht worden sind, dieselben unrichtig sind und ich bitte darum, diese meine Erklärung zur gefl. Kenntniß zu nehmen und behufs Wiederlegung des in der Nummer vom L2./6. 34 enthaltenen und mir von dem Herrn Direktor des Krankenhauses vorgelegten Artikels zu veröffent- lichen. Ladislaus Ezypznk, Portier; als Zeuge Richter, Sekretär; a. o. Pros. Dr. A. Baginsky, Direktor. Herr Professor Dr. A. Baginsky theilt uns in seiner Eigen- schaft als Direktor des Krankenhauses noch mit, daß Kandidaten in diesem Institut überhaupt nicht in Funktion sind, es sind viel- mehr alle Herren, welche mit der Behandlung und Abfertigung der Kranken im poliklinischen Dienstezu thun haben, approbirte, praktische Aerzte. Außerdem giebt der Direktor dem Portier Szypzak noch das Zeugniß ganz besonderer Pflichttreue. Wir werden über die am Freilag gebrachte Beschwerde, die uns von einer Seite zur Veröffentlichung überwiesen wurde, an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln wir keine Ursache hatten, natürlich weitere Recherchen anstellen. Die Veröffentlichung einer ungerechtfertigten Beschwerde würde von Niemand mehr als von uns selber bedauert werden. Die Sammelliste Nr. 2165 von den Brauerei-Arbeitern ist nach Angabe deS Herrn Albert Jacob verloren gegangen. Der Finder wird gebeten, die Listein der Redaktion desVor- wärts" abzugeben. Mit dem Umbau des Rixdorfer Bahnhofes wird endlich Ernst gemacht. Zwischen der Britzer   Chaussee und dem viel­besprochenen Galgen, wo sich die Geleise zwischen bedeutenden Erderhöhungen hinziehen, lagern gewaltige Erdmafsen und Eisen- bahn-Baumaterialien, die zur Herstellung eines dritten und vierten Geleises und zu der dazu nörhigen Verbreiterung der Geleise- fläche dienen sollen. Dort soll auch der interimistische Bahnhof errichtet werden, zu dem noch ein neuer Zugang geschaffen werden muß. Polizeibericht. Am 22. d. M. sprang ein ISjähriger Knabe von dem Zaun eines Grundstücks der Prenzlauer Allee in den Vorgarten des Nachbargrundstücks und stieß sich dabei eine Spitze des Vorgartengitters durch die Hand.   In der Nacht zum 23. d. M. fiel der Portier eines Kaffeehauses in der Großen Frankfurterstraße, als er einem Manne den Eintritt in dasselbe verwehren wollte, nieder und erlitt einen Bruch des Knöchelgelenks. WitternngSiibersicht vom 23. Juni. Witterung in Teutschland am 23. Juni, 8 Uhr Morgen». Die Regensälle haben in ganz Deutschland   nahezu auf- gehört. In den nordwestlichen Landestheilen und namentlich in Süddeutschland   ist das Wetter größtentheils heiter. Rechts von der Oder herrscht noch bewölkter Himmel vor und Königs- berg hatte Morgens ein Gewitter. Unter dem Einflüsse schwacher südwestlicher Winde hat die Erwärmung überall lang­sam zugenommen. Die höchsten Morgentemperaturen nicldeten amtlich heute Mülhausen   i. E. mit 19, Karlsruhe   und Neufahr- wasser mit 18 Grad Celsius. Wetter-Proguose für Sonntag, den 24. Juni 18S4. Vielfach heileres, zeitweise wolkiges Wetter mit schwachen südwestlichen Winden und zunehmender Erwärmung; keine oder unerhebliche Niederschläge. Berliner   Wetterbureau. Eine Privat-Belcidignngöklage zwischen zwei Bank- direktvren sollte gestern vor der 144. Abtheilung des Schöffen- gerichts verhandelt werden. Es war dies aber nicht möglich, weil drei Börsenagenlen, welche als Zeugen geladen waren, ohne Entschuldigung ausgeblieben waren. Der Vorsitzende nahm jeden derselben in eine Geldstrafe von 300 M. und legte ihnen insgesammt die Terniinskosten auf. Er bemerkte dabei, daß es den Börsenbesuchern zwar unbequem sein möchte, durch eine Vorladung zum Termin in ihrer Geschäftsthäligkeit behindert zu werden, dem Gerichte müsse aber Folge geleistet werden. Ein Giftmord-Prozcß wurde am Sonnabend vor dem Schwurgericht des Landgerichts II   verhandelt. Ans der Unter- suchungshaft wurde eine etwa fünfzigjährige Frau vorgeführt, welche aus grund ihres eigenen Geständnisses beschuldigt war, ihr zehnjähriges Stiefkind durch Giftmord beseitigt zu haben. Es war ein Bild grenzenloser»wralischer Verkommenheit, welches im Laufe der Verhandlung entrollt wurde. Die Angeklagte, ge- schiedene Augufte Nixdorf, geborene Hermann, diente im Jahre 1882 in Charloltenburg. Hier lernte sie den Arbeiter Raimund Nixdorf kennen, der soeben seine zweite Frau ver- loren hatte und nun für seine fünf unerzogenen Kinder eine neue Mutter haben mußte. Seine Wahl fiel auf die Angeklagte, die gleich ihm katholischen Glaubens war und die im Ruf der Frömmigkeit stand. Nixdorf wußte allerdings nicht, daß er seinen Kindern eine Mutter gab, die bereits vielfach wegen Dieb- stahls, zuletzt mit 2 Jahren Zuchthaus bestraft war. Das Zu- sammenleben gestaltete sich leidlich. Am 2. August 1838 starb das zweitjüngste Kind Nixdorf'S, die damals zehnjährige Elise Nixdorf. Es war das Liebliugskind des Vaters. Als der letztere an jenem Tage von der Arbeit nach Hause kam, verschied da? Kind in seinen Armen. Es hatte seit dem Tage vor» her an häufigem Erbrechen und choleraartigen Erschei- nungen gelitten. Die Stiefmutter bezeigte wenig Theil- »ahme. Seit dem Tode des Kindes gestaltete sich das Ver- hältniß zwischen den Nirdorf'schen Eheleuten höchst ungünstig. Der Ehemann genoß den Ruf eines arbeitsamen, soliden Mannes, seine Ehefrau zeigte aber einen schlechten Charakter. Sie verließ ihn bald nach dem Tode des Kindes, ergab sich wieder einem schlechten Lebenswandel, beging Diebstähle und wurde zu fünf Jahren Gcfängniß verurtheilt. Diese Strafe verbüßte sie im Gefängnisse zu Kotlbus. Am 4 September v. I., als die Nix- dors beinahe vier Jahre von ihrer Strafe verbüßt hatte, ließ sie sich beim Direktor melden. Sie gab an, daß ihr Gewissen ihr Tag und Nacht keine Ruhe lasse, sie wolle sich von einem unerträglichen Druck befreie» und das Geständniß von einem Verbrechen ablegen, welches sie begangen habe. Und nun folgte das Bekenntniß, welches sie in der gestrigen Ber- Handlung wiederholte. Sie hatte ihr Stiefkind Elise Nixdorf vergiftet. Als Beweggrund gab sie an, daß sie ihrem Manne ein Herzeleid anthun wollte, weil derselbe sie mit dem Wirth- schaftsgelde stets so knapp gehalten habe. Deshalb mußte sein LieblingSkind sterben. Schon längere Zeil habe sie sich mit Plan herumgetragen. Im Monate Juli 1388 sei das Kind in die Ferienkolonie geschickt worden, von wo es am 28. Juli gestärkt und gekräftigt zurückkehrte. Wenige Tage zuvor hatte sie ihrem Hauswirth, dem Eigenthümer Thiele in Charlottenburg  , geklagt. daß sie in ihrer Wohnung so arg von Schwaben   belästigt werde, und ihn gebeten, ihr einen Antrag an die Polizei aufzusetzen, wonach ihr gestattet wurde, von der Apotheke Gift zu beziehen. Sie erhielt die Erlaubniß und dann gegen Gistschein von der Apotheke ein Quantum Schwabenpulver, welches aus einem Gemisch von Schweinfurtergrün und Insektenpulver bestand. Sie wußte, daß die erste Substanz ein starkes Gift war. Die Angeklagte ging mit großem Raffinement zu Werke, um einer Entdeckung des schweren Verbrechens vorzubeugen. Als das Kind sich wieder zwei Tage in der elterlichen Wohnung be- fand, redete die Mutter ihm vor, daß es sich nicht wohl fühlen müsse und es gelang ihr auch, durch irgend ein Mittel ein leichtes Unwohlsein bei dem Kinde hervorzurufen. Sie heuchelte ihrem Manne gegenüber aufrichtige Besorgniß und erwirkte von ihm die Erlaubniß, einen Arzt holen zu dürfen. Dieser verschrieb eine leichte Arznei und bezeichnete den Zustand des Kindes als durchaus nicht besorgnißerregend. Die Angeklagte vermischte nun am 2. August die Medizin mit dein Schwabenpulver und gab von dieser Mischung dem Kinde in kurzer Aufeinanderfolge fünf Löffel voll ein. Unter entsetzlichen Schmerzen starb das Kind in den Armen seines unglücklichen Vaters Als die Angeklagte dies Geständniß vor dem Gefängnißdirektor ablegte, glaubte man erst, daß es erheuchelt sei, um einen Aufenthaltswechsel der Gefangenen zu erwecken. Leider erwiesen sich aber alle angegebenen Thatsachen als wahr, der Gistschein in der Apotheke wurde gefunden. die Leiche der Elise Nixdorf ausgegraben und vom Gerichtschemiker Dr. Bischoff untersucht, welcher erhebliche Mengen Arsenik   isolirte. Selbst an dem Rosenkranz, den die Ermordete mit ins Grab bekommen, wurden Spuren des Giftes gefunden. Auch in der gestrigen Verhandlung blieb die Angeklagte dabei, daß nur ihre unerträglichen Gewissensbisse sie zu dem freiwilligen Geständnisse gezwungen hätten. Obgleich die Angeklagte bereits zweimal im Jrrenhause ge- wesen, zweifelten die medizinischen Sachverständigen doch nicht daran, daß sie bei Begehung des Verbrechens im Bollbesitze ihres Verstandes gewesen sei. Dagegen hielt der Oberarzt Dr. Koppen die Angeklagte ihres jetzigen leidenden Zustandes wegen nicht für verhandlungsfähig. Dieser Ansicht wider- sprach der Kreisphysikus Dr. Philipps. Natürlich sei der Körper der Angeklagten unter dem Druck des Gewissens und der Gesängnißhast geschwächt, aber wenn