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Unterhaltungsblatt öes vorwärts
Dienstag, lH.5ebruar
Der Reisebezligsjchein. Bon T h. Thomas. ,.■■ Gelegentlich der Tarifreform taucht neuerdings der Plan auf, die FahrlberechtigungSkarle einzuführen. Durch die Zusammenlegung naheliegender Reiseziele und Ausschaltung unnötiger Fahrten könnte viel erspart weiden.. Das war ein aufregender Tag, als die Bürger an den Straßen- ccfen dieieS Plakat fanden: „Von heute an besteht der Berechtigungsnachweis für Reisen mit der Eisenbahn. Ich warne jedermann, ohne ihn die Fahrt an- zutreten. Er begibt sich in Gefahr.. Wir befinden uns im Arbeitszimmer des Reisegewaltigen: Zwei Brillen. Schmiß über die Backe. Scheitel mit dem Handtuch gezogen, Vatermörder, Ordensband, Aussprache: ä— ä— ä, rrrr, tt. ft. Jeder Millimeter ein LerwaltungSmensch, wie mit dem Zirkel abge- messen... Alles drängt, schimpft. ES riecht nach Schweiß und per- dautem Brot. „Weilerrr, weiterer, mal loä!* ertönt'S auS dem Guckkasten. .Verzeihen Sie, meine Mutter ist gestorben, ich bitte schön, zu der Beerdigung iabrcn zu dürren." .Ft.... Wo ist die ä— a— ä Bescheinigung?" „B'.tt tchön, hier ist das Telegramm." „Wa§? Ft, ft. Telegrrromm? DaS ist kein amtlicher AuS- weis. Sie— 5— Sie brauchen ein Zeugnis von der dortigen Behörde, daß der Tod eingetreten ist und wann die Beerdigung ist. Ft. st----" .Verzeihen Sie, ehe ich das beschaffe, bitt schön, da ist eS diel zu spät. Inzwischen wird doch die Mutier beerdigt." «Sie gestehen— ä— damit ein. daß— tl. ft— Ihre Mutter auch ohne Sie beerdigt werden kann. Errrrlaubnis wtrrrrd abgelehnt" „Bitt schön, verzeihen..." .Halten Sie keine weiterrren Borrrträge, Sie können sich be- schweren.— Platz. Platz. Platz, was wollen Sie?" .Eine Beicchltgungekarte nach Berlin ." .Ft— 5— waS'n da schon wieder los?" .Ich bin GewerkschasiSbeamter, es ist eine wichtige Verhandlung wegen Tarifangelegenheuen." „Was ä.. ft.. ä. Jetzt im Krieg? Tarif ä.. ä. Gibt eS nicht." .Aber es ist sehr dringlich, eS handelt sich um..." ,Ft, ft. st. Gibt es nicht, sage ich. Dazu brauchen Sie nicht hi», das üt so eine Sache, die kann man zusammenlegen. Fl. Heule iährreiner hin, der am Blinddarm operiert wird, der kann das milbesorgen, ä.. st." Der nächste tritt an den Schalter..Ich muß als Reichstags- abgeordneter sofort zu einer wichtigen Sitzung.. „Wichtig.. ä, ft, was ist denn in der Knatschkiste schon wieder ö los: immer mit dem Reichstag ..." .Wir haben wichtige Beratung wegen des Gesetze? zur Be- lämpfung des GeburtenrückgaugeS." ,Ae, S, ä Geburtenrückgang? Deswegen muffen Sie nach Berlin ? Den können Sie hier bekämpfen... abgelehnt." Zaghaft windet sich ein anderer an das Guckloch. Ein schwer- mütiger Zug gibt ihm etwas AengstlichcS. Hastig verlangt er leinen Schein, innerlich hoffend, er wird abgelehnt. Er soll nämlich ver- heiratet werden. .Wozu wollen Sie reisen?" .Zweck« Trauung.".Ae, ä, ist genügender Grund. Hier Ihr Schein." Verlegen dreht ihn der Empfänger in den Händen, da? ist ihm viel zu schnell geganzen. Er wird von seinem Hiulcrman» schon grob weggeschoben. Jndeffen erscheint der StaiionSbeamte in der Tür: .Wie rst es, fahren wir heute nach Berlin ? Es find nur vier Berechtigte angetreten." .Da lobni eS sich nicht. Sagen Sie den Leuten, sie sollen weg- treten und morgen wiederkommen." .ES ist aber einer dabei, der wegen dringender Operation nach Berlin will..." � „Ae, ft. Ach was, das ist der Kerl mit dem Blinddarm... ft... der wird ihm nicht weglaufen.. .Also fahren wir nicht." .Derrrr nächste... ä ä verzeihen, Herr Kommerzienrat, gar nicht erkannt. Wohin belieben Herr Rat?" „Dolle Sache. Sitzung Bäter landSpartei. Tirpitz da. Berliner Zug noch erreichen.. »Ft.. ft.. Natürlich. Hier Ihre Karte, werde sofort an- ordnen, daß Berliner Zug doch täbrt. Glückliche Reise..
„Nu man nich so drängeln da draußen, ft. WaS wollen Sie schon wieder?" .LandlagSabgeordneter Blank. Ich bin als Mitglied der Wahl- rechtSkommiision zu einer dringlichen Sitzung nach Berlin berufen und möchte schnell noch.. „Was. ä, was Sie nicht sagen. Dringliche Sitzung?" „Natürlich, wissen Sie nicht, wie das Volk drängt, da ist jeder Tag koübar.. „Ach nee. ä...st... ft... wir drängeln gar nicht... Ich sehe keinen wichtigen Grund in der preußische» Wahlrechts- jache." „Aber find Sie doch vernünftig. Wir können uns doch nicht gegen den Maffenwillen, wer weiß wie alles noch kommt... geben Sie mir nur schnell den Schein, der Berliner Zug muß gleich..." .Da führt er schon. Kommen Sie morgen mal wieder, ich willin meinen Dienstvorschriften nachsehen, ob daS Wahlrecht dringlich ist." ES klingelt am Telephon.„Hier Bezugsscheinstelle. Wie? Ach so. ich verstehe: Es fehlen noch zwei Mann für den Zug nach München ." .Derrr nächste.. Ft.. st..." .Ich suche eine Stelle und bitte um einen Ausweis nach Köln ." .Ae.. ft.. Warum denn gerade nach Köln ? Warum fahren Sie nicht nach München ?" „Ich glaube, daß in Köln bessere Arbeitsgelegenheit ist." .Ft.. ä. Sie können eine Beschemigung nach München be- kommen, da werden noch zwei Mann gebraucht, aber nicht nach Köln ." „In München werden«och Leute gebraucht? DaS ist fein, dann bitte nach München ." »Derrrr nächste ran." „Bitte um Erlaubnis nach Leipzig . Einkäufe zu besorgen." „Was wollen Sie denn da einkaufen?" „Alles, was angeboten wird, was ich auftreiben kann..." .Fl... ä, warum, wenn Sie nichts Bestimmtes haben, warum fahren Sie denn da nicht nach München ? Da kann man doch auch einkauien?" „Ja, nach München wollte ich auch noch, aber später..." .Machen Sie keine Ausflüchte, fahren Sic erst nach München , da können Sie gleich mufahren.. „Weilerrr. Sie, wohin?" Ein bärtiger Mann tritt vor den Schalter. Er hat seine Ein- berufung erhalten. Kleinlaut hält er den bedenklichen Schein durch das Gilter. „Ft... ft... ä... was soll ich damit?" „Das ist eine Einberufung, ich will.. „Sie brauchen keine Genehmigung. Sie find mit dem Schern ausgewiesen genug." „Ohne Erlaubnis darf ich fahren? Wie entgegenkommend Bater Staat ist, wenn es uns braucht. Das ist herzerhebend. Heißen Dank I" Der Beamte flott ihn mit den wasserblauen Augen verständnislos an. ES kommt rbm so vor, als ob der sich noch nicht mal freut, daß er reisen darf. So ist das Volk... Dann hängt er eine große Tafel auf: .Für heute ist weiteres Rsrien nicht mehr zugelassen." Enttäuscht zerstreut fich das Volk.
Norwegijche Sardinen. Vorm Kriege wenig beachtet, spielt die norwegische Sardine heute die maßgebende Rolle in Deutschland. „Prometheus" gibt eine ansprechende Darstellung dieser wichligen Jndustrre. Erst wenige Jahre vor dem Kriege begannen die norwegischen Sardinen mit den französischen in Wettbewerb zu treten. Da sich die norwegischen Sardinen recht erheblich von den franzöfischen nntcrsckiebem so kam es in England sowohl wie in Deutschland zu Prozessen mit dem Ergebnis, daß eine besondere Kennzeichnung ge- fordert wurde. So kommen jetzt diese Erzeugnisse meist unter dem Namen„Norwegische Sardinen" oder„Brisiinge" in den Handel. In Denischland haben sich während des Krieges gerade diese Sardinen besondere Belieblheil erworben, wenn auch neuer- dingS der Preis beinahe unerschwinglich geworden ist. ' Die riesige Preissteigerung der norwegischen Sardinen hängt haupisächlich mil den hohen Preisen für das Robmaierial zusammen. Man verarbeiiet zu diesen Büchsenkonserven in Norwegen den Bris« ling der unserer Svrolle fast vollständig gleich ist. oder kleine Heringe. Brislinge kosten zurzeit etwa 7-�10 Kronen für 20 Liter, während der Preis vor dem Kriege 2—3 Kronen betrug. Dos für die Herstellung der Biichiett notwendige Weißbleich
wurde früher fast ausschließlich ans England eingeführt während es neuerdings auch auS Amerika kommt. Für die Oel- sardinen verwendete man früher Baumwollöl oder Erdnußöl und nur wenig daS erheblich teurere Olivenöl. Baumwollöl und Erdnuß- öl find jetzt in Norwegen fast gar nicht zu haben. Mau muß daher setzt spanisches Olivenöl verwenden, dessen Preis von 12S0 aus über 2000 Kr. für die Tonne gestiegen ist. Ein großer Teil der Brislinge wird mit Tomatenbrei emgolegt, den man früher hauptsächlich aus Jlalien, jetzt mehr aus Amerika bezog. Der Preis hierfür ist von 35— 50 aus 100—126 M. für 100 Kilogramm gestiegen. Nicht wenig trägt auch zur Preissteigerung die Kohlen- leuerung in Norwegen bei. Da neuerdings Mangel an Weißblech eingetreien ist, so ist die Erzougrntg zurückgegangen, was angesichts der sehr starken Nachfrage nach diesen Konserven zum weiteren Steigen des Preises beigetragen bat. Die Fischchen werden gewaschen, eine halbe Stunde in eine Salzlake gelegt und dann, aus eisernen Stäben aufgereiht, für eine halbe Stünde in die Räucherkammer gehängt, wo sie nur leicht angeräuchert werden dürfen. Danach werden sie sortiert und in die Büchsen gelegt, in die eine besondere Maschine die nötige Menge Oel gießt. Nachdem nun durch eine Maschine, die täglich 0000 Büchsen verschließen kann, der Deckel aufgepreßt ist. werden die Büchsen sterilisiert und danach verpackt. Der Mittelpunkt dieser norwegischen Sardineninduftrie ist der Hafen von Stavangcr. der gute Dampfervcrbmdungen mil den wichtigsten europäischen Häfen bat und in der Nähe der michiigsten Tanggebiete der Brislinge l>egt. In Stavanger gab e» 1916 noch nicht 40, 1915 schon 00 und Miiie 1917 über 86 Konservenfabriken für die Herstellung solcher BrislingSkonserven.__ Die Entöeckung einer neuen<k!efantenart. Bisher kannte die Tierkunde nur zwei Arten des Elefanten, die sich an Größe fast gleichkamen: den Indischen und den Afrikanischen . Nunmehr kommt miS die Nachricht von der Existenz einer dritten Art, dem„Zwergelesanten", zu. Bor Iabrcn schon tauchten Gerüchte über daS Vorhandensein dieser neuen Art auf, aber erst heule sind, wie die.Time»" zu be- richten weiß, zwei Exemplare, die am Kongo erlegt wurden, nach der englischen Hauptstadt gelangt. Sie reichen dem bttzber bekannten Elefanten nur bis zur Schulterhöhe, sind aber unzweifelhaft ältere. ausgewachsene Tiere, wie die Untersuchungen ihrer stark abgenutzten Stoßzähne sowie ihres pollentwickelten Knochengerüstes ergaben. Eines der Exemplare wird der natUrhistorischrn Abteilung des Soutb Kensinglon-Museums überwiesen werden, über daS andere ist noch keine Verfügung getroffen worden. Von den Eingeborenen werden die Tiere„Wasser- oder Schwimm- elefanten" genannt, WaS daraus schließen läßt, daß sie sich an Ge« wässern aufhallen und im nassen Elemente geschickt zu bewegen .wissen. Die Entdeckung größerer Sandsäuger ist heute schon eine Selten- heit und kann tatsächlich nur noch»i Gegendxn erfolgen, die vom menschlichen Berkehr so abseits lisgeir, wie das Innere von Aequatorial-Afrika. Die letzte derartige Entdeckung war die des Okapi vor etwa einem Fahrzehnt. Eine Decke dieieS bisher lebend noch nicht nach Europa gebrachten Teeres findet sich im Berliner Naturhistorischen Museum. Auf die Erwerbung des einen noch freien ExemplareS des neuen Elefanten für die Reichshauptstadt wird leider verzichtet worden müssen._ Notizen. — Der Wettlauf nach dem Herrenhause hai jetzt auch die Künstler ergriffen. Der Deutsche Ausschuß für Kunst hat im Namen von 70 000 Künsilern an Herren- und Abgeordnetenhaus eine Eingabe gemacht, in der auch für die Künstler ein Pi äsenlalions- recht zum HerrenhaUse verlangt wird. Er beruft sich darauf, daß Künstler Arbeitgeber für 20 Millionen Deutsche sind. Das ist zweifellos sehr übertrieben, logt aber um so gebieterischer die Frage nahe, wieviel diese 20 Mlliorren im Herrenhause zu sagen haben werden. — Goeriugs„Seeschlacht" Die nächste Aufführung des „Jungen Deutschland", Reinhard Goermgs„Seeschlacht, mußte durch Arbeitermangel hervorgerufener technischer Schwievigkeitcn wegen auf Sonntag, 3. März, verschoben wsrden. —„Alt- Dänemark", Bilder aus Dänemarks Architektur und Kunstgewerbe, lautet daS Thema eines LschlbikdervortrageS, den Fritz Hansen im Dänischen Berein.Freja" am Sonulag,' nach- mittags 2'/z Uhr. im Hörsaal des Kunjtgewerbe-MuleumS hält. — Paul Zech hat seine von starkem Leben durchpulsten, auch in der Formgebung eigenen Novelle«, die zuerst im„Vorwärts" erschienen, m einem Bonde r®cr schwarze Baal" gesammelt. < Ver lag der weißen Bücher in
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Töchter der hetuba.
Tin Roman aus unserer Zeit von Clara Viebig . XL Wenn jetzt die neugebildeten Truppen perladen wurden, tönten die Hurras nicht mehr ganz so laut. Ter Krieg dauerte schon' zil lange; zwei Kriegswinter, das halte einer aus! Die Urlauber, die aus dem Westen kamen, hatten grausige Dinge erzählt; kein Wunder, daß es manchem jungen Kerl, der früher keine Furcht gekannt, kalt über den Rücken lief. Was nützte es, daß Montenegro um Frieden gebeten lmLte— die kleinen Diebe hängt man, die großeil läßt man laufen— noch immer war kein Frieden in der Luft. Und doch begann die Natur Lenzesahnung zu zeigen. Es war ein frühes Frühjahr. Schon im Februar spielten die Mücken über den aufgeweichten Gürten in steigenden Säulen; sie voll- führten einen lustigen Tanz. Und ein Tanz war's auch vor Berdun; aber ein blutiger. Wer von da wiederkam, konnte von Glück sagen. Die Frauen, die ihre Männer bei Verdun ivnßten, liefen herum wie Hühner, die der Habicht scheucht. War denn wohl eine unter ihnen, die bestimmt sagen konnte: mein Mann lebt noch?! Briefe und Karten blieben aus. Postsperre. Man tonnte jetzt auch keine Päckchen schicken. Und das war fast das Härteste. Wie gern hätte man gekauft von den Fisch- konseiven, von den Kognakfläschchen. von den Fleischpasten und Torteiischüchtelchen, von den Schokoladetafeln und Er- frischungsbonbons, die trotz ihres hohen Preises ans den Schaufenstern verschwanden, so schnell, wie der Wind leere Spreu wegwirbelt. Es kam ja keiner darauf an. die letzten Scheine auf den Ladentisch hinzulegen für einen einzigen Leckerbissen. Dann hatte der Mann doch mal einen Tag, an dem ihm was schmeckte. Manches Mutterchen probte erst mal mit bescheidenem Lecken an der Süßigkeit, die sie einpackte: ja. die war noch gut. nvch nicht Ersatz, da war noch richtiges Mehl dran, richtige Butter. Der Jirnge aß für sein Leben gern Kuchen. Und sie schmunzelte in sich hinein und hatte noch den Geschmack süß auf der Zunge, wenn sie selber trockenes Brot mampfte. Mit dem Urlaub schien es auch nichts zu sein, es kamen keine Urlauber von der Westfront; nur aus Rußland er- schienen welche, aber dahin brannte das Interesse nicht so.
Verdun , Verdun — um das drehten sich alle Gedanken. Un- gezählte Kinder im Deutschen Reich falteten beim Nachtgebet ihre Hände für den Vater, der Douaumont und Vaux er- stürmte. Panzerfesten mit so furchtbaren Zähnen, daß kein Ungeheuer je hatte so grimmig beißen können. Unzählige Herzen im großen Berlin standen still vor Entsetzen über die Todesanzeigen, die die Spalten der Zeitungen überfüllten— blieb denn noch e i n Mensch übrig?.Heftige Nahkämpfe'— das wußte man ja, was das bedeutete. Im Vorort draußen war von all den Frauen, deren Männer bei Verdun standen, die Dombrowski vielleicht die einzige, die das Lachen noch nicht verlernt hatte. Daß ihr Stanislaus nicht schrieb, machte sie nicht unruhig; er hatte ja auch vordem nicht oft geschrieben. Und immer nur welrig: „Liebe Minka, ich bin gesund. Auf ein Wiedersehen. ES grüßt Dich Dein Stanislaus." Ob sie das nun las oder nicht! Er war zu schlecht mit der Feder. In ihrer Heimat, Oberschlesien , ganz weit weg, wo er im Bergwerk arbeitete und sie ihn kennen gelernt hatte, als sie beim Fördern der Kohlen half, da kam's nicht an aufs Schönschreiben. Nun war der Stanislaus ja auch zu alt dazu, an die Vierzig, der lernte es nicht mehr besser. Ach. er würde auch schon noch am Leben sein, wenn der liebe Gott es so wollte. Wußte sie doch nicht einmal genau, ob er gerade mit vor Verdun war, auf seiner letzten Karte hatte nur gestanden: Westen. Wenn die anderen Frauen, die die schöne Minka beim Einholen traf, vor Unruhe verzehrt aussahen wie im Wind flackernde Flaimnen, die schnell ausbrennen, glänzte ihr Ge- ficht in behaglicher Fülle. Es ging ihr nicht schlecht. Wer es verstand, kriegte schon noch was; sie hatte ja auch ihr Stückchen Land, und dann hatte sie noch—— hatte noch —— sie sagte nicht gerade heraus, was sie noch hatte. Aber an Andeutungen ließ sie es nicht fehlen. Wenn ihrer Mieterin Augen dann vorwurfsvoll, mit einer gewissen Vcrächtlichkeit auf sie blickten, lachte sie sich eins: die mar schön dumm, die Hiesclhahn, die war doch nicht häßlich, die hätte es auch besser haben können. Die brauchte nur mal abends mit ihr zu schlendern zum Bahn- Hof, Ivo die Soldaten, die jetzt hier in Garnison lagen, sich bei Dietrich Zigarren kauften oder den Hauptbericht am Schwarzen Brett lasen und herümstcmderten. Datin hätte sich sicher auch für sie tioch einer gesunden, der waS
hatte. Die Hiesclhahn war selber dran schuld, wenn es ihr erbärmlich ging. Gertrud war mit der Miste in Rückstand geraten. Heut war Ansang März, sie hatte wieder zu zahlen und konnte dabei noch von vordem mäst alles glatt machen. Zögernd trat sie in die Küche, in der die Dombrowski am geheizten Herd saß und sich den Rücken wärmte. Sie war noch in Nachtjacke und Unterrock, Schlaf klebte ihr die Augen halb zu. Es war > Gertrud, als drehe sich etwas in ihr um— da saß nun die Frau, faul und vergnügt, u«d dsc arme Dombrowski lag draußen im schlammigen Graben oder veellsicht in seinem Blut. Es stieg ihr etwas in die Kehle und wollte heraus, aber sie mußte jedes Wort hinunterschlucken, selbst ihre flicke dursten nicht sprechen. Sie kam ja, um zu bitten. Mit nieder- geschlagenen Augen näherte sie sich. «Schon ausgeschlafen?" sagte die Dombrowski und kratzte sich in ihrem reichet, Haar.„Ich leg mer noch mal'rin,'s is ja noch so früh. Da" sie zog, ohne auszustehe«, eine Tasse heran und schenkte ekn—»da, trinken Se auch vorerst'n Schluck Kaffee." „Nein, danke." Gertrud glaubte keinen Schluck annehmen zu dürfen, und doch zog ihr der Duft lieblich in die Nase. Das war noch echter Kaffee; lange, lange hatte sie den nicht mehr gekostet.„Wir haben schon März," fing sie cm zu stottern,„aber ich kcum Ihnen die Miete— die Miete kann ich doch noch nicht bezahlen— nur erst die rückständige." „Nu ja." Die Dombrowski gähnte.„Wieviel sind Se mir denn noch schuldig?" „Ten ganzen Februar noch," sagte Gertrud leise. Eine flammende Röte schlug ihr ins Gesicht. Tie schöne Minka regte sich nicht auf.„Das's ja nich schlimni." Sie lachte.„Vorhungern wer' ich drum auch noch nich. Sie können mir ja nächsten Monat alles zusammen bezahlen." „Wenn ich das ilur kann I" Eine beklemmende Angst machte Gertruds Stimme ganz Lein.„Wenn das Kind nicht krank gewesen wäre und ich deswegen hätte nicht aus- hören müssen bei den Tornistern und mir dann erst neue Arbeit suchen, dann wär' ich nicht so in Rückstand geraten. Das Strohsacknähen bringt nicht so viel ein. Entschuldigen Sie vielmals!" Sie zählte Geld auf den Herdrand.„Das ist also für Februar. Und Sie warten noch? Danke auch vielmals."-(Forts, folgt.)