Nr. 59-1918
Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Hunger und die Entbehrungen jeder Art den Geist getrübt hat, wird immer größer. Hunger, Krankheit und Bürgerkrieg, das sind die Geißel, unter denen Petersburg seufzt."
Zu diesem düsteren Bilde liefert der Lempa"( vom 20. und 21 d. M.) durch Berichte seines Petersburger Mitarbeiters noch folgende Ergänzung:
.
zu
Donnerstag, 28. Februar
Kriechende Kristalle.
Ein friechender Kristall ist für die weitaus größte Mehrzahl Im Lichte der bürgerlichen Ententepresse. etwa das Gegenstück zu einem mit Wasser verdünnten Feuer. Und " Daily Telegraph " erhält unter dem 20. d. M. von dennoch gehört er der Wirklichkeit an. Der Chemifer Lehmann in feinem Petersburger Berichterstatter folgendes Stimmungsbild: Heidelberg und der Nestor der deutschen Naturforscher, Ernst Häckel , Für die in großen Massen fliehenden Petersburger ist Moskau der" Die Arbeiter kennen absolut keine Disziplin. Viele sind vom baben die beweglichen Kristalle entdeckt und beschrieben. Es sind Zufluchtsort geworden. Hier ist der Terrorismus der Bolschewiki Lande gekommen, sie benehmen sich wie große naive und graujame alles Kohlenstoffverbindungen, bei denen Alkohol und Glyzerin eine weniger furchtbar, die Hungersnot droht nicht gar so schrecklich, und Kinder, wenn sie sich Hals über Kopf in den Kampf gegen die ziemliche Rolle spielen. Man rechnet sie zu den Probionten, den man kann dort ein wenig freier aufatmen. Nach Moskau haben Unternehmer stürzen. Sie lassen sich lediglich von der Gier nach Borlebenden, weil sie tatsächlich etwas von dem aufweisen, was die fich auch zahlreiche von ihren Gütern vertriebene Grundbesizer ge- schnellem Gewinn treiben. Da sieht man sie auf den Bahnhöfen Wissenschaft als Lebensbeweis erkennt. Was aber erfordert diese flüchtet, außerdem zahlreiche Offiziere, die sich bei ihren Regi- mit mächtigen Säden ankommen, in denen sie den Inhalt der Erkenntnis? Ein Geschöpf, das lebt, muß atmen, sich ernähren, auf mentern nicht sicher fühlten, viele Staatsbeamte, die sich gegen das Fabrikkassen fortzuschleppen gedenken. Sie sind der Ueberzeugung, Reize reagieren. All das tun unsere flüssigen Kristalle, die man bolschewistische tegime auflehnten, und ein großer Haufen In- alles was in den Kassen der Unternehmer liegt, müßte ihnen jest mit dem Namen Paraazoo Yzimtaethylester und tellektueller, die bedauernswerten Opfer der Revolution. Die gehören. Die Fabrikleiter, die einen Widerstand versucht hatten, ähnlichen zungenbrecherischen Bezeichnungen beglückt hat. In Kälte Bolschewiki haben auch für die Intellektuellen nichts übrig. Der wurden schnell beseitigt. Man ließ sich nicht erst auf lange Aus- zu festen Massen zusammengeballt, lösen sie sich in der Wärme Zeitungsverkäufer, der auf den Straßen von Moskau steht, der einandersetzungen ein. Die Arbeitgeber waren im allgemeinen Kutscher, der Straßenreiniger, ist meist ein ehemaliger Offizier, daran gewöhnt, unter dem Schutz der Regierung zu leben. Daher willig und ohne äußeren Anlaß umber, so daß unter dem Mikroskop auf. schillernden Tropfen Diese Tropfen friechen freiein Gutsbesitzer oder ein Industrieller, der noch vor einem halben waren sie auf die Rolle schlecht vorbereitet, die ihnen durch die das Ganze einem wimmeinden Ameisenhaufen nicht unähnlich sieht. Jahr ein vermögender Mann war. Zahllos sind die Familien, die Revolution aufgezwungen wurde. Untereinander konnten sie sich um sich diese Beweglichkeit zu erhalten, bedürfen sie eines Gasstofffrüher keine Ahnung hatten, was Armut heißt, die aber heute buch über einen Aktionsplan nicht verständigen, da die Ereignisse zu wechiels, der etwa der Atmung einer Pflanze entspricht. Anstatt Stäblich Hunger leiden, und zahlreich sind auch die Journalisten und schnell über sie hereinbrachen. Als das alte Regime stürzte, tamen wie andere Kristalle sich durch äußerliches Anlegen neuer Schichten Schriftsteller, welche infolge der Unterdrückung der Zeitungen und die Arbeiter vollständig berauscht zu dem Fabrikherrn und stellten zu vergrößern, nehmen sie in ihr Inneres ihnen zusagende Stoffe, des Bankrotis der Verleger in tiefste Armut geraten sind. sich ihm als freie Bürger vor. Was blieb ihm anders übrig, als und nur solche, auf. Dadurch vermehrt sich ihr Bolumen. Glas Das alles ließe sich ertragen, wenn wenigstens der Wohlstand ben Betrieb zu schließen? Jebt aber sollen diese Betriebe wieder splitterchen dagegen oder ihnen schädliche Stoffe, die versehentlich der Arbeiterklassen einigermaßen gesichert wäre. Aber die Fabriken geöffnet werden. Denn der Feind droht nach Petersburg zu kommit hineingelangt sind, werden regelmäßig wieder ausgeschieden. müssen eine nach der andern schließen, und das Heer der Arbeits- men. Aber es besteht auch nicht die geringste Möglichkeit mehr, die wenn man sie verlegt, etwa zerschneidet, fann man Veränderungen lofen vergrößert sich mit reißender Schnelligkeit. Durch die Revo- Arbeit wieder aufzunehmen. Die Anarchie hat unter dem Regime lution sind nur die Schleichhändler mit Lebensmitteln reich ge- der Bolschewiki derart überhand genommen, daß es jetzt keine an ihnen feststellen, auch wachsen sie wieder nach. Läßt man sie worden, die im Bewußtsein, daß sie straflos bleiben, unerhörte Lösung mehr für die brennendste Frage, der Verteidigung des der Gasstoffwechiel famt Reizbarkeit hört auf. Man fann also nicht jedoch ungestört, fo gelangen sie nach einiger Zeit zur Ruhe ,. und Breise fordern; reich werden auch die Räuberbanden, die in Peters- Landes und der Abwehr der Hungersnot, geben kann." burg und Moskau Tag und Nacht die Bürger überfallen und plünohne eine gewiffe Berechtigung fonstatieren, daß sie absterben. dern, und reich werden schließlich auch die Soldaten, die in Uniform ohne Fahrkarte hin- und herreisen, Lebensmittel entweder zu ganz niedrigen Preisen auftaufen oder ohne einen Pfennig zu be= zahlen in Petersburg und Moskau wieder verkaufen und so bei jedem kleinen Sad mindestens fünfhundert Rubel verdienen. Nach einer abenteuerlichen Fahrt ist jetzt in Petersburg die Kommission wieder eingetroffen, die vor zwei Monaten von den Bolschewiki nach den Hauptgetreideplägen im Süden zur Versorgung der Hauptstadt ausgeschickt worden war. Dieser Ausschuß, der aus Sozialisten besteht, berichtet jezt, daß es in den südlichen Provinzen zwar Getreide in Ueberfluß, aber keine Möglich teit gibt, es nach Petersburg zu bringen. Siem hat Lebensmittelin hülle und Fülle, aber die Ukrainer wollen nichts an die Bolschewiti abgeben. Die Greignisse in Petersburg haben in einem beträchtlichen Teil der ukrainischen Bürgerschaft einen Stimmungswechsel hervorgerufen, sie stehen mit ihren Sympathien auf seiten der Mittelmächte, denn sie haben von den zwei Uebeln, der bolschewistischen Anarchie und den Zielen der Deutschen , das kleinere lebel gewählt und sich den letzteren zugewandt. Nichtsdestoweniger boten die Ukrainer Getreide an, aber nur für die Verfassunggebende Versammlung. Da aber die Abgesandten der Bolschewitt diese Bedingung nicht annehmen konnten, mußten die Unterhandlungen scheitern.
Das vererbte Schulzeugnis.
Notizen.
Freilich ist diese jüngste aller Wissenschaften heute noch selbst Fachleuten so fremdartig und unerhört, daß an eine Erklärung Wichtige Unterfuchungen über die Vererbung der Leistungen von dieser festgestellten Tatsache nicht zu denken ist. Indes aber dürfen Eltern auf ihre Kinder sind mit Unterstützung der Kaiserlichen wir wohl erwarten, daß bei genauer und vielfacher Beobachtung Akademie der Wissenschaften in Wien in dem piychologischen Institut dieser seltsamen Vorgänge das Nätsel in vielleicht nicht allzu der Universität Würzburg von W. Peters durchgeführt worden. Nach langer Zeit gelöst wird. Ein Fingerzeig ist uns gegeben, der Stickder Wiener„ Klinischen Wochenschrift" wurden darin Schulleistungen stoff und feine Verbindungen spielen auch in unserem Protoplasma von Kindern mit den Leistungen ihrer beiden Eltern und ihrer Ge- eine äußerst wichtige Rolle. und es ist nicht ausgeschlossen, daß schwister, zum Teil auch mit denen ihrer Großeltern auf Grund von unsere flüssigen Kristalle tatsächlich eine primitive Vorstufe des Volksschulzeugnissen verglichen. Daneben wurden geistige Aehnlichkeiten Lebens darstellen. von Geschwistern durch einfache Versuche festgestellt. Die Hauptergebnisse lauten: Berechnet man aus den Noten der beiden Eltern ein Mittel und aus den Noten aller Kinder von Eltern mit dem gleichen Mittel einen Durchschnitt, so zeigt sich. daß die Durchschnittsnote der Kinder um so schlechter ist, je schlechter das Elternmittel. Haben beide Eltern das gleiche Mittel, etwa beide mittlere Noten, so haben auch mehr Kinder mittlere Noten. Hat aber der eine Elternteil eine bessere, der andere eine ichlechtere Note, so kommen die befieren und schlechteren Noten bei den Stindern häufiger vor. Die Abhängigkeit der Noten der Kinder vom Elternmittel ist nicht in allen Lehrfächern gleich groß, in Religion und Sprachen am fleinsten. Die Mütter üben im allgemeinen einen stärkeren Erbeinfluß auf Söhne und Töchter als die Väter, doch scheint im Nenen der Erbeinfluß der Väter stärker zu sein. In Realien und im Gesang läßt sich ein deutlicher Unterschied nicht feststellen. Bei den Töchtern tritt der elterliche Erbeinfluß etwas stärker zu Tage als bei den Söhnen. Sieht man bon dem stärkeren Erb
Sonnabend Walter Hafenclever sein Drama, Antigone " vor. Vorlesung. Bei Paul Cassirer , Viktoriastraße 35, liest
Ein Karikaturenzeichner als Akademiemitglied. Die Berliner Akademie der Künfte hat einige neue Mitglieder ernannt, darunter den Maler Hans Thoma , den Städte bauer Hermann Jansen , der besonders im Wettbewerb Groß- Berlin sich hervortat, und den Bildhauer Auguft Kraus( Grunewald ). Außerdem aber befindet sich Olaf Gulbransson , unfer größter moderner Karikaturenzeichner, unter den Erforenen. Während die Akademien sonst nur zu häufig einige zwanzig Jahre hinter der Entwicklung zurückblieben, hat die Berliner diesmal einen noch im bollen Schaffen stehenden Künstler geehrt. Und noch dazu einen Karikaturisten und geborenen Norweger.
Die Kommission begab sich alsdann nach Nowotscherkast, wo es nicht weniger reichliche Lebensmittelvorräte gibt als in der Ukraine ; aber auch hier wurde die gleiche Bedingung, nämlich Lieferung für die Konstituante, gestellt, hier waren es die Dontofaten. Schließlich wandte sich die Kommission nach Kuban, aber auch hier stellten die Kosaken die unerbittliche Forderung, nur an Die UIIstein Literatur. Aus dem Felde ist schon die Konstituante zu liefern. So blieb dann der Kommission nichts einfluß der Mütter und der stärkeren Beeinflussung der Töchter vielfach darüber geflagt worden, daß das Lesefutter, das der Ulsteinanderes übrig, als mit leeren Händen nach Petersburg zurüd- die Söhne und der Mütter auf die Töchter übrig. In ähnlicher macht und alles Befiere verdrängt. Nun kommt aus den Streisen überhaupt ab, so bleibt eine stärkere Erbeinwirkung der Väter auf Verlag mit großer Aufdringlichkeit vertreibt, sich draußen so breit zukehren. Nicht nur in Petersburg , sondern in ganz Rußland merkt man, miteinander verglichen. Weise wurden die Leistungen von Großeltern und Enkelkindern der ernsthaften Volksbibliothekare derselbe Warnruf. Walter Hofwie das Gefühl der vollkommenen Mutlosigkeit sämtliche BevölfeDanach scheint dem Großvater eine mann schreibt in der Bücherbale", dem Organ der deutschen. rungsklassen beherrscht. Die Bürgerschaft kommt zum Bewußtsein, überwiegende Erbeinwirkung auf die Enkelkinder zuzulommen. Bentralstelle für volkstümliches Büchereiwesen:„ Diese Gefahr wird daß das bolichewiſtiſche Regime teineswegs eine vorübergehende ren und um fo größer, je mehr dieje Buchverlage, wie beim Hauſe Ulstein, Erscheinung ist, und daß, wenn es auch möglich wäre, den Bolsche- ihren Schulzeugnissen, als Kinder und Eltern. Brüder unterein- mit Beitungsverlagen verbunden sind, wo dann die Macht großer wilt die Macht wieder zu entreißen, die Folgen der einmal ent- ander und Schwestern untereinander find in ihren Leistungen ähn Tageszeitungen, die für Freiheit, Fortschritt, Bolisrechte und Auffesselten Anarchie nicht weniger furchtbar sein müßten. Das Bürlicher als Geschwister von verschiedenem Geschlecht, und zwar ist die flärung fämpfen, hinter diefer volksverflachenden Romanproduktion gertum ist mit einer erschredenden Grausamkeit behandelt worden. Geschwisterähnlichkeit beim weiblichen Geschlecht größer als beim steht. Die deutschen Volksbüchereien fönnten sich ein unermeßliches Die Familien wurden im Handumdrehen aus ihren Häusern ver- männlichen. Ferner wurden die Gedächtnisleistungen der Ge- Verdienst erwerben, wenn sie geschlossen den Kampf mit dieser Getrieben, ohne jedwede Entschädigung, die Banken infolge der„ Na- schwister verglichen und an der durchschnittlichen Leiſtung der fahr aufnehmen würden." tionalisierung der Depots geschlossen, und dieses harte Verfahren Schulklasse zeigte sich eine größere Ge hat fast alle Familien in Petersburg getroffen. Aber das Bürger- schwisterähnlichkeit bei der Gedächtnisleistung als die aus den fum leidet jetzt nicht mehr allein. Der Abscheu gegen das neue Beugnisnoten ermittelte. Geschwister mit geringeren AltersRegime hat auch in allen anderen Bevölkerungsklassen tiefe Wur- unterschieden und von gleichem Geschlecht wiesen eine größere Aehnzeln geschlagen. Die drohende Hungersnot bringt die breite Masse lichkeit ihrer Gedächtnisleistung auf. zur Verzweiflung, in der Arbeiterschaft herrscht eine düstere Gärung, und die Zahl der blutigen Verbrechen hat eine schwindelerregende Höhe erreicht. Schreckliche Zeichen der Zeit sind allent halben sichtbar. Die Zahl der Blödsinnigen und Irren, die durch die Straßen hin- und herlaufen, jener armen Teufel, denen der
45]
gemessen. Ez
Nach der Ansicht von Peters find die Ergebnisse feiner Untersuchung, die in Zahlentafein niedergelegt sind, auf Vererbungserscheinungen zurückzuführen, und die nachgewiefenen Aehnlichkeiten beruhen in der Hauptfache nicht auf der Wirksamkeit der gleichen Umgebung bei den Angehörigen derfelben Familie.
wwwwww
Ein Geiger mit unstarm. Ein Geiger, so berichtet Ueber Land und Meer", hat durch eine Handgranate den rechten Unterarm eingebüßt. Er hat nun selbst eine Protheie erfunden, die den Geigenbogen führen fann. Sein künstlicher Arbeitsarm besteht im wesentlichen, aus einem verschiebbaren eisernen Trapez, in dessen einer Ecke der Geigenbogen fest angeschraubt ist. Durch dieses bewegliche Trapez sowie durch Heben und Senfen des erhaltenen Oberarms gelang es dem Künstler, das beim Geigenspiel so wichtige Handgelenk zu ersetzen.
geliebter Junge. Aber ich denke, wenn Du zurückkehrst, bin Frau Dietrich schrieb: Geehrtes Fräulein! Man hat ich nicht umsonst durch die harte Schule des Krieges ge- meine arme Tochter zu Unrecht eingesperrt. Sie tut doch gangen, dann findest Du mich, mich restlos mit Dir, mit Euch feinem Menschen was, aber sie machen jetzt nicht viel FederEin Roman aus unserer Zeit von Clara Viebig. freuend.' lefens, und nun fühlt sich Gretchen so unglücklich da, fie " Ja, das meine ich auch!" Die Krüger stieß einen tiefen Das hatte sie längst ihrem Jüngsten sagen wollen, da- wird nicht lange mehr dableiben, wollen Sie sie nicht noch Seufzer der Erleichterung aus:„ Na, denn man zu!" Und mit auch der letzte Hauch von Verstimmung zwischen ihm und mal besuchen? Morgen ist Sprechstunde, ich gehe hin, wenn wie mit neuer Kraft setzte sie den Fuß auf den Spaten und ihr verschwand. Es war nicht der rechte Abschied gewesen, Sie mich begleiten wollen, Gretchen wird sich sicher sehr trieb ihn tief hinein in die widerwillige Erde. Der Boden den sie nach dem Urlaub voneinander genommen hatten. Er freuen, sie spricht von ihnen. Denn holen Sie mich Sonnis hart wie' ne Tenne, aber ich wer' ihn schon locker friegen. hatte sie wohl umarmt und gefüßt, und doch wur es inner- tag um zwei Uhr ab. Mit freundlichem Gruß. Frau Warte man, du!" Sie stieß wieder den Spaten tief ein: lich nicht so gewesen, wie es sein soll, wenn es vielleicht ein Dietrich. Startoffeln sollen hier wachsen' ne Menge schöne mehlige legter Abschied iſt. Kaiserkronen. Der Gustav soll sein Vergnügen dran haben!" Mit einem Gefühl der Erleichterung schloß die Mutter Und sie grub weiter, eifrig, den Rücken frumm gebückt, ohne den Brief. Mochte nun tommen, was da wollte! Sie konnte, fich weiter mehr um die andere zu kümmern. ohne sich einen Vorwurf zu machen, an ihn denken.
XIII.
-
Gertrud Hatte Herzklopfen. Sie hatte für ein paar lekte erübrigte Groschen die ersten Kirschen des Jahres gekauft: rote, blanke, lachende Kirschen; nun stand sie, blaß und ernst, mit Frau Dietrich vor der Tür des Saales in der FrauenFrau Bertholdi blickte bekümmert: die Krüger war abteilung und preßte die Tüte mit dem teuren Einkauf achtwirklich sehr verändert. Es war schon so, wie Emilie gesagt los an sich. Ihr wae schrecklich zumut: im Irrenhaus, im hatte: die Frau war seltsam geworden. Verrückt', sagten die Es wurden viele Briefe geschrieben zu dieser Zeit. Irrenhaus! Und doch sah es hier so aus wie in jedem Leute. War es ein Wunder? Ach, tot wissen ist ja nichts Bangende, sehnsüchtige, liebevolle und verzweifelte Briefe. anderen Krankenhaus, nur daß die Fenster vergittert waren. gegen Ungewißheit! Verdun war etwas unbeschreiblich Hartes, die Hölle von Soldaten statt in Feldgrau in blauweiß- gestreiften Anzügen, Ihr eigener Summer kam Hedwig plöblich sehr klein vor. Verdun '. Um die, in diesem Gegefeuer waren, bangten waren ihnen auf der Treppe begegnet; die gingen frei herum. Sie ging ins Haus zurüd, es trieb sie förmlich an den Schreib- Tausende von Müttern, Gattinnen, Bräuten. Alles andere Man merkte äußerlich nicht, was hier eigentlich war. Frau tisch , sie wollte an Heiz schreiben, an Rudolf, die Söhne ihre wurde klein dagegen. Dietrich wußte gut Bescheid, sie versäumte nie die Sprechganze Liebe fühlen lassen, solange es noch Zeit dazu war. Sie ging voran in An Heinz schrieb sie: Was hat Dich zu den Fliegern geEs war merkwürdig, wie viel jetzt auch von denen stunde, derweilen schloß sie ihren Laden. trieben? Sage es mir, ich bitte Dich! Es ist nicht allein starben, die doch ohne Gefahren zu Hause saßen: die alten den Saal, mit immer stärkerem Herzklopfen folgte Gertrud. trieben? Sage es mir, ich bitte Dich! Es ist nicht allein Leute fonnten nicht recht mehr aushalten, die heimliche Dual Shre Tochter," sagte sie. Frau Dietrich erschrat. Die Wärterin trat ihnen entgegen." nich mehr hier, Dein Mut, Deine Unternehmungslust, Dein Betätigungsdrang, des Wartens, des Ausharrens war zuviel für sie. Und auch se aufs Separatzimmer gebracht. Erst war sie so unruhig ,, Wir ha'm die Dich dazu bewogen haben. Und eine Lebensversicherung Junge starben. ist es auch nicht. Das redest Du mir, Deiner Mutter, nicht vor. Junge starben. sie störte die anderen nu is se ganz stille. Ja, ja" Neulich war Frau Leutnant Rossi bei mir, eine liebe, und„ Wissen Sie schon," sagte die Dombrowski eines Abends stämmige Person stieß einen dicken Seufzer aus hier kriegt auch sehr reizvolle Frau- das brauche ich Dir wohl nicht zu Gertrud, als diese eben nach Hause gekommen war,„ vor man allerlei zu sehen. Es tut mer leid um das Fräulein, sie erst zu sagen- sie hat mein ganzes Herz gewonnen. Ich bin beim Fleischstehen hab ich's gehört, mit Ihrer vor- war wirklich' n gutes Mädchen. Aber der Strieg, der Krieg, werde sie wieder besuchen; ich hoffe mit ihr in nähere Be- maligten Freundin, der Dietrich, soll's ja nun zu Ende er war ihr zu Koppe gestiegen, Stann er das denn nich?" Sie ziehung zu fommen.' gehn.„ Na, die arme Person ins Irrenhaus!" Sie zog die feufzte wieder. Mein Mann ist auf der Männerabteilung Und an Rudolf schrieb fie: Annemarie geht es aus- Achseln bedauernd hoch.„ Aber jegt müssen ganz andere so viele Soldaten! Sonst ganz gefunde, junge Kerls. Es gezeichnet, sowohl förperlich wie seelisch. Sie ist die rechte sterben." Frau für einen, der im Felde steht. Das sehe ich immer mehr ein. Gertrud hatte lange nichts von Margarete Dietrich geEs wird dir lieb sein, zu hören, daß wir gut miteinander aus- hört. Seit die in der Anstalt untergebracht war, hatte fommen. Wenn ich anfänglich einer so schnell geschlossenen sie wohl im Vorübergehen ein paar Mal bei der Mutter ,, Na, na," die Stämmige flopste sie auf die Schulter, Ehe in Deinen jungen Jahren widerstrebte, so geschah das nach ihr gefragt, aber es war immer irgend ein Feldgrauer noch is se ja nich tot. Aber lange dauert's nich mehr, sagte nur aus Sorge. Deiner Zukunft wegen. Ich mache mir feine im Laden gewesen, und die kleine Frau stand so verschüchtert gestern der Professor. Wir wundern uns nur, daß se heute Sorge für die Zukunft mehr. Jetzt ist die Zeit des Heute und einfilbig hinter ihren Zigarrenfiften, daß sie nicht viel noch lebt. Gönnen Se ihr doch die Ruhe!" Sie schob die der morgende Tag wird für das Seine jorgen. Und Näheres hatte erfahren können. Sie beschloß, gleich den Mutter zur Zür. Gehn Se man, gehn Se man zu ihr sollte ich einmal in den alten Fehler verfallen, so hoffe ich, nächsten Tag hinzugehen, da kam auch schon am andern rüber. Kennen wird se Ihnen wohl freilich nich mehr." Du hast ein wenig Geduld mit Deiner alten Mutter, mein Morgen ein Brief.
-
die
is' n Jammer. Aber die Nerven, die Nerven, die leiden zu
sehr."
Frau Dietrich weinte leise.
72
( Forts. folgt.)