Nr. 73-1918
Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Wo heute rauschendes Leben durch die breiten, stolzen Straßen bon Odessa sich ergießt, da stand vor jegt 125 Jahren ein elendes türlisch- tartarisches Dörfchen. Der Befehl Statharinas II. rief die neue Stadt ins Leben, und man gab ihr einen Namen, der an den großen griechischen Seefahrer, an Odysseus , erinnert und der von dem in der Nähe vermuteten antiken Hafen Odessus bergenommen ift. Es ging aber zunächst mit dieser zarischen Gründung nur langsam voran. Ihren großen Aufschwung verdankt sie der Verleibung der Rollfreiheit für alle Einfuhrgüter, die Alexander I. im Jabre 1811 Odessa gewährte. Da begann es sich im amerikanischen Stile zu entwickeln, und heut ist es eine Halbmillionenstadt, die im Gebiete des früheren Rußlands nur hinter Petersburg , Moskau und Warschau an Voltszahl zurücksteht. Mit feiner diefer Städte aber läßt sich Odessa vergleichen. Odessa ist keine russische Stadt; es ist eine Stadt des Südens, die in vielem an Marseille erinnert, und es ist eine Stadt des Drientes. Zwar fennt Odessa harte Winterfälte, aber den größten Teil des Jahres herricht doch ein südliches Klima. Unter diesen Verhältnissen rückt das Leben aus den Häusern auf die Straße, und die Stadt erfüllt sich mit jenem eigentümlich lauten, bunten und erregten Verkehr, den nur der Süden kennt. Den be sonderen Einschlag gibt dann die orientalische Note. Hier trifft sich der ganze Dsten; dazu die Juden, die ein volles Drittel der Bebölkerung bilden. Und all das kennt in Odessa nur ein Ziel: den Gewinn und den Lebensgenuß. Die Univerſität spielt im Leben der Stadt eine untergeordnete Rolle. Hier jagt alles nach Gold, und der ungeheure Reichtum der Ukraine , der dem Hafen von Odessa zuströmt, bietet ja unendliche Möglichkeiten des Gewinnes. Sie haben auch große Fremdenkolonien angelockt; alle Sprachen schwirren durcheinander.
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Donnerstag, 14. März
Wie
Das Effen. Ach ja, das Essen! Früher waren bei wirbelt. Ein Stern bleibt hell und einsam. Jedesmal, wenn man Lungenkrankheit Heilmittel: Gute Luft, Liegen und Mästen. bei den puffenden Stößen des Autos vornübergebeugt wird, erscheint Regelrecht: Mästen! Jetzt kommen nun auch noch ab und zu diefer Stern im schmalen Himmelebagen zwischen Verdeck und Patienten hier an, die an Störpergewicht zunehmen. Wie innig lieb Rückwand, und jedesmal wiederholt sich die Täuschung, sei es eine müssen sie ihre Kinderchen haben, daß sie ihre Nahrung auf ein liicht. Nun noch ein wenig Stroh und ein Feuer, die Kälte aufzu eben aufkommende Leuchttugel, die augenblids wieder spurlos erfolches, faum erträgliches Maß einschränken fonnten! Naturen, denen der wohlwollende Arzt Hamsterurlaub erteilt, deren wir uns schließlich auf das Lager strecken und die Müdigkeit schnellen Begnadete tauen, das ist der einzige Wunsch für den Stest des Abends. Schlotternde Kleider und eisernes Kreuz die mitleidige Bauernfrau Schlaf heranführt, fommt in meine lesten wachen Augenblicke der zum Verkauf eines Brotes veranlassen und die dann stolz auf die alte Unteroffizier neben mir, mit fomischer Gebärde:„ Wenn ich die Augen zumache, sehe ich bloß Landstraßen, die in affenartiger nebelferne Ahnung eines Fettanfazes fehen.... Geschwindigkeit vorbeifligen!" Und da lachen wir uns nach aller Mühseligkeit des Stellungsweshiels in den Schlaf.
Von Schopenhauer wird berichtet, er habe in seinem Frank furter Gasthof des öfteren für zwei Personen gezahlt, um nicht im Zugreifen geniert zu sein. Vor dem Meer von Suppe, brandend manchmal um eine färgliche Klippe von Fleisch und eine winzige niel Kartoffeln auf unserer Tafel, ergriffe er entsegt die Flucht. Pessimismus mit vorgebundener Serviette.
Bu etwa achtzig Prozent sind wir hier Kriegsbeschädigte.
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Ich war sicher zu froh, so daß ich sie sehen mußte, die Zwei, eng aneinander geschmiegt und Glück in den Augen. Still ging ich um ihren Traum nicht zu stören. Da schüttelte ein grauenhafter Husten wie das Gebell eines heiseren Hundes den jungen Menschen und ließ ihn die Hände in den Drahtzaun krampfen. Bärtlich streichelte sie ihm das Mädchen, indes ihr ganz heimlich zwei Kiefernwipfel find gar nicht dunkelgoldig; sie sind schwarz. C. G.
Tränen übers Gesicht liefen.
Bei der Motorbatterie.
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Dle Hauszwiebel.
Trotz aller guten Ratschläge und guten Absichten ist es ver hältnismäßig nur wenigen Leuten möglich, den praktisch- wirtschaftlichen Zug der Zeit Folge zu leisten, indem sie sich ein Hausschwein halten. Wesentlich leichter liegen die Dinge hinsichtlich der Haus. zwiebel", die zwar in feiner Weise als Schweinefleischerfas geltent fann, aber immerhin auch eine Anzahl wertvoller und angenehmer Eigenschaften besitzt. Auf den Anbau der Küchenzwiebel im Hausgarten lenft die Deutsche Landwirtschaftliche Presse die Aufmerksam keit in durchaus zeitgemäßer Weise, da sich bekanntlich seit mehreren Monaten sowohl auf dem Lande wie auch in deu Städten ein Fehlen der Küchenzwiebel bemerkbar macht. Demgemäß stiegen die Preise, wahre Refordpreise wurden zum Beispiel im oberschlesischen Industriegebiet bezahlt, wo man für eine Zwiebel manamai 4. M. ver langte und erhielt. Darum liegt es nahe, die Zwiebelfultur voltsSeiner Lage nach bätte Odessa eine der schönsten Städte der tümlicher zu machen. Man unterscheidet die einjährige Kultur durch Welt werden können, und noch ist heute das Bild, das die Stadt Steck wiebeln und die zweijährige durch Samen. Die Steckzwiebeln bei der Anfahrt vom Schwarzen Meer her bietet, höchſt impoſant. Aus dem Felde wird geschrieben: Wem noch vor einem halben werden in der Zeit von Ende März bis Mitte April gepflanzt. Aus Odessa liegt nämlich am Rande des großen vontischen Steppen- Jahre, in der gemessenen Regelmäßigkeit des Kriegslebens bei einer ihnen lassen sich größere Zwiebeln ziehen als aus Sauren . Bei der plateaus, das an dieser Stelle etwa 47 Meter über den Spiegel des bodenständigen Truppe und mit dem Wuft von mehr oder weniger zweiten Kulturform geschieht die Saat in Reiben in einem Abstand Schwarzen Meeres sich erhebt und schroff zu ihm abfällt. So sieht umentbehrlichem" Gepäck der Stellungswechsel als etwas furchtbar bon 20-23 Zentimeter. Auf einen Morgen Land braucht man unman hoch über dem Wasser den Rand der Platte von einem pracht Graufiges erschien, der hat bei der ewig auf Reise befindlichen gefähr 10-12 fund Samen. Entsprechend kann man sich die für vollen Boulevard, dem Nikolai- Boulevard, gesäumt glänzende Ge- Motorbatterie, dem Wanderzirkus", sich schnell in sein den Hausgarten notwendige Samenmenge berechnen. Als besonders bäude, große Denkmäler, schöne mehrfache Baumreihen, ein reich- Schicksal finden müssen. Das Gepäck ist zusammengeschrumpft zu günstig fommt in Betracht, daß die Zwiebel teine besonderen Ansprüche bewegtes elegantes Leben. Von diefer Prachtstraße führt die be- dem Inbalt eines feldmarschmäßigen Tornisters. Aber auch dabei an den Boden stellt; am besten geeignet aber ist milder, warmer, rühmte Granittreppe, wohl die größte der Welt, in zehn Abfäßen läßt sich's leben, denn wie überall war auch hier der Krieg der lehmiger Sand. Hingegen bedürfen die Zwiebeln einer gewiffen zum Meere hinab, und hier dehnen sich weithin die vortrefflich ge- erbarmungslose Lehrmeister, der uns in der Notwendigkeit auch Pflege, namentlich ist darauf zu achten, daß die Beete öfter gejätet haltenen und ganz modern eingerichteten Hafenanlagen, hinter deren das Gute erkennen ließ. Marschbereit ist zu jeder Stunde der werden. Begießen ist selbst in Trockenperioden überflüssig. Gegent Molen sich in Friedenszeiten die Schiffe zu vielen Hunderten umzuggewohnte Feldfoldat, und kommt der Befehl, so werden rasch die beiden Feinde der Ziebelkultur, die sog. Zwiebelfliege und einen drängten und wo die Arbeit unausgesetzt ihr Hochlied fang. Was Decken und Zeltplane aufgerollt, Schnürschuhe, Brotbeutel, Schreib- Meltau, ist Besprengung mit einer 1½ proz. Kupferkalkbrühe das Odessa bei diesem ersten Anblick von der Seefeite her verspricht, sachen verstaut, und fertig. Und wieder raffeln schwerfällig die wirkiamsie Mittel. Die Ernte der Zwiebeln beginnt im August, gedas hält es nun freilich nicht. Gewiß, die öffentlichen Gebäude tlobigen Zugmaschinen mit den Geschützen über die Straßen, die nauer gesagt, sowie der Lanch gelb wird. Bei der Auffind stattlich, glänzend jogar, fo besonders das Stadt- der nimmermüde Kriegsverkehr zerfurcht und holperig gemacht hat. bewahrung muß man sorgfältig berfahren, da die Zwiebeln haus und die Börse und das Theater. Und glänzen Unter der Blane des Verdecks plumpsen die Bedienungsmannichaften, sehr zur Fäulnis neigen, am vorteilhaftesten ist es, fie dere Läden als in der Deribassowskaja findet man in wie's über Gräben und Granaitrichter geht, bei den febütternden Stößen in großen Meßbeuteln oder dünn gewebten Säden unterzubringen. leiner Stadt der Welt. Aber bei alledem ist Odessa keine durcheinander. Vorbeigleitet das graue, noch winterliche Land. Das Diese Beutel und Säde hängt man 8-14 Tage lang in die RäucherStadt, in der man sich wohl fühlen kann. Die Anlage ist ihrem von Kanälen durchäderte Land verdämmert in frierender Dede. Hier fammer, dann lönnen sie in einem dunken, luftigen, aber frostfreien Ursprunge gemäß vollkommen regelmäßig, schematisch. Die Mittel- zerschoffene Geböfte. Stable Baumitücke greifen in seltsamer Er- Raum untergebracht werden. Auf Grund der gegenwärtigen Ver linie bildet die Preobraschenskaja, Odesias längste Straße, die die starrung in den Himmel. Ein Dorf: Häuser, verfallen, ohne daß hälmisie wäre es angebracht, daß jeder Besiger eines fleinen HausStadt 2%, Kilometer lang durchstreicht. Alle Straßen find breit, die Zerstörung des Artilleriefeuers über sie wütete, von Regen und gartens fich diefes geringe Wissen zu eigen macht, um seine Haus und ihren Stolz bilden ihre Baumreiben. Denn Odessa liegt mitten Unwetter zerzaust. Der Schutthaufen des gesprengten Turmes ist zwiebeln zu züchten. Auf diese Weise wird einerseits der Mangel in der kahlen, baumlosen Steppe. Die Beschaffung guten Trink- heruntergeklatscht auf das Mitteldach der kleinen Kirche. Zwischen vermindert, andererseits ist diese Selbsthilfe stets das beste Mittel wassers stieß noch bis in die neueste Beit hinein auf die größten den Trümmern der Steinwüste schafft sich ein neues Leben Raum: gegen die immer wieder auftauchenden Preistreibereien. Hindernisse, und ein unbesieglicher Feind Odessas ist der Staub, der Baradenlager rastender Infanterie. Unsere Schnaubenden Ungetüme Steppenstaub, den die Stürme durch die breiten Straßen der Stadt halten an. Neugierig bestaunen die Infanteristen das Wunder und jagen. Draußen, in den traurigen Vorstädten, wo die Dede der fommen mit unzähligen Fragen. Klopfen die Kanonenrohre ab, Steppe fich schon fühlbar macht, da sieht man ein zweites, ein wie man den Nacken eines guten Pferdes tätschelt. Sie mögen oft anderes Odessa Odessa von der Nachtfeite, Odessa im Negligee die Hilfe dieser mächtigen stählernen Freunde verspürt baben, wenn märzlichen preußischen Zensur im Cicersue erinnert Prof. Houben Denkmälerzensur. In einer Darstellung der vor der Liederlichkeit, des Schmutzes, des Elends. Aber allen Hindernissen das Vorbereitungsfeuer feindlichen Großangriffe ihre Gräben um- daran, dag diese vortreffliche Einrichtung sich auch der Denkmäler zum Troß hat Odessa sich zur herrschenden Metropole des russischen pflügte und auf ihren Stollengängen hämmerte. Südens emporgeschwungen, und es wird diesen Rang behaupten.
In der Lungenheilstätte. Jn
Notizen.
annahm. Sie dekretierte obne gesetzliche Grundlage daß nur Motorräder flizen geschwind einher mit Meldungen. Der ferne, am Horizont hängende und nur mühsam die fatte Luft durch gekrönte Häupter in Denkmälern aufs Pferd gelegt werden durften. dringende Geschüßlärm schwillt in einzelnen Feuerstößen an. Nahe- Hieraus erklärt es sich, daß die Feldherren der Befreiungskriege, bei läßt der harte, Klingelnde Knall einer Abwehrbatterie den Boden Scharnhorst, Gneisenau usw., in Berlin zu Fuß dargestellt sind. Da, wo ich hergekommen bin, versucht man das zu ertragen, erzittern. Das Surren der englischen Flugmaschinen taumelt ver- Diese Bestimmung war auch schuld daran, daß der große dänische was jest Großstadtleben heißt: den„ Verkehr", Volksfüchenessen, irrt in der Luft. Wir warten noch immer auf den Befehl, in Bildhauer Thorwaldsen im Jahre 1817 von der Ausführung seines für Breslau bestimmten Blücherdenkmals Abstand nahm, da er den Bezugscheinstellen, Roßwurst usw. Hier schwenten vor den Fenstern Stellung zu fahren. Der leichte Luruswagen des Batterieführers Marschall Vorwärts nur beritten darstellen wollte. Auch die Inschnurrt heran furz abgerissene Zurufe, Meldung, Befehl und ernstragende Kiefern ihre immergrünen Wipfel, die Almutter Sonne flirrt weiter, das glatte Band der Landstraße geschäftig unter sich durch eine Ministerialverfügung vom 13. August 1824 zeniurpflichtig. schriften auf öffentlichen Denkmälern und auf Grabsteinen wurden dunfelgoldig füßt. Hier ist Raum. Und Luft. Und Licht. Man abhaspelnd. Die Geschüße sollen noch während der Nacht in Stellung Diese Zensur hatten die Ortsprediger auszuüben, zur Vermeidung hat Plaz genug gehabt, nebeneinander zu bauen, statt übereinander; gehen, die Backwagen und die überzähligen Mannschaften rüdwärtig, fehlerhafter und unschicklicher Inschriften". da getraut man sich tief zu atmen. Mählich weicht das Grauen, in unversehrtem, von der Zivilbevölkerung noch bewohntem Dorfe Antlänge an diese vormärzliche Tradition bestehen noch heute. das noch von da draußen her im Herzen fizzt, dem geruhigen untergebracht werden. Die graue Ebene umichattet sich mit dunkSchauen und Denken und der freiwilligen, strengen Befolgung der leren Tönen. Der Mond ist eine gelbe Scheibe zwischen WolfenDer starke Mann, Paul Jigs in unferem Feuilleton Kurvorschrift des süßen Nichtstuns. Allerdings müssen wir Arbeiter ballen. In schläfrigem, frierendem Hindusein erstarrt das Hirn, die abgedruckter Roman, ist auch ins Französische überlegt worden, darf erst lernen, welcher Genuß darin liegen kann, täglich sechs Stunden nisch die Eindrücke von Gedanken ziehen trübe und schwerfällig durch den Kopf, mecha- aber in Frankreich nicht besprochen werden. Benigens ist bisher, außen erfassend. Hinter meinem wie wir Schweizer Blättern entnehmen, jede Stritit, die zu dem in der Liegeballe aus warmen Decken heraus selig in den Wagen tommt ein zweiter, immer den gleichen Abstand wahrend; Roman Stellung nehmen wollte, unterbrüdt werden. Angeblich aus Himmel zu blingeln. Mancher lernt's nie. das erweckt die Einbildung, als wären tatsächlich die beiden Wagen Rücksicht auf die Schweiz , in Wahrheit wohl, weil der französische in Ruhe, während das mondbeglänzte Land in freisender Bewegung Militarismus felber sein Teil dabei abzubekommen fürchtet.
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noch eine Droschke gefunden, die leer daherzockelte. Der eis- ruhe: wenn das gute, geduldige Tier nun nicht mehr wollte? graue Mann auf dem Bock schien zu schlafen tros des Ge- ezt galt es, Wienschen finden, die mit weicher und doch wirrs der Straße, das Pferd schien auch zu schlafen, einen strammer Hand die Zügel führten, Nur keinen Frieden aus Huf setzte, es nach dem andern so langsam, so zögernd, als der inneren Not heraus! Nur keinen Frieden machen müssen flebe der Asphalt. nach außen, weil die innen nicht mehr wollen! Sie seufzte schwer: um Gottes willen, nur so einen Frieden, so einen nicht!
,, Wo woll'n Se denn hin?" Der Kutscher schien nicht sehr erbaut über einen Fahrgast.
Sie hatte den Bahnhof genannt.
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Sie ging zu Lili. Als sie am Haus des Rechnungsrats vorbeikam, an dieser kleinen geduckten Villa, der man es förmlich ansah, wie mühsam die Groschen zusammengespart waren, von denen sie erbaut war, sah sie die Läden geschlossen. Verreift waren die Leute nicht- war jemand frant? Totenstill lag die kleine Villa; selbst der Kanarienvogel, der sonst schmetterte, schmetterte nicht. Auch im Gärtchen, in dem an solchen Abenden wie heute der alte Herr sich eine Zigarre vergönnte, war niemand. G wehte etwas her von dem totstillen Haus, das ihr ein Gefühl der Beklemmung verursachte. Ach, die armen Leute, die mußten in einer ständigen Angst leben: Wolhynien und die Somme! Unt welchen Sohn
Ein Roman aus unserer Zeit von Clara Viebig . Es waren trübe Gedanken, die Hermine von Voigt im Stopf herumgingen, als sie heute nach Hause kam. Sie war böse auf die Weiber, die so unverständig die Zeit nahmen, die das Leid, das an ihnen fraß, in Groll ausließen gegen die Höherstehenden und in Unverträglichkeit gegeneinander. ,, Na, dahin wird's woll noch jehn. Was, Roland?" Und doch konnte sie ihnen wiederum nicht böse sein. Warteten Das Pferd sentte betrübt den Kopf, es hielt an. sie nicht schon zwei Jahre auf ihre Männer, auf ihre Söhne,„ Sind se ooch nich zu schwer?" Mit mißtrauischem die draußen waren? Warten geht auf die Nerven. Sie wußte Blick hatte der Alte ihre Batete gemustert. Nun ruckte das es ja von sich selber, wie es wirkt, wenn man lange warten Pferd an, sie zockelten weiter. Langsam nur ging es, sehr muß; gar nicht von jegt, nur von ganz gewöhnlichem Warten langsam, sie wäre wohl ebenso schnell zu Fuß weiter zu reden. Erst schickt man sich in Geduld, dann gähnt man, gekommen. Plötzlich hielt der Wagen. An der Ecke, wo wird abgespannt, faßt nach der Stirn, fühlt eine allgemeine früher ein Droschtenhalteplak gewesen war; aber Wagen Mattigkeit; eine plögliche innere Leere stellt sich ein, man waren jetzt keine mehr da, nur das Schild: Halteplatz für bermeint umsinken zu müssen. Und dann kommt die Unruhe. sechs Droschken.' Man sieht nach der Uhr: schon wieder eine Viertelstunde! Was war denn, warum hielten sie hier an? Man springt auf, man läuft auf und ab, man seufzt, man ,, Er will nich mehr," sagte der Alte und kletterte steif- mußten sie wohl in der größten Sorge sein?! fängt an sich zu beklagen, man ärgert sich, man wird auf- beinig vom Bock herunter. Steigen Se man immer aus, Bei Lili war es auch still, aber es war eine andere gebracht, man hat kein Einsehen mehr, man ist nicht mehr meine Dame, nu jeht's nich weiter. Was sagste, Roland?" Stille. Es lag etwas über der jungen Frau, was die derselbe Mensch, der man vordem war, man hält's nicht mehr Er faßte das Pferd vorn an der Kinnkette, das Tier hatte Mutter lange, lange nicht an ihr wahrgenommen hatte. Ein aus. Und nun dieses Warten! Und zu der inneren Not die den Kopf geschüttelt. Sehn Se, meine Dame, wenn er so stilles Leuchten schien da zu sein, von innen herausäußere! schüttelt, dann weeß ick Bescheid. Denn jagt er: Nee'. zustrahlen mit einer lautlosen, aber tief erwärmenden Immer sah sie die Frau vor sich, der die finsteren Haar-' n jutes Tier,' n jeduldiges Tier. Aber was zu viel is, Straft. Die Mutter war verwundert: solch ein Empfang strähnen in die blasse Stirn hingen. Und so waren viele. is zu viel. Kann man denn ooch verlangen, det er war ihr lange nicht geworden. Sie war oft gekommen, Ein Heer von müden, vergrämten, verbitterten Gesichtern rennen soll den janzen Dag die weiten Wege mit zehnmal öfter hierher, als die Tochter zu ihr gekommen war, stürmte gegen sie an. Und denen wollte sie zürnen? War man een Pfund Hafer in'n Bauch! Kartoffelschalen soll ick und immer hatte sie das gleiche, müde, entfagungsvolle Wesen sie denn nicht selber ihrer Zeit so müde, oh, so entfeßlich verfuttern, Rüben, so allerlei-' n Pferd is doch teen Schwein. gefunden, das sie mit tiefer Wehmut erfüllte. Heute aber müde? Wenn ihr Mann auch draußen immerhin in einer Was, Roland?" Er flopste das Tier. Ohne sich zu regen, fiel ihr Lili um den Hals. Und gab ihr Küsse, und schmiegte gewissen Sicherheit war, wenn sie auch keine Söhne dabei stand das da mit hängendem Kopf, mit hängender Mähne, mit sich an sie, wie sie's als kleines Mädchen getan hatte, wenn hatte, wie nebenan der alte Geheimrat und seine Frau, um hängendem Schwanz, mit hängenden Ohren, ein Bild der sie so recht von Herzen froh war. Frau von Voigt fragte die sie zittern mußte; wenn sie auch heute an einem Tisch Trauer. Nun hatte sie erst gesehen, wie entsetzlich mager es nicht: was macht dich so froh? Wenn Lili ihr's erzählen saß, auf dem noch ein Abendbrot stand, von dem man satt war, man konnte die Rippen zählen. wollte, würde sie es schon tun; vielleicht aber hatte sie gar werden konnte, wenn sie auch fein fleines Kind weinen hörte Warum ihr nur jetzt dieses arme verelendete Tier wieder nichts zu erzählen, wußte es selber nicht, wie sehr ihr Besen vor Hunger. einfiel? Gut, geduldig aber was zu viel ist, ist zu viel! verändert war. Ram jezt endlich die Zeit, in der die geSie seufzte und stüßte den Kopf in die Hand. Da war Es litt sie nicht mehr allein in der Wohnung. Das quälte Seele sich löste aus ihren Stämpfen, in der die Jugend fie neulich in Berlin gewesen, stundenlang war sie umher- Mädchen, das abräumte, wunderte sich, wie wenig Grzellenz wieder aufwachte und neben der Trauer ihr Recht fand?- gelaufen, schwer beladen mit Paketen, sehr müde hatte sie zuletzt gegessen hatte. Hermine von Voigt fühlte eine quälende Un( Forts, folgt.)
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