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Nr. 147.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage ,, Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 8,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Bettungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Betttzelle oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs: Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner  

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Donnerstag, den 28. Juni 1894.

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!

Abonnements- Einladung.

Die Präsidentenwahl ann mußte Präsident der Republik werden, das

als Finanzminister nicht zugelassen hatte. Ein ehr­licher

Wir ersuchen alle unsere Freunde und Genossen, nach in Frankreich  . Kräften für die Erweiterung unseres Abonnentenkreises zum 1. Juli thätig zu sein. Frankreich   hat seit heute Nachmittag wieder einen Es ist das eine Partei­pflicht. Die Hauptstärke einer Partei liegt in ihrer Presse Präsidenten. Nach harten Kämpfen innerhalb der Fraktionen je mehr Leser ein Blatt hat, desto größere Macht hat trat heute um 1 Uhr der Kongreß, die Versammlung sämmt es, und je größer die Macht der Parteipresse, desto größer licher Deputirten und Senatoren zusammen und wählte die Macht der Partei, wer dem Partei- Organ neue Leser gleich im ersten Wahlgange Cafimir Perier zum Präsidenten der Republik. zuführt, stärkt sonach die Partei. werden antworten, er war Präsident der Kammer, Präsident Wer ist Herr Perier  ? Die nach Aeußerlichkeiten urtheilen, des Ministeriums, Sohn eines der Bourgeoisie ans Herz ge­Ministers Louis Philipp's.

Mit dem 1. Juli eröffnen wir ein neues Abonnement

auf den

wurde begriffen und mit ungeheurer Mehrheit wurde Sadi Carnot   nach einem vergeblichen Wahlgange zum Oberhaupt der Republik   gemacht.

Vorwärts" Berliner Volksblatt wachfenen, gemäßigten Republikaners and Enkels eines démotraten fofort ihre Stimmenzu, obgleich Briffson politiſch und

mit der illustrirten Sonntags- Beilage

Die Neue Welt".

Für Berlin   nehmen sämmtliche Beitungsspediteure, sowie unsere Expedition, Beuthstr. 3, Bestellungen entgegen zum unsere Expedition, Beuthstr. 3, Bestellungen entgegen zum monatlichen Preise von 1 Mark 10 Pfennige frei ins Haus, wöchentlich 28 Pfennige.

Für außerhalb nehmen sämmtliche Postanstalten Abonnements zum Preise von 3,30 M. für die Monate Juli- August- September entgegen.( Eingetragen in der Post- Beitungs- Preisliste für 1894

unter Nr. 6919.)

In unserer Nummer 71 begannen wir die Veröffentlichung des geschichtlichen Romans

Der Jude.

Von Spindler  .

Neu eintretenden Abonnenten werden die bisher erschienenen Nummern auf Verlangen nachgeliefert.

Seitdem hat Frankreich   den Panamaschwindel erlebt, der sich zu der Wilson Affäre wie ein Rehberg zum Chimborasso verhält, wer anders war da vorausbestimmt zum Präsidenten der Republik, als der Mann, der wegen seines fleckenlosen Charakters in ganz Frankreich   geehrt ist und in der Panama  - Untersuchungsfommission bestimmt wurde, der deshalb allein ernsthaft in Frage kam, als über den Vorsitz Brisson. Diesem Manne sicherten deshalb auch die Sozial­fozial ihr Gegner ist. Diese Ueberwindung der Sozial­Ist nun Herr Perier deshalb gewählt worden? demokraten ist dem Großkapital fremd, sie brauchten keinen Nein, Herr Cafimir Perier ist gewählt worden, weil er Charakter, sie wollten eine Fauft haben, einen Mann, der so gemäßigt ist, daß man ihn für einen geheimen Orleanisten mit der Großbourgeoisie steht und fällt, einen Mann, hält, er ist gewählt worden, weil er der reichsten französischen dessen Interessen ihre Interessen sind, einen Mann frei von Bourgeoisie angehört, weil sein Vermögen nach Duyenden Sentimentalität, einen Mann, dem die Worte Freiheit, von Millionen zählt, weil er dem Kreise der Rothschild Gleichheit und Brüderlichkeit", dieser Wahlspruch der fran­und Leon Say   angehört, weil er ein sicherer Vertreter des zösischen Revolution und Republik  , Phrase nichts Großkapitalismus sans phrase ist, weil er die Garantie als Phrase sind. Den Mann, der mehr Ausnahme bietet, ein reiner, vor feinem Mittel zurückschreckender Ver- gesetze in der kurzen Zeit seines Ministerinms ver­treter der Klaffeninteressen der Bourgeoisie zu sein. treten hat, als die ganze französische   Gesetzgebung Er wurde gewählt, weil sein Kapital in Fabriken sonst enthält, das war der Mann, den der französische  und Bergwerfen angelegt ist, weil er an den sozialen Kongreß zum Chef des Staates gemacht hat und dem Kämpfen als Großunternehmer mitinteressirt ist. Niemand morgen die ganze kapitalistische Presse diesseits und jenseits weiß etwas von hervorragenden Eigenschaften des Geistes des Ozeans zujubeln wird, der heute wohl nicht die Zeit und des Charakters Cafimir Perier's, darauf wird von den gefunden hat, die freudigen Begrüßungen seiner Kollegen herrschenden Klassen Frankreichs   gerne verzichtet, wenn ihr auf den Thronen Europa's   zu erwidern. Vertreter nur sicher ist als ein Mann, dem die ,, Heiligkeit des Eigenthums" höher steht als alle Grundsätze einer Republik.

Wie tief ist Frankreich   seit sieben Jahren gesunken! Als zum letzten Male, vor 61/2 Jahren, sich der Kongreß Nach diesem Noman werden wir einen anderen veröffent- versammelt hatte, stand Frankreich   unter dem Eindrucke lichen, der in Berlin   spielt und die März Ereignisse der Korruption Wilson's. des Jahres 1848 schildert.

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Der französische   Kongreß hat Herrn Cafimir Perier gewählt; wird aber das französische   Volt mit der Wahl zufrieden sein?

Wir glauben es nicht; wir glauben auch nicht, daß Casimir Perier   gewählt worden wäre, wenn die Wahl des Präsidenten der Republik sich so vollziehen würde, wie die Sonstige Gesetzgebungsarbeit in Frankreich  , daß Kammer und Wian wandte sich ab von den Kandidaten Ferry Senat gesondert über die Wahl hätten beschließen müssen. und Freycinet, man griff nach einem Mann, an den Mit 451 gegen 402 Stimmen wurde nämlich Herr Perier niemand gedacht hatte, nach Carnot, und einzig deshalb, blos gewählt, da aber der Senat, diese Vertretung des weil man von ihm wußte, daß er ein ehrlicher Mensch Großbefizes, mit übergroßer Mehrheit sich für Casimir

Die Redaktion und Expedition des ,, Vorwärts" Berliner Volksblatt. war, der Steuerhinterziehungen seitens reicher Unternehmer Berier erklärt hatte, scheint es erwiesen zu sein, daß das

Feuilleton. Der Inde.

Deutsches Sittengemälde

aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Von C. Spindler  .

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Ich muß Euch auffordern, vorlauter Mensch, zu schweigen, flog die Erzählung des Vorfalls gestrigen Tages, entstellt, wenn ich nicht reden soll."" Frei heraus", entgegnete vergrößert und gehässig gemacht, rings umber, von dem Dagobert, in welchem die vom Schultheiß gegen Esther Oberstrichter, seinem Sohne und des Schultheißen   Neffen beabsichtigte Unbill die Flamme schürte. Frei heraus! verbreitet. Die Dagobert Zunächststehenden wichen um Ich habe schon gesehen, daß Ihr scheel auf mich schaut. mehrere Schritte zurück, denn der Angeklagte hatte ja mit Bielleicht erfahre ich jetzt, warum. Doch rathe ich Euch, Juden zu thun gehabt, und den Nachrichter berührt, war jede Schmähung gegen Vater oder Mutter unterwegs zu vielleicht von dem letzteren wieder berührt worden. Die lassen, soll ich nicht vergessen..." Mäßigt Euch!" Frauen, die am längsten für ihn Theinahme gehegt, rümpf­flüsterten ihm mehrere theilnehmende Freunde zu, und ein ten, da sie von der Judendirne hörten, höhnisch die Nase. Gleich, gleich", stotterte Diether halb außer sich, begütigender Blick von der Frau von Dürningen machte Die Frau von Dürningen mit ihrer Tochter sah scheu und nach Mantel und Piret rufend, welches ihm der Stuben- ihn schweigen." Ihr habt Euch schon vergessen," brauste befangen, obwohl nicht zürnend nach dem Jüngling. So diener zögernd und faul herbeibrachte. Indessen ging die der Schultheiß auf:" doch soll man nicht sagen, als wollte ſehr indessen mehrere auf des Schultheißen   rücksichtslose Nachricht schnell um die ganze Tafel, und Dagobert sprang ich vergelten, was der Jugend Thorheit oder der Trunk Schmachrede einen heftigen Ausbruch von Dagobert's ebenfalls auf, um dem Vater zu folgen, der sich gerade aus Euch spricht; als Ritter und Schultheiß   vergebe ich Wuth befürchteten, den wieder andere, der Folgen wegen, der Thüre näherte, als der Schultheiß zu dem Bürger- Euch Eure rohe Unart. Aber als Stubenmeister dieser wünschten, so sehr hatten sich diese geirrt. Die letzten Worte meister laut genug sagte: Wie könnt Ihr nur eine Frage löblichen und reinadligen Gesellschaft habe ich ein Wort zu des Stubenmeisters hatten eine himmlische Ruhe über das verschwenden nach dem Thäter, wohlweiser Herr? Wie Euch zu sprechen, das früher schon gefallen wäre, hätte ich Antlitz des Beleidigten verbreitet." Ich dachte bis jetzo die Sachen in jenem Hause stehen, ist mir nicht fremd. früher Eure Anwesenheit bemerken, oder Euren Vater nicht unter gefühlvollen Menschen zu stehen;" erwiderte er, sich Man muß wissen, daß die Stiefmutter und der eigene schonen wollen. Warum, junger, unbesonnener Gesell, er- ernst umschauend:" doch habe ich mich geirrt. Es ist wohl Bruder die arme Schwester stets verfolgten, und daß der fordern unsere Ordnungen acht Ahnenschilder zur Aufnahme keiner unter all' diesen edlen Herren, der nicht sein Geld ersteren leiblicher Bruber ein weitberüchtigter Buschtlepper in die Genossenschaft? Damit nur reinadlige Gesinnung verschwendete, um einem lahmen Pferde wieder auf die ist, der im Stadtbann wie im Kirchenbann liegt, um den in diesem Kreise herrsche. Wer gegen Sitte, Bucht und Beine zu helfen; keine unter all' diesen Frauen, die nicht ganzen Handel begreifen zu können." Diether horchte Biederteit handelt, wer schlechter Gesellschaft pflegt, zum ihr Herz zerrissen fühlte, sähe fie ihren Schooßhund in Ges hoch auf; schleuderte dann einen vernichtenden Blick auf Abschaum des Pöbels hernieder steigt, und mit Nohheit den fahr. Doch sprechen sie über mich das Urtheil, weil ich seinen Sohn, und rannte ungestüm aus der Thür. Dagobert, Adel und die Würde schmäht, wird aus diesem Hause ges mit den erbarmenswerthesten Menschen Mitleid fühlte; weil den Groll des Vaters übersehend, trat jedoch festen Schritte wiesen, und also thue ich Euch."- Mir?" fuhr Dagobert ich eine Grausamkeit abwehrte, die nur in dem traurigsten und schnell auf den Schultheißen   zu, und sagte mit Gewicht: auf, und rings ward es stumm. Euch!" wiederholte Verfolgungsgeiste, nicht im Richteramte ihren Grund findet. Wie mögt Ihr nur, edler Herr, solch unüberlegt Wort in der Schultheiß   mit der zu Boden schlagenden Hoheit, die In Gottes Namen denn; ich wußte nicht, daß Juden offener Gesellschaft meinem Vater und mir zum Gehöre ihm zuzeiten eigen war: Denkt des gestrigen Tages, und weniger als Hunde und Gäule sind, und diese Lehre ist der reden? Wie mögt Ihr meine Stiefmutter beschimpfen, die fragt Euch selbst, ob Ihr ferner würdig seid, auf diesem Verweisung aus diesem Hause wohl werth. Ich gehe mit des Leuenburgers sittenlosen, übeln Wandel nicht theilt, Boden zu stehen. Wer mit Juden, Mördern und Dieben Freuden und thue dieses ohne Groll, denn ich erzähle nicht sondern stets ein Muster von Rechtschaffenheit für die ganze verkehrt, sie gegen die öffentliche Gewalt in Schutz nimmt, einmal den ehrsamen Anwesenden, was zwischen dem ge­Stadt gewesen?" den Richter in seinem Amte lästert und bedroht, wer sich strengen Herrn Schultheiß   und dem schlechten Judenarzt Der Ritter maß den Jüngling, auf den sich alle Blicke nicht schämt, an den unehrlichen Stöcker auf offener Gasse Joseph abgeredet worden ist." richteten, vom Kopf bis zu den Füßen, und verzog höhnisch Hand zu legen, um das Gesindel zu befreien,... der siche den Mund. Wenn ich auch sehr gut begreife", sprach er, nicht mehr unter uns, nicht heut, nicht morgen und nimmer. wie es fommt, daß hier der Stiefsohn für die Stief Dort ist die Thüre. Geht!" mutter so heftig Partei nimmt, so möchte ich das Recht Um aller Heiligen willen! was ist vorgefallen?" wohl kennen, das Euch zusteht, mich zur Rede zu stellen? fragten die meisten aus der Versammlung, und zur Antwo

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Mit einem mitleidigen Blicke streifte er noch einmal alle Umstehenden, besonders den höhnisch lächelnden Oberstrichter und den verlegenen Schultheiß, gürtete langsam seinen Stoß­degen um, band das Piret unterm Kinn fest une verließ ohne end ein Zeichen des Lebewohls, wie ein im Rückzuge