Das Rabengekrächz der Reaktionäre nimmt zu. „AnZnahmcgcsetze!" czellt es ringS um die Leiche Carnot's herum. Während die„Neuesten Nachrichten" der an an- derer Stelle besprochenen Brief Bismarck's aus dem Jahre 1878, der sich für eine Verschärfung des Sozialisten- gesetzcs aussprach, als zeitgemäße Kundgebung neu abdrucken, krächzt die„Kreuz-Zeitung " ihre eigene Melodie. Sie empfiehlt die Aufhebung des Asylrechts in allen Staaten, die noch daran festhalten, und fährt dann fort: Auch damit wird man bell Anarchismus und feine Folgezustände zwar keineswegs ausrotten oder auch nur gänzlich lahm zu legen im stände sein, allein eine gewisse Wirkung ließe sich von Maßnahmen dieser Art um so sicherer erwarten, als sich nach jedem Mordanfall zeigt. daß der Betreffende als„Anarchist", wenn schon nicht als „praktisch ausübender", bekannt gewesen sei. Solche„bekannte" Anarchisten wären auf grund internationaler Verein- barungen dem Heimalhsstaate zuzuweisen und dort der strengsten persönlichen Ueberwachung zu unter- werfen. Das würde, falls die Durchführung der Maßregel nicht auf dem Papier bliebe, mit der Zeit schon helfen. Wenn aber immer wieder alle mög lichen„Rücksichten" genommen werden solle», dann kann ei freilich zu keiner Besserung kommen, und die europäische Menschheit wird sich daran gewöhnen müssen, unter dem Drucke einer beständigen Angst, eines„Schreckens ohne Ende" weiter zu leben. Daß auch das nicht irgend einem Wahnwitzigen oder Fanatiker die Begehung einer Mordthat nicht unmöglich machen würde, wohl aber viele anarchistischen Ansichten huldigende Leute, die bisher keineswegs zu Gewaltthaten neigten, erst zu Fanatikern machen würde, sieht natürlich der alte Rcaktionsrabe nicht ein. Was er sonst noch über die Juden und Sozialdemokraten krächzt, ist das alte Lied, das man oft genug vernommen hat. Wir brauchen unsere Leser nicht mit dessen Wiederholung zu belästigen. Ueber die geplante Neuorganisation für das deutsche Handwerk brachte die„Baugew.-Ztg." vor einigen Tagen einen Bericht, den auch wir inhaltlich bereits mitgetheilt haben. Die Mittheilungen dieses Organs sind jedoch nach einer offiziösen Angabe unvollständig und dahin zu ergänzen, daß aus dem vorjährigen Entwurf die Bestimmung über nommen werden soll, wonach alle Gewerbetreibenden, die nicht mindestens regelmäßig zwanzig Arbeiter beschäftigen, der neuen Organisation für das Handwerk angehören. Da es indessen einige industrielle Betriebe gicbt, die ebenfalls durchschnittlich weniger als �zwanzig Arbeiter beschäftigen, wie die Holzindustrien in die chemische Industrie, und da diese Industrie und die Handwerksorganisation einbezogen werden sollen, so wird die betreffende Bestimmung diesmal genauer gefaßt werden. Auch sonst sollen die von sach verständiger Seite gegen den vorjährigen Entwurf erhobenen Einwendungen und Bedenken thunlichst berück- sichtigt werden. Mit der Ausarbeitung des neuen End wurfs ist wieder das preußische Handelsministerium betraut worden. Daß der neue Entwurf nach seiner Fertigstellung der Beurtheilung der Fachkreise unterbreitet werden wird, ist um so wahrscheinlicher, als es sich nicht um eine Um arbeitung des früheren Entwurfes auf grund der erstatteten Gutachten, sondern um einen völlig neuen Plan auf neuer Grundlage handelt. Cr dürfte das Schicksal seines Vorgängers theilen, das heißt niemanden befriedigen.—— Eine Konferenz der prenhischen Landesdirektoren findet, wie die„Kölnische Zeitung " meldet, in Königsberg vom 3.-6. Juli statt. Auf der Tagesordnung stehen u.a.: Mit- theilung über die beschlossene Kollektivvorstellung, betreffend die Zeugengebühren der mittleren Staatsbeamten; Beschluß- fassung über die Frage, ob nicht für die Abhaltung der Provinziallandtage ein- für alle Mal eine bestimmte Zeit, Ende Februar oder Ansang März, festgesetzt werden könne, um das gleichzeitige Tagen der Provinzial- landtage und derParlamente zu verhindern; Aufstellung einer Statistik über die Ar- beitS Häuser, Besserungs- und Korrektions- a n st a l t e n in Teutschland; Vorschläge zur Aenderung oder Ergänzung des Gesetzes über die Kleinbahnen; Fragen über die Hebammen- Lehrkurse; Begriffe der Hilfs- bedürftigkeit bei Geisteskranken; Zweckmäßigkeit der Ein- richtung einer ärztlichen Ueberwachung der Provinzialheil- und Pflcge-Anstalten bei der Zentralstelle der Provinzial- Verwaltung; Zweckmäßigkeit der Ueberweisnng der auf grund des ß 56 des Strafgesetzbuches errichteten Erziehungs- und Besserungsanstalten sowie der bezüglichen Fonds an die Provinzialverbände.— Vermehrung der s5abrikinspektoren in Bayern . In der bayerischen Abgeordnetenkammer haben die Sozial- dimokraten eine Reihe von Anregungen zu dem Institut der Fabriki'ispektoren vorgebracht. Wie die„Franks. Ztg." hört, werden diese Anregungen im zuständigen Ministerium des Innern einer Prüfung unterzogen; es ist jetzt schon wahrscheinlich, daß der einen oder anderen Anregung ent- sprachen werden wird.— Ueber die Folgen des Attentates auf Carnot schreibt man uns aus London : Die Zurückhaltung, mit welcher die reaktiv- nären Parteien der verschiedenen Länder die Ermordung Carnot's in den ersten Tagen behandelten, zeigt, daß sie das Ereigniß im großen Stil auszunützen ge- denken, und freie Hand wahren wollen. Politisch, wir meinen international politisch, ist der Tod Carnot's ohne jegliche Bedeutung. Er läßt die Weltlage vollkommen unverändert, und berührt die Verhältnisse der Staaten zu einander in keiner Weise. Höchstens könnte man sagen: die Aussichten des französisch- russischen Bündnisses seien noch nebliger geworden, allein sie waren schon vorher so neblig, daß ans ein bischen mehr oder weniger nichts ankommt. Tcsto mehr Ausbeute versprechen sich die reaktionären Geschästspolitiker auf dem Gebiete der i n n e r e n Politik. Es wäre thöricht, leugnen zu wollen, daß die Aufregung, welche der Dolchstoß des Italieners naturgemäß hervorbringen mußte, die öffentliche Meinung aller Länder dem langgenährten Ideal unserer Reaktionäre: der Aufhebung des Asylrechts für Anarchisten weit günstiger gestimmt hat. Und es unterliegt keinem ZchejfeZ daß eine kombinirte Aktion in diesem Sinne bevorsteht. An sich könnte unS das nur höchst gleich- giltig sein. Denn für gemeine Verbrechen besteht ohnehin kein Asylrecht, und Handlungen wie die Ravachol's, Vaillant's, Henry's, Cesario's:c. halten wir nicht für politische Verbrechen. Ob Spitzbuben, Falsch- münzer, Banditen sich„Anarchisten" nennen oder nicht, das ist ganz gleichgiltig, und ändert nichts an der That- fache, daß sie Banditen, Spitzbuben, Falschmünzer sind. Wobei wir kaum nöthig haben zu betonen, daß auch das gemeine Verbrechen für unS Sozialisten, wenn nicht eine geistige,, doch wenigstens eine soziale Krankheit ist. Die Gefahr liegt in der Dehnbarkeit des Begriffes Anarchistisch. Das was die Welt als anarchistisch verabscheut und was wir von jeher verabscheut haben: die Dynamit- und sonstigen Banditenstreiche und Ver- brechen, werden gerade von unseren Herren Reaktionären nicht verabscheut; sie sind im Gegentheil von ihnen systematisch gezüchtet worden— im Interesse oer Reaktion. Diesem Anarchismus wollen die Herren Reak- tionäre gar nicht zu Leibe gehen— er ist ihnen zu nützlich— ja, man kann sagen, er ist jetzt ihr wichtigster Rechnungsfaktor. Wenn sie gegen den Anarchismus eifern und hetzen, so meinen sie damit alle Bestrebungen, die ihnen den Boden unter den Füßen hinwegziehen, also in erster Linie den S o z i a l i s- m u s. Und, wie dies ein Organ der Poli�ei-Anarchisten jüngst mit naiver Offenherzigkeit ausdrückte: ist einmal das Asylrecht für die Anarchisten beseitigt, dann lassen sich auch Andere„wegfische n." Jedenfalls wollen die Herren Reaktionäre jetzt im Trüben fischen. Und es gilt, ihnen auf die Finger zugehen und zu klopfen.— Die Italiener werden in Frankreich noch immer Nicht geschont. Heute liegen noch weitere Meldungen von Ausschreitungen gegen Italiener vor. Wir theilen die wichtigsten hier mit: Lyon , 26. Juni. Die Plünderungen der italienischen Spezereiwaaren-Handlungen wurden Abends fortgesetzt. Im Quartier Vaise kam in einer derselben eine Tonne mit Pe- troleum zur Explosion, wodurch ein Brand entstand, bei dem einer der Plündernden und ein Einwohner des betr. Hauses umkamen. Ihre Leichen sind unkenntlich. 30 der Plündernden wurden verhastet. Lyon , 26. Juni. Im Innern der Stadt herrscht Ruhe, aber auf der linken Seite der Rhone scheint die Aufregung wieder auszubrechen. Der Präfekl hat strenge Maßnahmen angeordnet, deren Ausführung er persönlich überwacht. Eine vom Bürgermeister veröffentlichte Proklamation besagt, es würden an verschiedenen Punkten der Stadt unter dem Vorwande des Patriotismus von Uebelthätern Akts des V a n d a I i s in u s und der Plünderungs - sucht begangen. Diese Leute, welche Unruhen begünstigten und für sich die Zugehörigkeit zu einer Partei, zu einer Nationalität nicht beanspruchen könnten, müßten als gemeine Verbrecher an- gesehen und als solche behandelt und bestraft werden. Die Proklamation schließt mit einer Aufforderung an alle Bürger, solche schmählichen Handlungen nicht zu dulden, sondern die Behörden zu unterstützen. Lyon . 26. Juni. Mehrere Individuen, welche einen Spezereiladen plünderten, wurden durch die Explosion einer mit einer Essenz gefüllten Flasche schwer verwundet. Eine Person wurde getödtet. G r e n o b l e, 26. Juni. Die gestrige gegen die Italiener gerichtete Kundgebung führte zu bedauerlichen Zwischenfällen. Der erste erfolgte dadurch, daß italienische Arbeiter in Trupps unter Absingen von Liedern durch die Straßen zogen Italic früher Personen gefolgt, in das italienische Bizckonsulat' ein, riß das Wappenschild herab und zerriß die Fahne; er wurde verhaftet. Der Präfekt richtete ein Entschuldigungs- schreiben an de» Vizekonsul.— TruppS von Ruhestörern durchzogen die Straßen. Die eigentliche Bevölkerung verhält sich ruhig und ablehnend gegen die Kundgebungen. Heute fanden mehrere Kundgebungen statt; Plätze und Straßenecke» sind militärisch besetzt. Marseille , 27. Funi. Die im Laufe des gestrigen Tages vorgekommenen Zwischenfälle sind bedeutungslos; gleich- wohl suchten zahlreiche italienische Arbeiter bei dem Konsulat« die Rückbeförderung in ihre Heimath nach, was der Konsul jedoch abschlug. Die Haltung der Bevölkerung ist eine durchaus ruhige. Nancy , 26. Juni. In Neuilly bei Nancy kam es unter den bei den Mörtelwerken beschäftigten italienischen und fran- zösischen Arbeitern zu einer Schlägerei, jedoch wurde die Ruhe durch die von hier abgesandten Gendarmen und Dragoner wieder hergestellt. Eine Verhaftung erfolgte nicht. Die Italiener beschlossen, das Land zu verlassen. G r e n o b l e, 27. Juni. Ein großer Trupp Arbeiter zog gestern, vielfach bewaffnet, durch die Straßen und verfolgte die Italiener. Vor dem italienischen Konsulat riefen die Manifestanten:„Nieder mit Italien !", zerschlugen das Konsulatswappen und zerrissen die italienische Fahne. Einige der Tumultuanten drangen in das Innere des Gebäudes, demolirten mehrere Statuen und warfen das Bildniß König Humberts auf die Straße. Truppen und Polizei trieben schließlich die Ruhestörer auseinander. Auch während der Nach! demonstrirten die Arbeiter wieder vor den Wohnungen der Italiener und setzten die Kundgebungen trotz der scharfen Polizeimaßregeln fort. Ueber 100 Verhaftungen wurden hier vorgenommen. Turin . 27. Juni. Gestern Abend, im Laufe der Nacht und heute Morgen sind hunderte von Italienern, die aus Lyon und anderen französischen Städten stüchteten, hier ein- getroffen. Weitere Ejrlrazüge mit Flüchtigen werden erwartet. Bis jetzt sind in Turin 3000 italienische Arbeiter aus Frank- reich angelangt. Schlauineier. In P a r i s hatten vorigen Sonnabend etwa hundert Mitglieder der„Britischen Handelskammer" ein Fest- und Zweckessen, bei welchem auch die Frage der europäischen Abrüstung besprochen ward. Die klugen Herren einigten sich dahin, daß es eine internatio- nale Kalamität wäre, wenn die 3 750 000 Soldaten, die jetzt unter den Waffen stehen, entlassen würden. Die Zahl der Arbeitslosen würde dann kolossal vermehrt und ein unerträglicher Zustand geschaffen werden. Wenn es diesen Pfiffikussen nach ginge, müßten wir unsere Armeen noch vergrößern— womöglich jeden Menschen in die Ka- ferne stecken. Freilich müßten die Soldaten dann von der Luft leben, denn wer sollte sie ernähren? Bekanntlich wurde diese sinnreiche Theorie während der vorjährigen Wahl- bewegung von Herrn Böckel und anderen antisemitischen Lichtern vertreten, die den„Sozialismus der Dummen" im wahrsten Sinne des Worts als Richter'schen„Kasernen- Sozialismus" auffaßten.— Hänser und Boden für Arbeiter. Die Sozialkommisston hat an den norwegischen Storthing den Antrag gestellt, daß der Staat einen Fonds von 600 006 Kronen(eine Krone hat den Werth von 1 M. I2> s Pf.) bilden solle, der zur Errichtung von Arbeiterwohnungen zu verwenden wäre. Von diesem Fonds sollen S0 000 Kronen an eine einzelne Kommune ausgeliehen werden. Die Kommune kann das Geld auf eigene Verant- ivortung in Summen von höchstens 1500 Kronen gegen 4 pCt. Verzinsung vergeben. Die Kommune zahlt an dmt Staat N/4 pCt. Zinsen. Das übrigbleibende Vi pCt. behält die Kom- mune als Entschädigung für ihre Kosten und Zinsen. Ferner beantragt die Kommission die Schaffung eines Fonds von 200 000 Kronen, der zum Ankauf von Land verwendet werden soll, welches an kleine Besitzer zu höchstens 2500 Quadrat- meter ausparzellirt werden kann. Diese Einrichtung soll für Land- arbeiter und Jnstleute geschaffen werden. Auch hier tritt die Kommune als Mittler ein. Das Dispositionsrecht der ein- zelnen Kommunen ist auf 25 000 Kronen festgesetzt und auf die einzelne Parzelle dürfen höchstens lS00 Kronen verwandt werden. Auch hier bezahlt die Kommune 3�/4 pCt. an den Staat, während der Entlehner 4pCt. an die Kommune zahlen muß. Wenn ein Mann auf einem solchen Parzelleneigenthum ein Haus bauen will oder daselbst ein Haus bereits erbaut ist, welches nicht ab- bezahlt ist. kann er aus dem ersten Fonds unter den obengenannten Bedingungen ein Darlehen erhalten. � Wahrscheinlich wird auch diese„Sozialreform" dem Storthing wieder zu„kühn" sein und aä acta gelegt werden.— Freiland. Die gestern aus London telearaphisch über- mittelte Meldung vom Zusammenbruche der Freiland- expedition wird heute von interessirter Seite dementirt. Sollten die Londoner Meldungen wirklich noch nicht den Thatsachen entsprechen, so wird der Zusammenbruch dieses undurchführbaren Unternehmens doch bald erfolgen.— VsvkeinsSzvizhten. Markersdorf . In der Bekämpfung der Sozialdemokratie bleiben unsere Behörden nicht auf halbem Wege stehen— das Zeugniß muß man ihnen ausstellen. Man erklärt nicht nur die Zahlstellen von gewerkschaftlichen Zentralverbänden für separate Vereine und löst dieselben aus, man stellt harmlose Gesangvereine unter das Vereinsgesctz und zetzt macht man sich an die Turn- vereine. Nachdem vor kurzem ein Hohensteiner Turnverein auf- gelöst ivurde, hat dies Schicksal jetzt den Turnverein in MarkerS- dorf ereilt. Vor einigen Tagen hat die Amtshauptmannschaft Chemnitz den Verein wegen unbefugten Ertheilens von Turn- Unterricht an Kinder in Strafe genommen, nun ist diese Behörde noch weiter gegangen und hat den Allgemeinen Turnverein über- Haupt aufgelöst. � � Polizeiliche?, Gerichtliches»e. — Burscheid . Ein Urtheil des Kammer- gerichts in Berlin in betreff der Erhebungen von Eintrittsgeldern und Tellersammlungen in öffentlichen Volksversammlungen ist von so großer Tragweite, daß wir den Inhalt dieser Entscheidungen wört- lich mittheilen. Derselbe lautet:„In der Strafsache gegen den Lederzurichter Joseph Pützseld zu Dortmund wegen Uebertretung der Polizeiverordnung des königl. Regierungspräsidenten zu Arnsberg vom 2S. Juni 1690 hat auf die von der königl Staatsanwaltschaft gegen das Urtheil der Strafkammer II deS königl. Landgerichts zu Dortmund vom 23. Februar 1691 eingelegte Revision der Strafsenat des königl. Kammer- gerichts zu Berlin in der Sitzung vom 14. Mai 1691... für Recht erkannt, daß die Revision der königl. Staatsanwalt- schast gegen das Urtheil der II. Strafkammer des königl. Land» gerichts zu Dortmund vom 23. Februar 1691 zurückzuverweisen und die Kosten des Rechtsmittels der Staatskasse aufzuerlegen sind. Von Rechts wegen. Gründe: Die Revision der königlichen Staatsanwaltschaft, welche Verletzung der Polizeiverordnung des königlichen Regierungspräsidenten zu Arnsberg vom 25. Junr 1690 durch Nichtanwendung rügt, kann für begründet nicht er- achtet werden. Denn der Berufungsrichter hat der gedachten Polizeiverordnung, welche die Erhebung oder Einsammlung von Eintrittsgeldern oder Geldbeiträgen ohne Genehmigung der Orts- Polizeibehörde in allen den Vorschriften des ß 1 bezw.§ 3 der Verordnung über die Verhütung eines Mißbrauchs des Ver» sammlungs- und Vcreinigungsrechtes vom 11. März 1650 unter- liegende Versammlungen bei Strafe verbietet, ohne ersichtlichen Rechtsirrthum die gesetzliche Giltigkeit abgesprochen. Aus dem Vereinsgesetze vom 11. März 1650 und aus Z 6 3. ck. des Gesetzes über die P olizeiverwaltung kann die Befugniß zumErlaß einer solchenPolizeiver- ordnung nicht hergeleitet werden. Auck auf den S 12 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung läßt sich dieselbe nicht stützen, weil in keiner Weise erkennbar gemacht ist. daß die besonderen Verhältnisse des Regierungsbezirks Arnsberg eine polizeiliche Regelung des Gegenstandes der fraglichen Polizeiverordnung erfordern. Die durch den§ Uder Regierungs-Jnstruktion vom 23. Oktober 16171 den Bezirksregierungen beigelegte Befugniß aber, allgemeine Verbote und Strasbestim- mungen in Ermangelung eines bereits bestehen- den gesetzlichen Verbots mit höherer Genehmigung zu erlassen, ist durch den s 14 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung aufgehoben. Unter dem Gesichtspunkt der Ausschreibung öffentlicher Kollekten aufgefaßt—, eine Auffassung, welche jedoch erheblichen Bedenken unterliegt—. würden endlich die verbotenen Geldsammlungen nicht von der Genehmigung der Orts-Polizeibehörde, sondern nach§ N St. 4o der Instruktion für die Oberpräsidenten der Provinz Westfalen abhängig gemacht werden dürfen."— Auch der Regierungs- Präsident von Potsdam hatte am 7. Juni 1691. dieselbe Ver- ordnung in bezug auf die Erhebung von Eintrittsgeldern und Tellersammlungen erlassen, wie der Regierungspräsident von Arnsberg und der Landrath Möllenhoff. Der Glasmacher Miethke wurde wegen Uebertretung der Potsdamer Regierungs- Verordnung unter Anklage gestellt, aber m drei Instanzen und mit der nämlichen Motiviruim freigesprochen wie oben. Daß der Landrath Möllenhoff seine Verorduung durch den Kreistag gi- nehmigen ließ, ändert an der Sache gar nichts. Soziale Xteberfichk. Achtung, Schneider und Schneiderinnen l Zur weiteren Aussprache über die Verhältnisse in der Konfektion und den Werth und Nutzen der Gewerlschaftsorganisation findet heute. Donnerstag, den 26. Juni. Abends 8V2 Uhr. eine Werkstatt- und Geschäftsdelegirten-Sitzung bei Reichert, Müllerstr. 7, statt, wozu alle Berufsgenoffen eingeladen sind. Unser Bestreben muß sein. eifrig für die Organisaiion zu wirken, denn die Verhältnisse, wie sie in der letzten Sitzung in der Andreasstraße geschildert worden sind, müssen uns ein Ansporn sein, überall die Vortheile der Organisation unseren Kollegen klar zu machen, um dann den übelen Zuständen und der Willkür der Unternehmer entgegen- treten zu können. Di« Agitationskommission der Schneider und Schneiderinnen Berlins . Achtung, Lithographen und Steindrucker! Wegen an- gedrohter Lohnreduktion um ca. 50 pCt. in der Firma Wczel u. Naumann ist der Zuzug nach Leipzig fernzuhalten. Unterhand- lungen schweben noch.— Arbeiterfreundliche Blätter werden um Abdruck gebeten. Der Vertrauensmann Leipzigs . Der Bautischlerstreik in Christiania dauert noch weiter, aber 6 Meister der Stadt haben nun den Lohntarif der Gesellen unterzeichnet und sind auf stundenweise Bezahlung und eine tägliche Arbeitszeit von neun Stunden ein- gegangen. Bei diesen Meistern ist die Arbeit wieder aufgenommen. Eine größere Fabrik, die durch den Streik 25 Gesellen verlor, suchte in Schweden Leute anzuwerben. Es war ihr auch geglückt, 5 Gesellen zu bekommen, aber die streikenden Genossen wußten sie zu überreden, sich ihnen anzuschließen. Die Streikenden er- halten wöchentlich eine Unterstützung von 8 Kronen(gleich 9 M.) für die Unverheiratheteu, 10 Kronen(gleich 11,25 M.) für die Verheiratheten mit Zulage für jedes Kind.
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