denen erhalten bleibt, die die Geschicke deS Volkes leite«? Hatten nicht die Ereignisse in Zaber« und die parlamentarischen VerHand- y langen des Falles dem Anstand gezeigt, wie staatsbürgerliche Rechte und Freiheiten bei uns bewertet werden, wenn militärische Macht- fragen entgegenstehen? In die Worte Euphorions kleidete der geistvolle, seither der- swrbene Historiker Gramb, ein Bew-undcrer Deutschlands, die deutsche Auffassung: .Träumt Ihr den Krieg? Träume, wer träumen mag, Krieg ist das Losungswort! Sieg, und so klingt es fort." Der Militarismus, eigentlich eine Schule des Volkes und ein Instrument der Politik, macht die Politik zum Instrument der Militärmacht, wenn der patriarchalische Absolutismus des Soldaten- königtums eine Haltung ermöglicht, die eine militärisch-junkerlichen Einflüssen entrückte Demokratie nicht zulassen würde. So denken unsere Feinde, und so müssen sie denken, wenn sie sehen, daß trotz kapitalistischer Industrialisierung und trotz sozia- listischer Organisierung die Lebenden, wie Friedrich Nietzsche sagt, noch von den Toten regiert werden. Das vornehmste feindliche Kriegsziel, dir Demokratisierung Deutschlands , wird sich verwirklichen! Unsere Aukunfi. Heute nach zweijährigem Kampfe kann es nicht mehr zweisel- Haft sein, daß wir auf einen bedingungslosen Sieg über Russen, Engländer, Franzosen, Italiener , Rumänen und Ameri- kaner nicht hoffen dürfe«, mit dem Niederringen unserer Feinde nicht rechnen können. Zu einem Kompromitzfrieden gelangen wir aber nur auf Grundlage der Räumung der besetzten Gebiete, deren Besitz für uns überdies eine Last und Schwäche und die Gefahr neuer Kriege bedeutet. Daher sollte alles vermieden werden, was denjenigen feindlichen Gruppen, die für den Kompromißgedanken vielleicht noch zu gewinnen wären, den britische« Radikalen und den russischen Reaktionären, ein Ei« lenken erschwert. Schon von diesem Gesichtspunkte aus ist das polnische Projekt ebenso zu verwerfen, wie jeder Eingriff in belgische Rechte oder die Hinrichtung britischer Bürger, vom wahnwitzigen U-Boot-Plane gar nicht zu reden. Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser. Richtig, also nicht in Polen und Belgien , in Frankreichund Serbien. DaS ist die Rückkehr zum Heiligen Römischen Reich, zu den Irrungen der Hohenstaufen und Habsburger . Es ist dies die Politik PlantagenetS , nicht die der Drake und Raleigh, Nelson und Rhades. Drribundpolitik ist Rückkehr zur Vergangenheit, Mkehr von der Zukunft, dem Imperialismus, der Weltpolitik. Mtteleuropa ist Mittelalter, Berlin — Bagdad eine Sackgass«, nicht der Weg ins Freie, zu unbegrenzten Möglichkeiten, zur Weltmission des deutschen Volkes. Ich bin kein Gegner Oesterreichs öder Ungarns oder Italiens und Serbiens oder irgendeines anderen Staates, sondern nur«in Gegner der Dreibundpolitik, die uns von unseren Zielen ablenken und auf die schiefe Ebene der Kontinentalpolitik bringen mußte.' Sie war nicht deutsche, sondern k. u. k. Hauspolitik. Die Oesterreicher hatten sich daran gewöhnt, das Bündnis als einen Schirm zu be- trachten, unter dessen Schutz sie nach Belieben Ausflüge in den Orient machen konnten. Und welches Ergebnis des Völkervingens haben wir zu ge- wärtigen? Die Vereinigten Staaten von Afrika werden britisch sein, wie die von Amerika , Australien und Ozeanien. Und die la- teinischen Staaten Europas werden, wie ich schon vor Jahren sagte, in dasselbe Verhältnis zu dem Vereinigten Königreich geraten, wie die lateinischen Schwestern Amerikas zu den Vereinigten Staaten . Der Angelsachse wird sie beherrschen. Das durch den Krieg erschöpfte Frankreich wird sich nur noch enger.an Großbri tannien anschließen. Auf die Dauer wird auch Spanien nicht wider- stehen. Und in Asien wird der Russe und der Japaner sich ausbreiten mit seinen Grenzen und Sitten, und der Süden wird den Briten bleiben. Di« Welt wird den Angelsachsen, Russe « und Japanern gehören und der Deutsch « allein blei- ben mit Oesterreich und Ungarn . Seine Machthcrrschaft wird die des Gedankens und Handels sein, nicht aber die der Bureaukraten und Soldaten. Er war zu spät erschienen, und die letzte Möglichkeit, das Versäumte nachzuholen, eil» Kolonialreich zu gründen, hat der Weltkrieg�vernichtet. Denn wir werden die Söhne JaweS nicht verdrängen, das Programm des großen Rhodts wird sich erfüllen, der in der AuS- bveitung des Britentums, im britischen Imperialismus das Heil der Menschheit erblickte. Du regere imperio populos Romsuo, tnemento. Hae tibi emut artea: paoisque imponere morem, Parcero subjectis et debellare superbos. (Du sollst die Völker im Römerreiche regieren. Deine Kunst wird Hn, Friedenssitten zu erzwingen, die Unterworfenen zu schonen und die Hochmütigen deS Krieges zu entwöhnen.)
Reichstag. HS. Sitzung. Dje n s t a g. den 19. März ISIS, vormittags 11 Uhr. Am BundeSratStisch: W a l l r a f. Anfrage«. Abg. Dr. Müller-Meiningen<Vp.) fragt, ob tatsächlich in Soltau von de» dort beschäftigten Landsturmleuten die Erklärung gefordert worden ist, noch 4 Monate nach der Demovilmachung im Dienst zu bleibe» und daß diejenigen, die damit nicht einverstanden waren, dem Front» dienst zugeführt werde» sollen. Oberst v. Braun: Während der Demobilmachung müssen ein« gearbeitete Kräfte zur Verfügung stehen und Lanstunnleute können nur mit ihrer Einwilligung zurückgehalten werden. Sie müssen daher rechtzeitig befragt werden, damit man eventl. für Er« satzkräste sorgen kann. Em Druck soll natürlich nicht aus- geübt werden. Abg. Kränig(Soz.) fragt wegen einer die Kritik der Reichs- beNeidungsstelie unterbindenden Zensurverfügung. Danach soll über die Pläne der ReichSbekleidungSftelle über Abgabe von Kleidung und Stoffen an Rüstungsarbetter im allgemeinen nichts veröffentlicht werden, und gegen zuwider- handelnde Zeitungen soll eingeschritten werden. Das verstößt gegen die Erklärung, daß die Zensur sich auf militärische, die Kriegführung betreffende Angelegenheiten beschränken soll. Ei» RegierungSvertrrter erklärt, da« Verbot sei ergangen, weil eS im Interesse unserer Munitionsversorgung liegt, daß solche Maßnahmen nicht vorher bekannt werden. Abg. Dr. Heckscher sVp.) lenkt die Aufmerksamkeit auf die un« würdigen Zustände im Gefangenenlager zu Admednagar in Indien . Ivo viele deutsche Zivilgeiangenc hinler doppeltem Draht- giNer in Wellblechbaracken gelangen gehalten werden. Geh. Lcgalionsrat v. Eckardt: Die deutsche Regierung hat wiederholt die Räumung des Lagers und die Ueberführung der In- fassen nach Orten mit besserem Klima verlangt. Die britischen Be« Hörden haben die Ueberiührung in günstiger gelegene Bergstalionen nur in den Fällen ongeotdnei, in denen es der Gesundheitszustand der Betrefienden geboien erscheinen läßt. Das kann uns jedoch nicht genügen und wir verfolgen nach wie vor unsere Forderung auf Räumung des ganzen LagerS . Abg. Frhr. v. Richthofen snail.) weist auf Schwierigkeiten und Unzuiräglichkeiten im deutsch -öfterreichischen Reise- verkehr hin. Geh. LegationSrat». Eckardt verspricht Erleichterungen. Sbg. Dr. HrEscher(Bp.) fragt, was die Regierung unter
nommen hat gegenüber den vertraulichen Mitteilungen eine? Schweizer Bundesrat« an den italienischen Gesandten, durch die die Neutralität gegenüber Deutschland schwer verletzt ist. Unterstaatssekretär v. de« Bussche: Nach dem Bericht unseres Gesandten in Bern scheint Herr A d o r, dessen geringe Sym- Pathirn für Deutschland allgemein bekannt sind, mit dem italienischen Gesandten tatsächlich über die im vergangenen Herbst bevorstehende deutsche Offensive in Italien gesprochen zu haben, der Bundesrat hat jedoch nach eingehender Prüfung der Angelegenheit bekannt gegeben, daß Herr Ador sich leine Inkorrektheit habe zuschulden kommen lassen. Abg. Dr. Jäger<Z.) wünscht Auskunft über Maßnahmen zur Verhütung-ungerechtfertigter Mietssteigerungen. Unterstaatssekretär im Reichsjustizamt Drldrück verweist auf die Mietseiniaungsämter. Die Regelung der Beziehungen zu Kurland nannte Dr. Da- vid eine Verständigung der o st p r e u ß i s ch e n Junker mit den baltischen Baconen. Zu solcher Kennzeichnung der Regelung liegt gar kein Anlaß vor. Wir erkennen die Regelung m i t Freude an, ebenso die mit Livland und Estland , denn das ge- samte Baltentum bildet eine Einheit, die mit der deutschen Kultur aufs innigste verknüpft ist. Auch ein selbständiges Litauen er- kennen wir unter der Bedingung einer Militärkoavention mit Deutschland und der wirtschaftlichen Anlehnung an Deutschland an. Denn ein vollkommen selbständiges Litauen ohne jede Anleh- nung an ein größeres staatliches Wirtschaftsgebilde ist eine leere utopisch« Theorie. Die Hoffnung auf Friede und Freundschaft mit den Polen scheint mir nach den Erklärungen der Polen sehr gering. So wenig es für uns eine elsaß-lothringischc Frage gibt, so wenig körnten und wollen wir über die Zugehörigkeit Posen? und West- Preußens zu Deutschland oder Preußen diskutieren. Ein« Ver- schiebung unserer O st grenze brauchen wir nicht. Je weniger Polen wir dem Reiche zufügen, um so besser ist es. Aber diesen politischen Gedanken müssen wir selbstverständlich zu- rückstellen gegenüber der militärischen Sicherung unserer Grenzen, wenn sie von unfern Heerführern für nötig gehalten wird. DaS selbständige neue Finnland begrüßen wir aufs herz- lichste. In den Verträgen fällt uns auf, daß unsere Unterhändler der Frage der Sicherung unserer Auslandsguthaben nicht näher gekommen sind. Der Verzicht aus eine KriegSentschä- digung erscheint mir ebenfalls als ein Schade für unsere Volks- Wirtschaft. Wenn jetzt noch den Gegnern immer gesagt wird, wir verzichten auf eine Kriegsentschädigung, so ist das ein Freibrief für sie auf beliebig lange Fortsetzung des Krieges. Wir hoffen, daß der Kampf uns den Sieg bringen wird, aber auch die Auswirkung des Sieges zum Nutzen Deutschlands. (Lebhafter Beifall.) Abg. Graf Westarp(k.): Die Auffassungen über das, lvaS ein.VerständigungSfrieden" ist, gehen innerhalb der Mehrheit offenbar auseinander.(Sehr richtig! und Heiterkeit rechts.) Ob die Sozialdemokratie dem Fcie- densvertrag zustimmen werde, hat Herr Dr. David noch unent- schieden gelassen. Die Unabhängigen Sozialdemokraten werden ihn natürlich ablehnen. Wer aber den Frieden ablehnt, übernimmt da- mit die Verantwortung, daß der Krieg weiter geht.(Sehr richtig! rechts.) Die Angriffe de? Abg. David gegen die.Mi- litärpartei", also die Oberste Heeresleitung, bedauere ich ge- rade in diesem Moment der bevorstehenden Offensive. Es wird Sache des Reichskanzlers sein, zu diesen Ausführungen Stellung zu nehmen. Nach unserer Meinung könnte es der Reichskanzler nicht verantworten, einen Frieden zu schließen ohne Einvernehmen mit der Obersten Heeresleitung, die ihn überhaupt erst in die Lage versetzt hat, Frieden zu schließen.(Sehr richtig! rechts.) Der Haupterfolg des Friedensschlusses im Osten ist. daß Ludendorff sagen konnte, wir befinden uns jetzt im Westen in zahlen- mäßiger Ueberlegenheit(Sehr gutl rechts) und weiter. daß der eiserne Ring der Wirtschaftsblockade gesprengt ist. Was die Lage nach dem Kriege anlangt, so wird eS am besten sein, wenn wir uns möglichst stark erhalten.(Bravo ! rechts.) Sehr bedauer- l i ch ist. daß keine Kriegsentschädigung in den Ver- trägen ausgemacht ist.(Sehr richtig! rechts.) Den Gedanken eines Gerichtshofes der Welt lehnen wir ab. In der p o l n i s ch e n Frage haben die neuen Ereignisse unser lebhaftestes Befremden er- regt.(Sehr richtig! rechts.) Die Erfolge, die in den interrraktio- nellen Besprechungen mit den Polen als Zusagen von feiten der Polen erreicht sind, sind gleich Null. Da? Interesse Deutschlands hat bei diesen interfraktionellen Besprechungen nicht in den rich- tigen Händen gelegen. Das deutsche Volk hat diese Wichtigwcrei satt.(Bravo ! rechts.) Richtiger wäre«s. wenn der Reichskanzler solche Verhandlungen selbst in die Sand nähme. Wir glauben nicht an die Möglichkeit eines ehrlichen freundschaft- l i ch e n Anschlusses der Polen an Deutschland . Darum dürfen wir die militärische» Sicherungen gegenüber den Polen nicht auf- geben. Allein maßgebend dafür ist die Oberste Heeresleitung. (Bravo ! rechtss) OB Sie das Annexion nennen, ist uns gleich- gültig. Zu begrüßen ist, daß der Reichskanzler gestern kein neues Friedensangebot ausgesprochen hat. Es handelt sich jetzt um den Kampf bis zum Ende. Die volle Verantwortung tragen die Feinde.(Bravo ! rechts.) �. Abg Kunert(II. Soz.) fragt, ob noch wahrend des laufenden Jahres ein Gesetzentwurf zur umfassenden Regelung de» The- aterwesens dem Reichstag vorgelegt werden wird. Ein Regierungsvertretrr erklärt, daß ein Gesetz vorbereitet ist; die Verhandlungen mit den Sachverständigen haben sich aber durch den Krieg verzögert. Hierauf wird die erste Lesung üer Irieöensverträg- mit Rußland und Finnland fortgesetzt. Abg. Dr. Stresemann(natl.): Der Abg. Cohen hat in der„Vossischen Zeitung" auf die Wert- schätzung des deutsch -russischen Bündnisses durch Bismarck verwie. sen. Aber der Realpolitiker Bismarck hätte sich im Jahre 1918 nicht auf etwas bezogen, was er unter ganz anderen Verhältnissen 59 Jahre früher gesagt hat.(Sehr richtig! b. d. Natl.) Wo sind denn die Kontrahenten in Rußland , die zu einem Bund- nis mit uns geneigt sind. Schon vor dem Krieg war die russische Politik deutschfeindlich, obwohl Rußland Ivährend des Krieges mit Japan seine Westgrenze ungeschützt lassen konnte. Was hat uns die Politik der Schonung anderer Völker gebracht? Die ganze Welt wurde aufgeteilt, während wir im Schatten st an- den. Auch im Kriege war unsere Politik auf die Schonung der Neutralen eingestellt, während England die Neutralen vergewaltigt. sobald eS im englischen Interesse liegt. Daß. unsere Politik aber den Kreis unserer Freunde erweitert hätte, vermag ich nicht zuzugeben.(Sehr richtig!) Wäre es mit Rußland zu dem von so vielen gewünschten Frieden der Schonung gekommen, so wäre die Wiederaufrichtung des alten Rußlands mit seiner gewaltigen Armee eine reale Tatsache, mit der wir für alle Zeiten hätten rechnen müssen Das von vielen erwartete ideale Freundschaftsbündnis mit diesem Rußland ist aber keine reale Tatsache. Abg. Lcdebour(U. Soz.): Logischcrweise müßten die Mehrheiisparteieu den Frieden ab- lehnen. Daß wir ihn ablehnen, ist selbstverständlich. Für Ver- längerung de? Krieges stimmen wir damit keineswegs, wir wünschen vielmehr einen besseren Friedensvertrag. Wen« der Sowjet- ümgreß dem Vortrag zugestimmt hat, so tu», weil die Russen de«
Krieg nicht fortsetzen können. Deutschland als der obsiegende Teil hätte die Macht gehabt, Rußland einen Äusgleichsfrieden. statt eines Vergewaltigungsfriedens zu bieten.(Sehr richtig! bei den U. Soz.) Nach unserer Ueberzeugung bedeutet dieser Frieden eine schwere Schädigung des Weltfriedens und damit Deutschlands . Wer grundsätzliche Politik treibt, muß daher mit uns diesen Ver- trag ablehnen.(Sehr wahr! bei den U. Soz.) Das Lob der balti- schen Deutschen ist wieder in höchsten Tönen gesungen worden. Per- sönlich als Menschen sind mir die Balten, mit denen ick> in Berüh« rung gekommen bin, immer sehr sympathisch gewesen. Das ist aber kein Grund, die falsche Politik, die die baltischen Barone zusammen mit dem Zarentum getrieben haben, unter dem Schutz des Deutschen Reiches zu neuem Leben zu erwecken Die Entschließungen des kur- ländischen Landesrats, der unter dem Druck des Komma n- dos Oberost gewählt und vo«diesem bestätigt ist, werden eben- fall» von der militärischen Gewalt bestimmt, die Letten sind stet» für ein selbständiges lettisches Staatswesen eingetreten; dasq Kommando Oberost aber hat ihnen suggerieren wollen, ein selb-' ständiges einheitliches baltisches Staatswesen zu fordern. Das gelang aber in einer lettischen Versammlung nicht und daher wurde die kurländische Laudesversammlung benutzt, in der die Letten nilr in geringer Minderzahl vertreten sind, und diese Vertreter sind auch noch ernannt von den Gemeindevorstehern, die selbst wieder von der deutschen Verwaltung ernannt worden sind.(Hört, hör!! bei den U. Soz.) Das ist natürlich keine Vertretung des kurländi« schen Volkes. Es heißt mit dem Begriff der Volksvertretung Schindluber treiben, wenn min diese Versammlung als Volksvertretung anerkennt.(Leb- hafte Zustimmung bei den U. Soz.) Die so zustande gekommene Versammlung Hai eine kurländische Herzogswürde dem Deutschen Kaiser angetragen. Wenn er wirklich kurländischer Herzog wird, nach welchen Grundsätzen soll der gute Mann denn dort re- gieren?(Vizepräsident Dr. Paasch«: Darüber brauchen Sie sich den Kopf nicht zu zerbrechen. Wir haben es hier mit dem russischen Friedensvertrag zu tun.) Ich muß dar- auf eingehen können, weil durch die ganze Art der Verwaltung in Oberost eine tiefe Feindschaft der Esten und Letten gegen alles, was deutsch heißt, hervorgerufen»erden muß. Die Militärbehörde hat ein« Bekanntmachung erlassen, daß alle roten Gardisten und Angehörige bolschewistischer Bande«, wenn sie er- griffen werde«, gehängt werden sollen. Es sind das russische Truppen einer russischen Regierung und dieser Befehl ist ein direkter Bruch de? Völkerrechts. (Vizepräsident Dr. Paasche: ES handelt sich hier nicht um russische Truppen; ich rufe Sie zur Ordnung!) Sie haben sich nicht in dir sachliche Debatte einznmischen und kein Recht zu diesem Ordnungruf! Vizepräsident Dr. Paasch«: Ich verbitte mir die Kritik meiner Geschäftsführung und halte den Ordnungsruf aufrecht.(Leb- bafte Zwischenrufe und Große Erregung bei den U. Soz.— Abg. Lcdebour protestiert lebhaft gegen die Ausführungen des Vizepräsidenten, dieser wiederholt unter andauerndem Läuten der Glocke seine Anordnungen und kündigt an, er werde das Haus befragt n, ob es den Redner weiterhören wolle. Schließlich bittet er um Ruhe für den Redner.) Abg. Lcdebour(fortfahrend): Mit der bolschewistischen Äegie- rung hat die deutsche Reichsregierung verhandelt und gegen die bolschewistischen Truppen geht man in solcher Weise vor. Die unglaubliche alldeutsche Taktik, uns mit allen Ländern zu verfeinden, zeigt sich auch bei der Behandlung der Polenfrage. Mit Finnland haben wir uns gar nicht im Krieg befunden. Der deutsche Einmarsch in Finnland bedeutet nichts, als den nackten Schutz der kapitalistischen Interessen gegen die rechtmäßige sozio- listische Regierung in Finnland . Die armenische Frage ist hier noch gar nicht berührt worden. Die Bezirke Erdehon. Kar» und Batum sollen der Türkei überantwortet werden. Die große Mehr- zahl der Bevölkerung ist aber armenisch und georgisch und sieht jetzt der Ausrottung durch die Türken entgegen. Schon jetzt haben die Türken in Türkisch-Armenien über eine Million christliche Armenier aus Glaubenshaß ausgerottet. 'Hört, hört!) Die deutsche und österreichische Regierung darf es daher nicht dulden, daß türkische Truppen jetzt in diese Gebiete ein- ziehen. Möge man diese Gebiete sich dem neuen kaukasischen Bun- desswat angliedern lassen! Es ist eine Ehrensache der deutschen Regierung, neue Armenier-Metzeleien zu verhin- der». Die Resolution des 19. Juli wird durch diese Friedensver- träge zu einem Fetzen Papier , mit dem Sie nichts mehr an- ängen können, selbst in dieser papierarmen Zeit.(Heiterkeit.— Abg. Erzberger: Freiheit der Völker!) Ich habe Ihnen dargelegt. welche Vergewaltigung dieser Friedensvertrag bedeutet, und da kommt dieser harmlose Mann(Große Heiterkeit) und stöhnt als letztes Rettungswort heraus: Freiheit der Völler.(Heiterkeit.) Aus dieser gräßlichen Blamage kommen Sic nur heraus, wenn Sie sich aus verschleierten Annexionistein zu offenen Annexionisten be- kennen. Wir werden überall den Kampf gegen den AnnexioniSmus aufnehmen.(Bravo ! bei den U. Sozialdemokraten.) Abg. Fürst Radziwill lPole ): Wir sind immer für eine ehr- lichc dauernde Verständigung mit dem deutschen Volke eingetreten und begrüßen e« mit Genugtuung, daß die lieber- zeugung der Notwendigkeit dieser Verständigung Gemeingut -er großen Mehrheit des deutschen Volkes zu wer- den scheint. Bei gegenseitigem guten Willen soll es unserer; eitS nicht fehlen.(Bravo.) Abg. Mumm(Deutsche Fraktion): Herr Ledebour pflanzt noch am Grabe Niederbarnims die Hoffnung auf. Nieder- barnim war die Antwort auf die Ablehnung deS ersten Friedens- Vertrags. Redner tritt des weiteren lebhaft für die Anglie- derung des gesamten baltischen Landes bis zum " e i p u s s e e an Deutschland ein. Abg. Hanssen(Däne): Die Aländer wünschen� die Wieder- Vereinigung mit Schweden . 95 Proz. der volljährigen Ein- wohner Alands haben sich für den Anschl uß an Schweden ausgesprochen. Sie haben die Bitte an Schweden , Fiünland und Deutschland gerichtet, für diese Angliederung bei den Friedens- Verhandlungen einzutreten. Ich hoffe, daß das geschehen wird. t Die Friedensverträge gehen an den HauptauSsch uß. Es folgt die erste Beratung des neuen kriegskreüits von 15 Mlliaröen. Reichsschatzsekretär Graf Roedertt: Die neue Vorlage ist bedingt durch den gesteigerten Be- darf des Heeres. Das sog. Hindenburg -Programm hat jetzt (eine volle Auswirkung bekommen Di« bisherigen Kriegs- kosten berechne ich auf 550 Milliarden. Davon entfallen mindestens 370 Milliarden auf die Entente. Auf de« Kopf der Bevölkerung be- rechnet stellen sich die Kriegskosten für Deutschland auf 16110 Mark, für England auf 2400 Mk., für F r a n k r e i ch auf 2500 Mark. Wir können uns jetzt mit ungcschwächter Kraft nach Westen wenden. In England und Frankreich sind die letzten Kriegskredite fast einstimmig bewilligt. Wir sind zweifellos der letzten Viertel st undedes Kriegs, von der Clemenceau sprach, nicht mehr fern. Mit atemloser Spannung sieht die Welt der Eni- Wicklung der Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz im Westen ent- gegen. Wir können dieser Entwicklung mit vollstem Vertrauen ent- gegensehen.(Lebh Beifall.) Abg. Haas«(U. Soz.): Meine Freunde werden aus grundsätz- lilchen Erwägungen gegen die Kredite stinimen. Damit ist die erste Lesung' erledigt; in der zweiten Lesung wer- den die Kredite debattenlos erledigt. Da» HauS vertagt sich auf Mittwoch 3 Uhr.(Zweite Lesung hcS Postscheckgesetzes. Daimler-Angelegruhrit.) Schluß 6 Uhr.