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Nr.H?1�1«

Unterhaltungsblatt des vorwärts

MttWoch,3.ApM

Zlieger. Bon I. Altmai er. Gerade wollte der gestrenge Herr Magnus Hokmann fein säuberlich hinter das letzte Wort seines Briefes den Schlnstpnnkt setzen, als ein furchtbarer Schlag das ganze Gebäude erzittern und den zierlichen Punkt zu einem schwarzen schwellenden Ungeheuer auSwachseu liest. In der ersten Sekunde zuckle des Bureau- tyrannen Hand noch Fritz, dem Lehrling. Im gleichen Augenblick aber schost Herrn Hohmann wie ein Blitz der Gedanke Krieg Flieger durch den kahlen Kopf, und ohne auch nur d:e nasse Feder mit dem Wischläppchen abgetrockner zu haben eine Sünde. die er seit jenem Gründonnerstag seines ersten Lehrjahres nicht wieder begangen hatte springt der Chef vom Stuhl, rennt ein Schreibmaschinenfräulein und den Papier- korb über den Haufen und stürzt die Treppe hinunter, entgegen allen Gewohnheiten seines wiegenden, ehrfurchtgebietenden majestäti- scheu Ganges . Im Bureau ist es totenstill geworden. Friedlich liegen die gröstten Feinde nebeneinander aus der Kopiermaschine. Erne Rechnung sür Kaufhaus Rastelbinder Sohne und eine für Modebazar.Siegfried", Inhaber Wolf Stern Witwe Nachfolger. Als wäre nichts geschehen, als hätte kein Kanonenschlag die ganze Stadt erbeben lassen, ruhig seinen alten Gang pendelt der Uhr- zeiger im Ticktack weiter. Links rechts, rechts links, als schüttelte die Uhr verwundert den Kops, dast zum erstenmal in den zweinnd- zwanzig Jahren, die sie da hing, die Geschäftsräume am hellen, lichten Werktag, zehn Minuten vor der Mittagspause leer waren, lee leer. Es ist aber auch der erste Wellkrieg, den die alte Uhr erlebt, und zum erstenmal sind feindliche Flieger am hellen, lichten Tage, zehn Minuten vor Eins-über die Stadt gekommen. Unten im Keller sitzt Herr Hohmann knie- schlotternd und iäi'ebleich aus einer Waschbütte, und ein Stost- gebet stiestt ihm über die blutleeren Lippen. Alle Mrontberichte von Flandern , von Verdun , von Gallipolst von Riga, aus der Champagne und selbst von Südostafrika ziehen an ihm vorüber, und�r schmiegt sich ganz dicht und platt an die Wand, so wie es die Soldaten in den Unterständen tun, wie er es von einem Ge« freiten in der Elektrischen gehört hat. Vergefien ist seine schöne Rede, die er so gut auswendig gelernt und die er anläßlich der Be- setzung von Odessa heute abend im Nebenzimmer seines Stamm- lokals halten wollte. Vergessen ist Baterlandspartei und Durchhalte- telegramm an Exzellenz Tirpitz, nachdem auf ein gleiches an Hinden- bürg schon seit vierzehn Tagen die Antwort ausgeblieben ist. Belgien und Kurland können jetzt chinesisch werden, und hätte Hohmann nicht seinem Vorgesetzten den Vorrang lassen wollen er war schonjimmer ein guter Gedankenleser dann wäre der Wackere am liebsten noch unter die Bütte gekrochen, seinen Schutz durch die zwei Zentimeter dicke Holzwand vermehrend. Oben im Torbogen stehen die Lehrbuben, in kurzen, durch- löcherten Rockärmeln, mit den Federhaltern hinter den Ohren. Furchtsam und neugierig strecken einige Kontoristinnen die spitzen Nasen aus die Straße. Gegenüber rasselt ein Nolladen herunter, und einige Ladenmädchen stürzen vorüber. Ein Radfahrer fährt in vollem Saus mitten in die Toröstnung. Die Mädchen kreischen auf und machen eilig Platz. Ein Bäckerjunge im weißen Schurz kommt atemlos hinzu, ein Droschkenführer mit der Peitsche, eine Dame mit Stelzenabsätzen und Pelzmantel, ein Dienstmann und ein Herr im Zylinder. Jetzt noch drei schwarzbefrackte Kellner, Schulbuben, zwei Dienstmädchen, immer mehr Zulauf, man drückt sich, ruft, schätzt. schimpft, noch ein Radfahrer, noch eine Dame, noch, noch, die Volks- Versammlung ist fertig. Kurze Reden werden gehalten, Beifall, Widerspruch. Englands Rußland , Hertling, Scheidemann da, ein Schlag und alles ist stumm, Surren in der Luft, jetzt- sprechen von ferne die Geschütze. Die Straße ist tot wie nach einem Barrikadenkampf. Verlassen stehen die herrenlosen Fuhrwerke, leer und einsam die Trambahn- wagen auf den toten Geleisen, einer hinter dem anderen, als hätte sie eine unsichtbare Hand festgebannt. Unbewacht steht der Zeitungs - stand, und verwundert gucken die Blätter in die auf einmal zeitlose Welt. Der Bahnhof, das freieste und demokratischste Lokal, ist ge- sperrt. Kein Gedränge sieht man tvie sonst, kein Lokomotivenpfiff schrillt. Einzig die alte Blumverkäuferin fitzt ruhig wie immer neben ihren Rosen, als ginge sie alle? nichts an, als begriffe fie die Welt nicht mehr. Nach einiger Zeit öffnen fich wieder überall Fenster. Köpfe werden sichtbar. Aus den Ladentüren treten Menschen, Kinder springen in die Straßenbahn, hinein und heraus. Die Straßen füllen fich. In Gruppen stehen die Leute an den Ecken, deuten zum Himmel und reckten die Hälse. Die Elektrische klingelt, brummt und fährt. Der Torbogen wird rasch leer, und das zusammengewürfelte Volk geht leine Wege, jeder nach einer anderen Seite, als hätte einer den

anderen nie gesehen, und als hätten fie nie in Angst und Furcht treu beieinander gestanden. Herr Magnus Hohmann springt von der Waschbülte, steigt ruhig und majesiülisch die Treppen hinauf und haut oben dem Lehrbuben hinter die Obren, weil er ihn erwischt, wie er auf dem Sessel thront und den Chef nachahmt. Ganz weil dumpfen noch einige Kanonen, und ein Flieger zieht heim, mannigfaltigen Tod in seinem Flugzeug und selber känwfend um sein armes bißchen Leben, das er vielleicht heute noch, vielleicht morgen über den flandrischen Schützengräben verliert.

Timm Kröger .

Der holsteinische Heimatdichter Timm Kröger ist im 74. Lebensjahre in Kiel gestorben. »Ich bin Heintatdichter, weil mir die Sehnsucht nach Jugend und Heimat die stärksten Impulse gab" so hat fich Timm Kröger selbst charakterisiert. Ja, er war Heimatdichter des mittleren Holsteins mit seinen Wiesen, Feldern und Mooren, seinen Knicks und Heiden, dem wechselnden Spiel des Himmels darüber und mit seinen träumenden, stillen, tiefen Menschen. Im Grunde ist es nur sein Heimatdorf Haale , das mit seiner Umgebung der Schauplatz all seiner Erzählungen ist. Wie seine Lcmdsleute Groth und Storm die Lyriker ihrer niederdeutschen Heimat, ist Kröger ihr Epiker. Als Bauernsohn war er auf die Welt gekommen, und Bauer war er bis nahe an die Zwanzig. Dann ließ er Egge und Pflug. ging nach Kiel , von einem dunklen Drang getrieben, studierte hier und später in Zürich und Berlin Juristerei. Lange Jahre ist er als Amtsrichter im Osten tätig, später als Rechtsanwalt und Notar in seiner Heimat, bis er sich 1903�3 von allen Berufsgeschäftsn ganz frei machte. 44 Jahre war er alt, als er seine erste Novelle von Liliencron empfohlen in derGesellschaft" veröffentlichen konnte. Seine reiffien Werke fallen erst in die letzten zehn Fahre.(Mit einigen der schönsten wieDie alte Truhe",Der Einzige und seine Liebe",.Gr« ff", Erhaltung der Kraft" find unsere Leser vertraut geworden.) Die zu seinem 70. Geburtslage geplante und dann mit Verspätung bei Alfred Jansien in Hamburg herausgekommene schöne Gesamtausgabe umfaßt sechs Bände. Das Lebenswerk Timm Krögers�ist kein große?, fich jedermann aufdrängendes. Man muß sich den Sinn für das Stille und Fein«, für das Beschauliche und Absonderliche bewährt oder wieder er- warben haben, um ganz in seinen Spuren wandeln zu können. Seine Kunst ist auS seiner großen Liebe zur Heimat geboren. Er ist der Klein- und Fsinmaler ihrer zarten, anspruchslosen Schönheit, er ist der intime Darsteller niederdeutschen Fühlens und Denkens, der Recrlist deS Alltäglichen, der Dichter des Bauernlebens. Seit Auerbach hat der Bauer in der modernen Literatur wechselnde Schicksale erfahren: vom Träger philosophischer Ideen war er herab- gesunken zu emem bloßen Triebwesen, in dem nur noch rohe Gier und fast tierische Brutalität zu herrschen schienen. Krögers Bauern und Taglöhner sind nicht von diesem Stamm. Sein Seclenblick dring: tiefer, er findet tn ihnen Nachdenkliches, ja Mystisches. Seine eigenen Fragen nach woher und wohin verankert er m ihre schlichte Natur, fie sind träumerisch und grüblerisch wie er selber. Mit Religion in der Swule überfüttert, hat Timm Kröger sich von allem Dogmatischen befreit und in einer seiner letzten Novellen(dem unbekannten Gott") fich mit diesen Problemen auseinandergesetzt. Der Heimatdichter begann als LandschastZschilderer und Stimmungsmaler. Aber vom Stilleben entwickelte er sich zur Mcnschengestaltung._ Er gibt Typen und Einzigartiges,"er findet den allgemeinen Charakter und betont das Wsonder- liche(Leute eigener Art" u. a.) Er kommt von der Idylle, der Aunekdote zum Lebensbilde mid steigt schließlich bis zur tiefen Tragik auf(Der Schulmeister von Handewitl",.Ilm den Wegzoll'). Aber im Grunde ist er fröhlichen Herzens, ein Optimist, der mit seinem Lächeln dem Treiben seiner eigenen Gescköpie zuschaut. Der Humor blickt über seine Welt mit stillem Leuchten. Seine lllnstlerische Gabe ist die Kunst der breiten behaglichen Erzählung, die ihnLnst erfüllt. Er erzählt wie das Volk, da» unter fich immer wieder geborene Erzähler hervorbringt. Aber hochdeutsch nur mit plattdeutschem Anklang. So findet er, geschult an Storm, Tolstoi und Mau- pasianl, die Form, die nun daS Gefäß seiner unverfiegltchen Heimatsliebe wurde. Die bäuerliche Welt, die Timm Kröger anS der Jugenderinne­rung heraus innig liebte, ist längst im Versinken. ES war ihr noch einmal schön erglühendes Abendrot. K. EL D. Tabakanbau für den eigenen Seöarf. Da nach Ansicht des St. Hubertus bei längerer Fortdauer des Krieges die Freuden der Raucher noch mehr gefährdet werden

würden, weil die Vorräte sich immer mehr verringern, andererseits der Heeresbcdarf außerordentlich groß ist, wird allen Rauchern, die über ein noch so kleines Stück Land oder Gärlchen perfügen, an- geraten, ihren Bedarf durch eigenen Tabakanbau zu decken. Zum Anbau sind gutentwickelte Pflanzen nötig, die von Mitte Mai bis Ende Nim ausgepflanzt werden müssen, doch können auch Steck- linge im Mistbeer gezogen werde«, getvnt so wie jeder Kohl- steckt ing. Für Nichtfach iente kommen nur zwei Arten von Tabal- pflanzen in Berracht, nämlich der Marylandtabak und der Bauern» oder Veilchen-TabaL Der Maryland ist zur Herstellung von Rauchtabak und von Zigarren geeignet, er gedeiht besonders gm in heißen Sommern und zeichnet sich dann durch außerordentlich schnelles Wachstum aus. Der Bauern-Tabak erreicht eine geringere Höhe, seine Blätter find auch bedeutend kürzer, dafür kann er aber auch in kälteren Gegendmi erfolgreich gezogen werden. Für das Auspflanzen kommt am besten gartenmäßig bearbeiteter Boden in Betracht, als Düngsr ist Stallmist am vorteilhastesteil. Bei feldmaßigem Anbau find Abstände von ungefähr 40 Zentimeter mit einer Rs-chcnbreile von by 60 Zentimeter zu beachten. In der 3. Woche soll der Boden behackt werden, was mit Vorsicht geschehen muß. damit eine Verletzung der nicht tief im..Boden liegenden Wurzeln verhütet wird. Nach starken Regengüssen soll die Erde gelockert werden. Wenn die Blüten so weit entwickelt sind, daß sie fich öffnev, dann werden die Pflanzen geköpft, damit die Blätter sich üppiger entwickeln. Die beginnende Reife der Tabak- blätter ist an den hellgrünen und später hellgelben Stellen zwischen den Seitenitpven leicht zu erkennen. Die Blätter sollen an trockenen Tagen, möglichst vormittags gebrochen werden, man reiht sie auf lanjjs Schnüre und muß dafür sorgen, daß sie fich nicht gegenseitig berühren. Diese Schnüre hängt man cm einem lustigen Orte ans. bis nicht nur die Blätter, sondern auch die Rippen vollständig susgetrocknet find. Die fertig getrockneten Blätter werden an- gefeuchtet, glattgestrichen, nufemandergelegt, beschwert und in eine Kiste gepackt, die man geschlossen an einem trockenen warmen Ort unterbringt. Dies hat man mehrmals alle drei bis vier Wochen zu wiederholen. Die notwendige Fermentation ist dann bis Ende Januar fertig. Zu beachten ist. daß die Tabakpflanzen bei der Steuerbehörde angemeldet werden müssen. Tabakpflanz-n. die im Garten auf Rabatten gepflanzt werden, sind bis zu 50 Stück steuer- frei. Im übrigen beträgt die Steuer für Grundstücke bis zu 4 Ar 5,7 Pf. für einen Ouadrarmeter.

Notizen. Kunstabend. Am Freitag 8 llhr findet im Steglitzer Logensaal, Albrschtstr. 112a, ein Conrad Ferdinand Meyer « Abend statt. Ein deutsches Forschungsinstitut für Textil- ersahst offe wurde aus den kkreiien der Industriellen ander technischen Hochschule in Karlsruhe begründet. DerDeutsche Ausschuß für Licht spiel- reform" veranstaltete in Stettin eine Besprechung, aus der die Gründung einesBilderbühnenbundeS", der zugleich Träger des SchulfilnmrchwL" sein soll, beraten wurde. Der Bund wird jähr- lich für etwa 1,8 Millionen M. Films nötig haben. Von den Städten erwartet man, daß sie entweder selbst Bilderbühnen errichten oder vorhandene Kinos für ihre Zwecke pachten. Plattdeutsch in der Schule. Der»Allgemeiile Plattdeutsche Verband E. V.", der 106 Vereine vertritt� hat namens dieser bei den Unterrichtsbehörden des niederdeutschen Sprachgebiets beantragt: I. in den Volksschulen, sowie in den mittleren und höheren Lehranstalten die nioderdeutsche Sprache als pflichtmäßigen Unterrichtsstoff aufzunehmen, EL durch Errichtung von Lehrstühlen odbr Fassung der Lehraufträge zu bewirten, daß au.den Ilniversi- täten künftig Vorlesungen und v.ebnngen über die nen- und- mittel- niederdeutsche Sprache und Literatur gehalten werden, Ell. beiden Prüfungen im Deutschen einige Kenntnisse über das Niederdeutsche zu verlangen. Ein neues Blutstillungsmittel. Wieviel uu« bekannte biologische Kräfte«och im Organismus ichlnunusrn, be- weisen neue Forschungsergebnisse, die der Prager Professor Rudolf Fischl imArchiv für Kinderheilkunde" veröffentlicht. Er stellte einen neuen, seiner Natur nach unbekannten chemischen Körper im Lnngengewebe fest, der menschliches und tierisches Blut in bisher nie beobachteter kurzer Zeit zum Gerinnen bringt. Während ge- wöbiiliches tierisches und menschliches Blut zum Gerinncn etwa 4 Minuten braucht, gerinnt es aus Zusatz dieses von Fiickil ent­deckten Körpers in wenigen Sekunden. Diese Feststellung ist praktisch von großem Wert, weil die Blnistillung dadurch zustand c kommt, daß die entstehenden Gerinsel die verletzte Eefäßstelle vet- schließen.

n Pioniere. Koma« aus dem Norden von Ernst Didriug. Erstes Kapitel. Es war bitterkalt. Selbst die Schnee-Eule erschauerte, wie fie in der Fels- spalte saß und über das Schneemeer hmglotzte. Es fror sie bis in die Augen hinein, und von Zeit zu Zeit mußte sie sie rollen, um festzustellen, ob sie noch nicht ganz erstarrt waren. Es half nichts, daß sie den Körper unmerklich zu- sammcnzog und sacht die Federn aufplusterte. die Kälte fraß sich doch ein. Sie merkte wohl, wie die Krallen und die Beine unter ihr steif wurden, aber sie wagte sich nicht zu rühren. Unten in dem schwarzen Weidengestrüpp auf dem Ab- hang gerade gegenüber, von dem der Sturm den Schnee weg- gefegt hatte, lagen die beiden Schneehühner und duckten sich iti Angst um ihr Leben, das wußte sie. Das tröstete die Schnee-Eule gewissermaßen. Es gab für eine Weile so eine Art schöner Wärme im Körper, wenn man davon träumen konnte, daß die Schneehühner schließlich einmal aufstiegen mußten. Dann würde es eine Kleinigkeit sein. Ein Paar weiche, leise Flügelschläge bis dort himmter, und sie konnte sich an dem warmen Fleisch sättigen. Sie blähte sich vor Wohlbehagen auf ihrem Posten, so daß sie die Kälte vergaß, und öffnete den Schnabel in stummer Wollust. Sie hatte es zu bereuen. Die Kälte kniff sie in die Zunge, und sie machte den Schnabel schnell wieder zu. Es blieb nichts übrig als stillsitzen und warten und dort zur Weide hinunterzuftarren. Kälter lind grüner wurde der Himmel. Die Sterne zitterten. Kein Lailt war zu hören. Der große Gespenstervogel saß totenstill und wartete. Ein Stern fiell_ Da knirschte es plötzlich im Schnee weit unterhalb der Schnee-Eule, und gleich danach glitt ein Schatten auf dem hartgefrorenen Schnee vorbei, sauste um die nächste Berg- spitze und verschwand. Die Schneehühner hatten sich nicht von ihrem Platz ge- rührt. Die Eule lachte auf ihrem sicheren Platz oben in ihrer Felsspalte m sich hinein über die Dummheit des

Wolfes. Sie hatte immer diese armen Kreaturen verachtet, die auf dem Erdboden bleiben mußten�imd einem nicht nahe kommen konnten, sowie mau nur die Schwingen hob. Hielt man sich nur an die Felsspalten, so konnten diese schwer- fälligen Klötze nichts machen. Man mußte aber vorsichtig sein, wenn man auf Schneehühner und Lämmer fahndete, und gut Umschau halten, sonst konnte so ein Scheusal über einen kommen, wenn man gerade ein Schneehuhn gepackt hatte, und dann nmßte man froh sein, wenn man mit heilen Federn davonkam. Krach klang eS wieder von unten her. Was war das nun wieder? War eS am Ende doch bester, fortzufliegen? Sie hob leise die Flügel ganz wenig, während sie die gistgelben Augen nach unten drehte. Ein zweiter dunkler Schatten glitt dort unten über den Schnee, einer von denen, die auf dem Erdboden Wohnstätten bauten, aus denen es immer rauchte, und die bisweilen die Eier aus den Felsspalten holten. Auch sie konnten ge- fährlich sein. Aber dieser da war für sie durchaus nicht gefährlich. Er hatte es zu eilig, um an Schnee-Eulen zu denken. Nun glitt er mit den langen Füßen aus, nein, er fiel nicht, er verschwand um dieselbe Bergspitze wie der Wolf und war fort. Die Schnee-Eule lachte wieder ganz, ganz leise in fich hinein. Sie verstand. Der mit den langen Füßen war hinter dem andern Scheusal her. Hoho I lachte sie tief unten im Magen. Soviel Beschwerlichkeiten um das Futter! Da war es bester, still zu sitzen und zu warten, wenn man auch fror. Einen Augenblick überlegte sie, ob sie um die Bergspitze herumfliegen und sich die Jagd ansehen sollte, aber sie ivagtc es nicht. Sie hatte auf ihre eigenen Nngclegenhcitcn"zu achten. Auf der andern Seite der Bergspitze rannte Sarri weiter hinter dem Wolf her. Ein paar Sekunden blieb er stehen, stützte sich auf den Stab und verschnaufte. Die letzte Steigung hatte die Kräfte sehr mitgenommen. Das Herz klopfte ihm, und der Schweiß tropfte. Er hotte Lust, sich in ds« Schnee zu werfen und auszuruhen, aber der Gedanke an den Erb- feind vor ihm hielt ihn aufrecht. Er beugte sich nieder, nahm eine Handvoll Schnee und stopfte sie in den Mund. Mit einem neuen Schneeklumpen rieb er sich den Schweiß vom Gesicht und raunte wieder der Spur nach.

Die Schneeschuhe glitten auf der losen Schneeschicht über dem gefrorenen Eise schnell vorwärts. Die Spur vor ihm lag so klar da, wie es in der Nacht nur, möglich war. Plötzlich dörte sie auf. Im selben Augenblick merkte Sarri, daß die Schneeschuhe schneller zu lausen beganncii als er selbst. Er erkannte die Gefahr, konnte aber nicht zurück. Der Abhang war glatt wie Eis. Er versuchte mit den Spitzen der Schneeschuhe zu bremsen und stieß den eisen- beschlagenen Stab neben sich ins Eis, aber es war zu spät. So ließ er es auf gut Glück gehen, duckte sich auf den Schneeschuhen, als er merkte, daß sie von dem Abhang fortglitten und fiel wie eine Katze durch die Luft. Als er wieder Boden unter sich hatte, stieß er den Stock von neuem in den Schnee, und jetzt glückte es. Er siel zwar um und rutschte ein Stück settwärts, aber er hatte die Fahrt doch gehemmt. Er konnte eS nicht lasten, sich umzusehen. Er war ein gutes Stück gefallen und schüttelte bedenklich den Kaps. Nur gut, daß es so abgegangen war. Nila, der junge Bursch, war im vorigen Winter ailf diese Art umgekommen. Aber wo war der Wolf geblieben? DerGeschwänzte" war verschwiindeü. Sarri stand langsam auf, etwa? steif von dem Fall, blickte mißmutig umher und stieß ein schallemdes Eeläckicr aus. Dirett vor ihm war eine tiefe Spur im Schnee. Der Wolf hatte zweifellos denselben Weg gemacht! Hier hatte er sich rund herumgewälzt. Sarri sah, wie er ein langes Stück durch den Schnee gerutscht war und dann ein paar mächtige Sprünge zur Seite gemacht hatte. Sarri spähte über die Schneeflächc hin, die sich meilen- weit dehnte. Ganz in der Feme gewahrte er wirklich einen scbwarzsn Punkt, der nnt dem-nächttichen Dunkel fast per- schmolz. Sarri lachte. Jetzt hatte er den Racker! Da draußen war der Schnee loser. Kein Wolf der Welt sollte vor Sarri den Borg auf der andere« Seite der Schneeebene erreichen. Jetzt hieß es rernien! In aller Elle riß er ein paar Sachen aus dar Brusttasche, zog den Rock aus, ioiclelte ihn um Sc Sachen und legte� das Bündel neben einen großen Stein. Dann zog er�die Hosen in die Höhe, fühlte, ob das Messer noch in der Scheide steckte, und dachte ein paar Sekunden nach, wo er war, aber er konnte sich nicht zurechtfinde, l. Er lief in der Spur weiter. Hui. war das eine Fahrt!(Forts, folgt.)