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Nr. 150.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post Beitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

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11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzetle oder beren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Vors mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin !

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Sonntag, den 1. Juli 1894.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt kein boykottirtes Bier!

Die Italienerhehe.

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bereits vor einigen Tagen ihrer 4000 angesammelt, meist| dort nur eine äußerliche Tünche auf den arbeitenden Volks­im Freien kampirend; aber auch Belgien und die Schweiz schichten geblieben ist, eine äußerliche Tünche, die sich all Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß die haben flüchtige Italiener aufgenommen und selbst über die mälig verwischt, je mehr der Sozialismus Boden gewinnt. anarchistischen Mordthaten nur allen reaktionären Be- deutsche Grenze sind sie geflohen; wohl an 1000 find in In Frankreich , wo die Bevölkerung weniger rasch strebungen zu gute kommen, so wäre er durch die Ereignisse, Metz angekommen. Liegen auch nur aus wenigen Orten wächst, als in irgend einem anderen Lande, finden die über­die Carnot's Ermordung gefolgt sind, vollgiltig erbracht. die genauen Zahlen der Flüchtlinge vor, so hat man doch schüssigen Arbeiter fremder Völker leichter ihr Brot; so Alle reaktionären Parteirichtungen des französischen Kon- hier mit einer Massenaustreibung italienischer Arbeiter aus kommt es, daß etwa eine Million Nichtfranzosen, zum gresses wurden dadurch zu einer Koalition zusammen- Frankreich zu rechnen, die an Umfang nur erreicht wird größten Theil Italiener nur in den Nordprovinzen geschweißt, die einem typischen Vertreter des Kapitalismus von der Massenausweisung der Polen , die vor einem Jahr überwiegen die Belgier - überall in Frankreich als Ar­zur Präsidentenwürde verhalf. Sieben Jahre lang hat das zehnt, damals allerdings erfreulicherweise nicht gebilligt von beiter zu finden sind. Da kommen denn verschiedene Ein­neue französische Staatsoberhaupt das Recht und die Macht, der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes, durch die flüsse, unter anderen auch der Unwille über die Unter­die Emanzipations Bestrebungen des Proletariats zu be reaktionäre chauvinistische Regierung des Fürsten Bismarck bietungen der einheimischen Arbeitskräfte auf dem kämpfen. Und daß er den Willen dazu hat, darüber hat durchgeführt wurde. Arbeitsmarkt, dem chauvinistischen Fremdenhaß zu Hilfe. der vielfache Millionär, der Bergwerksbefizer von Anzin, Und damit kommen wir auf den Kern der Sache. Die Der Haß, die Mißhandlung, die sie erfahren, nährt bei den der Sprößling einer Orléaniftenfamilie, niemals einen Zweifel Vertreter der herrschenden Klassen, den Wortführern der Italienern den Unwillen gegen ihre übellaunigen Wirthe gelassen. Während seiner kurzen Minister- Laufbahn hat er Bourgeofie wie den Regierungsmännern, steht es schlecht an und hat sie wiederholt schon zu Rache- Aften angetrieben. feine reaktionären Gelüfte stets bethätigt. Selbst die Nieder- sich zu entrüsten über solche wüste Chauvinistenhaß; geben Die Megelei von Aigues- Mortes bethätigt nur im größeren Lage, die seinem Ministerpräsidium ein Ende machte, knüpfte sie doch das Vorbild, nähren sie doch künstlich die niedrigen Maßstabe, was in kleineren Reibereien sich vordem oft ge= sich an die Maßregelung eines Arbeitervertreters. Empfindungen, die sich dabei bethätigen, weil sie diese nug Luft verschafft hatte. Und auch jetzt wieder liegt die So steht's in Frankreich mit den Regierungskreisen und niedrigen Empfindungen brauchen zur Aufrechterhaltung Vermuthung nahe, daß in Cesario, wie das bei solchen un­nur ein Widerhall des Stimmungsausdrucks, der sich bei ihrer Macht. Von Kindheit auf werden die Europäer er flaren Fanatikern leicht erklärlich ist, sich chauvinistische der Wahl Casimir Perier's bethätigte, ist es, was wir aus zogen zum Fremdenhaß und Rassenhaß. Man heißt es Rachemotive mit anarchistischen Wahngebilden gemischt anderen europäischen Ländern vernehmen. Ueberall umfälschlich Vaterlandsliebe, wenn man den Fremdling ver- haben, sodaß er in seiner Person ein treffliches Exemplar frächzen die Raben der Reaktion die Leiche Sadi Carnot's. unglimpft und ihn als ein niedriges, bösartiges Wesen, der seelischen Mißgeburten darstellt, die unsere kapitalistische Nach Ausnahmegesetzen schreien sie in alter Weise, nach das stets beargwohnt werden, das als Erbfeind bekämpft Gesellschaft erzeugt. Ausnahmegesehen, die dem Anarchismus ihren Namen ent- werden muß, in schwülstigen Geschichtsklitterungen schildert. Bestünde aber im französischen Volke nicht die von den lehnen, die aber den Sozialismus bedrohen, indem sie jed- In der Schule wird der Chauvinismus der empfänglichen fapitalistischen Gesellschaftsstüßen genährte chauvinistische wede Bethätigung der Meinungsfreiheit, so bald sie sich Kinderseele auf obrigkeitliche Anordnung eingeimpft. Unterströmung, so hätte niemals die Mordthat Cesario's gegen die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung kehrt, zu unterdrücken streben.

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Go treibt man es in allen sogenannten Kulturvölkern zu einer Italienerheße führen können. Das französische Europa's, so treibt man es in Rußland , in Frankreich , vor Bolt hätte eine würdige Haltung gegenüber dem wahn­Aber auch in den Volksmassen hat die Mordthat allem aber im schulmeisterlichsten aller Länder, in Deutsch - wizigen Verbrechen bewahrt, und so fällt in letzter Linie reaktionäre Triebe entfesselt, den Chauvinismus, der sich land. Wie sollte denn auf andere Weise auch im Volke die die Schuld für jene wüsten Ausschreitungen des Chauvinis­seine Opfer sucht unter den Armen und Gedrückten, den Begeisterung für das herrliche Kriegsheer und die Ueber- mus in Frankreich dem kulturmörderischen Kapitalismus Arbeitern eines fremden Volkes, die auf französischem Boden zeugung, daß ohne schwere und beständige Opfer für dessen zur Last. ihr Brot suchen. Seit Jahren schwelt in den europäischen Aufrechterhaltung und Vervollkommnung jeder einzelne Völkern das Feuer des Chauvinismus unter der Asche; mit sofortigem Untergang bedroht ist, wach und lebendig

jeder günstige Wind facht es zur flackernden Lohe an. Wäre erhalten werden? Was braucht man sich da weiter zu Politische Politische Leberlicht.

nicht diese chauvinistische Grundstimmung vorhanden auch wundern, wenn die roheren Elemente des Volkes auf ihre Berlin den 30. Juni. bei den Franzosen , so hätte niemals mit solcher Erbitterung Weise den eingeimpften und künstlich ernährten Fremdenhaß Dem Reichstage, der im November zusammentreten das Volk Tausende von italienischen Arbeitern und Geschäfts- zu bethätigen suchen. Es bedarf nur des Aulasses, und der kann soll, wird ein schweres Arbeitspensum vorbereitet. Nach leuten, von Frauen und Kindern die Unthat ihres Landsmannes verschiedener Art sein. In Rußland und schwächer in Deutsch - den hochoffiziösen Berl. Pol. Nachrichten" kommen außer Cesario büßen lassen. Aber der latente Fremdenhaß, der land hat der zerstörungseifrige Fremdenhaß eine Ablenkung den in der letzten Tagung unerledigt gebliebenen Finanz­schon in den Mezeleien von Aigues Mortes blutige Orgien gefunden in den Judenheten. Ein Verdienst der deutschen entwürfen noch der Entwurf über die Bekämpfung gemein­feierte, hat auch jetzt seine Opfer gefordert. Mißhandelt, Regierung ist es nicht, daß die Bismarckischen Maßregelungen gefährlicher Krankheiten und die Zolltarif- Novelle als Erb­ihrer Habe beraubt, sind Tausende von Italienern , die in und Ausweisungen der Polen nicht auch zu Polenheten in schaft der letzten Session in Frage. Hierzu dürften noch den verschiedenen Provinzen Frankreichs thätig waren, über unseren östlichen Provinzen geführt haben. Es ist das nur voraussichtlich zwei Vorlagengruppen kommen, deren Vor­die französischen Grenzen geflohen. In Turin hatten sich ein erfreulicher Beweis dafür, daß die Bismärckerei auch bereitung schon weit vorgeschritten ist. Es sind dies eine

Feuilleton. Der Inde.

Deutsches Sittengemälde

aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Bon C. Spindler.

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Dinge. Absonderlich sagte der Hausherr:" Da kommt der ich bin nicht gesonnen, einen Hauptgewinn von der Hand Hornberger, ein grober, aber ausgepichter Ostergast."-zu weisen. Ein vornehmer Mann hat mir aufgetragen, Hierauf mußte ich mich zu ihnen sehen, und der alte ein gewisses Fräulein aufzufangen und fest zu halten, das Bechtram schenkte so fleißig ein, als ich es noch nie an von Frankfurt nach dem Thüringer Walde zu ziehen vor­ihm gewohnt gewesen. Der Becher ging tapfer in der hat, und dessen Kostbarkeiten und Geld mein sein sollen, Runde umher, bis dem langen Wernher der Kopf schwer ohne Ausnahme, benebst einem reichlichen Lohngelde und wurde, und er entschlief. Nun begann Bechtram erst zu Agungsvorschuß, so mir der biedere Edelmann zu zahlen mir zu reden: Er hätte nicht zu gelegener Zeit kommen verspricht. Seit länger denn eine Woche hat mein guter können, ungeschlachter Hornberger. Wir haben etwas vor, Geselle Kunz Doring das Fräulein zu Frankfurt belauert, Der Hornberger setzte sich indessen auf den Spreusack, der Eppstein und ich; so dies und jenes, und eins und und mir gestern gemeldet, daß es sich plötzlich entschlossen, der, mit Kalbfellen bedeckt, das Bett seines Freundes vorstellte, das andere, wobei wir Euch brauchen können."" Ich war gen Wiesbaden zu ziehen; zwar nur auf einen Tag oder fragte dem Bullenbeißer gnädig den Kopf, und hob an zu dessen bereitwillig, und wunderte mich nur, daß sie den anderthalb, wie man aus dem Geplauder ihres Knechts erzählen, wobei Petronella und ihr Neffe, der mittlerweile, Hyrzenhorn nicht angeworben, der doch ein schier noch vernommen. So habe ich denn beschlossen, das Weib, über eine Schüffel voll Wasser gebückt, das Geschäft des rüstigerer Kämpe sei, denn ich." Da verzog der Eppsteiner wenn es von Wiesbaden von dannen fährt, aufzufischen, Bartscheerens vornahm, eifrig anhörten. Ich war über das Geficht und Bechtram sagte:" Der Teufel hole alle und bedarf es eines rüftigen Beistandes; denn der Reiffen­Land geritten," sprach er, dieweil ich zu Hause nicht Holz Frankfurter und die, die es aus Feigheit mit ihnen halten;" berger und der von Wiede, meine Freunde und Helfer, hatte, um mich zu wärmen, noch Wein, mich zu erquicken; womit er des Hyrzenhorners spottete, der sich der Stadt find den Rhein hinab, um einen Zöllner leicht zu machen, und das fiel in die heilige Woche. Ich wollte den Reiffen zu eigen verschrieben. Ich habe lange genug den Schwefel- und Dorings Arm ist mir nicht hinreichend, im Fall die steiner heimsuchen, fand ihn aber nicht, und die Frau schien krämern das Banner getragen," fuhr Bechtram fort: Wie Frau mit starkem Geleite daher käme."- Es versteht sich, nicht Luft zu haben, mich den Mann, der nach Franken haben sie mir's vergolten? Dafür will ich ihnen jetzt auch daß ich ohne Bedenken einschlug, und am stillen Feiertage geritten war, erwarten zu lassen. Ich schnallte daher meinem das Licht halten, daß ihnen die Haut schauern soll." lagerten wir schon auf der Heerstraße zwischen den Wies­Gaul den Gurt fester, wie auch mir, und trabte gen Neu- Nun verabredeten wir ein paar Ritte gen Peterweil und bad und Frankfurt , weil unser Fräulein nach der Stadt falkenstein, wo auch der Eppsteiner sein sollte, wie ich ver- Erlebach, vorzunehmen nach der heiligen Zeit. Alsdann zurück wollte. Die Sache verzog sich indessen dis zum nommen. Der alte Bechtram ist zwar nicht freigebig, aber nahm mich aber Bechtram bei Seite und redete zu mir: Sonnabend, weil ein Aberglaube ist, daß man am Kar­seine Hausehre, Frau Else, läßt einen wackeren Ritters- Wollt Ihr Eure Osterfladen in meinem Hause, und ein freitage Unglück hat, zu reisen. Die Sonne war gerade mann nicht Noth leiden, wenn er Gründe halber die Feier- brav Stück Geld nebenbei verdienen, so mögt Ihr Euch aufgegangen, als sich der Wagen sehen ließ; nun wir, tage in ihres Herrn Hause zuzubringen verlangt. Die morgen mit mir zu Gaule fezen, und auf das Wiesbad drauf und dran und drüber her, und ich machte die Arbeit Anstalten zu dem Feste waren auch richtig schon gemacht. zu reiten. Der Eppstein hat ein Gelöbniß gethan, nicht eher ganz allein; schlug den Knecht vom Gaule, schnitt die Frau Else hantirte am Backtroge, und die Knechte im Hofe zu satteln, als bis die Glocken von Rom zurückkommen. Stränge los, warf die Zofe vom Wagen, knebelte die Ges brachen ein paar Rehe auf, bei deren Anblick mir das Dasselbe Gelübde habe ich zwar auch gethan, mit dem Epp- bieterin, obgleich sie sich wehrte, als wäre sie ein verkappter Wasser im Munde zusammenlief. Es war morgens um stein zu gleicher Zeit, als uns die Erzbischöflichen von Mann, räumte den Karren aus, und band das Fräulein die neunte Stunde etwa, und der Ritter saß schon mit dem Mainz schier beim Kragen gepackt hatten, und die Heiligen aufs Sattelpferd. Während nun Doring einem Bäuerlein Eppsteiner und dem Wernher von Hyrzenhorn bei einem haben uns darum auch durchgeholfen. Jedoch habe ich vergebens nachsprengte, das hinten auf dem Wagen gesessen, Trunke Weins und einigen in Effig gefottenen Fischen. nicht Noth, mein Gelöbniß zu halten, weil mich vor drei und sich beim Üleberfall schnell auf und davon, und nach Die Herren empfingen mich auch gar fröhlich und guter Wochen der Pfarrherr zu Offenbach in Bann gethan; und dem Wiesbad zurückgemacht hatte, Bechtram die Habselig.