mordung Carnot's unmöglich war, all' das festzustellen,was von geschäftigen Federn in der Presse kolportirt wird.Um aber unserer Pflicht, unsere Leser zu insormiren, zugenügen, sei folgende französische Depesche unter den obengemachten Vorbehalten mitgetheilt:Das Journal„Petit Marseillais" bringt Einzelheiten überdie entdeckte Verschwörung gegen Carnot. Am Montag habeein erst kürzlich eingestellter und gegenwärtig im Militärgesängnißbefindlicher Soldat auf die Nachricht von dem Attentat ausden Präfidenten Carnot geäußert, er habe gewußt, daß Carnorin Lyon ermordet werden sollte. Der Italiener Cesario, derdas Attentat ausgeführt habe und den er kenne, sei durch dasLoos für die Ausführung des Attentats bestimmt worden. DerSoldat erzählte sodann, daß infolge der HinrichtungenVaillant's und Henry's eine Gruppe von 7 Anarchisten denTod Carnot's beichlossen hätte. Eines Abends habe man durchdas Loos denjenigen bestimmt, der nach Lyon gehen sollte, umCarnot mit dem Dolche zu ermorden. Das Loos sei aufCesario gefallen, der hierüber eine wilde Freude gezeigt habe.Infolge eines unbedeutenden Wortwechsels mit seinem Arbeit-geber habe Cesario letzteren am Freitag, den 22. ds. verlassen,sich seinen Lohn auszahlen lassen, den Dolch gekauft und seinach Lyon abgereist. Der Soldat habe diese Geständnisse vorGericht wiederholt und die Namen der sieben Verschwörer an-gegeben. Letztere dürften bereits verhaftet sein, oder es dürftedoch ihre Verhaftung unmittelbar bevorstehen.—Tie Ermordung Carnot's hat zur Folge gehabt:1. die Ankündigung einer internationalen Anarchisten-Hätz, deren Spitze sich gegen alle sozialistischen unddemokratischen Strebungen richtet;2. eine, an mittelalterliche Zeiten erinnernde Fremden«Hätz in Frankreich;3. die Ersetzung des politisch farblosen PräsidentenCarnot durch Perier, den grtmmigsten Sozialisten-feind in Frankreich.Und alle diese Wirkungen mußten von jedem halbwegsdenkfähigen Menschen vorausgesehen werden. Wir habenden Befürwortern der sogenannten„Propaganda der That"schon hundertmal gesagt, daß ihr Treiben derartige Früchtezeitigen muß, und nur denjenigen nützen kann, dw dasGe gentheil des, angeblich von den Männern der„Propaganda der That" Gewollten erstreben.Wir haben weiter vorausgesagt, und wiederholen es,daß ein fortgesetztes Ausüben der„Propaganda derThat" die Volksmassen so weit bringt, daß sie— nicht„eine Revolution macheu", sondern jeden der Propagandader That verdäcktigen auf der Straße todtschlagen wieeinen tollen Hund. Wenn nicht diesmal durch den Zufall,daß der Mörder Carnot's ein Italiener ist, die Volkswuthmomentan in eine andere Richtung gelenkt worden wäre,hätten die letzten Tage manchem„Anarchisten" böse Stundengebracht und ihm die Nothwendigkeit des Polizeischutzes ameigenen Leibe demonstrirt.Als politische Handlung aufgefaßt, ist die Ermordung Carnot's genau so sinnlos wie die ThatenRavachol's, Vaillant's und Henry's. Und sollte es sichnicht schließlich doch noch herausstellen, daß der Dolchstoßvon Lyon eine Revanche für Aigues Mortes war, so könnenwir den Urheber der That nur mit jenen Männern zu-sammenstellen, und müssen ihm die geistige Zurechnungs-fähigkeit absprechen.Tie Uebcrzeugung, daß wir es hier nicht mit einerpolitischen Verirruiijj, sondern mit einer geistigen§?rankheitund einer Nervenepidcmie zu thun haben, dringt beiläufigin immer weitere Kreise. Und sogar ein Blatt wie dieerzkonservative Londoner„Times" ist zu der Erkenntnißgelangt, daß das Messer der Guillotine dieser Krankheitgegenüber ohnmächtig ist. Und das vornehmste Cityblattwarnt davor, in der Person Santo's einen neuen Viärtyrerzu schaffen.Freilich, Herr Casimir Perier ist nicht der Mann, sovernünftigen Erwägungen sein Ohr zu leihen— er wirdden bommo fort— den„starken Mann" herausbeißenwollen, und den Verrückten, die es mit der„Propagandader That" ernst meinen, nach wie vor den Gefallen thun,ihrer herostratischen Eitelkeit zu fröhnen.—Tas auf 40—50 Millionen geschätzte Vermögen desHerrn Casimir Perier bildet den Bourgeois-Republikanerndie Garantie, daß die Republik die Geschäfte der Groß-bank und Großindustrie noch energischer betreiben wirdals bisher. Wir müssen aufrichtig gestehen, daß wir dieZimperlichkeit des zur Präsidentenivahl versammelten Kon-gresses nicht begreifen, wenn er im Gegensatze zu seinemVorgänger vor 6'/» Jahren, der auf die Wahl eines in denGin neuerGegner der materialistischenGeschichtsauffassung.�Was der Verfasser unter diesem Titel bietet, ist eine fleißiggearbeitete Kompilation vieler der in den Marx'schen Schrislenverstreuten, die soziologische Auffassung Marxen's charaklerisiren-den Aeußerungen. Uno würde das Schristchen keine weiterenAnsprüche erheben, so wäre es eine ganz dankenswerthe Leistung,besonders, da aus den kaum mehr erhältlichen„Deutsch» franzo-fischen Lehrbüchern" und der gleichfalls vergriffenen„HeiligenFamilie" mancherlei für den Marx'schen Entwicklungsgang bezeich-nende Stelle» mitgetheilt werden. Wie indeß der etwas hoch-fahrende Titel bereits vcrmuthcn läßt, soll dieseBroschüre mehrals eine orientirende Zitatensamniluna sein, dem referirendentübrigens auch durch manche schiefe Reflexionen veranstalteten)2 heile folgen II Schlußseiten, mit der ausdrücklichen Bestimmung,ein kritisches Gericht über Marx abzuhalten. Und das wird dennmit der üblichen Leichtfertigkeit besorgt, über die der große Auf-wand unparteiisch klingender und der Würde einer akademischenDoktorarbeit angemeffenen Redewendung wahrlich nicht weg-hilft. Tas Schristchen ist Herrn Professor Stein,„meinem ver-ehrten Lehrer", gewidmet.Gleich das Pronunziamento, mit dem daS kritische Schlußkapitel beginnt, ist charakteristisch. August Comte habe mitRecht die Soziologie als die zusammengesetzteste aller Wissen-schaslen, als das Studium, welchem die Entwickelung alleranderen Wissenszweige zur Grundlage dienen müsse, bezeichnet.Indeß„berücksichtigte er nicht die Honigbedingung" der Sozio-logie,„nämlich die E x p e r i m e» t a l p s Y ch o l o g i e, ohnewelche die Soziologie als Wissenschaft unmöglich ist, da dieGesellschaft auf der Assoziation der Bewußtseinszuftände dereinzelnen Individuen beruht." Die einfache Thatsache, daß jedeGesellschaft eine Gesellschaft empfindender, wollender, denkenderMenschen ist, daß also das Leben und die Fortentwickelung") M a rx als Philosoph, von Ladislaus Weryym(Bern und Leipzig, 1894.)sozialen Kämpfen nicht direkt verwickelten und durch seinenuntadelhaften Lebenswandel auch dem politischen Gegnersympathischen Mann Werth legte, den Schützling Roth-schild's, den geheimen Orleanisten, den Liebling der Hoch-stnanz und des Adels, den Grubenbesitzer von Anzin, miteinem Worte Casimir Perier wählte, warum er dann nichteinen fürdie verfaulendeOrdnung noch charakteristischerenMannwählte— den Cornelius Herz.—Zur Italiener- Hetze in Frankreich, die wir inunserem heutigen Leitartikel behandeln, liegt folgenderDrahtbericht aus Roni vor:Große Mengen italienischer Arbeiter kehren fortgesetztaus Frankreich hierher zurück. Man glaubt, daß die von derRegierung verlangten 700 000 Fr.(nach anderer Meldunghandelt es sich blos um 100 000 Fr.), welche dazu dienensollen, Unterstützungen den aus Paris zurückkehrenden Italienernzu gewähren, voll bewilligt werden, ist jedoch der Ansicht, daßdiese Summe nicht ausreicht.Crispi will sich durch diese Beschlußfassung des Par-lamentes jedenfalls eine Waffe gegen Frankreich schaffen,falls ihm ein Konflikt mit dem Nachbarstaate zur Ab-lenkung des italienischen Volkes von seiner inneren Politikerwünscht sein sollte.In noch merkwürdigeres Licht würde die Italiener-hetze kommen, wenn die der„Vossischen Zeitung" aus Romübermittelte Nachricht sich bestätigen sollte, daß ein genauerBekannter Cesario's, der Advokat Gori, glaubt, daßCarnot's Mörder den Namen des jungen Italieners nurangenommen habe. Der richtige Santo Cesario sehe ganzanders aus, als der Mörder beschrieben wird. Auch einTelegramm des Mailänder„Secolo" aus Toulouse sprichtdie Vermuthung aus, daß der Mörder Carnot's ein Fran-zose sei.—Selbst von Belgien läßt sich daS an der Spitze derSozialreform marschirende Deutschland überflügeln. Wäk>-rend bei uns das Wort von den Staatsbetrieben, duMusteranstalten werden sollen, todtes Wort auf vergilbendemPapier geblieben ist,, hat England sich bestrebt, es zurWahrheit werden zu lassen, und nun meldet das offizielleOrgan der belgischen Regierung, das„Journal", daß dieEinführung des Minimallohnes bei der Ausführung vonStaatsbauten bereits große Fortschritte gemacht habe.—Kurland„feiert" in diesem Jahre das hundertjährigeJubiläum seiner Einverleibung in Rußland, und es istnicht zu zweifeln, daß es in Kurland Deutsche genug giebt,welche in gewohnter„Loyalität" dieses Fest feiern werden,obwohl gerade unter dieser Regierung die schneidenstenMaßregeln getroffen werden, das Deutschthum in der Ver-'waltung. Schule und Kirche auszurotten. An der Vernich-tung des Deutschthums tragen nicht zum wenigsten duDeutschen felbst die Schuld. Sie bildeten die herrschendeKlasse in den russischen Ostseeprovinzen und übten ihreHerrschast nach Herrenweise aus. Den großen deutschenBaronen stand die große Masse der einheimischen Bevölkc-rung rechtlos gegenüber und in den Städten beherrschte derDeutsche die Industrie und den Handel und sahen die Arbeiternur wie eine untergeordnete Klasse, wie das Lastvieh an.Da die Deutschen aber nur eine kleine Minderheit bilden,die der großen Mehrheit gegenüber feindlich gegenübersteht,waren sie widerstandsunfähig, als Rußland begann, ernst-liche Schritte zu thun, um die Sonderstellung der Ostsee-Provinzen zu vernichten und sie thatsächlich zu russifiziren.Die deutschen Barone und deutschen Handelsherren tragenselbst die Schuld, daß sie die große Masse der einheimischenBevölkerung, Letten und Esthen, nicht für sich gewannen,sondern dem gemeinsamen Unterdrücker, dem Russen in dieArme trieben, sie werden auch jetzt nicht anstehen, bei derJubiläumsfeier ihren„russischen" Patriotismus zur Schauzu tragen, denn die Erhaltung ihres Großgrundbesitzes undihres Profits steht ihnen doch höher als ihr Bischen Deutsch-thum.—Tas Ideal unserer Znuftler war, so entschieden siees auch hie und da bestreiten, das Reich der Zöpfe, dasjedem Fortschritt, außer auf dem Gebiete des Militarismus,abholde China. Wie werden sie sich nun wieder nachChina sehnen, wenn sie erfahren werden, daß China willensist, die Einfuhr von Maschinen zu verbieten. Wie nichts-sagend sind neben dieser Maßregel einer erleuchteten Re-gierung all die Versprechungen der konservativen, ultra-montanen und antisemitischen Vormünder der deutschenHandwerker.—der Gesellschaft durch das Bewußtsein der Einzelnenirgendwie vermittelt sein muß, scheint dem Verfasserein hinreichender Grund, um die Möglichkeit einersoziologischen Wissenschast davon abhängig zu machen, daßvorher die„Experimental- Psychologie" als ihre Grundlageentwickelt sein müsse. Jedes Streben nach tieferer Erkenntnißder gesellschaftlichen Zusammenhänge, mithin auch die Marx'scheGeschichtsauffassung, verlaufe nöthwendig in metaphysischeWillkürlichkeiten, so lange es sich nicht auf jene Psychologie—die uotabens gegenwärtig noch in den kindlichsten Kinderschuhensteckt— stützen könne. In der That eine schöne Stütze! WasHerr Weryho sehr unbestimmt„Assoziationder Bewußtseinszuftände"nennt, ist geivrssermaßen der seelische Untergrund, ohne welchenein bewußtes, zweckmäßiges Handeln der Individuen unmöglichist. Aber womit hat es die G e s ch i ch t e zu thun? Mit derFrage, wie die verschiedenen Sinneswahrnehmungen durch äußereReize bedingt, wie die Empfindungen und Wahrnehmungsbilderzu gcwiffcn einfachen Vorstellungen verschmolzen, wie diese Vor-stellungen in der Erinnerung assoziirt werden? Oder mit derFrage: Welchen Inhalt der— an die Grundlag« eines seelischenMechanismus allerdings unauflöslich geknüpfte— Wille durchdie konkreten Zustände der Gesellschaft erhalte,welche Ziele er sich als gesellschaftlich b e st i m m t e rWille setzt?Ein Beispiel mache das noch klarer. Die ökonomische Unter-suchung über die bei freier, kapitalistisch organifirter Kon-kurrenz stattfindende Wertherzeugung und-Vertheilung fällt ficherin das allgemeine Gebiet der Soziologie. Aber obwohl dieWirthschast der freien Konkurrenz doch nur durch die Aktion derMenschen vor fich gcht, und dies« Aktion ohne Bewußtsein, ohneScelenmcchanismus und Affoziationsvorgänge unmöglich ist, wasläßt sich aus einem noch so weil getriebenen psychologischen Studiumfür die Erkenntniß dieser Wirthschast hoffen? So gut wie nichts.Nirgends hat ein Mangel solchen Studiums irgendwie die Ent-Wickelung der ökonomischen Theorie aufgehalten. Ohne die Ent-stehung und gesetzmäßige Ausgestaltung des Bewußtseins ver-folgen zu können, wissen wir doch sehr gut, wie in de« gegebenengesellschaftlichen Umständen auf dem Gebiet der Oekonomieder zweckgemäße Wille sich bethätigt, welchen Inhalt erdurch die Konkurrenz erhält. Die allgemeine und sehr verständ-liche Lösung, welche heute das Gewirr aller ökonomischen Einzel-Handlungen beherrscht, heißt: möglichst billig kaufen, möglichsttheuer verkaufen.Parteikonferenz. Die Parteigenoffen von Eßlingen.Kirchheim, Nürtingen u. f. w. halten am 8. Juli eineKreiskonferenz ab. Zur Tagesordnung steht in erster Linie dieAufstellung der Kandidaten zur Landtagswahl und dann Agitation.Staatsanwalt Romeu macht Schule. Groben Unfugsollten am 4. Mai d. I. die Maurer Zöllner und Richter inDresden dadurch verübt haben, daß fi« an genanntem Tagejeder, eine rothe Blume am Hute und Richter eine Guitarreunter dem Arm, durch die Straßen gegangen waren und ihneneine Menge Kinder nachliefen. Sie hatten deswegen von derPolizeidirektion eine für zeden auf 2 Wochen Haft lautendeStrafversügung erhalten und hiergegen richterlichen Entscheidbeantragt. In der Schöffengerichtssitzung erklärten nun diebeiden Angeklagten, daß sie gar nicht gewußt hätten, daß siederartig geschmückt waren, auch seien sie ein wenig„fett" ge-wesen. Das Strafrcgister der beiden Angeklagten wies eineMenge Vorstrafen auf. Speziell Richter verbüßte schon 64 Vor-strafen, davon 17 allein wegen groben Unfug. Das Verhaltender Angeklagten erregte des öfteren eine große Heiterkeit, undkonnte man aus ihrem Benehmen wohl sicher schließen, daß siealles andere, als Anhänger unserer Partei waren. Ein alS Zeugevernommener Gendarm stellte fest, daß die Rosen aus demTrianon stammten. Hieraus mochte wohl der Vor-sitzende, Herr Amtsrichter Dr. Domsch, schließen.daß die Angeklagten Sozialdemokraten seien, denn als er einenFreund derselben, der als Zeuge vorgeladen war, auf die Heilig-reit des Eides aufmerksam machte, sagte er u. a. wörtlich:„Lassen Sie srch nicht beirren, wenn auch diesozialdemokratischen Lehren dahingehen, daßes keine Sünde ist, um einen Freund rauszu-reißen, falsch zu schwören." Die Aussagen des betr.Zeugen waren gänzlich ohne Belang, so daß sich die Bereidungerübrigte. Der Gerichtshof hielt die Strafverfügung aufrecht undmüssen die beiden„Auch-Sozialdemokraten" nun jeder 2 WochenHast verbüßen.Wir können es nicht unterlassen, gegen die sonderbare Auf»fassung des Amtsrichters Dr. Domsch ganz energisch zu protestiren.Ganz abgesehen davon, daß die in Frage kommenden Personenmit der Sozialdemokratie keineswegs in Verbindung zu bringensind, so sind derartige Aeußerungen aus dem Munve eines un-parteiisch sein sollenden Richters doch sicherlich dazu geeignet,einen großen Theil der Bevölkerung auss schwerste zu beleidigen.Maifeier-Prozeß. Die„Dächsische Arbeiterzeitung' fordertalle Genossen, die im obigen Prozeß verurtheilt worden sind, auf,Berufung einzulegen. Hoffentlich kommen alle Verurthellte dieserAufforderung nach, sodaß das Landgericht Gelegenheit erhält,die Verurthetlung rückgängig zu machen.Die Privntklage des Genossen Lehmann in Dortmundgegen das Weltblatt zu Köln, die„Kölnische Zeitung", die ihnbeschuldigt hatte, 1400 M. Streikgelder unterschlagen zu haben,war bekanntlich vom Kölner Schöffengericht dahin entschiedenworden, daß die„Kölnische Zeitung" zu b0 M. Geldstrafe undin die Kosten verurtheilt und dem Genossen Lehmann die Be-fugniß zugesprochen wurde, das Urtheil in der„Kölnischmteitung" bekannt zu machen. Das Organ der rheinischenroßindustriellen hatte indeß an dem einen Reinfallnoch nicht genug: es legte Berufung«in und am Donnerstagfand abermals Verhandlung vor dem Kölner Landgerichtstatt. Als Schutzzeuge der Kölnerin war Herr PolizeikommissarMeyer von hier vorgeladen. Er bestätigte rndeß im wesentlichen.was in der Klageschrift ausgeführt war, so daß sein Zeugnißvöllig zu gunsten des Genoffen Lehmann ausfiel. Auf die Fragedes Vertreters des Klägers, Rechtsanwalts Belles,„ob er odersonst jemand in Dortmund den Argwohn gehabt oder noch habe,daß Lehmann die 1400 M. unterschlagen hätte?", erklärte er,daran denke in Dortmund kein Mensch I Die hochwohllöblichePolizei hat also unserem Genoffen, der sicherlich nicht zu ihrenLieblingen gehört, eine unumwundene Ehrenerklärung gebenmüssen. Natürlich mußte der Gerichtshof unter solchen Um-ständen die Berufung verwerfen. Die„Kölnische Zeitung" bleibtalso auf de» ö0 M. sitzen, und zu den Kosten kommen noch dieder Berufungsinstanz hinzu.Die Furcht vor der Sozialdemokratie treibt oft diewunderlichsten Blüthen. In Dissen(Westfalen) fand amletzten Sonntage die erste sozialdemokratische Ver-s a m m l u n g statt. Als Redner waren angekündigt:Redakteur G r o t h aus Bielefeld und Genosse vonWächter aus Württemberg. Die Bourgeois in Dissen.an der Spitze der Magarinefabrikant Hamann und der Orts-Vorsteher Westendarp, hatten nichts unterlassen, was in ihrenKräften stand, um dem Besuch der Versammlung Abbruch zuthun. Letzterer erließ in dem„Dissen-Rothenfelder Anzeiger"eine amtliche Verwarnung vor den rothen Hetzaposteln, die wirihrer Kuriosität halber und zur etwargen Nacheiferung seitensstrebsamer Kollegen des Herrn Westendarp hier einer größerenOeffentlichkeit übergeben wollen; dieselbe lautet:Ist das nun eine Willensbethätigung, zu deren Verständniß eineden isolirlen Menschen studirende„Experimentalpsychologie" unsirgendwie dienlich sein kann— oder ein durch die gesell-schaftliche nVerhältnissedem Einzelwillen aufoktroyirtes,und nur aus diesem Zusammenhange verständliches Ver-halten? Und dasselbe wiederholt sich auf allen Gebieten:Psychologie studirt das Zustandekommen der Empfindungenund Vorstellungen„an fich". dw G e s ch i ch t e dagegen hat esmit den Strebungen zu thun, die aus den besonderenhistorischen Umständen sich ergeben, mit Stublingen,welche Empfindungs- und Vorstellungsvermögen der Einzelnenzur Voraussetzung haben, ohne indessen aus den abstrakten That-fachen des Empfindens und Verstellens irgend erklärt werden zukönnen.Ich will auf die vielen Ungereimtheiten, die in dem Schluß-kapitel aufgehäuft sind, nicht im Einzelnen eingehen. Der leitendeGrundgedanke, der fich übrigens(wenngleich in etwas ratio-nellerer Fassung auch in der Barth'schen Schrift:„Die Ge-schichts-Philosophie Hegel's und seiner Nachfolger."(Leipzig 90)ausgesprochen findet, ist der: Marx habe, indem er dieProduktionsbegingungen als das bestimmende Moment in dergeschichtlichen Entwickelung hervorhob, die Wechselwirkungzwischen den verschiedenen Seiten des gesellschaftlichen Lebensgeleugnet. Nach einer solchen Unterschiebung— sie alleindrückt schon der Kritik, wie ich oben sagte, den Stempel derLeichtfertigkeit auf— ist es allerdings ein Leichtes, die materia-listische Geschichtsauffassung zu„widerlegen". Es wiederholtsich hier bei der Krink der sozialogischen Lehre von Marx dasselbeangenehme Schauspiel, das wir bereits von der Kritik seinerWerththeorie her kennen. Um die Bildung der Preise zu ver-stehen, geht Marx auf das primäre Element des zur Produktionder Waaren gesellschaftlich nothwendigen Arbeitszeit zurück,gründet seine Werththeorie hierauf und hebt— wasjeder verständige Mensch sich übrigens von selbstsagen kann— noch ausdrücklich hervor, daß in Wirk-lichkeit natürlich nicht immer gleiche Werthe, d. h. Pro-dukte gleich großer Arbeitszeit gegen einander ausgetauscht wer-den, daß vielmehr unter dem Druck der Konkurrenz bedeutende—späterhin ausführlich zu untersuchenden— Abweichungen von derzuerst hypothesirten Regel vorkommen. Die Herren Kritikerkehrten sich natürlich nicht daran, sondern machten so, als habeMarx die ganz offenkundige Thatsache, daß Preisabweichungennicht gesehen rcsp. aus theoretischer Verbissenheit weggeläugnet.