Nr. IIS— 191$
Unterhaltungsblatt ües vorwärts
dkenstag, 39. �prN
Die Sesthießung von Zlugzeugea. Von E. H e m p e. Die Beschießung von Flugzeugen mag ein Laie für eine Kleinig- keit halten. In Wirklichkeit bedarf sie zum Erfolge nicht nur reichster Erfahrung und Hebung, sondern vor allem auch eine» gut Teil»— Gluck I Wer leichthin über da» Beschießen von Flugzeugen urteilt, vergißt meist dabei zu bedenken, daß die Flugbahn der Geschosse keine einfache gerade Linie, sondern eine gekrümmte Kurv« darstellt. Dadurch ist ein Treffen de» Ziels nur bei nngesühr richtigem Vifier möglich, weil sonst die Gcschosie drunter oder drüber gehen würden, Do» für Flugzeuge in der Luf. zutreffende Visier aber zu finden, ist nun die Hauptschwrerigkeil beim Beschießen von Flugzeugen. Man erhält beim gewöhnlichen Schießen bekanntlich daS richtige Visier, indem man die Enticrnung bis zum Ziel ermittelt. Beim Schießen im Gelände ergiebt bier'ür die Beobachtung der Geschoß« ernschläge den besten Vlnhalt. Je nach ihrer Lage zum Ziel erhöht oder kürzt man das Visier, bis die Geichoßgarbe in das Ziel htnein« kommt. Fehlt nun aber die Möglichkeit solcher Beobachtung ganz — wie dos ja stets� bei Gewehr« und Maichinengewehrsener aus Flugzeuge der Fall ist—. so hifft man sich, indem man die En!« iernung schätzt. Daher denn dem EntiernungSschätzen eine so wich« tige Nolle in der mililäriichen Llu'-brldung zufällt. Diese« HilsS« mittel jedoch läßt sich bei Fluazeugen nur ungenügend verwerten, weil aüe bierfür notwendigen Anhaltspunkte beim Schätzen in der Luft fehlen. Es ist nicht möaUch. die gelernten und dem Auge ein» geprägten Schätzu? gsmaß'iäbe wie auf dem übersehbaren Boden io in den Dunst der blauen Luft zu übertragen. Die einzige Schätzungsniöglichteii ergibt die verschiedene Größe, in der da» Flugzeug in verschiedenen Höhen dem Auge erscheint. Aber auch b'erau» läßt sich be' meist herr'chender Nnkennin,« der wirklichen Höbe nur iehi schwer ein sicherer Maßstab gewinnen, llnd schließ- lich bereilen dabei die ganz unterschiedlichen Größen der einzelnen Flugzeuge wie die wechselnde Sichligkeil der Lust ost arge Täuschungen. Es ist tatsächlich schon nicht leicht, auch nur den eigentlichen Standpunkt eines Flugzeugs in der Lust mit einiger Bestimmlbest festzulegen. Ein praktisches Beispiel mag da« belegen. In der vorderen Kampfstellung wie in der etwa«in Kilometer dahinter be» findlichen Reseivestelliing und auch im Rubelaqer weitere drei Kilometer zurück besinden sich bereitgestellte Maschinengrwebre zur Atiwehr feindlicher Flieger. Die Fltegergewehre beim Ruhelager sieben auf einer Anhöhe, die en, n weiten Rundblick bietet. Der O'sizier im Ruhelager steht selbst beim Fliegergewehr, als gerade ein feindlicher Flieger am Horizont erscheint. Er nähert sich raich. Nach Schätzung müßte er setzt über der vorderen Stellung sein. Der Offizier lau'cht vergeben« auf da» Abwehrfeuer von dort. Der feindliche Flieger ist unteedes bedeutend näher gerückt, er wird etwa über der ReservetteNuitg schweben. Aber auch dort kommt kein Feuer ans ihn. Da« Flugzeug fchemt setzt io nahe, daß der Offizier vom Ruhelager das Feuer eröffnen zu können glaubt, zu- vor fragt er jedoch noch mal in der Reiervestellung durch den Fern- sprecher an. weshalb dort der Flieger nicht beschoffen worden ist. Antwort: Entfernung zu weit. Als der Offizier bei der vorderen Stellung die weitere Anfrage erbält, kommt zurück: Flieger be« findet sich noch weit Himer feindlicher Linie I So groß war die Täuschung, daß beinah« mit dem nur rund 2 Kilometer tragenden Maichinengewehr auf ein Flugzeug in etwa 4 Kilometer Entfernung geschossen worden wäre. Der Erfolg läßt sich denken. Sogar beim Geichützseuer gegen Flugzeuge, da« immerhin gegenüber dem Gewehr« und Maschinengewehrfeuer durch die Be« obachtung der Sprengpunkte in der Lust«in« bessere Möglichkeit, die richtig« Entfernung z»«zielen, befitzt, find Täufchuage« bei Beurteilung von einer Stelle aus sehr leicht möglich. Jeder, der einmal Gelegenheit gehabt bat. emem solchen Fliegerbeschießen durch Geschütze von einem feindlichen Standpunkt an» zuzusehen, wird sich oft gewundert haben, daß die Sprengpunkte noch immer so weit vom Ziel abbleiben. Dabei erscheinen fie dom Geschütz selbst au« gesehen vielleicht außerordentlich gutliegend. Llio auch die Beobachtung der Geschosse in der Lust schützt nicht vor Täuschungen in der Beurteilung der Lage der Geschofle. Dazu tritt beim Fliegerbeschicßen noch als erschwerend, daß ein eigent« licheS Zielen auf das Flugzeug fortfällt, weil in der Zeih die das G-ichoß zum Durchlaufen der Entfernung bis zum Ziel« braucht. das schnelle Flugzeug längst schon weiter ist. S» muß also zweck- mäßigerweise auf eine abgeschätzte Strecke in der Lust vorgehalten werden, wa« beim Fehlen jeglicher Hilfspunkte am klaren Himmel naturgemäß recht prob auszufallen pflegt.
Ist e« ab« doch einmal gelungen, dem Flieg« mit Feuer dicht auf den Leib zu rücken, s« besitz! dies« durch die Beweglichkeit seine? Flugzeugs Möglichkeiten genug, sich dem bedrohlichen Feuer zu entziehen. Man beobachtet in solchen Fällen gar oft, daß sich ein geschickter Flieger in solcher Lage plötzlich viele hundert Meter tiefer fallen läßt,« purzelt, wie freudestrahlend die Kliegerabwehrmannschast denkt, und deshalb da« Feuer einstellt. Gewiß purzelt« auch— bis er auf einmal wieder tn« Gleichgewicht kommt and keck und sicher abstreicht. Ehe die Fiiegerabwehrmannschaft sich wieder in die Veränderung der Lage deS Ziels gefunden hat, ist« meist üb« alle Berge, od« läßt ihr da« Vergnügen, sich unt« neuen Bedin« gungen mit ihm zu befasse«, bis« bei neuer Nngemütlichkeit da« alte Spiel wiederholt. Selbst wenn wirklich Geschofle od« Splitt« da» Flugzeug treffen, ist damit noch nicht sein Todesspruch gefällt. Man hört ja immer wieder, mit wie durrfr'öcherten Tragflächen unsere wackeren Flugzeuge trotzdem frisch und munter wiederkehren. Erst wenn ein besonder« empfindliche» Teil de« Ftugzeirae« getroffen ist, wie der Füdr« selbst od« der Motor, welche beiden Zielflächen im Ver« gleich zur ganzen Flugzeug breite nur Punkt« darstellen, wird e« kritisch. Doch auch mit verwundetem Führ« oder durchschossenem Motor ist noch manches brave Flugzeug wieder heimgekehrt. Da« Geiaate trifft bei großen Zielen in der Lust, wie ab« verriebenen Feffekballon« oder Luitschiffen, finngemäß in minderem Maße zu. And«« verhält es sich dagegen bei Kampfflugzeugen, die neuerdtng« bei den Riei-ickämpsen im Westen bi»«uf nächste (fnifernirnc an den gegnerischen Graben b«anpeben imd in den Kamps selbst mit etnarerfen. Da ste ob« leicht z« treffen stnd— bei d« geringen Entfernung fallen die Kchwierigketten fort— find fie an den empfindlichen Stellen meistens gepanz«t und können so man»« Gewehrkugel schon rrotzen. Es ei hellt, daß für einen Erfolg beim Fliegerdefichfeße« d« Zufall eine große Rolle fviell. Man müßte am besten einen g«nr»en Himmelsraum mit Geschossen belegen, dann wäre die Wahrichetn» lichkeit, mit einigen Schüssen auch da« Flugzeug zu treffen, die größte. Hierin legt aber natürlich Munitionsverbrauch wie Eni« ziebuna der dafür benötigten Maschinengewehre od« Geschütze eine weise Beschränkung auf. Die Flugabwehr darf e« sich daher schon als Erfolg verbuchen, wenn«S ihr gelingt, wa« euch ihrem Namen nach ihre eigentliche Aufgab« ist, feindliche Flieg« zu beunruhigen, zu vertreiben, abzuwehren. l ES ist vielleicht auch gut. daß e« so schwierig mit d« Beschießung von Flugzeugen bestellt ist. denn sonst würden wir bei den dann entsprechend viel größeren Verluste« schwerlich solche» Nutzen au« unser« präckiigen Fliegerwaffe ziehen können. Auch würde dann die Arbeit uns«« auf die feindlichen Flligzeuae Jagd machenden Kampfflieger mehr oder mind« entbehrlich sein. So vi« e» iran einmal ah« ist, bleibt gerad« da« best» Mittel av«iolgmtchen Bekämpfung feindlich« Wttgtenge d« Kampfflieger selbst, d« an da««strebt, Fiel auf beliebig nahe Entfernung beeangeheo und t« mit entsprechend sicher« Tchuß- abgab« ans seinem Maschinengewehr tödlich treffen kann. Daß eS io ist, lehrt ein Blick auf die Statistik d« He«esberichte üb« den Abschuß feindlich« Flieg« durch eigene Kampfflieger im v«gleich zu den durch Abwehrfeuer von d« Erde au« heruntergeholte».
Deutscher Tabakbau« Dir Anwendung da» sprichwörtlichen Grundsätze«: da« Besser« ist dsr Feind des Guten, schließt viel Ungerechtigkeit in sich, da«S meist dem Gofchmock und der Willkür des einzelnen oder auch der Mode überlassen ist, über ein Werwe rhältrri« abzuurteilen. Die Mode ist ab« leider besonder« wirksam und gibt gerade in Deutsch - land erfahrungsgemäß gewöhnlich dem AuSichlog zugunften«ne» ausländischen Erzeugnisses gegen ei» hormisches. Di« Raucher werden«» sich zwar nicht einreden lassen wollen, ab» auch für de« Tabak gelten diese ErfahrungSsätze, und e« ist eigentlich zu be» dauern, daß daS KriegSelond de« Tabakma-ckte» nicht wemgsteu» dazu«iSgerartzt wird, die Rauch« üb« de» Wert der deutsche» Gewächse aufzuklären. Warum sollte» wir nicht ebenso mit verschiedenen Pfalzern vom Geschlecht der Pflanze niTtotian* tahactun Hsid wissen, als mit den Pfälzer « von bei Gattung des Wein« llnd wenn noch der Uckermärker hinzugefügt wird, so find nur die Hauptsort«« von deutschem Tobak genannt, die ihre verächtliche Behandlung sehr zu Ilmecht ertragen und im Ausland weit höh« eingeschätzt werden, al» in ihr« Heimat selbst. UebvigenS hat sich d« Tabakbau eine dauernde Verbesserung nicht nur der Pflanzungen, sondern auch der Dehatldluug der gerrnteten Blätter angelegen fest» lassen, die zu bemerkenswerten Erfolge»
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geführt hat. Auß« der gewöhnliche» Hauptart der Tabakpflanze, die auch al» oirginifch« Tabak bezeichnet ward, gibt ei aber noch eine zweite, auf deren kaum geringeren Wert A. Handering in der .Uurschan" besonders aufmerksam macht, weil ihr Anbau noch einen eigenen Sdckbenvorteil verspricht. Es ist d« sogenannte Bauern- tabak, auch Landtabak, Beilchentabak genannt, der vornehmlich euie» hervorragenden Pfeifentabak liefert. Was ist eise Mllliarüe! In diesen Zeitläuite», da jede unser« Kriegsanleihen eine«« klecklichr Anzahl von Milliarden«bringt, während die GesaiutkriegS« kosten beider feindlichen Gruppen gar schon in die vielen Hunderte von Milliarden gehen, ist der Begriff für daS RiesenHasie dieser Zahl den meisten abhanden gekommen, und man kann wohl sagen. daß man heuie nicht ander» von Milliarden als früh« von Millionen spricht. Ab« wa« ist in Wirklichkeit eine Milliarde I Sie ist dasselbe wie tausend Millionen In gemünztem Gelbe dargestellt, ergibt sie eine ungeheure Meng«,»nd ein« Milliarde in Gold wiegt die Kleinigkett von t<X) OC0 Kilogramm. Würde man aber eine Milliarde Mark gar in Silber ausmünzen, so wäre die Metallmenge groß genug, m» die meisten dentiche« Linienschiffe damit zu panzern. «uieinandergestapelt, würde«ine Milliarde Mark in Silber einen Pietl« von 7S Kilometer Höhe eraeben Zum Transport dieser Menge würde man mindesten» 600 Eisenbahnwagen gebrauchen. Wenn ein Milliardär seineu ganzen Lefitz mit d« Hand zahle» wollt«, und wen» er darin«ine s» große Ge> schick lichkeit hätte, daß ihm i« d« Sekunde fünf Mark- stück« durch die Flug« glme», so hält« er ununterbrochen sechs Jahre und vm Monate Tag und Nacht zu zählen. Bei ein« täglichen Arbeitszeit von acht Stunden müßte er demgemäß neun- zehn Jahre seine« Leben« auf die Zählung seine» vermögen« ver« wenden. Milll«weile würde sich diese» ab«, wenn er e« sofort in fünfprozenlig« deutsch « Kriegsanleihe angelegt hätte, bereit« der- doppell haben,«nd« würde abermals neunzehn Jahre weiter- zählen müssen, nach deren Ablauf ds« zwei Milliarden sich abermal» vudoppelt haben würden, so daß er nunmehr weitere achtunddreißig Jahr» zählen müßte. Inzwischen würde der arm« reiche Mann, selbst wen»« schon im zarten Knaben- alt« zu zählen begonnen haben würde, längst ein alter Mummel- greis sein, der dann wohl die Unmöglichkeit eingesehen haben würde, ein solche» Riesenvermogen in Markstücken während einK Menschen« leben« überhaupt zu End« zu zähle».
Notizen. — Der Musilschriststeller Otto Leßmann ist im Akt« von 74 Jahre» i» Jena gestorden. Er stammte au» Rüder»- dort. ALS HerauSzeber der stsjh« einflußreiche».Allgemeinen Muffl-Hottunß' hat« im Kampfe für Wagn«»nd Liszt eine schneidige Klrnge geführt. — Ukrainische Hochschulprün«. Die Ukrainische Wissen- schaftlich« Gesellschaft in Kiew hat dem Unterrichtsministerium vorgeschlagen, schon im Herbst d. I, llnitwrfitäten tn Kiew , KaterynoS- law und Kamjrnez-PodoiSk. sowie acht BolkSuniverfitäten in anderen Städten zu errichten. In Kiew besteht seit langem die russische Wladimir-Universität. Fern« sollen im Herbst die meisten höhnen Schule» ukratnifiert werden. Im laufenden Schuljahr« werden im Lande di«zig höhere Schulen errichtet. Die Technische, die Handels- Hochschule und die Geistliche Akademie in Kiew stehen vor der Ukrai- nisternng.— In Galizien bestehen nur sechs ukrainische Staats- gymnasten gegen 70 polnische, außerdem vier nkrainische Privat- gymnafien und keine Holdschul«, tvährend die Polen zwei Univerfitäten und et»« Technische Hochschul« habe». — Der Vogelzug über die»»rische N«hr«»ß ist in d« Biologisiben Abteilung de« Museum» für Meeres- l»»d« in den letzten Tagen durch ei» große« Rundbogengemälde z« Darstellung gekommen, da« in eindrucksvoll« Weis« da» Wandern d« Nebdträhe zeigt. Während viel« and«« Bögel bei ihrem Zog« in kleinen Trupp» auftreten, die nur von dem Kundigen al» Erscheinungen des Ziehen? gewürdigt werden können, wandert die Rebelkrähe in Zügen, die fich in der Landschaft auch dem un- geübten Aug« aufdrängen. Da» stimmungsstark« Bild zeigt da» eigenartig« Anschmiegen der niedrig ziehenden Vögel an die Boden- formen o« Dünenlandschaft. Im Mittelgrunde wird noch«in Schwärm wilder Tauben bemerkbar, und in d« Nähe sehen wir den bekannten Winkel der ziehenden Gänse. Da» Gemälde ist ein Berk de« Landschaftsmalers Richard Eschke .
Wj Pioniere. Roman au» dem Norde» von Ernst Didrimg. (Forts, folgt.) Der Himmel war einförmig blau. Der ganze Tornejaur lag in einem blaugrünschimmernden Schneeglanz mit schwarz- blauen Schatten in der Gegend des Nuolja. Die frostzerzausten Zwergbirken vor GerellS Baracke sahen au« wie große Raupen, die bei den hoffnungslosen Windungen und Ver- suchen, in den Boden Hineinzugelangen. erfroren waren. Die Berge im Süden standen hart gegen die glasgrüne Himmels- wand, die die Morgendämmerung ankündigte, im Norden aber verschwammen die Felsen in einem eisigen vletchgrün. Der Nuolja selbst hatte sich in einen rußschwarzen Flor gehüllt, durch den man kaum die Baumgrenze erkennen konnte. Und über allem, ein guteS Stück unter dem Zenit, funkelte das Nordlicht wie ein unerhört großer Weihnachtsbaumstern aus Filigran . Die Lichtbüschel flackerten und flammten dort oben. Bisweilen schössen Millionen Goldpfeile in den nacht- blauen Raum hinaus, bisweilen verblaßten die Sternzacken und schienen zu erlöschen, dann aber sprühte daS Silberfiligran wieder blitzschnell auf und funkelte und sprühte heller als ein Kranz von Brillanten. Bei diesem Feuerwerk liefen sie alle nach Hause. Als Algren in seine Stube kam, wollte er sich ans Fenster stellen, um daS Nordlicht zu bettachten. Aber die Scheiben waren zugefroren, und er sah durch den phantastischen Silberwald von Palmen und Schlangen nur, wie der flackernde Schein draußen aufglühte und erlosch, aufglühte und erlosch, in ewigem Kreislauf. Da warf er sich angekleidet, wie er war, auf das Bett «nd losch selber auch aus. Achte? Kapitel. Die fünf Pferds kämpften sich mit der schweren Proviant- führe durch da? Schneetreiben. Um jedes Pferd stand eine dichtt Nebelwolke, die ihm tteulich durch die eisige Nacht folgte. Und in der Nebel- Wolke saßen die Fuhrknechte in ihren. Wolfspelzen. Die Hände hatten sie in den Taschen vergraben, die Zügel hmgcn lose auf dem rechten Arm, die Mützen aus See- hundLfell waren tief über die Ohren gezogen, und die breiten, dicken, wollenen HalStüchter legten sich mehrmals um den Hals und verdeckten Nase und Mund, so daß nur ein schmaler Sttetfen für die Augen frei blieb. Eigentlich
war auch dieser Sttetfen unnöttg, denn alle Männer waren betrunken und schliefen und verließen sich auf die Pferde, die den Proviantweg kannten. Da oben auf dem Wege am Tornejaur entlang bestand kein« Gefahr, auf Abwege z« geraten. Der Weg zoa sich schnurgerade zwischen den Stangen hin, und die Nacht war hell genug von Schnee, Nordlicht und Sternen, so daß die Pferde ihren Weg finden konnten. DaS Beschwerlichste, wa« die Fnhrknechte z» tu» hatte». war: ab und z» die vranntweinflasche herauszuholen und einen Schluck zu genehmigen. DaS geschah auch sehr«m- ständlich und vorsichttg, und sie öffneten die schläfrigen Augen erst, wenn die Kälte der Flasche an den Lippen brannte und sie den Göttertrank tn der Kehle kratze« fühlten. Dann mußte der Fußsack wieder zugestopft und die tn Handschuhen auS haarigem Renntterfell steckenden Hände wieder tn den Wolf»- pelzen vergraben werden. Die Fahrt ging Stund « für Stunde langsam durch den dicken Schnee vorwärts, der wütend an den Schlittenkufe« knirschte. AuS den Nebelhüllen um die Pferde wurden nur die Mäuler fichtbar, und auS ihnen wurden w gleichmäßigen Zwischenräumen zwei Dampffttöme herausgepustet. Bei jedem Schritt den Kopf zurückwerfend, arbeiteten sich die fünf Pferde eifrig und sicher vorwärts. Oben am Himmel wälzte daS Nordlicht lautlos feine schimmernden Lichtwellen. Bisweilen stieg eine gelbgrüne Flamme, riesenhaft und mächtig, hinter den dunklen Schnee- bergen im Norden auf, ringelte sich wie eine Feuerschlange aufwärts und teilte sich in bletchgrüne Flüsse, die den Zenit in seliger Sehnsucht umfingen, bisweilen glitt vom Polar- stern eine leuchtende Spirale hernieder,'tiefblau innen und mit einer rosenroten Kante an den Rändern, und dann wickelte die Spirale sich auf und verebbte in regenbogenschimmernden Wogen, die sich tn den nachtblauen Ran« hinetnwiegte« und zwischen den Sternen verschwanden. Die Fuhrknechte sahen nichts, und hatten sie eS gesehen, so hätten sie sich nichts daraus gemacht. DaS Narrenspiel waren sie gewohnt. Alles was fie davon wußten, war, daß es fast immer strenge Kälte bedeutete. Und die Kälte war jetzt gerade ausreichend. Als die erste Fuhre sich festfuhr und daS Pferd sich mtt PeitfchenfchlSgen nicht von der Stelle tteiben ließ, mußten sie heraus und helfen, und da konnten sie nur mit knapper Not auf den Beinen stehen, so erfroren waren ste kotz der großen Pelzstiesel. vereinten Kräften gelang eS ihnen endlich, de»
Schlitten wieder in Gang zu bringen. Die Pferde stampften wieder einige hundert Meter in dem immer ttefer werdenden Schnee vorwärts, aber dann blieben ste stehen. Die halbdetrimkensn Bauern zergrübelten sich eine Weile den Kopf, was fie tun sollten. Einer wollte die Fuhren ihrem Schicksal überlassen«nd mit den Pferden nach Tornehamn zurückkehren, einer schlug vor. man wolle auf den Schlitten schlafen imd warten, bis e» Tag würde, dann käme vielleicht der Schneepflug, zwei wollten weiterfahren, wenn die Pferde auch umfielen, aber der fünfte setzte sich ohne ein Wort auf den Schlitten und begann zu saufen. Die anderen vier schimpften und stampften, um sich warm zu halten, und die Pferde drehten bisweilen den Kopf und sahen fie mit großen, müde» Augen an. während die Nebelhüllen fich von den Pferden zu lösen begannen und tn die Lust hinaufstiegen. Die Pferde schüttelten zitternd ihr Zaumzeug. Einer von den Bauern, der von dem Stampfen und Schimpfen allmählich nüchtern wurde, gewahrte plötzlich ein Stück vom Wege eine Erdhütte. Dort konnte man vielleicht schläfert. Er stampfte durch den Schnee dorthin und kroch in die Hütte hinein. Er leuchtete mit einem Stteichholz. Die Hütte war leer. Es war kein Mensch darin. Aber mitten in der Hütte stand ein eiserner Herd mit einem Rohr, das durch das Dach hwausführte, und ein Haufen Birkenholzkloben lag da- neben. Ein paar zerlumpte Kleider hingen an Nägeln an den Balken, ein paar Kochkessel und abgestoßene Kaffeekannen lagen hier und da herum, während einige abgeschmutzte Rennticrfeüe und andere Lumpen, halbbedeckt von Schnee, auf dem Boden lagen. Der Bauer riß ein paar Splitter von den Balken, zündete sie an und legte sie in den Herd. Dann legte er Reisig und Birkenkloben auf, und bald bullerte und knisterte das Feuer im Herd. Die Gesichtszüge de» Bauern hellten sich auf. Er schüttelte die Renntierfelle ab, breitete sie dicht am Herd aus und setzte sich hin. Nun tat er sich gütsich. Schon strömte ihm vre Wärme entgegen, und das rote Glimmen zwischen den Ringen der Herdplatte machte die Stimmung nur noch erfreunchsr. Er hatte beinahe das Gefühl, alS säße er zu Hause in Rombakßbotten in setner warmen.Kammer. Diese Illusion wärmte ihm den ganzen Leib. Er nickte dem Herd zu und hielt seine erfrorenen Hände daran. Er lachte laut. Hier hatte man eS wirklich gut. Der Herd wurde an der einen Seite schon ganz rot. Der Bauer holte die Masche aus der tiefen Seitentasche und nahm einen kräftige« Schluck. Worts, folgt.)