Nr. 148. 35. Jahrg.
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„ Sozialdemokrat Berlin".
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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.
Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3.
Ferniprecher: Amt Moritvlas, r. 151 90-151 97.
Sonnabend, den 1. Juni 1918.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Bernsprecher: Amt Moribbles, Nr. 151 90-151 97.
Von Moyon bis Reims in gutem Fortichreiten.
Der Ausgleich der verkürzten Brotration. Die Marne füdlich Fère- en- Tardenois
Berlin , 31. Mai. Der Lebensmittelverband GroßBerlin hat in seiner Sigung vom 31. Mai beschlossen, im Zeit. raum von Mitte Juni bis Juli 1400 Gramm Nährmittel auf die allgemeine Lebensmittelkarte an die Allgemeinbevölkerung auszugeben; hierin ist der Ausgleich für die Verkürzung der Brotration mitenthalten. Im gleichen Zeitraum werden auf die Jugendlichenkarte 250 Gramm Nährmittel zur Ausgabe gelangen.
Die Verantwortlichkeiten der Aisneschlacht
Interpellation in der französischen Kammer. Bern , 31. Mai. Der Deputierte Bonnet brachte gestern in der Kammer einen Interpellationsantrag über die Ver. antwortlichkeiten der Aisneschlacht ein. Each in beantragte eine Besprechung der allgemeinen Lage.
Friedensoffensive!
Während des Ganges einer Offensive pflegten bisher die alldeutschen Blätter jedermann in Acht und Bann zu erflären, der nur das Wort Friede" auszusprechen wagte. Umsomehr muß es auffallen, daß gerade jezt das führende Drgan der preußischen Konservativen, die Streuz- Zeitung", in einem sehr ernst gehaltenen Leitartikel die Regierung zu einer Friedensoffensive auffordert. Gerade wegen des günstigen Standes der militärischen Dinge hält die „ Kreuzzeitung " den Augenblick für geeignet.
Die„ Kreuz- Zeitung " macht nun allerdings sehr nachdrücklich darauf aufmerksam, daß die von ihr gemeinte Friedensoffensive ganz verschieden sei von der Form der übel beleumundeten und kläglich geschei terten Friedensangebote". Wenn sie aber den wesentlichen Unterschied darin erblickt, daß Deutschland seine tonfreten Hauptforderungen, namentlich seine Hauptkriegsziele gegen England öffentlich befanntgeben sollte, so fönnen wir hier sofort bemerken, daß gerade dies von Anfang an die Forderung aller wirtlichen Friedens- und Verständigungsfreunde gewesen ist. An dem Dezember- Friedensangebot von 1916 hat die Sozialdemokratie stets auf das schärfste getadelt, daß es keine fonkreten Friedensbedingungen enthielt, sondern an ihre Stelle die allgemeine Wendung von dem für alle Teile ehrenvollen Frieden" sezte. Wenn daher der Artifel der„ Kreuz- Zeitung " immer wieder eine sachlich faßbare tonfrete Formulierung unserer Hauptforderungen" berlangt, so kann sich in diesem Punkte auch der wirkliche Friedensfreund mit der StreuzZeitung" vollkommen einverstanden erklären. Der Satz der„ Kreuz- Zeitung ":
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Borstoß über Westlich Reims Ortsgewinn auf dem Südufer der Vesle Ueber 45 000 Gefangene, über 400 Geschüte.
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Berlin , 31. Mai 1918, a beads. mtlid. An der Front von Noyon bis westlich von Reims ist unser Angriff in gutem Fortschreiten.
Amtlich. Großes exptquartier, 31. Mai 1918.( 8. 2. B.)
Weftlicher Kriegsschauplaş. Seeresgruppe Kronpring Rupprecht Artilleriefämpfe wechselnder Stärke. Kleinere Jnfanterie
gefechte.
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Heeresgruppe Deutscher Kronprins. Dem von der Ailette Front südlich der Dise weichenden Feinde stießen wir über die Dise und Ailette scharf nach und gewannen die Linie Bretigny- St. Paul Trosly Loire. Nördlich der Aisue warfen wir in stetem Kampf den Feind über Bienzy Chavigny zurüd. Südlich bon Soissons führte der Franzose Kavallerie nud Infanterie zu heftigen Gegenangriffen vor. Er wurde von unserem Heuer vernichtend gefaßt und geschlagen. Wir haben die Straße Soissons hartenues überschritten. Die in Richtung auf Fere- enZardenois von Südwesten über die Marne und von Südosten her herangeführten französischen Divisionen vermochten trok verzweifelter Gegenangriffe nirgends unseren vorwärtsdrängenden Korps erfolgreichen Widerstand zu leisten. Rüdwärtige Stellungen des Feindes bei Arey and Grand Rozoy wurden durchstoßen. Südlich su Fere- en- Tardenois haben wir die Marne
erreicht.
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Die Höhen bei Champvoisy, St. Gemme und Romigny find in unserem Besitz. Auf dem Südufer der Besle westlich von Reims wurden Germigny, Gueux und Thillois genommen.
Gefangenenzahl und Bente sind ständig im Wachsen. Mehr als 45 000 Gefangene, weit über 400 Geschütze, Tausende von Maschinengewehren.
Der Erste Generalquartiermeister.
Ludendorff.
Das Stahlbad.
Als bor nunmehr fast bier Jahren die Weltkatastrophe über uns hereinbrach, gab es friegsbegeisterte Propheten, die von einem ethischen Stahlbade" zu fünden wußten, in dessen Jungbrunnen die durch die überlange Friedenszeit erschlaffte und versumpfte Moral des deutschen Volkes genesen sollte.
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Seit dem 4. August 1914 haben wir nun die Segnungen diefes Bades mit stetig wachsender Straft auf uns wirfen lassen und der Erfolg ist ein sittlicher Gesundheitszustand der deutschen Bevölkerung, über den die Tabellen der Kriminalstatistik überzeugende Berichte geben. Diese erzählen uns von der ständig steigenden Zahl der Roheitsdelifte und der schweren Eigentumsverbrechen, und ein Blick in jedes beliebige Zeitungsblatt bestätigt die unheimlich wachsende Fülle der Raubanfälle und Einbruchsdiebstähle in den Städten wie auf deni Lande. Straff organisierte und methodisch arbeitende Räuberbanden gefährden dauernd Leben und Besitz der sogenannten ehrbaren Bürger.
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Aber auch die Ehrbarkeit dieser letteren hat einen sehr merkbaren Snag wegbekommen, und zwar ist hier die Einwirkung gerade des„ Stahlbades" direkt nachweisbar. Wir fürchten nicht, irgendein staatsgefährdendes Geheimnis auszuplaudern, wenn wir die Tatsache verkünden, daß es gegenwärtig nur noch sehr wenige deutsche Reichsangehörige geben dürfte, die sich nicht in irgend einer mehr oder weniger bedenklichen Form gegen die bestehenden Regierungsverordnungen und Gesetze vergangen und unzweifelhaft strafbar gemacht haben. Vom schlichten städtischen Hamster, der mit dem Rucksack bewaffnet seine sonntägliche Er- und Einholungsfahrt auf die Dörfer antritt, dem Schuhhändler, der nur gegen die freiwillige" Hergabe eines Pfundes Butter seine widerrechtlich verborgen gehaltenen Schäze offenbart, von der stolzen Rittergutsbesigerin, deren Hühner nur noch Eier zu einer Mark das Stück legen, von der Frau Oberleutnant, die die von ihrem Herrn Gemahl aus dem Felde gesandten Lebensmittel zu Liebhaberpreisen verschärft, bis zu dem unübersehbaren Heer der Schieber, Schleichhändler, Wucherer und Fälscher mag es ein weiter und nuancenreicher Weg sein- aber das Eine gilt durchweg: sie haben alle etwas auf dem Kerbholz. Sie haben alle Taten ausgeführt, deren sich die Mehrzahl von ihnen noch vor vier Jahren in tiefster Seele geschämt hätte. Daß dieser allgemeine Niedergang der Moral und des wie man früher sagte bürgerlichen Anstandsgefühls eine unmittelbare Folge des Kriegszustandes ist, wird niemand bezweifeln wollen. Es ist möglich und wahrscheinlich, daß diese Schäden und Gebrechen des sozialen Körpers in dem Augenblick geheilt sein werden, wo normale Zustände wieder Platz greifen und die Motive zu den Entgleisungen beseitigt sind. Wir sind sogar fest davon überzeugt, daß die Mehrzahl derer, die heute voller Gewissensqualen Butter auf dem Kopfe haben, von dem Tage an, da sie die Butter ohne Gewissensqualen auch wieder in der Speisekammer haben dürfen, mit aufrichtiger, ungeheuchelter Verachtung auf die armseligen Schächer herabblicken werden, die, um ihren fommen lassen. five zu benutzen, um die deutsche Regierung dauernd aufschluß wieder in Haus und Familie Einkehr halten und sich hinaus, den günstigen Moment einer fortschreitenden Offen- Hunger zu stillen, sich eine Gesetzesübertretung zu schulden Die bürgerliche Moral wird nach Friedensihr annexionistisches Programm festzulegen. fehr rasch zu der früheren erquickenden Blüte entfalten. Unsere Differenz mit der Kreuz- Zeitung " beginnt erst da, Nichtsdestoweniger nehmen wir den Nuf der wo es sich um den sachlichen Inhalt der von der Kreuz- Zeitung " auf. Auch wir verlangen von der scheinen die Folgen des Stahlbades, wenn wir seine In anderem und wesentlich bedenklicherem Lichte erRegierung befanntzugebenden Kriegsziele handelt. Zwar Regierung eine Friedensoffensive. Auch wir ver- Wirkungen auf die heranwachsende Generation drückt sich die„ Kreuz- Zeitung " hier vorsichtig aus, indem sie langen von der Regierung sofortige Bekanntgabe in Betracht ziehen. schreibt: Der Vater steht seit Jahren im Felde, ihrer fontreten Kriegsziele. Aber wir verlangen, die Mutter ist in der Fabrik beschäftigt und die Kinder sind Die Formulierung dieser Forderungen ist daß diese Kriegsziele materiell der zu Anfang des Krieges noch viel mehr sich selber überlassen, als sie es in Friedensleicht und ihre Berechtigung einleuchtend, wenn sie heraus- gegebenen feierlichen Versicherungen entsprechen:„ Unzeiten waren. Aber auch diejenigen, die ein glückliches Los gearbeitet werden aus den notwendigen Grundlagen treibt nicht Eroberungsluft". Wir verlangen, daß getroffen hat, deren besser situiertes Heim sich, was Pflege, der uns zustehenden ungestörten 8utunfts die von der Regierung zu veröffentlichenden Kriegsziele der Obhut und Aufsicht anbelangt, von den früheren Zeiten nicht egistenz, und nicht aus den jeweiligen Ergebnissen der art sind, daß sie wirklich sofort zum Frieden führen können. wesentlich unterscheidet, sind den vergiftenden Einflüssen der Kampfhandlungen oder, was noch schlimmer ist, aus der zag- Das bedeutet: Während die militärische Difen- oben geschilderten moralischen Atmosphäre ausgesetzt, in der haften Rücksichtnahme, auf die Jongleurkunststücke der feindlichen side im Westen unseren Feinden nun sie ihre Jugend, die entscheidenden Jahre der Charakterbildung, Phraseologie. Unser eigener Vorteil verbietet uns, hoffentlich endgültig die Ueberzeugung verleben müssen. Sie verfolgen mit neugierigen Blicken, was andere Forderungen au stellen, als die Siche beibringt, daß alle Hoffnungen auf eine rings um sie her geschieht, und müssen gewahren, daß Macht rung unserer Lebensinteressen und die glatte Niederwerfung, auf einen Zusammenbruch allenthalben vor Recht geht und Unrecht tun nicht mehr als Beseitigung der Kriegsschäden verlangen. Wir oder inneren Berfall Deutschlands bergeb- Schande gilt. Werden diese Eindrücke und Einflüsse sich ebenkönnen nach dem Kriege nicht allein leben, denn unser Tätigkeits - lich find, soll die diplomatische Offensive falls mit Eintritt besserer Zeiten so leicht verwischen lassen? feld ist die Welt, und daher wollen wir eine Verständigung, die fie gleichzeitig überzeugen, daß sie von Das ist eine Frage, die heute jeden beschäftigt, dem die Zueinem siegreichen Deutschland keinerlei Be- funft unseres Volkes am Herzen liegt. unseren Forderungen gerecht wird. Wenn man das liest, flingt es wenigstens zum Teil ganz drückung, Vergewaltigung oder Abtrennung Ueber die zunehmende Verwahrlosung" unserer Jugend annehmbar. Aber aus der Praxis weiß man ja nun zur Ge nationalen Gebietes zu erwarten haben. Der ist schon viel gesprochen und geschrieben, und in den letzten nüge, was gemeint ist, wenn unsere Alldeutschen von den Artikel der Kreuz- Zeitung " schließt mit dem Satz: Tagen hat sich auch die Synode Berlin - Stadt I mit Grundlagen unserer Existenz" reden. Dazu gehören nach dem Thema auf ihre Art beschäftigt. Vonseiten der Geistalldeutscher Auffassung, abgesehen von der gewaltigen Kriegslichen, der Lehrer und firchlich gesinnter Laien wurden lebhafte entschädigung, die von der„ Kreuz- Zeitung " amtlich direkt geKlagen angestimmt. Man führte Beschwerde darüber, daß fordert wird, die Erzlager von Longwy- Brien, die flandrische Auch das unterschreiben wir. Die militärische Offensive zügellose Mädchen bunte Studentenmüßen tragen, daß bei den Küste, das Siedlungsland in West und Ost und noch allein bringt den baldigen Frieden nicht. Sie bringt ihn Ausflügen der Wandervögel- Vereine jugendliche Personen beiderein Dugend„ Grenzsicherungen" aller Art, von dem Kolonial in Verbindung mit der diplomatischen Friedensoffensive, aber lei Geschlechts nicht selten zur Nachtzeit gemeinsam im Walde reich in Afrika usw. ganz zu schweigen. Deshalb läuft die nur unter der Voraussetzung, daß diese im Sinne des tampieren und daß sich sogar Jugendklubs gebildet haben, Aufforderung der Kreuz- Zeitung " letzten Endes darauf Verständigungsfriedens gehalten ist. die in eigens für diesen Zwed gemieteten Räumen Festlichkeiten
„ Nur eine naive in der Borstellungswelt überholter politischer Methoden steden gebliebene Auffassung wird behaupten tönnen, daß wir durch die Bekanntgabe unserer Kriegsziele unsere Karten aufdecken."
hat in ähnlicher Form schon des öfteren im Vorwärts" gestanden.
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Wer nur das Schwert sprechen lassen will, sieht das Aus maß dieses Krieges zu klein und hat kein Verständnis für seine politischen Forderungen.