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Nr. 151. 35. Jahrg.

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.Sozialdemokrat Berlin  ".

Vorwärts

Berliner   Volksblaff.

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Ferniprecher: Am: Morisplas, Nr. 151 90-151 97.

Dienstag, den 4. Juni 1918.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernisrecher: Amt Morinplat, Nr. 151 90-151 97.

Parlamentsbeginn.

Der heute zusammentretende Reichstag steht vor der Neuwahl des Präsidenten, die durch den völligen Wechsel in der politischen Stellung der Parteien kompliziert wird. Alle bisher verbreiteten Meldungen sind müßige Kom­binationen oder vorsichtige Fühler. Die Parteien haben sich mit der Neuwahl noch nicht offiziell beschäftigt. Die sozial­demokratische Fraktion wird sich wahrscheinlich am Schluß der heutigen Plenarsizung mit der Besetzung des Präsidiums befassen.

Des Reichstags harrt in der Sommertagung ein ge­waltiges Stück Arbeit: die Erörterung des Hauptausschusses über die unerquicklichen Vorgänge und die verfahrene Politit im Osten wird im Plenumi fortgesetzt werden. Der Frie den von Bukarest   gibt der Debatte neuen Stoff. Der Aufbau des Arbeitskammergesetes ist umstritten. Die Vermehrung der Zahl der Abgeordneten durch stärkere Vertretung der Riesenwahlkreise und die teilweise Einführung des Verhältniswahlrechts dürfen ols sicher gelten.

Im Vordergrund steht aber die Sanierung der Finanzen des Reiches, deren bisherige Entwicklung sich zu denen Englands umgekehrt verhält wie die militäri­schen Erfolge.

Die zarte Schonung der besibenden Klas­fen wirft gerade jetzt ihre tiefen Schatten über die ganze Bolkswirtschaft. Die gestiegene Kauffraft dieser Kreise treibt die Preise aller Lebensmittel gewaltig in die Höhe, sprengt mit lautem Krach die Schranken der behördlichen Preisbindun gen und entlädt sich in einer wüsten Spekulation am Artien­markt, die das gelinde Entsetzen aller nüchternen, in eine schwere Zukunft sehenden Beurteiler ist. So absonderlich es flingt: alle diese Dinge stehen in einem tiefen Zusammen­hang und sind die typischen Erscheinungen der Geldentwer­tung und Banknotenwirtschaft. Ein Banfier hatte ganz recht, der einmal in dieser großen Zeit sagte: Mein Lieber, wenn ich wöchentlich für die Butter fünfzig Pfennig mehr zahlen muß, warum soll ich nicht jede Woche eine Bochumer   Guß­stahl- Aftie ein Prozent höher bewerten?"

Diese Erscheinungen werden nicht mit Bolizeimitteln aus­gerottet, weder an der Börse noch am Lebensmittelmarkt. Sie fönnen nur durch Eindämmung der überquellen­den Kaufkraft der besitzenden Klassen- ,, Geld spielt keine Rolle!" beseitigt oder wenigstens ein­geschränkt werden. Das Mittel zu diesem Ziele sind scharfe direkte Steuern, und in dieser Zielsetzung tritt ihre augenblickliche Dringlichkeit am augenfälligsten hervor. Man jagt ihnen noch, daß sie den Spartrieb töten. Wir haben eine weit bessere Meinung von den deutschen   Kapitalisten, deren Großteil sich sicherlich lieber persönlich etwas einschränkt, ale das Geschäft zum Teufel gehen läßt oder auch nur auf seine Erweiterung verzichtet. Und eben diese Einschränkung des bersönlichen Bedarfs ist heute von der sittlichen Notwendig­feit abgesehen für die Preisbildung und damit für die ganze Volkswirtschaft von äußerster Wichtigkeit.

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Leider haben sich Reichsschatzsekretär und bundesstaatliche Finanzminister dieser Einsicht bisher entzogen oder sie haben, entgegen ihrer Einsicht, zu den alten bewährten" indirekten Steuern gegriffen, in der Hoffnung, so auf der Linie des geringsten Widerstandes zu siegen. Diese Absicht ist um so verwerflicher, als sie nicht nur nicht die ungeheuerliche Preis­revolution befämpft, sondern auf sie in der Erwartung spekuliert, daß die breiten Massen gerade jetzt die neuen steuerlichen Lasten am wenigsten spüren.

Chaudun südwestlich Soissons   genommen Vorstoß über den Savières Grund Einnahme der Höhen westlich Chateau Thierry  .

Berlin  , 3. Juni 1918, abends. Amtlich. Südwestlich von Soissons   neue Fort­schritte. Französische   Gegenangriffe beiderseits der Ourcq.

mtlich. 1918.( W. Z. B.)

Großes Hauptquartier, 3. Juni

Westlicher Kriegsschauplak. eeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Zeitweilig auflebender Artilleriekampf. Feindliche Teil­engriffe westlich von Baillen und nördlich der Ly 8 wurden abgewiesen.

Heeresgruppe Deutscher Kronprins.

Zum Ersatz der durch unseren Angriff zerschlagenen französischen und englischen Armeekorps und zur Stühung der bisher von den Nachbararmeen eiligst auf das Schlacht­feld herangeführten und stark gelichteten Divisionen sind nene französische   Verbände weit abge­legener Fronten in den Kampf getreten.

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Süd­

Nördlich der Aisne   versuchten sie vergeblich die ihnen angewiesenen Stellungen zu halten. Wir schingen sie in hartem Grabenkampf auf Moulin- sous- Ton­vent St. Christophe- Vingre zurück. westlich von Soissons   wurde Chandnn genommen. Wir stießen im Angriff über den Savières- Grund bis an den Ostrand der Wälder von Villers- Cotterêts vor. Südlich der Ourcq   führte der Feind heftige Gegenangriffe. Sie wurden blutig abgewiesen. Ueber Courchamps und Monthiers hinaus gewannen wir Boden und nahmen die Höhen westlich von Chateau­Thierry.

An der Marne  , zwischen Marne   and Reims  ist die Lage unverändert.

Die auf das Schlachtfeld führenden mit Trappen­bewegungen stark belegten Bahnen wurden durch unsere Wir schoffen Bombengeschwader erfolgreich angegriffen.

31 feindliche Flugzenge ab. Leutnant Menkhoff errang seinen 29. und 30., die Lentnants Löwenhardt   und Udet  ihren 25. Luftfieg.

Der Erste Generalquartiermeister.

Ludendorff.

Der österreichische Bericht. Wien  , 3. Juni 1918. Amtlich wird verlautbart: Bei Fossalta an der unteren Piave vereitelten wir cinen italienischen   Uebergangsversuch durch Ge schütz- und Minenwerferfeuer. An vielen Stellen der Südwest­front wurden feindliche Erkundungsabteilungen zurückgewiesen; eine derselben wurde bei Bezzecca   abgefangen. Die Artillerie war überall schr lebhaft. Der Chef des Generalstabes.

Der Reichstag   ist auf die Zumutung der verbündeten Regierungen nicht ohne weiteres eingegangen, ihnen auf diesem Pfad des Lasters zu folgen. Zwar werden, wenn auch daß die Bundesstaaten durch Anziehung der Einkommen­vielleicht nicht alle, so doch mindestens die meisten indirekten steuer feststehende Tatsachen schaffen, ihre Stassen bis zum Steuern geschluckt werden. Aber mit Rücksicht darauf, daß Berspringen füllen, das Reich elend dahin vegetieren lassen diese vorgeschlagenen Steuern während des Krieges nichts und von der wichtigsten ergiebigen und beweglichen Steuer oder nur wenig tragen, haben Sozialdemokraten, Fort- ausschließen. Hinter dieser Aufgabe treten alle anderen schrittler, Zentrum und Nationalliberale Anträge auf Er- Steuerprobleme weit zurück. hebung einer außerordentlichen Abgabe von dem Einkommen,

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Spiel noch getrieben werden, wie lange wird es sich die Ne­gierung gefallen lassen?!

Ein Trost bleibt bei der Geschichte: in seiner Unfähigkeit, eine Reform des Wahlrechts zustande zu bringen, zeigt das preußische Parlament am besten die sachliche Minder­wertigkeit der auf Grund von Klassenwahl­rechten zustandegekommenen Parlamente. Es ist kein Zufall, daß das gleiche Schauspiel, wie wir es in Preußen erleben, auch in einer ganzen Reihe kleinerer Bun­desstaaten wie Braunschweig   und Sachsen- Koburg aufgeführt wird: eine Regierung, die reformieren will, ein Klassen­parlament, das die Reform verhindert. Klassenparlamente können eben auch da, wo die Zeit mit äußerster Notwendigkeit Reformen fordert, nicht die sittliche Kraft zu einer Neugestal­tung finden. Denn die Mehrzahl ihrer Mitglieder sigt eben auf dem Ast der verrotteten Wahlprivilegien, den es abzu­fägen gilt.

Das preußisch- braunschweigisch- koburgische Beispiel ist eine warnende Lehre: jedes Klassenvorrecht ver­rammelt die Zukunftsentwicklung. Als die preußische Regierung in der Reaktionszeit das Dreiklaffen­wahlrecht oftroyierte, glaubte sie, etwas schr Gescheites zit tun, sie glaubte in ihren Gedanken gesprochen, dem in den Abgrund der Demokratie" sausenden Staatswagen eine Bremse anzulegen. Aber sie vergaß, daß diese Bremse so stark war, daß die Regierung selber sie nicht mehr besei-. tigen fonnte; und jetzt, wo die Regierung selber ein leb­haftes Interesse hat, den Staatswagen vorwärts zu bringen, bleibt er dank der famosen Bremse angenagelt stehen; War­nung genug für sie, sich durch irgendein Kompromiß aber­mals eine Bremse anlegen zu lassen, die den Staatswagen im fritischsten Moment zum Stillstehen verurteilt!

Die Antwortweigerung Clemenceaus.

Unter der Ueberschrift Dunkle Tage" stellt Renaudel in der Humanité" fest, daß die französischen   Heeres berichte nicht vollständig der Wahrheit ent sprechen. Er nimmt jodann Stellung zu der Erklärung, daß die Regierung feine Mitteilungen machen wolle, die zu verlangen das Parlament das Recht habe, und sagt, daß selbst für den Fall der Wiederherstellung der Lage die Re­gierung nicht von der Pflicht zur Beantwortung der Interpellationen entbunden sei. Wenn es sein müsse, werde man eben eine Gebeimiigung abhalten. Auf jeden Fall seien Fehler begangen worden, die abgestellt werden müßten. Renaudel wundert sich vor allem, daß bei allen Offensiven der Entente das Ueberraschungsmoment nie eine Rolle gespielt habe, während bei der jetzigen Offensive die Neber­raschung wieder vollständig geglüdt jei. Er fragt, ob die Kriegeräte in Versailles   und Paris   zwed mäßig seien, da durch sie die Entscheidung bei schnell sich entwickelnden Ereignissen fast immer verzögert werde. Das Parlament müsse über alle diese Fragen Bescheid wissen, denn sie ständen mit dem Heil und der Zukunft des Landes in unmittelbarem Zusammenhang. Renaudel ist bemüht, zu retten, was im Jahre 1915 nach langen Kämpfen gegen Millerand und Viviani gewonnen wurde. Schließlich ertrozzie die parlamentarische Opposition die Zufage, in Geheimsigungen über Fragen der Kriegsführung unterrichtet zu werden. Clemenceau   hat zunächst den Weg be­schritten, gegen die interpellierende Opposition anzutrotzen. scheint den Versuch machen zu wollen, mit einer Erklärung, die für heute angekündigt ist, über die Besprechung der Juterpellationen hin­wegzukommen. Dieser Versuch wird verständlich, wenn man Gewicht

Er

auf die Anspielung Renaudels auf die Kriegeräte legt. Ein neuer Sturm gegen jene immerhin noch neue Striegsratseinrichtung droht, die Foch   zum Generalissimus der Alliierten erhob und die ins­besondere die Sache Clemenceaus ist. Sie ist gewissermaßen die letzte große Hoffnung Frankreichs   und Englands und stellt die Einleitung zu den Zeiten dar, wo der amerikanische   Massensulfure feine Erlösungen bringen soll. Eine Kritik diefer Einrichtung, die einstweilen noch keine Siege buchen fann, muß Clemencean scheuen.

Mehreinkommen und dem Vermögen gestellt. Der Zentrums- Das Preußische Abgeordnetenhaus tritt wieder zu- Sie fann ihm weder in öffentlicher, noch in geheimer Sitzung will­mann Gröber sagte in der Begründung, die bisherige sammen, um außer einigen weniger belangreichen Vor- fommen sein. Steuerpolitik wirke revolutionierend. Das er lagen in vierter Lesung die Tortur des gleichen Wahl- Aber die Geheimsizung ist der einzige Ausweg, der Cle­strebenswerte Ziel sei die Vereinheitlichung der direkten rechts mit Kompromißdaumenschrauben, mit den spanischen   menceau bleibt, wenn er die schwere Unruhe über die Striegslage Steuern und die Neuverteilung der Steuergewalten zwischen Stiefeln der Sicherungen und mit der eisernen Jungfrau der nicht noch durch ein Unwetter wegen diftaturfarbener Vergewaltigung Reich, Staaten und Gemeinden. Der Fortschrittler 2iefching Mehrstimmen zu steigern. Es ergeht der Vorlage wie dem des Parlaments gefährlich steigern will. Der Artikel Nenaudels wies die bundesstaatlichen Finanzminister darauf hin, daß die armen Sünder im Mittelalter: wenn er das Brennen, lägt erkennen, daß die sozialistische Opposition Clemenceau   vor eine Staaten zur Deckung der Fehlbeträge im Reichshaushalt Quetschen, Gliedabhacken, Knochenbrechen überlebt, so wird Entscheidung drängen wird, die seine Art, die Regierung zu hand­herangezogen werden können und daß diese Beiträge, die auf eben ein höherer Grad der Folterung angewendet, bis man haben, an der Herzstelle treffen muß. den Kopf der Bevölkerung berechnet werden, als eine Art ihn dorthin hat, wo man ihn haben will. Kopfsteuer die in ihrer wirtschaftlichen Schichtung und Lei- Wir wagen nicht zu prophezeien, daß die Tortur der Genf  , 3. Juni.  ( T.- U) Neben der militärischen Diskussion geht stungsfähigkeit höchst ungleichartigen Bundesstaaten sehr ver- vierten Resung die letzte sein wird. Da man sich bemühen in der politischen Welt die Auseinandersetzung über die Schuld an schieden treffen. wird, das Vakuum der dritten Lejung irgendwie auszufüllen, der Niederlage mit immer wachsender Heftigkeit weiter. Gegen Die bundesstaatlichen Finanzminister wollen sich aber so wird vorausgesetzt, daß dies gelingt zwischen den Clemenceau und feinen Vertrauensmann, den General Foch  , mur allerhöchstens dazu verstehen, die Besteuerung des Beschlüssen der vierten und der dritten Resung keine werden in der Bresse der äußersten Linten immer deutlicher die An­Mehr einkommens dem Reich zu überlassen. Der Reichs. Uebereinstimmung bestehen, was verfassungsrechtlich lagen erhoben, daß sie die Front an der Aisne von Stampftruppen tag darf sich damit nicht begnügen. Er darf nicht dulden, leine fünfte 2ejung nötig macht. Wie lange wird dieses und Artillerie entblößt und dadurch den Verlust der vordersten

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