Einzelbild herunterladen
 

fr. 162-1918

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Sonnabend, 15. Juni

Die Vermehrung unserer Zimmerpflanzen einem Zellgewebe, das die Aufgabe hat, durch Teilung neue Bellen es, die Quelle abzuschließen, die nach wie vor einen Drud von 30

Bon Hilde gimmermann.

Der Sommer tommt mit all seiner Bracht, mit Waldesgrün und Vogelsang und Blumendust. Selbst in den Stadtwohnungen, fern von Wald und Feld, pflegte er Einzug zu halten; blühende Pflanzen grüßten von den Fensterbänten in die Straßen herab; bunte Sträuße und immergrüne Pflanzen trugen Sommerduft in die Zimmer. über schauen wir uns jetzt um! Kriegsnot blickt uns auch hier entgegen; nicht viele finds, die Geld übrig haben, sich neben dem Notwendigen und Nüglichen, das Angenehme zu verfchaffen. Stahl find die sonst blumengeschmückten Fensterbänke und der Blumentisch zeigt manche Lücke. Wie schmerzlich vermissen wir alle die leuch tenden Geranien, das immerblühende fleißige Lieschen mit den atlasglänzenden Blüten, die Tradescantia, die eine dunkle Ede freundlich machte, und all die Pflanzen, die uns ein bißchen Sommer duft in die Stadtwohnung zauberten und uns halfen, das Leben fern von Wald und Wiese etwas leichter zu ertragen. Aber nur getrost; Jhr sollt doch Eure Stuben schmüden fönnen. Liebe und Sorgfalt, ein bißchen Arbeit und Verständnis find vonnöten, und wer hätte die nicht für alles, was da grünt und Ein Geranien- oder richtiger Pelargonienstod ist uns gewiß vom letzten Jahr geblieben, vielleicht auch eine alte fuchsienpflanze; die holen wir samt der tahlgewordenen Tradescantia herbei, ebenso wie das fleißige Lieschen, das uns den ganzen Winter mit feinen Blüten erfreute Sie alle können wir durch Stecklinge vermehren. Kritisch sehen wir uns die Pflanzen an. Einjährige Triebe brauchen wir, die leicht verholzt sind. Mit einem scharfen Wiesser schneiden wir sie in ungefähr 10 Zentimeter Länge dicht unter einem Blatte ab. Das unterste Blatt wird eingefürzt, so daß nur noch ein kleines Stück Stiel stehen bleibt; Blüten und Blüteninospen werden sorg­fältig entfernt. Jezt haben wir den Steckling; wie wird ein selb­ständiges Pflänzchen daraus?

blüht?

Warum tragen sich so viele Badeunfälle zu?

gewebe gebildet. Neue Bellen sind entstanden aus dem Stambium, Hamburger Feuerwehr gelöscht, und am 2. Dezember 1910 gelang au bilden. Durchs Mifpostop ist die Stambiumschicht als feiner bis 40 Atmoshären hatte. Da das Gas zu 91 Proz. aus Methan, Ring im Stengeldurchschnitt zu sehen. Nicht nur das Bundpolster, dem Grubens oder Sumpfgas  , bestand, das ein ausgezeichnetes auch fleine Wurzeln entstehen und sproffen aus Stengel   und Wund- Brennmaterial darstellt, so ging der hamburgische Staat daran, die gewebe hervor. Nun ist die Nahrungsaufnahme und damit die Quelle für die Gasversorgung Hamburgs   nutzbar zu machen, ein Lebensfähigkeit der Pflanze gesichert. Wir lassen die Wurzelchen Unternehmen, das von vollem Erfolge begleitet war und einen Ge­noch ein Weilchen wachsen und dann sehen wir die Pflanze in die famtgewinn von annähernd 15 Millionen Mark erbracht hat. Nun Erde. Gar bald wird sie uns durch fleißiges Blühen erfreuen. ist die Quelle, deren Druck schon seit länger als Jahresfrist start Von den Blattgewächsen wird die Tradescantia auch durch nachgelassen hatte, völlig versiegt, im Gegensatz zu den berühmten Stecklinge, von denen wir eine ganze Anzahl in einen Steckscherben Erdgasquellen am Kaspischen Meer und in Amerika  , mit denen man setzen, vermehrt. Besonders interessant aber ist die Vermehrung seit Jahrzehnten ganze Städte, wie z. B. Pittsburg, beleuchtet. der Blattbegonie, auch Schiefblatt genannt. Wir suchen uns ein gesundes, fräftiges Blatt aus. An seiner Unterseite sehen wir ganz deutlich die Adern; an der Stelle, wo sie sich verzweigen, machen wir mit dem Messer einen scharfen Schnitt. Das Blatt wird dann Unter den zahlreichen Menschen, die alljährlich beim Baden um mit der Unterseite auf sandige Erde gelegt und mit ein paar tommen, befinden sich nicht selten schwimmfundige kräftige Kinder Hölzchen festgesteckt, so daß Blatt und Erde sich überall berühren. und ganz gesunde junge Leute, für deren plögliches Ertrinten häufig Da ein Schietblatt meist recht groß ist, kann man statt des Topfes feine andere Erklärung gefunden werden kann, als daß sie Strämpfe ein Zigarrenfistchen, in dessen Boden einige Löcher gebohrt sind, bekommen haben oder von einem Herzschlag getroffen worden seien. nehmen. Das Kistchen wird mit einer Glasscheibe zugedeckt, für Indes ist es bei etwas Ueberlegung, doch recht sonderbar, daß alle einen Topf nimmt man am besten eine Glasglode, um das diefe jungen Menschen plößlich einen Schlagfluß bekommen haben empfindliche Blatt zu schüzen. Im übrigen wird es wie die Stedlinge sollen, und auch Serämpfe pflegen sich im allgemeinen nur bei be­behandelt, also begossen oder besser gesprint. Aus den Wundstellen sonders dafür veranlagten Bersonen einzustellen. Die Ursache vicler bilden sich auch hier Wurzeln und je nach Anzahl der Schnitte ge- dieser Unfälle liegt nach der Ansicht eines dänischen Arztes auf winnen wir aus einem Blatt mehr oder weniger Pflänzchen. Die ganz anderem Gebiete. Die beruhen ganz einfach darauf, daß die Bewurzelung dauert ziemlich lange, oft sechs bis sieben Wochen. Badenden Wasser in die Luftröhre bekommen. Sobald sich ein Beigen sich während dieser Zeit Faulstellen am Blatt, so müssen sie Schwimmer, auch wenn er ziemlich sicher ist, im Wasser ver­sorgfältig weggeschnitten werden. Sind die jungen Pflanzen etwas schluckt, verliert er leicht die Herrschaft über sich selber, er macht gefräftigt, so werden sie einzeln in Töpfe gepflanzt und an warmem, nicht mehr die richtigen Bewegungen, sondern wird erregt und ver­halbschattigem Fensterplatz weiter gepflegt. wirrt. Während er versucht, Luft zu schnappen, bekommt er immer Liebe zu den Pflanzen und sorgiame Pflege läßt die Heranzucht mehr Wasser in die Kehle, und schließlich vermag er sich nicht mehr von Stecklingen leicht gelingen. Doppelt groß ist die Freude über zu helfen und geht unter. Man sollte deswegen beim Baden und die geschmückte Fensterbank und den wohlgefüllten Blumentiich, wenn Schwimmen alles Wasserschlucken nach Möglichkeit zu vermeiden die Hausfrau dem bewundernden Besucher stolz erzählen kann: das suchen. Es tann schon verhängnisvoll werden, beim Schwimmen habe ich mir alles selbst herangezogen". zu sprechen und zu lachen. Ein einziger Tropfen Wasser, der sich in die unrechte Kehle" verirrt, fann das Unbeil herbeiführen. Man schwimmt, und treibe dabei keinen Unsinn, sondern betrachte das Schwimmen als eine methodisch und mit Vernunft zu betreibende Körperübung.

-

Das Ende der Erdgasquelle von Neuengamme. balte beshalb den Mund möglichst fest geschlossen, während man

Die Pflanze ist ein Lebewesen; um zu bestehen, müssen alle ihre Bedürfnisse, die nach Licht und Luft, nach Wärme und Nähr stoffen befriedigt werden. Jure Hanpinabrung nimmt die Pflanze aus dem Boden, deshalb ist die Erde, in der jahrelang Pflanzen Die nach einer Mitteilung der Hamburger   Gaswerte versiegte gestanden haben, ausgeiogen, die fönnen wir nicht brauchen. Gute Erdgasquelle zu Neuengamme   war das erste derartige Natur Garten oder Walderde mischen wir mit Sand; solche Mischung ist ereignis, das auf deutschem Boden vorgekommen ist. Man erinnert nahrhaft und auch locker genug, so daß die zarten Wurzelchen, sich, daß das Anbohren dieser unterirdischen Gasquelle seinerzeit die sich bilden sollen, feinen zu großen Widerstand finden. eine gewaltige Aufregung hervorrief. Eine wahre Völkerwanderung Alle Teile der Pflanze, die ober- und die unterirdischen ergoß sich nach dem Dörfchen Neuengamme   in den hamburgischen brauchen Luft, deshalb reinigen mir ben Topficherben Vierlanden, wo man bei Bohrversuchen nach Wasser ganz unerwartet gründlich mit Bürste und beißem Wasser; durch die frei auf die Gasquelle gestoßen war. Es war am 3. November 1910, gewordenen Poren kann die Quit leicht eindringen. Jetzt haben wir als die am Bohrturm beschäftigten Arbeiter in der Tiefe, die die gutgemischte Erde, den sauberen, möglichst fleinen Topf und den 247 Meter erreicht hatte, ein Gurgeln und Stöhnen, Saufen Steckling. Rasch noch ein paar Scherben über die untere Topf- und Brausen hörten. Vorsichtig wurde weitergebohrt. Da öffnung, damit das überschüssige Gießwasser abfließen kann, dann plöglich murden mit gewaltiger Kraft Schlamm und die Erde hinein, die wir etwas festdrücken- ein fleiner Rand des Wassermassen emporgeschleudert, und man glaubte, das Topfes bleibt frei und nun ein etwa bleistiftstartes, zugespigtes gesuchte Waffer gefunden habent. Aber die Gewalt Hölzen zur Hand. Damit maden wir ein Loch; im fleinen Topf der heraussprudelnden Massen wurde immer stärker, so daß ( nicht mehr als 6 bis 7 Bentimeter Durchmesser) eins in die Mitte, die Arbeiten völlig eingestellt werden mußten. Schließlich strömte im größeren mehrere, etwa 2 Zentimeter vom Rand entfernt und nur noch Gas, und zwar mit ungeheurer Kraft aus. Sein Druck stecken dann die Stecklinge bis über die erste Blattaciel war so start, daß binnen 20 Minuten ein dickes Brett durchgeblasen binein. Mit Daumen und Zeigefinger drücken wir die Erde war. Starte Hölzer von 15 Zentimeter Durchmesser wurden weg um den Steckling fest. Damit er die in der mütterlichen Erde geschleudert. Plöglich, um 5 1hr nachmittags, stand alles in hellen rubenden Nährstoffe aufnehmen kann, begießen wir ihn; denn nur Flammen. Der Kopf eines der Schläuche hatte an Stahlstangen gelöste Nährstoffe fann die Pflanze brauchen. An einem stillen jedenfalls Funten geschlagen, die das Gas entzündeten. Aus dem Pläßchen, in den ersten Tagen geschüßt bor allzuviel Licht und Bohrlops schossen drei Flammen heraus, eine nach oben, atvei längere greller Sonne, regelmäßig begoffen, führt der fleine Stedling ein nach beiden Seiten, so daß man den Eindruck eines riesenhaften stilles Daiein bis der Tag tommt, an dem uns das erste neu- Flammentreuzes hatte. gebildete Blatt verkündet, daß aus dem hilflofen Pflanzenteil eine felbständige Pflanze geworden ist. Ein Weilchen lassen wir ihr noch Zeit, Wurzeln zu bilden. Dann ist ihr das Haus zu eng geworden und unter möglichster Schonung des Wurzelballens wird fie in einen größeren Topf verpflanzt, damit sie reichlich Nahrung schöpfen fann zu weiterem Wachsen und Blühen.

Was ist aber in der dunklen Erde vor sich gegangen? burch welches Wunder ist aus dem Stengelftüd eine lebensfähige Pflanze geworden? Das tönnen wir am besten an einem Stedling des fleißigen Lieschens beobachten, den wir nicht in die Erde senten, sondern in ein Glas mit Wasser stellen. Schon nach wenigen Tagen ist die Schnittwunde vernarbt; ähnlich wie sich bei uns eine Wunde mit Scorf berichließt, hat sich auch bei der Pflanze ein Wund­

11]

Σούζα Das gelobte Land.

Roman von W. St. Mehmont

Notizen.

- Die oberflächliche Kritik". Jm preußischen Ab­geordnetenhause hat der zentrale Herr Heß die Berliner   Musikkritik als oberflächlich bezeichnet. Dieser Ausdruck hat den Schutzverband Deutscher Schriftsteller und den Verband der Berliner   Theater­kritiker in Harnisch gebracht. Sie machen von ihrem guten Recht, dagegen zu protestieren, Gebrauch. Aber, um auf die Sache zu kommen: wie kann zumal in dieser papierknappen Zeit die groß­städtische Presse, die diese unübersehbare Konzertflut zu bewältigen hat, so gründlich und tiefdringend sein, wie es die Kritiker vielleicht selber wünschen würden. Im übrigen verliert vielleicht der An­noncenteil, aber keineswegs die Menschheit, wenn nicht alle Musik­erscheinungen gewürdigt werden.

- Die Ukraine   als 3uderland. In der Ukraine   sind vor Ausbruch des Krieges 205 Buderfabriken in Betrieb gewesen gegen 49 in Polen   und 42 im übrigen Rußland  . Der Rübenanbau in den genannten Gebieten betrug 624 100 bzw. 70 800 und 147 700 Hektar. Das Verhältnis stellte sich also, wie die jetzt unter dem Namen Südost" erscheinende" Balkanrevue" bemerkt, für die Ukraine   auf 74,1 Proz., für Bolen auf 8,4 Broz. und für das übrige Rußland auf 17,5 Proz. Die Ackererträge blieben bisher hinter den deutschen   fast um die Hälfte zurüd. Es fann aber feinem Zweifel Ein ungeheures Vrüllen, Pfeifen, Donnern und Gurgeln er unterliegen, daß der gute Boden der Utraine bei tüchtiger Bewirt­füllte die Luft, und das Getöse der im Herbfiwind fnatternden schaftung viel größere Rübenernten bringen kann als bisher. Riesenflammen war so ungeheuer, daß es noch in fünf Stilometer Die Straßenbahn als Leichenwagen. Der Entfernung das Nattern der fahrenden Eisenbahnzüge übertönte. Gedanke, die elektrische Straßenbahn als Leichenwagen zu benutzen, Die Großartigkeit des Naturschauspiels führte zu einem Andrang ist an sich ganz gut, zumal da, wo Gespanne fnapp sind, und wenn von Schaulustigen, der beispiellos war. Allein am Bußtage ver- ein würdig ausgestatteter, seinem 8wede angepakter Sonderwagen fehrten auf der von Hamburg   dorthin führenden Strecke dazu dient, wird niemand daran Anstoß nehmen. In Gotenburg  hundert Extrazüge; aber die von der Eisenbahn und den hat man diesen Gedanken verwirklicht; vor wenigen Tagen ist dort Dampfschiffen beförderten Menschenmassen waren noch un zum erstenmal ein Loter durch die elektrische Straßenbahn zur leyten bedeutend gegenüber den Scharen, die in Fuhrwerken Ruhestätte geführt worden. Die öffentliche Meinung hat Einspruch aller Art und zu Fuß an die Stätte des Schauspiels gegen die Straßenbahn als Leichenwagen erhoben, freilich nicht strömten. Nachdem die Flamme drei Wochen gebrannt hatte und gegen die Einrichtung an sich, sondern nur gegen die Art der Aus­der Zustrom Neugieriger im Verebben war, wurde sie durch die führung.

Wozu wollen Sie das wissen, was sollen Sie damit?" Borowieckis Frage klang hart.

,, Weil ich es wissen will," erwiderte sie resolut. ,, Ich will es, und bitte, mich zu informieren."

,,

Ihr Bruder hat doch sicher in dem neuen Palais auch

,, Jch antworte dasselbe: ausgezeichnet, himmlisch, oder: eine Bibliothek?" himmlisch, ausgezeichnet."

,, Die spielen gut, was?"

Ja, wie Amateure halt. Ich dachte, Sie würden auch

spielen?"

Ich wollte so gern, aber es hat mich niemand drum ge­beten," sagte sie aufrichtig und sehr betrübt.

Man dachte wohl daran, aber man wollte eine Absage nicht riskieren. Uebrigens ist es so schwer. bei Ihnen emp­fangen zu werden, wie bei Hof geradezu."

Das habe ich Fräulein Mada auch schon gefagt," warf

Störch ein.

" Das ist Ihre Schuld, Sie verkehren doch bei uns, Sie hätten es mir sagen können."

" Ich hatte keine Zeit und hab's auch vergessen," ent­schuldigte er sich offen.

Sie schwiegen. Störch hustete verlegen, beugte sich manch­mal vor, um etwas zu sagen, lehnte sich aber wieder zurüd, als er sah, daß Borowiecki gelangweilt seine Blicke im Theater herumschweifen ließ und Mada eigentümlich verwirrt war. Sie wollte verschiedenes fragen und erzählen, konnte aber jetzt, wo Borowiecki neben ihr saß und man sie beide aus allen Logen mit besonderem Interesse beobachtete, kein Wort über die Lippen bringen. Endlich fragte sie:

"

Treten Sie in unsere Firma ein?"

Leider habe ich Ihrem Herrn Vater absagen müssen." " Und Papa rechnete so auf Sie."

,, Es tut mir selbst leid."

"

ich

Sie lachte sehr herzlich und sehr still.

"

Warum finden Sie meine Annahme so lächerlich?"

Na, weil Wilhelm Bücher nicht ausstehen fann. Ein­mal ist er auf mich bös geworden und verbrannte mir, als mit Mama in der Stadt war, alle meine Bücher." " Ja, ja. Wilhelm mag keine Bücher, der Prachtkert." Borowiecki blickte Störch fühl an und sagte:

"

Also gut, morgen schicke ich Ihnen ein Verzeichnis." " Und wenn es mir daran gelegen wäre, das Verzeichnis gleich zu bekommen, sofort?"

"

Dann werde ich Ihnen fofort ein paar Titel aufschreiben, den Rest morgen."

Lustiger wohl kaum, aber enger nun mal ganz sicher", rief Morig.

Geh doch raus, dann gibt's gleich mehr Blat." Wenn ich zu Müllers in die Loge gehen könnte, dann täte ich es gleich."

Das kann ich Dir vermitteln."

Br

Wissen Sie, Fräulein Maria  , auf wieviel Fräulein Müller tagiert wird? Hunderttausend Rubel jährlich!" Starkes Mädel! Ich würde das Geschäft gleich an­packen", flüsterte Moritz.

Rüden Sie mal näher zu mir, ich erzähle Ihnen was", raunte die lila Dame Borowiecki zu und beugte sich so tief herüber, daß ihr dunkles, volles Haar Borowieckis Stirn be­rührte. Den Fächer vorhaltend, stüsterte sie ihm leise etwas ins Dhr.

,, Verschwört Euch nicht!" rief die Welteste in der Loge, Teint, ganz weißgem, üppigem Haar und pechschwarzen Augen eine schöne Vierzigjährige im Barockstil, mit einem blendenden und Brauen. Sie sah majestätisch und gebieterisch aus und

aber" sah, daß seine Lippen ein ironisches Lächeln umspielte, Sie sind ein braber Junge," sagte sie lustig. ЯIs fie aber sah, daß seine Lippen ein ironisches Lächeln umspielte, hatte den Vorsitz in der Loge. wurde sie glühend rot. Er schrieb ihr die Titel auf eine Visitenkarte mit Wappen, verabschiedete sich und ging hinaus.

..Frau Stephanie erzählte mir interessante Details über die neue Baronin." ,, Na, vor allen würde sie es nicht wiederholen," sagte die Barockdame.

zu

Im Gang begegnete er dem alten Schaja Mendelsohn, dem Lodzer Baumwollenfönig, den man furz: Schaja nannte. Es war ein hoher, hagerer Jude mit einem langen, weißen Bart. Ein richtiger Patriarch. Er hatte einen langen, ge- und wöhnlichen Raftan an, der um seine Fersen schlug. Stets war er dort, wo er vermuten konnte, daß auch Buchholz sein würde, sein gefährlichster Gegner im Königreich der Baum­wolle, der größte Lodzer Fabrikant und sein persönlicher Feind. Er freuzte Borowiecki den Weg, der grüßend an ihm vorbei­

" Ich dachte, Sie würden Donnerstag zu uns kommen. gehen wollte. Ich habe eine Bitte an Sie."

,, Stann ich sie gleich hören."

Er beugte sich zu ihr herab und schaute in die Loge Buckers hinauf. Luch fächelte sich eifrig und zankte sich waht scheinlich hinter dem Fächer mit ihrem Mann, der ab und zu die Weste zurechtzog und sich im Stuhl aufrichtete.

" Ich begrüße Sie. Jst Hermann heute nicht da? Warum? fragte er in einem scheußlichen Polnisch.

Weiß nicht," erwiderte Borowiecki kurz. Er konnte Schaja nicht ausstehen, wie er im ganzen nichtjüdischen Lodz  unbeliebt war.

Empfehle mich," warf Schaja trocken und verächtlich hin. ch wollte Sie bitten, mir ein paar polnische Bücher zu Borowiecki antwortete gar nichts, ging in den ersten empfehlen. Ich habe es Papa schon gesagt. Er sagte, ich Rang hinauf und trat in eine Loge ein. Moritz und Horn sei dumm, ich solle mich ums Haus und die Wirtschaft| faßen hier in Gesellschaft vieler Damen. In der gesteckt vollen fümmern." Loge ging es sehr lustig zu.

Ja, ja. Der Alte hat's gesagt," flüsterte Störch wieder und rückte seinen Stuhl etwas zurück, als ihm Borowiecki einen Blick zuwarf.

Bleiben Sie doch bei uns, das wird noch lustiger," bat eine der Frauen in einem lila Kleid, mit einem lila Geficht und lila Augen.

,, Fräulein Mada Müller geruht, uns durchs Opernglas beobachten, da!" ,, Sie sicht heute aus wie ein junges, fettes, abgerupftes in Petersilie eingewickeltes Gänschen."

Horn.

Frau Stephanie macht heute die Biffige," flüsterte ,, Und die da, Fräulein Schaja, einen ganzen Juwelier­Laden hat sie um."

,, Sie tann sich zwei Juwelierläden leisten" warf Morih ein, setzte den Kneifer auf und schaute herab zu der Mendel­johnschen Loge, wo neben dem Vater die älteste Tochter junges Mädchen. protzig aufgedonnert saß und neben ihr noch ein ganz anderes

,, Welche von ihnen hinft?" Roja, die links, die rote."

"

,, Gestern war sie bei mir im Laden. Durchstöbert hat fie alles und nichts gekauft. Ich habe sie mir aber genau angeschaut, sie ist ganz häßlich," sprach Frau Stephanie. Sie ist prachtvoll, sie ist ein Engel. Wie heißt Engel, vier Engel ist sie, fünfzehn Engel," schrie Morig, den alten Schaja nachäffend. ,, Auf Wiedersehen, meine Damen. Morih, fomm. Herr Horn bleibt bei den Damen." ( Forts. folgt.)