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Nr. 168. 35. Jahrg.

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Sozialdemokrat Berlin".

Vorwärts

Berliner Volksblaff.

10 Pfennig

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.

Fernsprecher: Amt Morisplas, Nr. 151 90-151 97.

Freitag, den 21. Juni 1918.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3.

Kernsprecher: Amt Morigplat, Nr. 151 90-151 97.

Paßverweigerung gegen Troelftra.

Troelstra ohne Englandpaß.

Die Entente will keine Arbeit, die irgendwie dem Frieden dienen könnte. Mit aller Deutlichkeit haben im Unterhause die Bonar Law und Asquith den Kriegsstandpunkt soeben abermals hervorgekehrt, und nach einer Aeußerung Asquiths ist darauf zu rechnen, daß eine starke Welle englischer Kriegs­reden in der nächsten Zeit einherrollen wird. Aber auch andere Zeichen läßt man reden. Wie der Amsterdamer Vertreter des W. T. B. von gutunterrichteter Seite erfährt, bestätigt sich die Nachricht, daß die englische Regierung die Absicht hat, Troelstra den Paz für die Reise nach London zu verweigern, um, wie sie sagt, angesichts der Stimmung unter den englischen Seeleuten unliebſame Zwischenfälle zu vermeiden.

Die Organisation der englischen Seeleute hat nämlich auch in diesem Falle ihr schon mehrfach gegen kriegsgefähr­dende Konferenzboten angedrohtes Boykottmittel spielen lassen. Sie ist eine getreue Helferin des britischen Imperia­lismus, der sich den Krieg nicht stören lassen will. Die eng­lische Regierung hat aber noch andere Helfer, die in diesem Falle tüchtig geheizt haben, sobald Troelstras Bereitschaft, an der Konferenz der Ententesozialisten teilzunehmen, bekannt war. Der Nieuwe Courant" nimmt. sich soeben diese Hezer vor, den berüchtigten Telegraaf " und seinen Korrespondenten in England Vanderveer.

Was nun die Baßverweigerung anbetrifft, so handelt es sich schon nicht mehr nur um eine Absicht der englischen Regierung, sondern, wie der Nieuwe Courant" sagt, um einen Beschluß. Hier eben knüpft der Nieuwe Courant" mit seinem Hieb gegen die Hezer an. Wir zweifeln nicht, sagt das Blatt, daß der Durchschnittsengländer einen besseren Begriff für Gerechtigkeit hat, als die englische Politik gegen­über den Neutralen oft vermuten läßt, daß er mehr Anstands­gefühl als diese Herren( vom Telegraaf" usw.) besigt und für die Anstifter dieser Bewegung, soweit sie Landsleute Troelstras sind, dieselbe Verachtung hat, wie alle Nieder­ länder sie hegen, die sich nicht durch Sympathien für die En­tente haben blenden lassen.

Mit dieser Verachtung freilich trifft man Leute vom Schlage derer, die gemeint sind, nicht. Sie werden ihr Handwerk weiter üben.

Es fällt natürlich auf, daß der Beschluß der Paßver­teigerung eine ganze Reihe von Tagen zum Reifwerden ge­braucht hat. Es scheinen Schwierigkeiten zu umgehen gewesen fein. Als die Tatsache bekannt wurde, daß Troelstra mit Scheidemann in Beratung stand, ist die Gegenwehr in schnellere Bewegung geraten. Fürchtet England und mit ihm die Entente, daß Troelstra von Scheidemann als dem Beauf­tragten der deutschen Sozialdemokratie an die Konferenz der Entente- Sozialisten Aufträge erhalten habe, die wenig in die Entente- Rechnung passen?

Die Verweigerung der Bässe für die Entente- Sozialisten, die zur Konferenz nach Stockholm wollten, ist noch in lebhafter Erinnerung. Diese und die neueste Paßverweigerung bilden nur zwei Glieder in der Kette der ententistischen Abwehrmaß­nahmen gegen Friedensmöglichkeiten und Volksverständigung.

Die Aussperrung Troelstras von der Konferenz der Entente- Sozialisten dürfte noch ein Nachspiel haben. Vor einigen Tagen hieß es, daß Branting bereits nach London abgereist sei. Von einer Paßverweigerung gegen ihn ver­Iautete nichts. Darüber wollen wir uns nicht wundern. Aber wird Branting jetzt an der Londoner Ronferenz teil­nehmen, wenn der Play Troelstras durch eine Gewaltmaß­regel unbesetzt bleiben muß?

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Fortdauer der Schlacht in Venezien Heftige italienische Gegenangriffe- Fort­schritte füdlich der Bahn nach Treviso Zunehmende feindliche Tätigkeit an der französisch - flandrischen Nordwestfront Deutscher Sturmvorstoß bei Seicheprey.

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Berlin , 20. Juni 1918, abends. Amtlich. Nördlich von Albert, südwestlich von Nohon und nordwestlich von Chatean­Thierry find feindliche Teilangriffe unter schweren Verlusten gescheitert.

Amtlich. Großes Hauptquartier, 20. Juni 1918.( 2. Z. B.)

Weftlicher Kriegsschauplah. Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht.

Fast an der ganzen Front nahm die Tätigkeit des Feindes am Abend zu. Das Artilleriefener lebte auf. Starke Infanterie­abteilungen stießen in zahlreichen Abschnitten gegen unsere Linien vor. Sie wurden abgewiesen.

Heeresgruppe Deutscher Kronprina. Ergente Bersuche des Feindes, nordwestlich von Chateau­Thierry über den Clignon- Abschnitt vorzubringen, scheiterten in unserem Feuer. An der übrigen Front blieb die Gefechtstätigkeit in mäßigen Grenzen.

Heeresgruppe Gallwis.

Südwestlich von Ornes wurden nächtliche Borstöße des Feindes abgewiesen. Zwischen Maas und Mosel drangen eigene Sturmtruppen tief in die amerikanischen Stellungen bei Seicheprey ein und fügten dem Feinde schwere Verluste zu.

Hauptmann Berthold errang seinen 36. Luftfieg.

Der Erste Generalquartiermeister.

Ludendorff.

Zu dem Vorstoß zwischen Maas und Mosel wird ergänzend mitgeteilt, daß deutsche Sturmkompagnien am 19. Juni morgens nordöstlich Seiche prey in den Remiereswald ein­brangen und zum Teil bis zu dessen Südrand durchstießen.

Der österreichische Bericht.

Wien , 20. Juni 1918. Amtlich wird verlautbart: Die Schlacht in Venezien dauert fort. Der Feind erwiderte den Fall des größten Teils der Piave Front durch heftige, mit zäher Ausdauer geführte Gegenangriffe. Um unsere neue Stellung am Fosetta- Kanal, an der Bahn Oderzo Treviso und auf dem Montello wurde erbittert gerungen. Im Montello- Gelände steigerte sich der Kampf mitunter zur Heftigkeit der großen Karstschlachten. Die Italiener trieben ihre Sturmkolonnen stellenweise sechsmal vor. Große Verluste zwangen den Feind zu regellosem Einsatz seiner Reserven, die er divisions­und regimenterweise in den Kampf warf. Alle seine Anstrengungen waren vergebens. Die Heeresgruppe des Feldmarschalls v. Bor­sevic behauptete nicht nur restlos erkämpfte Linien, sondern warf mit den Divisionen des Generals der Infanterie Baron Schariezer die Italiener südlich der nach Treviso führenden Bahn weiter gegen Westen zurück. Auch füdöstlich Asiago liefen die Italiener abermals und mit gleichem Miß­erfolg wie an den Vortagen Sturm. Besonders rühmend wird in Truppenmeldungen der Mitwirkung der Schlachtflieger am Kampf- und Aufklärungsdienst gedacht. Von unseren Kampf­fliegern errang Hauptmann Bruno Wsky den 33. und 34., Oberleutnant v. Linke- Crawford den 25., Oberleutnant Fiala den 23. Luftfieg.

Der Chef des Generalstabes.

Das größere Britannien.

Mit Jubelfanfaren feiert die englische Presse die Be. teiligung der Dominions, der sich selbst verwalten­den Kolonien Kanada , Neufundland , Neuseeland , Australien und Südafrika , an der Leitung des Gesamtreichs. Die Freude ist erklärlich. Diese gewaltigen Gemeinwesen jen­seits des Meeres haben sich eine weitgehende Selbstverwal­tung zu sichern gewußt. Mehr als einmal wurde die Furcht rege, daß diese Kolonien von dem Mutterlande in der Stunde der Gefahr abfallen oder sich aus wirtschaftlichen Gründen mit anderen Staaten, vor allem mit der gewaltigen nordamerikanischen Union , vereinigen würden, die selbst aus einer ehemaligen englischen Kolonie zu einem Gemeinwesen geworden ist, das an Bevölkerungszahl und wirtschaftlicher Kraft das alte Mutterland überragt. Trium­phierend schreiben die Times":

" Das wichtigste Moment in der Entwicklung der britischen Verwaltung ist, daß Borden und Hughes, die Premiers von Kanada und Australien , und ihre überseeischen Kollegen einschließlich der indischen unter den gleichen Bedin­gungen wie die englischen Minister bei der Entscheidung über die uns alle interessierenden Angelegenheiten mitarbeiten werden. Gin Punkt, über den keine Meinungsverschiedenheiten bestehen, ist der, daß die Abgesandten der Dominions solange wie nur möglich in England bleiben müssen. Ihre Forscheraugen blicken auf den Gang der Dinge, ihre Erfahrungen und ihre klaren An­sichten bezüglich der Obersten Heeresleitung werden der Krise dieses Sommers nicht gut entbehrlich sein."

Vor hundert Jahren waren die Dominions Schiffahrts­stationen, Jagdgebiete von Belziägern oder gar nur Ver­brecherkolonien. In einer beispiellos furzen Zeit sind sie zu wichtigsten Gebieten der Weltwirtschaft geworden. Immer stand den englischen Staatsmännern die Gefahr drohend vor den Augen, daß sie den Weg der Vereinigten Staaten gehen und sich von dem Mutterlande loslösen fönnten. Um diese Gefahr zu beschwören, gab man ihnen in den sechziger und siebziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts volle Selbstverwaltung in allen ihren Angelegenheiten, ja, sogar das Recht, ihre militärische und maritime Verteidigung ohne Befragung des Mutterlandes zu organisieren und be­gnügte sich mit der internationalen Vertretung, wogegen die englische Flotte den Kolonien ihren mächtigen Schuß lieh. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die Vorherrschaft des Manchesterliberalismus in England, der alle staatlichen Bindungen und Herrschaftsformen verpönte und von den Kolonien sagte, daß sie mehr fosten als einbringen.

Schon in den achtziger Jahren trat ein Wandel in den grundsäglichen Auffassungen ein. Die Kolonien selbst waren es, die einen innigen Anschluß an England zur Ge­winnung eines gesicherten Absahmarktes für die landwirt­schaftlichen Erzeugnisse und eines stärkeren Schußes in den Welthändeln suchten. Die englische Regierung stand diesen Bestrebungen freundlich gegenüber, verhielt sich aber abwar­tend, weil sie die kolonialen Reichsglieder nicht durch betrieb­same Gile vor den Kopf stoßen wollte, und weil die sehr starke Freihandelspartei im Mutterland die Einführung eines Schutzolles als Voraussetzung der zollpolitischen Begünsti­gung der kolonialen Erzeugnisse verpönte.

Seit 1887 fanden Reichskonferenzen der leitenden Männer des Mutterlandes und der Dominions statt, die aber vor allem nur dem Austausch von Meinungen und viel weniger der Beschlußfassung über konkrete Verhandlungs­fragen dienten. Man diskutierte auf ihnen die Einführung eines einheitlichen Reichs- Portotarifs, die Dringlichkeit der einen oder andern Schiffahrtslinie oder Kabelverbindung, die Vereinheitlichung des Zivil-, Patent- und Handelsrechtes. die Einbürgerung von Engländern in die Kolonien oder von folonialen Bürgern in England. Daneben wurden aber all­Amsterdam, 20. Juni. ( T. U.) Nach Meldungen aus London gemeinpolitische Reden gehalten, bei welchen nicht selten die scheint dort eine Bewegung im Gange zu sein, mit dem Zweck, auch durch den Zollverein vorbereitete politische Einigung des den schwedischen Sozialisten Branting nicht nach England kommen Deutschen Reiches als vorbildlich hingestellt wurde. Schon zu lassen und ihm die Pässe zu verweigern. Unter dem Hinweis, damals schlug der Natalbure Hofmeyr vor, von daß zwei Vertreter des Bundes englischer See= allen Einfuhrgütern eine einheitliche Reichszollabgabe in Ieute aus Schweden ausgewiesen wurden, erklärte Have­der ungefähren Höhe von 2 oder 5 Proz. vom Werte in Tock Wilson: Wir sind sehr entrüstet und alle unsere Aemter nehmen allen Teilen des Reiches zu erheben und ihren Ertrag für die Resolutionen an, in denen die Regierung ersucht wird, Branting leistungsbetriebe die halbe Brotration, die Städte etwas, das Zwecke der Reichsverteidigung zu verwenden. Und übrige Stammland der Monarchie" gar nichts. der englische Ministerpräsident Salisbury versprach im Die Wochenration in Wien beträgt sonst noch: 500 Gramm Namen des Mutterlandes, daß es auch weiterhin die schwere Kartoffeln, mindestens die Hälfte ungenießbar, fünftig auch Raft der Reichsverteidigung tragen würde, aber von den noch wegfallend, 125 Gramm schwarzes Sleiemehl, 125 Kolonien zur Wahrung ihres eigenen Interesses und ihrer Gramm sonstige Mahlprodukte, 40 Gramm Fett( foll auf Selbsterhaltung Unterstützung erwarte: Möge der Tag nicht Während die Brotration in Wien für Schwerarbeiter 60 Gramm erhöht werden), ein Ei, 190 Gramm Zucker, fern sein, an dem jedermann in den Kolonien, nach dem Bor­1120 Gramm( Laib), für die anderen 630 Gramm 200 Gramm Fleisch nach nächtelangem Anstellen und etwas bilde jener, die in Aegypten für Englands Weltinteressen ge­( Laib) beträgt, besteht in der Provinz Niederösterreich Marmelade und Kaffeeerfat. fochten haben, bereit ist, persönlich an der Verteidigung des überhaupt kein Anspruch auf eine bestimmte Brotmenge mehr. Diese bedauerlichen Zustände sind die Folge des freien Reiches in allen seinen Teilen teilzunehmen und unter der Sie soll nur nach Maßgabe der vorhandenen Vorräte" be- Handels", den man jekt in Deutschland als Erlösung von Fahne der Königin zu dienen." Ein solcher Appell fand bei liefert werden. Zunächst erhalten die Arbeiter der Kriegs- allem Kriegsleid wieder aufschwätzen möchte. den Vertretern der Kolonien ein williges Ohr, die sich nicht

zu der Londoner Arbeiterkonferenz nicht zuzulassen.

Die Folgen des freien Handels.

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