Nr. 169. 35. Jahrg.
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Sonnabend, den 22. Juni 1918.
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Der Frieden von Bukarest ist gestern im Reichstage] Gegenstand einer ersten Besprechung gewesen, die aber nur als Einleitung der wirklichen Diskussion angesehen werden kann, die sich ergeben wird, sobald durch die Kommissionsberatung Klarheit über die Einzelheiten und den wirflichen Sinn dieses sehr komplizierten Vertragswerkes geschaffen ist. Mit Recht hat Genosse Scheidemann betont, daß sich die letzten Konsequenzen der zahllosen Bestimmungen dieses Friedensdokumentes, das zusammen mit den Zusayberträgen einen umfangreichen Band der Reichstagsdrucksachen ausfüllt, ohne weiteres gar nicht übersehen lassen. Das zeigte auch die gestrige Debatte, in der die alldeutsch gerichteten Redner- freilich nicht in so scharfen Ausdrücken wie ihre Organe, die den Bukarester Frieden als eine deutsche Schmach hingestellt haben über die milde Behandlung der Rumänen und das Fehlen einer Kriegsentschädigung jammerten, während man von unabhängiger Seite mit der Berurteilung des Friedens als eines brutalen Gewaltfriedens bereits bei der Hand war.
Gerade im Falle Rumänien haben die Annerionisten scheinbar ein paar sehr starke Trümpfe für die Propaganda ihrer Gewaltideale in der Hand. Die Treulosigkeit, mit der die rumänische Diplomatie den bestehenden Bündnisvertrag mit den Mittelmächten verriet, hat zweifellos im deutschen Volke stärksten Unwillen erregt. Dieser Unwille ist noch gesteigert worden durch die barbarische Art, mit der die Rumänen den größten Teil der in ihre Hand gefallenen gefangenen deut schen Soldaten durch Hunger und sonstige Quälereien hingemordet haben. Diese Tatsache ist nicht zu leugnen, und selbst der Sprecher der Unabhängigen, Ledebour , erklärte sich durchaus damit einverstanden, daß die Schuldigen an diesen traurigen Vorkommnissen zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden.
Aber auf der anderen Seite hat kein anderer als der Vertreter der deutschen Regierung, Staatssekretär Kühlmann, mit starken Worten betont, daß das rumänische Volk als solches zum größten Teile nur sehr gegen seinen Willen in den Krieg hineingehegt worden ist. Die deutsche Regierung hat damit anerkannt, daß grundsätzlich zwischen der Schuld einer Regierung und der Schuld eines Boltes unterschieden werden müsse, das ja ohnehin durch den unglücklichen Verlauf des Krieges genügend für seine Regierung gestraft worden ist.
Freilich werden es nicht allein Gründe der höheren Gerechtigkeit gewesen sein, die die deutsche Regierung zu diesem durchaus billigenswerten Standpunkt gebracht haben. Wir glauben vielmehr, daß auch sehr startesachliche Bedenten der Regierung klar gemacht haben, daß ein Straf- und Vergeltungsfrieden, abgesehen von der Befriedigung einiger rachebegieriger Heimkrieger, dem deutschen Volke nicht den mindesten Nuzen, wohl aber unermeßlichen Schaden gebracht hätte.
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Vergebliche italienische Anstürme westlich der Piave Das Ringen auf dem Montello Heftige feindliche Erkundungen an der französischen Nordwestfront Berlin, 21. Juni 1918, abends. Amtlich. Von den Kampffronten nichts Neues. Amtlich. Großes Hauptquartier, 21. Juni 1918.( W. Z. B.)
Westlicher Kriegsschauplah. Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Der Feind schte an der ganzen Front heftige Erkundungsvorstöße fort. Sie wurden überall abgewiesen. Nordöstlich von Merris und nördlich von Albert brachen englische Teilangriffe blutig zusammen.
Heeresgruppe Deutscher Kronprins. Dertliche Angriffe der Franzosen südwestlich von Noyon , der Amerikaner nordwestlich von Chateau- Thierry scheiterten. Franzosen und Amerikaner erlitten hierbei schwere Berlufte. Gefangene blieben in unserer Hand. Südwestlich von Reims wurden Italiener gefangen.
Die großen, ehemals von Franzosen benutten, deutlich fenntlich gemachten Lazarettanlagen im Ve81c- Tal zwischen Breuil und Montigny waren in letzter Zeit zweimal das Ziel feindlicher Bombenangriffe.
Der Erste Generalquartiermeister.
Ludendorff.
Der österreichische Bericht.
Wien , 21. Juni 1918. Amtlich wird verlaufbart: Der Feind sette seine Anstrengungen, uns die westlich ber Piave erkämpften Erfolge wieder zu entreißen, auch gestern in unverminderter Heftigkeit fort. Seine Opfer waren abermals vergebens. Alle Anstürme brachen an dem unerschütterlichen Widerstand unserer heldenhaften Truppen zusammen. Zu besonderer Wucht steigerte sich das Ringen
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auf der Karfthochfläche des Montello, wo an den flüchtig aufgeworfenen Verschanzungen der Divisionen des Feldmarschalleutnants Ludwig Goiginger Sturmwelle auf Sturmwelle zerschellte. · Ueberall stand Mann gegen Mann im Handgemenge. Auf Frontbreiten von zwei kilometer ballte der Feind Sturmtruppen in der Stärke von 8 Regimentern zusammen, um den Wall unserer Braven ins Wanken zu bringen. Gewaltiger Kräfteverbrauch zwang den Italiener, Reserve auf Reserve in die Schlacht zu werfen. Neben großen blutigen Verluften nimmt auch seine Einbuße an Gefangenen täglich zu. So wurden am vorletzten Gefechtstage auf dem Montello allein 3200 Mann eingebracht, davon 2000 durch das ungarische Infanterie- Regiment Nr. 139. Ungarische Heeresregimenter, öfterreichische Schützen und ungarische Honveds haben in diesen heißen, durch Tag und Nacht fortdauernden Kämpfen als Angreifer ebenso wie als Verteidiger ihrer ruhmreichen Geschichte ein neues Ehrenblatt eingefügt. An der Gebirgsfront herrschte gestern Artilleriekampf vor.
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Der Chef des Generalstabes.
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waltigung betrachtet werden kann. Solche wirtschaftlichen Abkommen sind ja recht eigentlich das Friedensziel der Sozialdemokratie; wir sehen in ihrem Abschluß nicht nur bei diesem Frieden das einzig taugliche Mittel zum Wiederaufbauder deutschen Volkswirtschaft nach dem Kriege.
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Der englische Außenminister bei Ausbruch des Krieges, Viscount Grey, hat dieser Tage eine Broschüre erscheinen lassen, in der er den Völkerbund aller Nationen mit ausdrücklichem Einschluß Deutschlands propagiert. Die Auszüge, die Neuter aus dieser Broschüre übermittelt, reichen nicht hin, ein abschließendes Urteil über ihren Wert zu fällen. Aber jedenfalls zeigen sie den englischen Exminister in ganz anderem Lichte, als ihn die alldeutsche Kriegslegende zu malen bestrebt ist.
Natürlich sucht man jetzt erst recht Greys Propaganda des Völkerbundes als ein besonders gerissenes und hinterlistiges englisches Manöver hinzustellen, um Deutschland in einer fein gelegten Schlinge zu erdrosseln. In Wirklichkeit sind Greys Gedankengänge die typischen Anschauungen des bürgerlichen pazifistischen Ideologen, die zwar von Standpunkt der sozialistischen Erkenntnis manche Kritik herausfordern, weil sie die der kapitalistischen Ausbreitung innewohnenden Kräfte viel zu wenig berücksichtigen, deren Gesinnung aber durchaus Anerkennung verdient. Wie wenig Grey auf eine Erdrosselung Deutschlands ausgeht, das zeigen die Schlüßjäße des von Reuter veröffentlichten Auszugs seiner Schrift, die lauten:
Alle müssen aus diesem Kriege lernen. Die Vereinigten Staaten und die Alliierten können die Welt nicht vom Militarismus erretten, wenn nicht Deutschland aus diesem Kriege lernt und sie werden weder die Welt noch sich selbst durch einen völligen Sieg über Deutschland retten, bevor auch fie gelernt haben, daß der Militarismus der tödliche Feind der Menschheit geworden ist.
Der Bukarester Frieden ist vielleicht nicht die schlechteste Lehre dafür, daß die Beziehungen der Staaten nach dem Kriege nicht auf der Basis der Gewalt geregelt werden können, sondern daß ein Wiederaufbau der Weltwirtschaft und einer Heilung der durch den Krieg geschlagenen Wunden nur durch eine friedliche Verständigung möglich ist, die den guten Willen aller beteiligten Staaten erzeugt, miteinander, nicht gegeneinander zu arbeiten.
5000 Tonnen Brotgetreide an Oesterreich
Wie die Heeresverwaltung mitteilt, sind aus militärischen Beständen 5000 Tonnen Brotgetreide nach Desterreich gegangen. Die Zuwendung, deren Ueberweisung sich ans militärischen Gründen empfahl, ist schon abgerollt.
Die Heeresverwaltung legt Wert auf die Feststellung, daß diese Zuwendung an Desterreich auf die Verpflegung des deutschen Heeres oder der deutschen Zivil. bevölkerung keinen Einfluß ausübe.
Die Abgabe ist gegen die bestimmte Versicherung erfolgt, daß Rückgabe der gleichen Menge bis zum 15. Juli erfolgt.
Rein tatsächlich betrachtet, konnte die deutsche Regierung den Rumänen ja auferlegen, was sie wollte. Nach dem Zerfall Rußlands war Rumänien trotz der ihm verbliebenen Fleinen Armee, wehrlos den siegreichen Mittelmächten ausgeliefert. Aber nun gerade zeigt sich die Ohnmacht der von den Alldeutschen gepredigten reinen Macht po Iitif. Es zeigt Nach Mitteilung der Neuen Freien Presse" sind von 1000 sich, daß das Schwert eben nur ein Schwert, aber kein Eisenbahnwagen Brotgetreide, die Deutschland Desterreich zur Univerfalinstrument für wirtschaftliche Arbeit iſt. Man kann mit dem Schwert Armeen niederwerfen, aber weder der Andeutschen abzurücken, selbst auf die Gefahr hin, daß Verfügung gestellt hat, bereits 500 Wagen im Anrollen. In der pflügen noch ernten, noch Petroleum bohren. Man kann mit diese aus enttäuschter Wut Herrn Kühlmann mit der Anklage Kreuzzeitung " wird hinzugefügt: Ferner verzichtet Deutschland dem Schwert hinrichten, aber keine Ausfuhr schaffen. eines unfittlichen Lebenswandels heimsuchten. Aber eins ist auf die Frühkartoffeln, die ihm seinerzeit im Rompensationsvöllig klar: wenn man von Rumänien auf praktisch unbe- wege aus den ungarischen Beständen angeboten worden sind. Das deutsche Volt hat nun aber ein weit geringeres grenzte Dauer die Lieferung seiner Getreide- und Petroleum - Diese Frühkartoffeln werden fortan ausschließlich Desterreich zuInteresse daran, daß in Rumänien einige Schuldige geköpft überschüsse zugesichert haben will, so ist dies nur möglich, wenn gute kommen. Ungarn hatte sich seinerzeit verpflichtet, von werden, als daß es mit dem rumänischen Volfe in eine Be- die Rumänen selber ein Interesse und guten seinen Ueberschüssen an Frühkartoffeln je die Hälfte nach Deutschziehung kommt, die es dem deutschen Volke dauernd er- willen bei der Sache haben, wenn sie diese Lieferung nicht land und Desterreich abzugeben. Bis jetzt sind nach Deutschland möglicht, die Ueberschüsse der reichen rumäni als eine lästige und schmachvolle Kontribution betrachten, der erst einige Wagen abgegangen, so daß noch annähernd 300 Wagen schen Urerzeugung, namentlich die Ueberschüsse an man sichy bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu entziehen für Desterreich bleiben. Aus dem Telegramm Ludendorffs an Getreide und Petroleum, für seine Volkswirtschaft sucht." den Wiener Bürgermeister Dr. Weiskirchner geht hervor, daß zu sichern. Aber hierbei versagt die Gewalt. Man könnte ja Es ist freilich noch verfrüht, ein Urteil darüber abzu- alle Getreideeinfuhren aus Rumänien , Beßan das gewaltsame Wegnehmen denken. Aber die letzten Vor- geben, ob die in Bukarest abgeschlossenen Verträge wirklich so a rabien und der Ukraine restlos Desterreich gänge in der Ukraine geben einen deutlichen Fingerzeig gestaltet sind, daß sie durch ihren Inhalt ihre nne überlassen und auch die für die Westfront bestimmten dafür, daß mit noch so strengen Erlassen militärischer Be- haltung garantieren. Das wird die Einzelberatung der, Sendungen im April, Mai und Juni trok der dortigen schweren fehlshaber sich gegen den Willen der Bevölkerung kaum ein wie gesagt, sehr komplizierten und schwer zu übersehenden Ernährungsfrage unserem Bundesgenossen zur Verfügung ge Ueberschuß aus der Erzeugung eines Landes herausholen Einzelverträge im Hauptausschuß des Reichstages ergeben. ftellt worden sind. läßt. Und überdies ist Deutschland an der rumänischen Aus- Die Sozialdemokratie wird jedenfalls nicht nur aus prinzi- Auch aus Ungarn wird Hilfe angekündigt. Jm ungafuhr ja nicht nur so lange interessiert, wie deutsche Besatzungs- piellen Gründen, sondern im höchsten fachlichen rischen Abgeordnetenhause sagte Ministerpräsident Weferle am truppen im Lande stehen, sondern auf Jahrzehnte und Interesse des deutschen Volkes und der deutschen Volks- Donnerstag bei Besprechung der Schwierigkeiten der ErnähGenerationen hinaus. wirtschaft den Standpunkt zu vertreten haben, daß die mit rungsverhältnisse in Ungarn : ,, Auch bei uns gibt Man sieht, die Theorie der Herren, welche die Erde mit Rumänien beschlossenen Wirtschaftsverträge nur dann von es biele Schwierigkeiten. Es bedarf der größten dem blanken Schwert regieren wollen, scheitert legten bleibendem Werte sind, wenn sie keine verstedte Ron- Selbstaufopferung, mit so verringerten Lebensmitteln auszuEndes an der harten Rogik der Tatsachen und tribution und Abgabe für das rumänische Volk in sich kommen. Dazu kommen die in Oesterreich eingetretenen Zuber wirtschaftlichen Verhältnisse. schließen, sondern sich als ein freies wirtschaftliches stände. Diese machen es unerläßlich, das wir, wenn möglich so
Diese Logik der Tatsachen hat offenbar auch die deutsche Uebereinkommen darstellen, das auch vom rumänischen fort, jedenfalls aber nach der neuen Ernte, die bei uns früher Regierung veranlaßt, von den Nache- und Vergeltungsgelüften Bolt als eine Verständigung, nicht als eine Berge lift als in Desterreich, aur Beseitigung oder wenig.